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Enzymatische Enthaarung mit Pankreastryptase Aus der deutschen Patentschrift
268 873 ist es bekannt, daß Pankreastryptase haarlockernd wirkt, wobei man
die Haarlockerung durch alkalische Reaktion der Tryptaselösung oder durch eine Vorbehandlung
der Felle und Häute mit einer alkalisch reagierenden Lösung verbessern kann. Wenn
man dabei erfindungsgemäß mit einer nichtschwellenden alkalischen Lösung vorbehandelt
'. ist die Haarlockerung sehr gering; das Verfahren hat sich deshalb nicht in der
Praxis eingeführt. Nach der deutschen Patentschrift 386017 werden deshalb
Felle, z. B. Schaffelle, mit einer 0,30/aigen Ätznatronlösung vorbehandelt. Die
dabei auftretende unerwünscht starke Schwellung wird durch gleichzeitigen Zusatz
von Neutralsalzen, wie z. B. Natriumsulfat, reduziert. Eine weitere Verbesserung
bringt dann das Verfahren der deutschen Patentschrift 389 354, nach welchem
man bei der Vorbehandlung mit einem gebrauchsfertigen Gemisch aus 66 % Ätznatron
und 34% wasserfreiem Natriumsulfat arbeitet. Nach diesem Verfahren werden z. B.
Kalbfelle mit 500% Wasser, 2,5 % Ätznatron, 1 J % Natriumsulfat, wasserfrei,
4 Tage lang vorgeschwellt, bevor sie in die Lösung der Pankreastryptase unter Zusatz
von Natriumbicarbonat eingebracht werden. In dieser Anwendungsart ist das Verfahren
von der Praxis aufgenommen worden, jedoch nicht für Kalbfelle und Rindshäute, sondern
nur für Ziegenfelle, da für Kalbfelle und Rindshäute die Schwellung zu stark und
die Haarlockerung unbefriedigend ist. Aber auch bei Ziegenfellen konnte sich dieses
Verfahren nur für weichnaturige Provenienzen auf die Dauer durchsetzen, da bei hartnaturigen
Fellen die starke alkalische Vorbehandlung bzw. -schwellung zu Narbenzug führt.
-Weiterhin ist durch die deutsche Patentschrift 1026 038 bekannt, daß man
mit Pankreastryptase auch ohne alkalische Vorschwelhing und ohne Schädigung der
Hautsubstanz arbeiten kann, wenn Pankreastryptase auf die zu enthaarenden Felle
und Häute in Pulverform aufgebracht und ohne Zusatz von Wasser im Faß in die geweichten
Felle und Häute eingewalkt wird.
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In der genannten deutschen Patentschrift wird jedoch darauf hingewiesen,
daß man von Pankreastryptase mindestens dreimal soviel Enzym nehmen muß wie von
Schimmelpilztryptase und daß man trotzdem noch nicht die gleiche leichte Enthaarung
bzw. Entwollung erreichen wird. Gegenüber dem bekannten Verfahren erfordert das
erfindungsgemäße in der Flotte ablaufende Enthaarungsverfahren nicht nur eine geringere
Enzymmenge, sondern ermöglicht auch die Enthaarung solcher Häute., bei denen das
bekannte »Pulververfahren« zu unbefriedigenden Ergebnissen führt.
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Es wurde nun gefunden, daß man Häute und Felle mit Hilfe von eiweißspaltenden
Enzymen der Bauchspeicheldrüse aus nichtschwellender Flotte leicht und vollständig
enthaaren kann, wenn man die Häute und Felle in einer Lösung mit einem pH-Wert zwischen
5,0 und 8,5, die von Mikroorganismen gebildete Proteasen enthält,
vorbehandelt. Die Gewinnung der Enzyme der Bauchspeicheldrüse ist z. B. in »Grundlagen
der Lederherstellung« von H.Herfeld, Verlag von Theodor Steinkopff, Dresden und
Leipzig, 1950, S, 141, und in »Gerbereichemie« von E. S t i a s
n y, Verlag von Theodor Steinkopff ,
Dresden und Leipzig,
1931, S. 293, beschrieben. Sowohl die Wirkung der Pankreastryptase als auch
die der von Mikroorganismen gebildeten Proteasen der Vorbehandlungsflotte kann durch
zugesetzte Glykosidasen gesteigert werden. Zu besonders guten Effekten kommt man,
wenn man der Vorbehandlungsflotte die eben genannten, Obligosaccharide abbauenden
Enzyme zusetzt. Als dafür geeignet haben sich solche Glykosidasen erwiesen, die,
ebenso wie die in der Vorbehandlungsflotte zu verwendenden eiweißspaltenden Enzyme,
von Mikroorganismen, vornehmlich von Bakterien, gebildet worden sind. Der Zusatz
an sich bekannter Aktivatoren, z. B. Natriumsulfit, Natriumbisulfit, Ammoniumsalze,
Natriumnitrit und Natriumnitrat, verbessert erwartungsgemäß den mit dem erfindungsgemäßen
Verfahren erzielbaren Effekt.
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Bei den in Frage stehenden Glykosidasen handelt es sich, wie bereits
erwähnt, um solche Enzyme, die nur Oligosaccharide abzubauen vermögen, also nicht
um die z. B. von der Bauchspeicheldrüse erzeugten, Polysaccharide spaltenden Polyasen.
Bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens kann man nicht nur weitgehend
gereinigte Produkte, z. B. die in Mandelemulsin enthaltenden ß-Glucosidase
und
Galactosidasen, verwenden, vielmehr kann man die bei der Gewinnung von Bakterien
und Schimmelpilzenzymen gebildeten Glykosidasengemische benutzen.
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Es ist zwar bereits bekannt, bei der Enthaarung mit proteolytischen
Enzymen nach Zweistufenverfahren zu arbeiten. Es kann z. B. die Haarlockerung mit
Hilfe von Schimmelpilzprotase dadurch verbessert werden, daß die zu enthaarenden
Felle und Häute nach abgeschlossenem Weichprozeß der Einwirkung mäßiger Mengen von
Schimmelpilzproteasen und Carbohydrasen ausgesetzt werden, bevor man die Felle der
Einwirkung von Schimmelpilzprotease als Enthaarungsmittel unterwirft. Nach einem
anderen Verfahren wird dem Enthaarungsbad mit Schimmelpilzprotease eine Behandlung
mit einer mäßigen Menge Bakterienprotease vorgeschaltet.
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Im Gegensatz dazu handelt es sich erfIndungsgemäß um ein zweistufiges
Enthaarungsverfahren, bei dem durch eine nacheinander erfolgende Einwirkung von
durch Mikroorganismen gebildeten Proteasen und von Pankreasenzymen in einem jeweils
bestimmten pH-Bereich eine vollständige Enthaarung in der Flotte erzielt wird, ohne
daß eine stark alkalische und deshalb schwellende Vorbehandlung erforderlich ist.
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Auch Beizprozesse lassen sich in der Weise durchführen, daß verschiedenartige
proteolytische Enzyme in zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsgängen zur An-
wendung
kommen. Bei einem solchen Verfahren können Rinderpankreastryptase und Pilztryptase
in beliebiger Reihenfolge nacheinander verwendet werden. Bei einem anderen Beizverfahren
dieser Art kommt zuerst Pankreastryptase in schwach alkalischer Flotte zur Einwirkung,
daran schließt sich eine Behandlung mit Bakterienprotease in schwach saurem Milieu
an.
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Abgesehen davon, daß das Verfahren gemäß vorliegender Erfindung nur
dann den gewünschten Erfolgt hat, wenn mit proteolytischen Enzymen aus Mikroorganismen
bei pH 5,0 bis 8,5 vorbehandelt und mit Pankreastryptase im alkalischen
Medium bis zur Enthaarung nachbehandelt wird, kann keineswegs von einem enzymatischen
Beizverfahren auf ein enzymatisches Enthaarungsverfahren geschlossen werden.
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Es handelt sich in beiden Fällen um grundverschiedene Vorgänge, bei
denen man sich zwar die proteolytische Wirksamkeit von Enzymen zunutze macht, jedoch
der Effekt im einzelnen von zahlreichen Faktoren abhängt, so daß er nicht vorausgesagt
werden kann.
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In erster Linie muß berücksichtigt werden, daß bei der Beize und Enthaarung
verschiedene Substrate vorliegen, auf die die Enzyme zur. Einwirkung kommen. Bei
der Haarlockerung werden durch die Enzyme die Protolasmaproteine in den unteren
Epidermisschichten hydrolysiert, während bei der Beize die Enzyme mit einer Haut
in Berührung kommen, bei der diese Epidermisschichten bereits entfernt sind.
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Der mit dem neuen Verfahren erzielbare Effekt sei mit folgendem Beispiel
deutlich gemacht: Die linke Hälfte eines gesalzenen, mit Wasser geweichten und ausgewaschenen
Kalbfelles wird mit 200 1/o Wasser von 18 bis 20' C, 0,8 % Schimmelpilzprotease,
0,3 1/o Konservierungsmittel (Natriumphenyl-phenolat), 3 % Pankreastryptase
bei einem auf 8,5 eingestellten pH-Wert 1 Stunde bewegt und anschließend
25 Stunden liegengelassen. Die Protease-und Tryptasepräparate weisen Enzymwerte,
bestimmt nach der Methode von Löhlein-Volhard, von 5000 auf. (Literatur:
»Gerbereichchemisches Taschenbuch« von A. Küntzel, 1955, S.
86).
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Nach der angegebenen Zeit ist keine Haarlockerung feststellbar. Die
rechte Hälfte des gleichen gesalzenen, mit Wasser geweichten und dann ausgewaschenen
Kalbfelles wird zunächst mit 3001/o Wasser von 18 bis 201, 0,80/9 Schimmelpilzprotease,
0,3% Konservierungsmittel (Natriumphenyl-phenolat) bei einem pH-Wert von
5,5
1 Stunde bewegt. Die Protease weist die gleiche enzymatische Wirksamkeit
wie die bei diesem Vergleichsversuch benutzte Pankreastryptase auf. -Nach einer
Stunde werden 3% Pankreastryptase zugesetzt und der pH-Wert der Flotte auf
8,5 eingestellt. Nach nochmaliger lstündiger Bewegung bleibt die Hälfte ebenfalls
über Nacht hegen. Nach gleich langer Einwirkung wie bei der linken Hälfte wird enthaart,
wobei eine 100%ige Enthaarung erreicht wird. Daraus ergibt sich, daß die Vorbehandlung
mit Schimmelpilzprotease dafür ausschlaggebend ist, daß man mit Pankreastryptase
zu einer vollständigen Enthaarung kommt. Wenn man für die Vorbehandlung an Stelle
von Schimmelpilzprotease entsprechende Mengen Pankreastryptase verwendet, erzielt
man keine Haarlockerung. Demnach sind Pankreastryptase einerseits und Schimmelpilzprotease
andererseits nicht als Auivalente anzusehen. Dies ergibt sich daraus, daß in der
Praxis schon seit langer Zeit Schimnielpilzprotease ohne alkalische Vorschwellung
als Enthaarungsmittel in der Flotte verwendet wird, während diese Arbeitsweise mit
Pankreastryptase bisher nicht möglich war. Die in dem obigen Beispiel für die Vorbehandlung
verwendete Menge an Schimmelpilzprotease würde jedoch allein für eine vollständige
Enthaarung nicht annähernd ausreichen, denn dafür würde man mehr als die
drei- bis vierfache Menge benötigen.
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Wie erheblich der Einfluß von Glykosidasen ist, ergibt sich aus folgendem
Vergleichsversuch: Ein in Wasser geweichtes indisches Ziegenfell wird in vier gleiche
Teile geteilt.
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a) Ein Viertel wird mit 300%, Wasservon18bis20'C, 3 % Pankreastryptase,
0,3 1/o Konservierungsmittel (Natrium-phenylphenolat), eingestellt auf ph
8,5,
1 Stunde bewegt. Nach 24 Stunden wird enthaart, wobei sich nur
etwa 101/o der Haare entfernen lassen.
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b) Ein weiteres Viertel wird mit 300 1/o Wasser von
18 bis 201 C,
0,2 % Emulsin (in der Bittermandel enthaltene Glykosidase),
eingestellt auf pH 6,0,
1 Stunde bewegt; nach einer weiteren Stunde
werden 3 1/o Pankreastryptase, 0,3 % Konservierungsmittel (Natrium-phenylphenolat),
auf pH 8,5 eingestellt, zugegeben, und es wird nochmals 1 Stunde
be-
wegt. Nach insgesamt 24 Stunden wird enthaart. Es lassen sich etwa
25 1/o der Haare entfernen.
-) Ein weiteres Viertel wird
mit lp 300 % Wasser von 18 bis 20' C, 0,811/o Schimmelpilzprotease, 1 Stunde
bewegt. Nach 1 Stunde Ruhe werden 3,0 % Pankreastryptase, 0,31% Konservierungsmittel
(Natrium-phenylphenolat), eingestellt auf pH 8,5,
zugesetzt, und es wird nochmals
1 Stunde bewegt. Nach insgesamt 24stündiger Einwirkung wird enthaart. Es
lassen sich etwa 70 % der Haare entfernen.
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d) Das letzte Viertel wird 1 Stunde mit 3001/o Wasservon18bis20'C,
0,8 % Schimmelpilzprotease, 0,2% Emulsin, eingestellt auf pH 6,0,
1 Stunde bewegt. Nach 1 Stunde Ruhe werden 3,0% Pankreastryptase,
0,3 % Konservierungsmittel (Natrium-phenylphenolat), eingestellt auf pH
8,5,
zugesetzt, und es wird nochmals 1 Stunde bewegt. Nach insgesamt
24stündiger Einwirkung wird enthaart. Das Stück läßt sich leicht und vollständig
enthaaren.
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Die in den vorstehenden Versuchen angewendete Pankreastryptase und
Schimmelpilzprotease weisen beide einen Enzymwert von 500 auf. Das unter
b)
und d) angeführte Emulsin hat einen fl-Glucosidasewert von
0,01 (Literatur: K.Myrbäck, »Enzyniatische Katalyse«, 1953, S. 45).
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Das in diesen Beispielen festgestellte Verhältnis der Haarlockerung
entspricht nicht einer Einzelbeobachtung, sondern zahreichen Versuchsreihen, von
denen das obige Ergebnis ein typisches Beispiel für den jeweiligen Grad der Haarlockerung
in Ab-
hängigkeit von den verschiedenen Zusätzen darstellt.
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Die Einwirkungsdauer der Vorbehandlung mit proteolytischen Enzymen
von Mikroorganismen allein oder zusammen mit Glykosidasen vor der Behandlung mit
Pankreastryptase soll nicht auf die in den obigen Ausführungen und den folgenden
Beispielen angeführte Zeit von 2 Stunden beschränkt sein. Zum Umfange der vorliegenden
Erfindung soll jedes Vorgehen gehören, bei dem man vor der Einwirkung von Pankreastryptasen
auf die zu enthaarenden Häute und Felle diese mit der Lösung in einer Flotte behandelt,
die von Mikroorganismen gebildete Proteasen allein oder zusammen mit Glykosidasen
enthält.
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Wenn sich auch die in den nachfolgenden Beispielen beschriebene Durchführung
des Verfahrens als besonders zweckmäßig erwiesen hat, kann die Behandlung der geweichten
Felle auch in getrennten Bädern erfolgen.
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Soweit man bei der Vorbehandlung nur Proteasen verwendet, arbeitet
man zweckmäßig bei pH 7 bis 8,5; wenn auch Glykosidasen anwesend sind,
bevorzugt man pH 5 bis 7. Die Pankreastryptase bringt man zweckmäßig
bei pH 8,5 zur Einwirkung. Auf alle Fälle wird aber ohne jegliche alkalische
oder saure Schwellung gearbeitet.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann bei normaler Temperatur,
d. h. bei 18 bis 20' C, oder auch bei einer gegebenenfalls
zeitweilig erhöhten Temperatur von z. B. 2 8 bis 30' C, durchgeführt
werden.
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Beispiel 1
In üblicher Weise geweichte Ziegenfelle werden mit
3001/o Wasservon18bis20'C, 0,8% Schimmelpilzprotease aus Aspergillusparasiticus,
frei von Glykosidasen, 0,3 % Natriumphenylphenolat als Konservierungsmittel
1 Stunde bewegt. Nach 1 Stunde Ruhe werden 3,0 % Pankreastryptase
zugesetzt. Nach weiterer einstündiger Bewegung bleiben die Felle liegen. Nach etwa
36 Stunden wird enthaart. Bei der Vorbehandlung und bei der Behandlung mit
Pankreastryptase wird ein pH-Wert von 8,5 eingehalten.
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Beispiel 2 Wie üblich geweichte Ziegenfelle werden mit 300% Wasservon18bis20'C,
0,8 % Schimmelpilzprotease, 0,2 1/o Mandelemulsin durch Zusatz von verdünnter
Ameisensäure auf einen pH-Wert von 5 bis 5,5 eingestellt und
1 Stunde bewegt. Nach 1 Stunde Ruhe werden 3,0% Pankreastryptase,
mit Bicarbonat auf einen pH-Wert von 8,5 eingestellt, zugesetzt. Nach nochmaliger
lständiger Bewegung bleiben die Felle liegen. Nach 24 Stunden wird enthaart.
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Beispiel 3
Gesalzene und mit Wasser geweichte Kalbfelle werden
mit 300% Wasser von 18 bis 20' C, 0,4% Bakterienenzympräparat mit proteolytischer
und glykosidischer Wirkung, 0,25 1/o Natriumbisulfit, 1,0 % Natriumsulfit,
0,2 1/o Ammoniumsulfat bei einem pH-Wert von 7
1 Stunde bewegt. Nach
1 Stunde Ruhe werden 3,0 17o Pankreastryptase, 0,5 %
Ammoniumsulfat zugesetzt und die Flotte auf ein pH-Wert von 8,5 eingestellt.
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Nach weiterer lstündiger Bewegung bleiben die Felle liegen. Nach 24
Stunden wird enthaart.
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Die in den vorstehenden Beispielen verwendete Schimmelpilzprotease
und Pankreastryptase weisen Enzymwerte, bestimmt nach der Methode von Löhlein-Volhard,
von 500 auf. Der ß-Glucosidasewert des im Beispie12 angegebenen Emulsins
beträgt 0,01; die im Beispie13 verwendete Glykosidase weist einen Glucosidasewert
von 0,013 auf.