-
Es ist bekannt, daß man geweichte Felle oder Häute unter Anwendung
pulverförmiger Enzymprodukte enthaaren und im sauren Bereich, d. h. bei pH-Werten
unter 7, mit enzymhaltigen Flotten beizen kann, wenn die Felle oder Häute
nach der Enthaarung in bekannter Weise mit einem alkalisch schwellenden Äscher behandelt
werden.
-
Gegenstand des deutschen Patents 1230 169 ist ein Verfahren,
wonach man nach einer enzymatischen Enthaarung auch ohne schwellenden alkalischen
Nachäscher ein hochwertiges Leder erzielen kann, wenn man die Enthaarung mit proteolytischen
Enzymen unter Zusatz von Carbohydrasen, vor allem aus Mikroorganismen, bei pH
5,5 bis 10,0 durchführt und die Felle und Häute nach der Enthaarung
mit proteolytischen Enzymen bei pH 3,0 bis 5,5 nachbehandelt. Für
den zuletzt genannten Arbeitsgang sind besonders proteolytische Enzyme von Mikroorganismen
geeignet. Als vorteilhaft hat sich auch hierbei die Mitverwendung von Carbohydrasen
bewährt, vor allem solchen aus Mikroorganismen.
-
Wenn die Häute nach der enzymatischen Enthaarung keinem Äscher mit
Kalk und Sulfiden mehr unterworfen werden sollen, ist Voraussetzung für die Herstellung
eines hochwertigen Leders, daß sie nach der Einwirkung der proteolytischen Enzyme
in Verbindung mit Carbohydrasen restlos enthaart werden können, d. h., daß
die Haare auch an den schwerer zu enthaarenden Stellen der Haut, wie am Halskamm
und an den sogenannten Dungstellen, völlig entfernt werden. Da bei den Äscherverfahren
mit Kalk und Sulfiden die Haare aufgelöst oder wie der Gerber sagt, versulzt werden,
werden die Haare auch an den besonders schwer zu enthaarenden Hautstellen gleichmäßig
entfernt. Bei enzymatischen Enthaarungsverfahren bleiben die Haare jedoch erhalten,
bei ihrer mechanischen Entfernung müssen sie daher zusammen mit den Haarwurzeln
aus der Haut herausgezogen werden, was bisweilen an manchen Stellen der Haut, wie
vor allem an den Nackenpartien und an den Dungstellen, erhebliche Schwierigkeiten
bereitet. Man muß also die für die Enthaarung erforderliche Enzymart und Enzymmenge
so dosieren, daß sie auch für diese schwerer zugänglichen Stellen der Haut ausreichen.
-
Weitere erhöhte Anforderungen an Enzymmenge und Enzymart stellt die
Entfernung der sogenannten Grundhaare, also Nachwuchshaare, und zwar nicht nur deshalb,
weil diese tiefer in der Haut sitzen als die Haupthaare bzw. Kolbenhaare, sondern
auch weil die äußerst kurzen, d. h. nur wenige Millimeter aus der Haut herausragenden
Grundhaare bei der mechanischen bzw. maschinellen Enthaarung kaum erfaßt werden
können. Wenn diese Grundhaare daher nicht weitestgehend gelockert sind, ist ihre
mechanische Entfernung kaum möglich.
-
Es wurde nun ein Verfahren zur Herstellung gerbfertiger Blößen durch
enzymatische Enthaarung der Häute oder Felle mit proteolytischen Enzymen gefunden,
mit dem man nach einer enzymatischen Enthaarung auch ohne schwellenden alkalischen
Nachäscher ein hochwertiges Leder erzielen kann, welches dadurch gekennzeichnet
ist, daß man 0,25 bis 10 Gewichtsprozent wasserlösliche Dithionite,
bezogen auf das Gewicht der zu behandelnden Häute oder Felle, allein oder zusammen
mit Natriumsulfit auf Häute oder Felle einwirken läßt und anschließend durch Behandlung
mit proteolytischen Enzymen bei pH 5,5 bis 10 in Gegenwart bekannter
Enzymaktivatören enthaart und gegebenenfalls mit proteolytischen Enzymen bei pH
3 bis 5 nachbehandelt.
-
In der deutschen Patentschrift 546 145 wird ein Verfahren zum Entbasten
von Mailänder Tramseide in der Flotte mit Hilfe von Papain unter Zusatz von unterschwefligsaurem
Alkali, wie Na2S.04, als Aktivator beschrieben. Nach der gleichen Patentschrift
können statt Papain auch die entsprechenden Mengen der aus Hefe oder aus der Niere
gewonnenen Proteasen verwendet werden. Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren geht
es jedoch nicht um diese aktivierende Wirkung des Natriumdithionits. InVergleichsversuchen
wurde nämlich beobachtet, daß der Enthaarungsprozeß schwieriger verläuft, wenn das
Natriumdithionit gleichzeitig mit dem Enzym zugegeben wird. Die Enthaarung läßt
sich besonders schlecht durchführen, wenn das Natriumdithionit den Proteasen etwa
1 Stunde vor seiner Verwendung zugegeben wird. Es ist beim erfindungsgemäßen
Verfahren notwendig, daß man das Natriumdithionit mindestens etwa 1 bis 2
Stunden vor der Enzynizugabe auf die Häute und Felle einwirken läßt. Durch diese
Vorbehandlung mit Dithionit wird die Haarlockerung derart gefördert, daß nach der
Enzymbehandlung eine vollkommene Enthaarung, selbst an schwer zugänglichen Stellen
der Haut, gelingt. Natriumdithionit kann dabei auch mit Natriumsulfit kombiniert
werden.
-
Es ist zwar auch bekannt, beim Äschern mit Kalk Dithionite mitzuverwenden.
Jedoch ist der chemische Vorgang der Enthaarung mit Kalk, der auf einer einfachen
alkalischen Hydrolyse des Eiweißes beruht, völlig verschieden vom Vorgang der enzymatischen
Enthaarung, der noch völlig ungeklärt ist. Es muß daher angenommen werden, daß die
Einwirkung des Dithionits in beiden Fällen verschiedenartig ist, zumal sie bei der
Enthaarung mit Kalk gleichzeitig mit diesem, beim Verfahren nach der Erfindung jedoch
vor der Enzymbehandlung stattfinden muß. Es war daher keineswegs mit der Möglichkeit
zu rechnen, daß Dithionite mit Vorteil bei der enzymatischen Enthaarung zu verwenden
sind.
-
Dithioniten allein kommt kein ausgesprochenes Haarlockerungsvermögen
zu. Wurden z. B. weißhaarige deutsche Ziegenfelle mit 0,5 bis 18 0/0
Natriumdithionit, bezogen auf das Gewicht der geweichten Felle, behandelt, so konnte
innerhalb von 24 Stunden keinerlei Haarlockerung beobachtet werden, unabhängig davon,
ob das Natriumdithionit in Pulverform oder wäßriger Lösung verwendet wurde.
-
Die Vorbehandlung der Häute und Felle mit Dithionit kann sowohl in
der Flotte als auch durch Walken der frischen bzw. geweichten Häute und Felle ohne
besonderen Zusatz von Wasser erfolgen. Besonders vorteilhaft ist eine Vorbehandlung
der Häute und Felle mit Dithionit ohne Zusatz von Wasser. Beispielsweise können
die gesalzenen Häute nach dem Weichen und Waschen 30 bis 60 Minuten
mit 2 bis 3 0/0 Natriumdithionit in' einem Faß gewalkt werden und nach
1 bis 2 weiteren Stunden kann das Enzym zusammen mit geeigneten Aktivatoren
zugegeben werden, wobei die Enthaarung besonders gut verläuft, wenn man das Enzymprodukt
ebenfalls in Pulverform anwendet. Nach 24- bis 48stündiger Einwirkung kann ohne
weiteres enthaart, gegerbt oder gepickelt und gegerbt werden.
-
In Erweiterung des beschriebenenVerfahrens können die Häute zur Unterstützung
der Haarlockerung einige
Stunden nach der Einwirkung der Enzymprodukte
mit Wasser unter Zusatz von Dithionit oder mit einer alkalischen Lösung, beispielsweise
einer 1- bis 20/,igen Sodalösung, überschichtet werden. Zu einem besonders
festnarbigen Leder kommt man, wenn man mit Wasser allein oder unter Zusatz von Dithionit
überschichtet.
-
Es hat sich bei dem erfindungsgemäßen Verfahren weiter gezeigt, daß
die Mitverwendung von Phthalimid auf die verwendeten Proteasen stark aktivierend
wirkt.
-
Durch das erfindungsgemäße Verfahren ist es auch gegenüber dem deutschen
Patent 1230 169 möglich, daß infolge der Vorbehandlung mit Dithionit auf
die dort beschriebene proteolytische enzymatische Nachbehandlung bei pH
3 bis 5,5 verzichtet werden kann. Auch der Zusatz von Carbohydrasen
zu den Proteasen kann in Wegfall kommen. Ein gutes Leder, z. B. ein Chromoberleder,
kann man aus Häuten oder Fellen erhalten, die gemäß der vorliegenden Erfindung mit
Natriumdithionit und proteolytischen Enzymen bei pH 5,5 bis 10, insbesondere
pH 5,5 bis 7,0, behandelt worden sind.
-
Die Vorbehandlung der Felle oder Häute mit wasserlöslichen Dithioniten
vor dem enzymatischen Enthaaren, gegebenenfalls mit einer weiteren nachträglichen
Behandlung mit Dithioniten nach der Enzymeinwirkung, ist von besonderer Bedeutung
für die Herstellung von Leder ohne alkalischen Äscher, da man auf diese Weise nicht
nur eine vollständige Entfernung von Haar und Wolle erreicht, sondern sich zugleich
auch eine gewisse Ascherwirkung« der Dithionite zunutze macht. Selbstverständlich
läßt sich die auf diese Weise erreichbare Verbesserung der Haarlockerung auch allgemein
für die enzymatische Enthaarung und Entwollung von Fellen oder Häuten .auswerten,
wenn aus besonderen Gründen noch alkalisch nachgeäschert und anschließend gebeizt
werden soll. Beispiel 1
Gesalzene, mit Wasser geweichte rotbunte Rindshäute
werden ohne Zusatz von Wasser 1 Stunde gewalkt mit 0,501, Natriumdithionit,
auf das Weichgewicht bezogen, 1,5 "/, Natriumsulfit calc.; nach 2
Stunden Ruhe werden zugesetzt 2,5 0/0 Bakterienprotease aus B. subtilis mit
einem Enzymwert von 5000,
1,2 0/0 Natriumsulfit calc., 2,5 0/0
Ammoniumsulfat.
-
1 Stunde walken, 2 Stunden Ruhe, dann wird überschichtet mit
300,0 0/0 Wasser von 35'C und 2,0 0/, Natriumdithionit, nach insgesamt 24
Stunden wird enthaart bei pH 7,0,
dann gespült, gepickelt und gegerbt.
-
Beispiel 2 Gesalzene, mit Wasser geweichte, mit Dungstellen behaftete
schwarzbunte Rindshäute werden ohne Zusatz von Wasser 1 Stunde gewalkt mit
2 0/, Natriumdithionit, auf das Weichgewicht bezogen. Nach 2 Stunden Ruhe werden
zugesetzt 4,00/0 Bakterienprotease aus B. subtilis mit einer proteolytischen Wirksamkeit
entsprechend einem Enzymwert von 5000
(nach A. K ü n t z e
1, Gerbereichemisches Taschenbuch, 6. Auflage, Theodor Steinkopff,
Dresden und Leipzig, 1955, S. 86)
und außerdem einem Gehalt an Carbohydrasen
entsprechend 30N Amylaseeinheiten pro 1 kg Enzympräparat (nach Will s tä
tte r, festgestelltnachP. Rona in»Praktikurn der physiologischen Chemie«, 2. Auflage,
1931, S. 202), 2,00/, Natriumsulfit eale., 4,00/0 Ammoniumsulfat, 0,30/0
Phthalimid.
-
2 Stunden Ruhe, dann wird überschichtet mit 300,00/0 Wasser von 35'C
und 3,0 0/0 Natriumdithionit, nach insgesamt 24 Stunden wird bei pH
6,5 enthaart, dann gespült und nun 3 Stunden nachbehandelt mit 200,00/,
Wasser von 20'C, auf das Blößengewicht bezogen, 8,00/0 Kochsalz,
0,60/0 Aspergülusprotease aus Aspergillus flavus mit einem Enzymwert von
5000,
8,00/, Kochsalz, 0,750/, Ammoniumsulfat, mit Ameisensäure auf
pH 5,0 eingestellt, dann wird gepickelt und gegerbt. Beispiel 3
Gesalzene,
mit Wasser geweichte Rindshäute werden 1 Stunde gewalkt mit 300,00/, Wasser
von 35'C, auf das Weichgewicht bezogen, 3,00/0 Natriumdithionit, dann erfolgt Zusatz
von 4,00/, Aspergillusprotease aus Aspergillus parasitieus mit einer proteolytischen
Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert von 5000,
0,80/0 Bakterienprotease
aus B. subtilis mit einer proteolytischen Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert
von 5000,
5,001, Aspergillusprotease aus Aspergillus orycae
mit einer proteolytischen Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert von 12000 und
einem fl-Glucosidasewert von 0,026 (nach K. Myrbäck, »Enzymatische Katalyse«,
1953, S. 45), 1,00/0 Ammoniumsulfat, 0,5010 Phthalimid, 0,50/0
Kaliumchlorid, 1,00/, Natriumsulfit cale.
-
1 Stunde walken, 2 Stunden Ruhe, dann werden 6,00/0 Natriumdithionit
zugegeben. Es wird nochmals 1 Stunde gewalkt. Nach insgesamt 24 Stunden wird
bei pH 5,3 enthaart, dann gespült und gegerbt.
Beispiel 4
Gesalzene, mit Wasser geweichte Kalbfelle werden 1 Stunde gewalkt mit
1,0 Natriumdithionit, 3,0 Natriumsulfit calc., nach 1 Stunde
werden zugesetzt 2,00/, Bakterienprotease aus B. subtilis mit einer enzymatischen
Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert von 5000,
1,0"/, Natriumsulfit calc.,
2,00/0 Ammoniumsulfat.
-
1 Stunde walken, 2 Stunden Ruhe, dann wird überschichtet mit
300,0 0/, Wasser von 35'C, 0,5 0/0 Natriumdithionit, 1,501,
Natriumsulfit calc., nach insgesamt 24 Stunden wird bei pH 7,0 enthaart,
dann gespült und gepickelt.
-
Beispiel 5
Enzymatisch geweichte Haarschaffelle werden
1 Stunde gehaspelt mit 300,00/, Wasser von 30'C, auf das Weichgewicht
bezogen, 2,0 0/, Natriumdithionit, nach 2 Stunden Ruhe werden zugesetzt 2,80/, Aspergillusprotease
aus Aspergillus flavas mit einer proteolytischen Wirksamkeit entsprechend einem
Enzymwert von 5000,
0,501, Bakterienprotease aus B. subtilis
mit einer proteolytischen Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert von
5000,
2,411/0 Aspergülusprotease aus Aspergillus orycae mit einer proteolytischen
Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert von 5000,
0,80/0 Ammoniumsulfat,
0,40/0 Kaliumchlorid, 1,0(1/, Natriumsulfit calc.
-
Nach lstündiger Bewegung bleiben die Felle über Nacht liegen. Nach
insgesamt 24 Stunden wird bei pH 6,5 enthaart, dann gespült, gepickelt -und
gegerbt. Beispiel 6
Ein mit Wasser geweichtes chinesisches Ziegenfall wurde
der Rückenlinie entlang geteilt. Bei der linken Hälfte wurde wie folgt gearbeitet:
Zunächst wurden 300,00/, Wasser von 35'C, auf das Weichgewicht bezogen, mit 3,00/,
Natriumdithionit, 3,20/, Bakterienprotease aus B. subtilis mit einer proteolytischen
Wirksamkeitentsprechend einem Enzymwert von 5000,
1,60/0 Natriumsulfit calc.,
3,00/0 Ammoniumsulfat versetzt. Erst nach 1stündiger Bewegung wurde das Fell zugegeben,
nach nochmaligem Istündigem Walken blieb das Stück ohne Bewegung in der Brühe liegen,
dann wurden 5,0 0/0 Natriumdithionit, auf das Weichgewicht bezogen,
zugesetzt. Anschließend wurde nochmals 1 Stunde gewalkt.
-
Die rechte Hälfte wurde 1 Stunde gewalkt mit 300,0 l)/,
Wasser von 35'C, auf das Weichgewicht bezogen, 3,0 0/, Natriumdithionit,
dann erfolgte Zusatz von 3,2 '>/O Bakterienprotease aus B. subtilis mit einer
proteolytischen Wirksamkeit entsprechend einem Enzymwert von 5000,
1,60/,
Natriumsulfit calc., 3,0 0/0 Ammoniumsulfat, nach nochmaligem lstündigem
Walken blieb das Stück 2 Stunden liegen, dann wurden 5,0 0/0 Natriumdithionit
zugesetzt.
-
Es wurde nochmals 1 Stunde gewalkt. Nach insgesamt 24 Stunden
wurde bei pH 5,0 enthaart. Das linke Stück ließ sich nur zu etwa einem Viertel
und zudem sehr schwer enthaaren, das rechte Stück dagegen 10011/oig und leicht.
Daraus ist zu ersehen, daß durch die Einwirkung von Natriumdithionit auf das Enzym
in Gegenwart von Wasser und in Abwesenheit des Fellstückes eine starke Enzymschädigung
erfolgt, die weniger ausgeprägt ist, wenn, wie ebenfalls Versuche zeigten, in Gegenwart
des Hautstückes gearbeitet wird. Läßt man dagegen Natriumdithionit vor der Zugabe
des Enzyms auf das Fell einwirken, dann erzielt man eine sehr flüssige, 100"/jge
Enthaarung wie bei dem rechten Stück.