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Verfahren zum Enthaaren und Äschern von Häuten und Fellen Die gewöhnliche
Arbeitsweise bei der Vorbereitung von Häuten und Fellen für die Gerbung unter gleichzeitiger
Gewinnung der Haare oder der Wolle in möglichst wenig beschädigtem Zustande besteht
darin, daß man zunächst auf die Fleischseite der Häute oder Felle den Schwödebrei,
bestehend aus gelöschtem Kalk oder Schlemmkreide mit Zusatz von Anschärfmitteln,
wie Alkalien oder Sulfiden oder aus Sulfiden allein, aufstreicht, dann die Häute
oder Felle einzeln mit der Fleischseite nach innen auf die Hälfte zusammenlegt oder
Fleischseite auf Fleischseite legt, so daß die Haare oder die Wolle mit dem Schwödebrei
nicht in Berührung kommen, die Häute oder Felle längere Zeit liegenläßt, bis die
alkalische Lösung bis zu den Haarwurzeln durchgedrungen ist und eine genügende Haarlockerung
bewirkt hat, dann die Haare oder die Wolle samt der Oberhaut auf dem Baum mit dem
Streicheisen oder mittels Enthaarungsmaschine entfernt, worauf die Häute und Felle
dann in die kalkhaltige und gegebenenfalls angeschärfte Äscherbrühe eingeworfen
oder eingehängt werden und darin etwa 3 bis 1z Tage und darüber, je nach der Art
des gewünschten Leders, z. B. Oberleder, Handschuhleder usw., verbleiben, worauf
sie entkalkt und in der üblichen Weise weiterverarbeitet werden. Es ist auch schon
vorgeschlagen worden, die Enthaarung von Häuten und Fellen mittels alkalisch reagierender
Stoffe bei Gegenwart von stickstoffhaltigen organischen Substanzen, insbesondere
auch von Eiweißstoffen oder Leim, durchzuführen, indem man diese Stoffe entweder
dem alkalisch reagierenden Behandlungsmittel zusetzt oder die Häute und Felle mit
den stickstoffhaltigen Stoffen vorbehandelt und dann die alkalische Behandlung folgen
läßt.
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Diese bekannten Arbeitsweisen haben verschiedene Nachteile, insbesondere
die lange Dauer der Behandlung, die Beschädigung der Haare und der Wolle durch die
alkalischen Mittel; das starke Auslaugen der Häute und Felle durch die Behandlung
mit den wäßrigen Lösungen, wodurch das Rendement herabgesetzt wird, insbesondere
bei sehr fetten, getrockneten Fellen und Häuten die Schwierigkeiten bei der nachfolgenden
Färbung und Fettung durch den in den Häuten und Fellen zurückbleibenden Kälk.
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Es wurde nun eine Arbeitsweise gefunden, die es gestattet, diese Nachteile
zu vermeiden und rasch unter größter Schonung der Haare und der Wolle sowie der
Lederhaut den Schwöde- und Äscherprozeß durchzuführen.
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Geht man von trockenen Häuten aus, so werden diese zweckmäßig zunächst
in Wasser
vorgeweicht und dann mit Alkalilösung, z. B. einer stark
verdünnten Ätznatronlösung von o,i bis o,5 g pro Liter, unter Zusatz eines Netzmittels
geweicht.
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Die Dauer der Vorweiche und der eigentlichen Weiche richtet sich nach
der Beschaffenheit, insbesondere der Dicke der Häute und Felle und dem Grad ihrer
Austrocknung. je 2.4 Stunden für die Vorweiche und für die eigentliche Weiche sind
meist ausreichend.
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Nach dem Abtropfen wird auf die Fleischseite der Häute und Felle der
Schwödebrei aufgestrichen, der aus Alkalisulfid, Eiweiß oder eiweißhaltigem Material
und Wasser, zweckmäßig unter Zusatz eines wirksamen Netzmittels, besteht. Ein geeignetes
Präparat erhält man z. B. aus 6o Teilen Schwefelnatrium, konz. 62- bis 63 o`,)ig,
3.3 Teilen hochsulfoniertem Rizinusöl (3j,3 °;o Fettgehalt), i,7 Teilen Triäthanolamin,
i Teil Hautpulver, 34. Teilen Wasser, indem man das Schwefelnatrium in dem heißen
Wasser löst, nach Abkühlen auf 4o° das Hautpulver und das Netzmittel zumischt, die
breiige Masse gut durchknetet, dann erstarren läßt und schließlich pulverisiert.
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Das Schwefelnatrium kann durch andere Schwefelalkalien, wie Kaliumsulfid,
sowie durch Amnioniunisulfid oder Sulfhydrate, ferner auch teilweise durch Arsentrisulfid
oder Ätzalkalien ersetzt werden. An Stelle von Hautpulver können andere Eiweißstoffe
oder eiweißhaltige Stoffe, wie Haare, Casein, Fleischabfalipulver, oder auch andere
Schutzkolloide, wie Stärke, Melasse, Pflanzenschleien u. dgl., verwendet werden.
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Das Schwödemittel wird in etwa der doppelten Menge, zweckmäßig warmem
Wasser angeteigt und die entstehende Lösung auf die Fleischseite der Häute und Felle
aufgestrichen. Oft schon nach i Stunde kann enthaart oder entwollt werden. Die Temperatur
des Schwödemittels vor dein Aufstreichen soll zweckmäßig 2o bis 30° betragen. Die
Raumtemperatur soll, um eine gute Schwädewirkung zu erzielen, nicht unter 15° liegen.
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Nach dem Enthaaren oder Entwollen bleiben die Häute oder Felle längere
Zeit, etwa 2.f bis 72 Stunden, aufeinandergeschichtet liegen, wobei das noch in
der Haut oder im Fell befindliche Schwödetnittel eine Wirkung erzielt, die durchaus
derjenigen gleicht, die man bisher durch den Schwimmäscher, also durch Anwendung
eines großen Überschusses einer wäßrigen Lösung erzielte.
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Es folgt hierauf das Spülen, das zweckmäßig je nach Häute- und Fellsorte
oder der gewünschten Lederart in Wasser von 15 bis .1o° erfolgt. Auch ein Zusatz
von einem Puffersalz, z. B. Ammoniumchlorid, kann vorteilhaft sein. Die so behandelten
Häute und Felle stehen den in der üblichen Weise geschwödeten und dann geäscherten
durchaus nicht nach, im Gegenteil sind sowohl Wolle und Haare als auch die eigentliche
Lederhaut besser geschont, wobei als wesentlicher Vorteil noch die viel kürzere
Behandlungsdauer und die Möglichkeit kommt, den Kalk gänzlich auszuschalten und
damit alle aus einem restlichen Kalkgehalt der Häute und Felle sich ergebenden Unzuträglichkeiten
zu vermeiden.
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Die folgenden Beispiele zeigen, wie das Verfahren zweckmäßig ausgeführt
werden kann: Beispiel i Zur Verarbeitung von trockenen französischen Lammfellen
auf chromgares, waschbares Handschuhleder werden die Felle einen Tag in Wasser vorgeweicht
und dann mit o,2 g/1 Ätznatron und 0,4 g/1 hochsulfoniertem Rizinusöl (37,5 °(p
Fettgehalt) weitere 24 Stunden geweicht. Man läßt dann die Felle 2 Stunden über
dem Bock abtropfen und streicht eine Lösung von einem Teil des oben angegebenen
trockenen Schwödemittels und 2 Teilen Wasser von 45° auf die Fleischseite der Felle
auf. Schon nach i Stunde kann entwollt werden. Die entwollten Felle läßt man dann
aufgeschichtet 48 Stunden liegen und spült gegebenenfalls unter Zusatz von 0,201,
Ammoniumsulfat oder auch nur in warmem Wasser von etwa 25°. Die weitere Bearbeitung
durch Beizen, Pickeln usw. erfolgt wie üblich. Beispiel 2 Trockene Kalbfelle für
Schuhvelours werden, wie in Beispiel i beschrieben, geweicht und abtropfen gelassen
und auf der Fleischseite mit der Schwödelösung bestrichen. Nach 2 Stunden werden
die Felle enthaart und bleiben dann aufgeschichtet etwa 24 Stunden liegen. Die Felle
zeigen nach dieser Trockenäscherbehandlung durchaus die Beschaffenheit von Fehen,
die dem üblichen Schwöden und 4tägigem Äschern im Schwimmäscher unterworfen wurden.
Dabei sind die anfallenden Haare infolge der kurzen und schonenden Schwödebehandlung
ausgezeichnet erhalten. Beispiel 3 Getrocknete, fette mongolische Schaffelle werden
in Wasser vorgeweicht und dann mit einer wäßrigen Lösung von 0,75 9/l sulfoniertem
Ricinolsiinrebutylester und o,2 gll Ätznatron sehr gründlich geweicht. Dann werden
sie auf einer in der kauchwarenindustrie üblichen Entfleischmaschine entfleischt,
wobei die starken, fetten Rückenstreifen im
wesentlichen entfernt
werden, die bei dieser Art Schaffelle eine besondere Schwierigkeit der Bearbeitung
bilden. Dann wird das trokkene Schwödemittel, mit der doppelten Menge Wasser versetzt,
aufgetragen. Nach 2 Stunden wird entwollt. Dann bleiben die Felle aufeinändergeschichtet
48 Stunden liegen und werden mit Wasser von 2o bis 30° gespült, mit einem der üblichen
Lederentfettungsmittel; z. B. mit einer wäßrigen Emulsion eines gechlorten Kohlenwasserstoffes
entfettet und schließlich gebeizt und wie üblich weiterverarbeitet. Infolge der
Vermeidung der Kalkseifenbildung beim Trockenäscherverfahren braucht man zum Entfetten
um etwa .4o bis 5o °1o Entfettungsmittel weniger als bei auf gewöhnliche Weise geschwödeten
und im Schwimmäscher geäscherten Fellen gleicher Qualität. Beispiel 4 Schwarze südamerikanische
Wildschweinhäute werden mit reinem Wasser i Tag vorgeweicht und dann mit der iofachen
Menge Wasser vom Trockengewicht der Häute unter Zusatz von o, i gil Netzmittel und
0,4 gfl Ätznatron insgesamt 5 Tage lang geweicht, wobei nach dem ersten Tag bzw.
nach weiteren 2 Tagen dieHäute herausgenommen, gestreckt und gewalkt und wieder
in die Weiche gegeben werden. Nach dem Abtropfenlassen werden die Häute mit dem
mit der doppelten Menge Wasser angeteigten Schwödepräparat auf der Fleischseite
bestrichen. Nach g Stunden wird enthaart, wobei die Borsten, die nach den bisherigen
Verfahren nur sehr schwer zu entfernen waren, in sehr gut erhaltenem Zustande leicht
gewonnen werden. Es wird dann der Rand der Häute auf der Narbenseite durch-einen
weiteren Aufstrich der Schwödelösung leicht nachgeschwödet, und die Häute werden
72 Stunden Aas auf Narben liegengelassen. Dann werden die Häute % Stunde mit Wasser
auf 2o° gespült, gestrichen und nochmals mit Wasser von 38 bis 40° nachgespült.
Es folgt dann in üblicher Weise das Entfetten, Beizen usw. Die in dieser Weise im
Trockenäscherverfahren behandelten Schweinshäute verbrauchen bei der Entfettung
wesentlich weniger Entfettungsmittel als gleiche, in gewöhnlicher Weise geschwödete
und im Schwimmäscher behandelte Häute. Außerdem wird durch die kurze und schonende
Äscherbehandlung eine fortschreitende Schädigung durch Faulstellen vermieden.
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Man kann auch den Entfettungsprozeß in das Trockenäscherverfahren
einschalten, indem man erst eine Zeit lang äschert, dann mit Wasser spült und abtropfen
läßt, hierauf in der üblichen Weise entfettet, wieder spült und abtropfen läßt,
dann neuerdings Schwödemittel aufträgt und noch einige Zeit liegen läßt.
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Beispiel Trockene deutsche Ziegenfelle, die glacegar gegerbt werden
sollen, werden i Tag in reinem Wasser vorgeweicht und dann mit der in Beispiel i
beschriebenen Weichflüssigkeit weitere 2 Tage geweicht, abtropfen gelassen und,
wie in Beispiel i beschrieben, mit Schwödelösung auf der Fleischseite bestrichen.
Nach i Stunde wird enthaart, dann die Felle durch eine Suspension yon i Teil Trockenschwödemittel
auf 5 Teile Wasser gezogen, abtropfen und dann etwa 20 Stunden liegengelassen. Nach
dieser Zeit werden die Felle in den Schwimmäscher gebracht, der 2 bis 3 °%o Schwödemittel
enthält, und bis 2 Tage darin belassen, dann in der Haspel mit Wasser von etwa 2o°
gespült. Schließlich werden die Felle gebeizt, auf der Glättmaschine behandelt und
dann in üblicher Weise durch Pickeln usw. weiterbearbeitet. Beispiel 6 Kalbfelle
für Boxkalf werden 5 Stunden in Wasservorgeweicht und dann mit der 6fachen Menge
Wasser vom Fellgewicht unter Zusatz von o,25 g1l hochsulfoniertem Rizinusöl i weiteren
Tag geweicht und dann abtropfen gelassen. Dann wird, wie in Beispiel i beschrieben,
die Schwödelösung auf die Fleischseite aufgestrichen. Nach 2 Stunden wird enthaart,
dann nochmals Schwödelösung aufgestrichen oder die Felle durch eine Suspension des
Schwödemittels in der 5fachen Menge Wasser gezogen, abtropfen gelassen und aufgeschichtet
etwa 2o Stunden liegengelassen. Die Äscherdauer hängt von der Felldicke ab. Anschließend
wird 30 Minuten mit warmem Wasser im Haspel gespült, gestrichen und mit warmem
Wasser nachgespült. Dann werden die Felle entfleischt und weiter, wie üblich, gebeizt,
gepickelt und fertiggestellt.
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Beispiel ? Zur Verarbeitung auf Bekleidungsleder bestimmte trockene
mongolische Schaffelle werden über Nacht mit Wasser vorgeweicht, dann in frischer
Flotte mit der iofachen Wassermenge vom Trockengewicht der Felle unter Zusatz von
o,8 g%1 sulfoniertem R.icinolsäurebutylester und 0,49/1 Ätznatron noch z Tage geweicht
und dann auf der Entfleischmaschine entfleischt. Dann wird, wie in Bei-Spiel 3 beschrieben,
die Schwödelösung aufgestrichen. Nach 3 Stunden wird entwollt, wobei die Rückenwolle
sich restlos leicht entfernen läßt, die bisher bei dieser Art von
Fellen
meist noch nach der Schwöde so fest saß, daß sie abgeschoren werden mußte. Man zieht
die Felle darauf durch eine Suspension
von i Teil des trockenen Schwödemittels -i |
etwa 4 bis io Teilen Wasser und läßt |
Felle dann aufgeschichtet .48 Stunden lieg |
Dann wird gespült, entfettet, gestrichen u4ckä in der üblichen Weise durch Beizen,
Pickeln usw. verarbeitet.
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Wie die Beispiele zeigen, eignet sich das neue Verfahren des Äscherns
im trockenen oder nahezu trockenen Zustande besonders für die Vorbereitung zur Gerbung
von Glace-, Nappa-, Bekleidungs- und Chevrettesleder sowie auch Boxkalf und Chevreau.
Bei schweren Häuten, wie Rindshäuten, ist ein zweimaliger Auftrag des Schwödemittels
erforderlich, um eine einwandfreie Enthaarung zu ermöglichen. Andernfalls dringt
das Schwödemittel nicht tief genug bis zu den Haar-;4vurzeln ein.