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Verfahren zum Äschern von Fellen und Häuten mit proteolytischen Enzymen
Es ist bekannt, Felle und Häute mit proteolytischen Enzymen zu enthaaren. Als Enzyme
können dabei Pankreastryptase, Pilztryptase, Bakterienprotease oder Enzyme pflanzlicher
Herkunft, z. B. Papain, verwendet werden. Mit diesen Enzymen erzielt man aber nur
bei bestimmter Anwendungsart eine praktisch brauchbare Haarlockerung. So ist es
z. B. beim Arbeiten mit Pankreastryptase unerläßlich, mit stark alkalischen Lösungen,
wie Ätznatronlösungen, vorzuschwellen. Eine solche Vorbehandlung ist auch bei der
Verwendung von Bakterienprotease als Enthaarungsmittel angezeigt.
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In der französischen Patentschrift 678 123 ist ein Enthaarungsverfahren
beschrieben, nach dem man das proteolytische Enzym in zwei Stufen auf die Felle
einwirken läßt, und zwar derart, daß man die geweichten Felle in eine Salzlösung
von pH 8 bis 9 einbringt und zunächst ein Zehntel der Gesamtenzymmenge zugibt und
die restlichen neun Zehntel nach etwa 24 Stunden zur Einwirkung bringt.
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Nach der USA.-Patentschrift a 095 273 kann zum Enthaaren und
Beizen von Fellen und Häuten Bakterienprotease, die gegebenenfalls mit anderen Enzymen
kombiniert ist, verwendet werden. Voraussetzung ist jedoch, daß 3 bis 6 Tage mit
starker Ätznatronlösung vorgeschwellt wird.
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Die starke alkalische Vorbehandlung ermöglicht zwar eine weitgehende
Lockerung der Haare, ist aber in mehrfacher Hinsicht mit Nachteilen verbunden. Beispielsweise
wirkt sich die alkalische Vorschwellung bei Ziegenfellen ungünstig auf die
Narbenbildung
aus. Besonders bei hartnaturigen Ziegenfellen führt sie zu Narbenzug, bei Kalbfellen
hat sie die Bildung eines losen Narbens zur Folge. Größere Häute, wie Rindshäute,
lassen sich auf diese Weise in der Lederfabrik überhaupt nicht verarbeiten, da bei
mäßiger und kurzer Vorschwellung die Haarlockerung sehr mangelhaft ist, während
die Häute bei einer alkalischen Behandlung, die für die Haarlockerung ausreichend
wäre, eine so starke und harte Schwellung erfahren, die kaum mehr völlig rückgängig
zu machen ist und zu einem sehr harten Leder führt. Außerdem werden die Häute durch
die starke Schwellung so unhandlich, daß sie weder auf der Maschine noch von Hand
zu bearbeiten sind.
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Es wurde nun gefunden, daß man ohne alkalische Vorschwellung und die
damit verbundenen Nachteile unter Verwendung proteolytischer Enzyme zu einer ausgezeichneten
Enthaarung kommt, wenn man wassergeweichte Felle und Häute mit proteolytische Enzyme
enthaltenden wäßrigen Zubereitungen in zwei Stufen bei verschiedenen Bedingungen
in der Weise behandelt, daß in der ersten Stufe unmittelbar nach der Weiche eine
Bakterienprotease, Ammoniumsalz und Natriumbisulfit, in der zweiten Stufe in an
sich bekannter Weise eine Schimmelpilztryptase enthaltende Lösung verwendet wird.
Dabei kann man so vorgehen, daß die Behandlung mit Bakterienprotease und Schimmelpilztryptase
zwar nacheinander, aber im gleichen Bad erfolgt, also derart, daß die Felle oder
Häute zunächst in einer Bakterienprotease enthaltenden Flotte behandelt werden und
die Schimmelpilztryptase dieser Flotte nach abgeschlossener Vorbehandlung zugesetzt
wird. Die in jedem Fall nacheinander erfolgende Behandlung der geweichten Felle
und Häute mit Bakterienprotease und Schimmelpilztryptase kann - wie im nachstehenden
Beispiel i angegeben - auch in zwei getrennten Bädern erfolgen. - Es verdient hervorgehoben
zu werden, daß die gleichzeitige Einwirkung der beiden verschiedenartigen Enzyme
nicht zu dem gleich günstigen Äschereffekt führt, der bei Anwendung des erfindungsgemäßen
Verfahrens erzielt wird.
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Das erfindungsgemäße Verfahren gestattet, getrocknete Ziegenfelle
oder gesalzene Kalbfelle, selbst schwere Rindshäute, nach vierundzwanzigstündiger
Enzymeinwirkung ohne Schwierigkeiten vollständig zu enthaaren, während beim Arbeiten
nach dem bekannten Zweistufenverfahren mit alkalischer Vorschwellung selbst nach
48 Stunden die Enthaarung mangelhaft ist.
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Es hat sich weiterhin als zweckmäßig erwiesen, gleichzeitig mit Bakterienprotease
auch Carbohydrasen auf die Felle und Häute einwirken zu lassen.
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Unter Carbohydrasen werden Enzyme verstanden, die auf glykosidische
Bindungen einwirken, während die Bakterienproteasen bzw. Schimmelpilztryptasen Peptidbindungen
spalten. Glykosidasen sind Carbohydrasen, die zum Unterschied von Polyasen glykosidische
Bindungen nur in Oligosacchariden spalten. Die günstige Beeinflussung des Haarlockerungsprozesses
durch die Anwesenheit von Glykosidasen neben Proteasen hängt offensichtlich mit
dem Vorhandensein glykosidischer Bindungen in irgendwelchen Hautkomponenten, vermutlich
in den nichtkollagenen Begleitproteinen, zusammen, wobei durch die Glykosidasen
Bindungen in nichtkollagenen Proteinen gelöst werden, die dann von proteolytischen
Enzymen leichter abzubauen sind.
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Carbohydrasen erhält man beispielsweise durch Züchtung von Bacillus
subtilis auf Getreidemehlmaische, wie dies von L. D. Beckord, Eric K n e e n und
K. H. Lewis in Industrial and Engineering Chemistry, 1945, S.692, ausführlich beschrieben
worden ist. In entsprechender Weise können die im Sinn vorliegender Erfindung zu
verwendenden, glykosidische Bindungen spaltenden Enzyme auch aus Schimmelpilzen
gewonnen werden, wenn man beispielsweise Aspergillus orycae auf Nährböden der in
der genannten Arbeit beschriebenen Art züchtet. Man erhält auf diese Weise zwar
ein Gemisch von Carbohydrasen, das vorwiegend aus Amylase besteht, außerdem aber
auch die gerbereitechnisch interessanten Glykosidasen enthält.
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Beispiel i Gesalzene Kalbfelle werden wie üblich mit Wasser geweicht,
dann mit einer Lösung aus 300% Wasser vom Weichgewicht, 0,5'°/o Bakterienprotease,
o,5°/o eines aus einer Bakterienkultur gewonnenen Carbohydrasenpräparates, o,5 °/o
Bisulfit, 0,5'°/o Ammoniumsulfat, Anfangs-pH-Wert 6,5 behandelt, bevor der Enzymäscher
mit 300% Wasser vom Weichgewicht, 3°/o Schimmelpilztryptase, i Q/o Natriumnitrit,
0,5 °/o Ammoniumsulfat, 1% Soda (calc.), Anfangs-pH-Wert 7,5 angeschlossen wird.
Die Dauer der Vorbehandlung beträgt etwa 3 Stunden, die der Nachbehandlung 36 Stunden.
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Beispiel e Trockene Ziegenfelle werden geweicht und dann mit einer
Lösung von 300% Wasser vom Weichgewicht, 0,5 °/o Bakterienprotease, o,S"/o Natriumbisulfit,
0,5 % Ammoniumsulfat, Anfangs-pH-Wert 6,5
behandelt, dann werden
3'010 Schimmelpilztryptase, i °/o Ammoniumsulfat, i % Natriumsulfit, 2q/o Soda (calc.),
Anfangs-pH-Wert 8,o bis 8,5 zugegeben. Die Dauer der Vorbehandlung beträgt i bis
2 Stunden, die der Nachbehandlung 24 bis 36 Stunden. Nach dem Enthaaren wird ausgewaschen.
Die Blößen können dann in beliebiger Weise nachgeschwellt werden. (Die Bakterienprotease
und die Schimmelpilztryptase zeigen einen Enzymwert von 5ooo nach Gerbereichemisches
Taschenbuch von A. K ü n t z e 1, Verlag von Theodor Steinkopff, Dresden und Leipzig,
1955, S. 86).
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Das im Beispiel i mitverwendete Carbohydrasenpräparat weist einen
Gehalt an Glykosidasen bzw. Oligasen, wie Glucosidasen, Galactosidasen und Mannosidasen
entsprechend einem ß-Glucosidasewert von 0,013 auf, entsprechend »Enzymatische Katalyse«
von K. Myrbäck, Verlag Walter De Gruyter, 1953, S.45.