-
Verfahren zur Herstellung von bakteriostatisch wirksamen und harnsteinlösend
wirkenden Hexamethylentetraminkomplexsalzen Es wurde gefunden, daß man Hexamethylen
tetraminkomplexsalze mit unerwarteten, wertvollen pharmakologischen Eigenschaften
erhält, wenn man Hexamethylentetramin mit komplexbildenden gesättigten Aminocarbonsäuren,
die je Stickstoffatom mindestens zwei Carboxylgruppen enthalten, im ungefähren Molverhältnis
2 : i bis 5 : i umsetzt.
-
Als Beispiele solcher komplexbildenden gesättigten Aminocarbonsäuren,
deren Herstellung zum Teil in den deutschen Patentschriften 687 563, 638071, 664499
671334 oder 69478o beschrieben ist, werden genannt die Iminodiessigsäure,
Nitrilotriessigsäure, Athylendiamin-N, N'-tetraessigsäure, Diaminodiäthyläther-
und Diaminodiäthylsulfid-N, N'-tetraessigsäure, i, 2-Diaminocyclohexan-N, N'-tetraessigsäure,
Pyrrolidin-2, 5-di-. carbonsäure-N-essigsäure und r, 2-Äthylen-bis-(N-pyrrolidin-2',
5'-dicarbonsäure).
-
Die Umsetzung dieser Aminocarbonsäuren mit Hexamethylentetramin erfolgt
zweckmäßig in der Weise, daß man die feste Aminocarbonsäure in eine wäßrige Lösung
von Hexamethylentetramin einrührt, wobei unter Selbsterwärmung die Aminocarbonsäure
in Lösung geht. In manchen Fällen ist Kühlen zu empfehlen oder kurzes Erwärmen förderlich.
-
Während die genannten Aminocarbonsäuren im allgemeinen in Wasser schwer
löslich sind, sind die nach dem vorliegenden Verfahren erhältlichen neuen Komplexsalze
sehr gut wasserlöslich, wodurch
ihre therapeutische Verwendung
erleichtert wird.
-
Die neuen Komplexsalze deren Konstitution noch nicht aufgeklärt wurde,
besitzen bemerkenswerte pharmakologische Eigenschaften, die den Einzelbestandteilen
fehlen. Sie wirken in neutraler oder schwach alkalischer Lösung stark hemmend auf
das Wachstum vieler Bakterien, während das Hexamethylentetramin allein nur in saurer
Lösung bakteriostatisch wirkt. Da die Komplexsalze wegen ihrer Neutralität und ihrer
geringen Giftigkeit sehr gut verträglich sind, kann man sie mit Vorteil z. B. zum
Desinfizieren der Harnwege verwenden. Über diese desinfizierende Wirkung hinaus
regen sie die Ausstoßung von Harn- und Nierensteinen an, wobei außer der calciumlösenden
Wirkung auch ihre diuretische und spasmolytische Wirkung eine vorteilhafte Rolle
spielt. Sie können daher in weit größerem Umfange zur Behandlung von Erkrankungen
der Harnwege eingesetzt werden als Hexamethylentetramin allein.
-
Eine therapeutische Verwendung der Aminocarbonsäuren selbst oder ihrer
Alkalisalze kommt wegen ihrer physiologisch ungünstigen pH Werte (etwa 2 bzw. 12)
bekanntlich nicht in Betracht. Erst durch die Umsetzung mit Hexamethylentetramin
ist es gelungen, sie zur Behandlung von Erkrankungen der Harnwege zu verwenden.
-
Es sind bereits zahlreiche Verbindungen von Hexamethylentetramin mit
Carbonsäuren, auch mit Aminocarbonsäuren, bekannt (vgl. die Zusammenstellung von
J. Al tp et er : »Das Hexamethylentetramin und seine Verwendung«, 1931, S. 66 ff.,
besonders S. 88, Mitte, und S. 89, Abs. 1 und 2). Die dort beschriebenen Formiate
oder Acetate des Hexamethylentetramins und Kondensationsprodukte aus Monoaminomonocarbonsäuren,
Formaldehyd und Hexamethylentetramin sind ebenso wie das Hexamethylentetramin selbst
nur in saurem Medium bakteriostatisch wirksam. Das gleiche gilt für das aus den
deutschen Patentschriften 672 494, 824 055 und 824 o56 bekannte mandelsaure Salz
des Hexamethylentetramins. Vor allem zeigt diese bekannte Verbindung keine harnsteinlösenden
Wirkungen.
-
Von dem in der deutschen Patentschrift 687 250
beschriebenen
adipinsauren Hexamethylentetramin wird zwar gesagt, daß es unter gewissen Voraussetzungen
(die nicht erläutert werden) die Wiederauflösung vorhandener Phosphatsteine bedingen
könne, doch beruht diese Wirkung offensichtlich auf einer Säuerung des Harnes infolge
Hydrolyse .des Salzes (vgl. S. 2, Zeile 34, der genannten Patentschrift) ; dies
ist aber physiologisch sehr bedenklich. Von einer lösenden Wirkung auf Urat- und
Oxalatsteine ist dort nichts erwähnt. Demgegenüber wirken die erfindungsgemäß erhältlichen
Hexamethylentetraminkomplexverbindungen auch in schwach alkalischem Medium, wie
es in den Harnwegen besteht, bakteriostatisch und lösend auf Urat- und Oxalatsteine.
-
Auch die in der deutschen Patentschrift 552 265 beschriebenen Verbindungen
der Borsalicylsäure mit Hexamethylentetramin reagieren in wäßriger Lösung sauer.
Das gleiche gilt für die aus der deutschen Patentschrift 738499 bannten Produkte
aus Aryloxyalkylcarbonsäuren und Hexamethylentetramin. Eine harnsteinlösende Wirkung
ist nicht erwähnt und auch nicht zu erwarten.
-
Ferner ist aus der deutschen Patentschrift 611693 ein Betain und aus
der deutschen Patentschrift 295 736 ein Methylhydroxyd des Hexamethylendiamins bekannt.
Die Herstellung dieser Derivate des Hexamethylentetramins ist ziemlich umständlich
und erfordert zusätzliche Chemikalien, wie Blei- oder Silbersalze bzw. Chromate
oder Silberoxyd. Überdies besitzen auch diese bekannten Produkte keine harnsteinlösenden
Eigenschaften.
-
Man kann die erfindungsgemäß erhältlichen neuen Komplexsalze für sich
oder zusammen mit anderen Heilmitteln verwenden, z. B. mit den Umsetzungsprodukten
des Hexamethylentetramins mit Camphersäure, mit Natriumbenzoat oder mit dem sogenannten
Hexamethylentetraminanhydromethylencitrat.
-
Die in den Beispielen genannten Teile sind Gewichtsteile. Beispiel
i In eine Lösung von 56o Teilen Hexamethylentetramin in 84o Teilen Wasser rührt
man bei gewöhnlicher Temperatur 29.2 Teile Äthylendiamin-N, N'-tetraessigsäure ein.
Diese geht allmählich in Lösung, während die Temperatur auf etwa 40° steigt. Man
dampft die Lösung, die den pH-Wert 6 zeigt, unter vermindertem Druck zur Trockne
ein und erhält in praktisch quantitativer Ausbeute ein farbloses, leicht wasserlösliches
Pulver. Durch Umkristallisieren aus Methanol erhält man es in Form. derber, säulenartiger
Kristalle, die sich bei etwa 15o° unter Gelbfärbung zersetzen. Bei gewöhnlicher
Temperatur lösen sich in ioo Teilen Wasser etwa i i6 Teile, in ioo Teilen
Methanol etwa 8,6 Teile, in ioo Teilen Äthanol etwa 5 Teile und in ioo Teilen Chloroform
etwa 7 Teile. Die io%ige wä.Brige Lösung zeigt den pH-Wert 6, die ioo/oige den pH-Wert
6,4.
-
Die wäßrigen Lösungen wirken diuretisch und lösen die bei Nierensteinkoliken
eintretenden Spasmen in kurzer Zeit, so daß Schmerzfreiheit eintritt. Die Nierensteine
gehen häufig schon nach kurzer Zeit mit dem Harn ab. Das neue Komplexsalz verhindert
bei einem pH-Wert 7,2 noch in einer Verdünnung von i : i ooo ooo das Wachstum von
Bacterium coli (Keimverdünnung i : 64oo) und Staphylococcus aureus (gleiche Keimverdünnung)
und bei einem pH-Wert 5,5 in der gleichen Konzentration noch das Wachstum der gleichen
Mikroorganismen bei einer Keimverdünnung von i : 5 i Zoo, während Hexamethylentetramin
unter den gleichen Bedingungen unwirksam ist. Im Vergleich zu den aus der deutschen
Patentschrift 687 250 bekannten primären und sekundären adipinsauren Salzen
des Hexamethylentetramins erweist sich das neue Komplexsalz in neutralem
und
schwach alkalischem Medium als etwa zehnbis zwanzigmal wirksamer gegen die obengenannten
Mikroben.
-
Komplexsalze von ähnlicher Wirkung erhält man, wenn' man 420 oder
7oo Teile Hexamethylentetramin zur Umsetzung verwendet.
-
Beispiel 2 In eine wäßrige Lösung von 42o Teilen Hexamethylentetramin
rührt man igi Teile Nitrilotriessigsäure ein. Die erhaltene Lösung ergibt beim Eindampfen
unter vermindertem Druck ein farblose, leicht wasserlösliches Pulver, das sich beim
Umkristallisieren aus Wasser in derben, fast kegelförmigen Kristallaggregaten mit
2 Molekülen Kristallwasser ausscheidet. Die wasserfreien Kristalle zersetzen sich
bei etwa i78° unter Gelbfärbung. In ioo Teilen Wasser lösen sich bei gewöhnlicher
Temperatur etwa 168 Teile, in ioo Teilen Methanol etwa i9 Teile - und in ioo Teilen
Chloroform etwa 11,9 Teile. Die io/oige wäßrige Lösung zeigt den p11-Wert 5,5, die
ioo/oige den pH-Wert 5,9.
-
Das neue Komplexsalz zeigt ähnliche Eigenschaften wie die nach dem
Beispiel i erhältlichen Komplexsalze.
-
Entsprechende Komplexsalze entstehen auch bei Verwendung von 28o oder
35o Teilen Hexamethylentetramin. Beispiel 3 In eine wäßrige Suspension von 34o Teilen
1, 2-D:aminocyclohexan-N, N'-tetraessigsäure rührt man bei gewöhnlicher Temperatur
56o Teile Hexamethylentetramin ein und erwärmt die Mischung, bis sämtliche Bestandteile
gelöst sind. Die entstandene farblose Lösung kann als solche verwendet oder durch
Eindampfen unter vermindertem Druck in ein farbloses, leicht wasserlösliches Kristallpulver
verwandelt werden, das sich bei etwa 18q.° unter Gelbfärbung zersetzt. Beim Umkristallisieren
aus Wasser erhält man das Monohydrat als derbe, stark lichtbrechende Kristalle.
Die io/aige wäßrige Lösung zeigt den pH-Wert 6,4, die ioo/oige den pH-Wert 6,9.
Die wäßrige Lösung wirkt bei Nierenkoliken spasmolytisch und schmerzlindernd und
fördert den Abgang der Steine.
-
An Stelle der i, 2-Diaminocyclohexan-N, N'-tetraessigsäure kann man
mit ähnlichem Erfolg auch 336 Teile Diaminodiäthyläther-N, N'-tetraessigsäure oder
35o Teile Diaminodiäthylsulüd-N, N'-tetraessigsäure verwenden.
-
Man kann an Stelle der obengenannten Menge Hexamethylentetramin auch
eine etwas geringere oder größere Menge anwenden. Beispiel 4 32o Teile Äthylen-i,
2-bis-(pyrrolidin-2', 5'@dicarbonsäure) werden mit 56o Teilen Hexamethylentetramin
und i2oo Teilen Wasser bei 70° gerührt, bis sämtliche Bestandteile gelöst sind.
Durch Eindampfen der Lösung unter vermindertem Druck erhält man ein farbloses, leicht
wasserlösliches Pulver, das sich bei etwa 165° unter Gelbfärbung zersetzt und ähnliche
Eigenschaften zeigt wie die nach den vorhergehenden Beispielen erhältlichen Produkte.