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Verfahren zur Veredelung von ungegerbtem kollagenem Material Es ist
bekannt, kollagene Hautsubstanz durch Gerbung zu veredeln. Ein Kennzeichen für die
eingetretene Veränderung ist das lederartige Auftrocknen, das auf einer Isolierung
und dadurch bewirkten Auflockerung der Fasern des Hautgewebes beruht. Neben dieser
Auflockerung, die das Leder griffig, geschmeidig bzw. tuchartig weich macht, bewirkt
die Gerbung eine Erhöhung der Verleimungstemperatur, die bei Chromleder bis zur
Kochgare geht, ferner eine Verringerung der Quellbarkeit in Wasser, die sich je
nach der Art der Gerbung über mehr oder minder große pn-Gebiete erstreckt, und schließlich
eine starke Unempfindlichkeit gegenüber proteolytischen Vorgängen. Infolge der durch
die Gerbung bewirkten Isolierung der Einzelfasern geht die Reißfestigkeit des kollagenen
Materials stark zurück. Für Zwecke, bei denen die ungewöhnlich hohen mechanischen
Festigkeitseigenschaften des ungegerbten kollagenen Materials ausgewertet werden
sollen, war es daher bis jetzt nicht möglich, das kollagene Material zu gerben.
Dementsprechend werden beispielsweise Pickers für Webstühle, Zahnräder für geräuscharme
Getriebe, Darmsaiten, Trommelfelle u. dgl. bisher aus ungegerbtem Kollagen hergestellt.
Derartige Werkstücke aus kollagenem Material haben den Nachteil, empfindlich gegen
Feuchtigkeit, Wärme und Fäulnis zu sein.
Es wurde nun gefunden,
daß man urigegerbtes kollägenes Materiäl ohne die bei der Gerbung auftretende Isolierung
der Einzelfasern weitgehend unempfindlich gegenüber Quellungsvorgängen und Proteolyse
in wäßrigen Lösungen von beliebigem.pH-Wert machen; seine Verleimungstemperatur
stark erhöhen und es weitgehend unempfindlich gegen Kochen machen kann, wenn man
es mit wäßrigen Lösungen von. Äthyleniminabkömmlingen behandelt, die den allgemeinen
Formeln .
oder - SO,-Gruppe, R einen Alkyl-, Cycloalkyl-, Aryl- oder Aralkylrest und R' einen
Alkylen-oder Arylenrestbedeuten, oder worin-X-R'-X-den Rest -C,H4-NH . CO # CO -
NH-C,H4-bedeutet. Die Unempfindlichkeit der behandelten Produkte beim Kochen geht
so weit, daß das behandelte Material ebenso wie formaldehydgares Leder nur noch
die Erscheinung der reversiblen Hitzekontraktion zeigt.
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Geeignete Äthyleniminabkömmlinge sind Acyl-N, N-äthylenimine, wie
Acetyläthylenimid, Butyroyläthylenimid und Benzoyläthylenirnid, Urethane, wie N,
N-Äthylenäthyl- oder -butylurethan, N, N-Äthylenbenzylurethan, z, 4-Butylenglykol-di-N,
N-äthylencarbaminsäureester, Hexamethylendiäthylendiiminharnstoff, ferner Äthyleniminomethyläther,
wie Propyl-, Cyclohexyl- oder Benzyl-N, N-äthyleniminomethyläther, z, 4-Butylen-bis-(N,
N-äthyleniminomethyl)-äther und Sulfonimide, wie Butansulfo-N, N-äthylenimid, Hexadekansnlfo-N,
N-äthylenimid, Toluolsulfo-N, N-äthylenimid und z; 3-Pröpandisulfodi-N, N-äthylenimid.
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Die genannten Verbindungen sind durch Umsetzung von Äthylenimin mit
den entsprechenden Carbonsäurechloriden, Chlorkohlensäureestern, Isocyanaten, Chlormethyläthem
oder Sulfochloriden in Anwesenheit säurebindender Mittel erhältlich.
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Die bifünktionellen Verbindungen, die die Äthyleniminogruppe zweimal
endständig tragen, zeigen die beschriebene Wirkung in noch ausgeprägterer Weise
als die genannten Körper mit nur einem Äthyleniminrest.
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Die Behandlung des Kollagens mit den wäßrigen Lösungen vonÄthyleniminabkömmlingen,
deren Dauer sich nach der Beschaffenheit des Materials richtet und beispielsweise
eine oder mehrere Stunden betragen kann, erfolgt zweckmäßig bei Temperaturen zwischen
2o und 4o° und bei pH-Werten zwischen 4 und g, es kann jedoch für besondere Zwecke
vorteilhaft sein, auch außerhalb dieser Grenzen liegende Bedingungen zu wählen.
Weiter kann es zweckmäßig sein, die Behandlung in Gegenwart säurebindender Mittel,
beispielsweise von Puffersalzen, durchzuführen. Die Unempfindlichkeit gegen Quellungsvorgänge
und Proteolyse ist erreicht, sobald das ausreichend behandelte Kollagen aufgetrocknet
wird. Man kann die angegebene Behandlung mit einer Behandlung mit anderen Haut-
oder Lederbehandlungsmitteln kombinieren.
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Da das mit Äthyleniminabkömmlingen behandelte urigegerbte kollagene
Material ein wesentlich erhöhtes Säurebindevermögen besitzt, ist es auch für zahlreiche
Nachbehandlungen geeignet, die zweckmäßig mit dem noch nicht getrockneten und daher
in seinem Quellungsvermögen noch nicht beeinträchtigten Material durchgeführt werden;
beispielsweise kann das Material mit Gerbstoffen, anionischen Farbstoffen oder sulfonierten
Ölen oder anderen Stoffen, die einen hochmolekularen aliphatischen Rest im Anion
enthalten, nachbehandelt werden.
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Man kann das mit den Äthyleniminabkömmlingen behandelte Kollagen gewünschtenfalls
gerben, beispielsweise mit organischen Gerbstoffen, wie Pflanzengerbstoffen, synthetischen
Gerbstoffen und Ligninsulfonsäuren. Man kann die Gerbung bei wesentlich höheren
pH-Werten ausführen als die Gerbung von nicht derart vorbehandelten Kollagen. Die
Gefahr einer späteren Säureschädigung des Leders ist bei Verwendung von in der angegebenen
Weise vorbehandeltem Kollagen wesentlich geringer als bei Leder aus nicht vorbehandeltem.
Allgemein werden bei der Gerbung des vorbehandelten kollagenen Materials Leder von
verbesserten Echtheitseigenschaften, insbesondere höherer Schrumpfungstemperatur
erhalten; derartige Leder zeigen beim Trocknen einen besonders geringen Maßverlust.
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Besonders wertvolle Werkstoffe aus urigegerbtem kollagenem Material
werden auch erhalten, wenn man das Kollagen vor, während oder nach der Behandlung
mit den Äthyleniminabkömmlingen mit weichmachenden Verbindungen; beispielsweise
Glycerin, Polyglycerin, Polyglykoläthern und sulfonierten Ölen pflanzlicher, tierischer
oder mineralischer Herkunft, behandelt. Man kann so die Geschmeidigkeit des Materials
ohne Verschlechterung der mechanischen Festigkeitseigenschaften in weiten Grenzen
verändern. Schließlich kann man auch das mit den Äthyleniminabkömmlingen vorbehandelte
Material entsprechend dem jeweiligen Verwendungszweck mit wasserunlöslichen Ölen,
Lösungen oder Schmelzen von Fetten, Paraffinen, Wachsen, Harzen u. dgl. nachbehandeln.
Beispiel r Entkälkte Rindblöße wird mit zo °/Q ihres Gewichts des durch Behandeln
von x Mol Diphenylmethan-4, 4'-düsocyanat mit 2 Mol Äthylenimin erhältlichen Di-N,
N-äthylenharnstoffs, gelöst in 300°/Q 2o°warmem Wasser (berechnet auf das Blößengewicht),
$ Stunden lang behandelt, anschließend in fließendem Wasser von 2o bis 3o° etwa
3o Minuten lang gespült und dann aufgetrocknet. Während des Auftrocknens wird
das
Material durch Spannen oder Pressen in die gewünschte Form gebracht. Man erhält
ein transparentes, horniges, zähes Material, das in Wasser kaum noch quillt und
gegen Fäulnis unempfindlich ist. Es kann als gegen Wasser und Wärme beständiges
Transparentleder, zur Herstellung von Zahnrädern für geräuscharme Getriebe, von
Pickers für Webstühle und ähnliche Zwecke Verwendung finden.
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Beispiel 2 Gereinigte Schafdärme werden mit 150/, ihres Gewichts an
Hexamethylen-i, 6-di-N, N-äthylenharnstoff, gelöst in 3000", 25' warmen Wassers,
unter Zusatz von 2 "/o eines Natriumsulfit-Natriumbisulfitpuffers vom pH-Wert 7,6
24 Stunden lang behandelt. Hierauf wird das Material mit fließendem, 25 bis 3o'
warmem Wasser i Stunde lang -gespült und dann 3 Stunden lang mit 2 °/o Polyglykol
in 300 % Wasser bei 35' behandelt. Man erhält ein Material, das, wie üblich, zu
Darmsaiten verarbeitet, Saiten von besonderer Zähigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber
Witterungseinflüssen, insbesondere Schwankungen der Luftfeuchtigkeit und -temperatur,
liefert.
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In gleicher Weise kann auch entkälkte, gebeizte Kalbblöße behandelt
werden, wobei sich ein für die Herstellung von Trommelfellen u. dgl. besonders geeignetes
Material ergibt.
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Beispiel 3 Entkälkte Rindblöße wird mit 12 °/o ihres Gewichts an Octodecyl-N,
N-äthylenharnstoff, gelöst in 300 % 2o' warmem Wasser, 6 Stunden lang gewalkt, anschließend
kurz gespült und mit Ligninsulfonsäure in bekannter Weise gegerbt. Man erhält ein
Leder, das eine wesentlich höhere Schrumpfungstemperatur besitzt als _ungegerbtes
Kollagen, im Gegensatz zu mit Ligninsulfonsäure ohne die Vorbehandlung hergestelltem
Leder, dessen Schrumpfungstemperatur unter der des ungegerbten Materials liegt.
Auch die übrigen Eigenschaften des mit Ligninsulfonsäure gegerbten Leders werden
durch die beschriebene Vorbehandlung wesentlich verbessert.
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Beispiel Bullenhäute (Büffelhäute) werden den für die Gerbung von
Vacheleder üblichen Vorarbeiten der Wasserwerkstatt unterzogen. Dann werden die
Blößen mit 6 °/o Hexamethylen-i, 6-di-N, N-äthylenharnstoff 8 Stunden lang im Haspel
behandelt, i Stunde lang mit fließendem Wasser gespült und anschließend im üblichen
Farbengang mit insgesamt ioo °/o des Blößengewichts (31 OJ, Reingerbstoff enthaltendem)
handelsüblichem Kastanienholzextrakt ausgegerbt, der durch Zusatz von 5o g tertiärem
Natriumphosphat pro Kilogramm Extrakt auf einen p11-Wert von 5,5 bis 6 gepuffert
ist. Man erhält säurefreies Leder von wesentlich höherem Rendement als ohne die
angegebene Vorbehandlung.
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Beispiel 5 Geweichte Pelzfelle werden entfleischt und 8 Stunden lang
im Haspel in neutraler bis schwach alkalischer Flotte mit io °/o (berechnet auf
das Weichgewicht) des aus i Mol Oxalsäurediäthylester und q. 1M1 i, 2-Äthylenimin
erhaltenen Kondensationsproduktes behandelt. Nach kurzem Spülen werden die Felle
in einem frischen Bad :l Stunden mit 2 °/o Türkischrotöl in reichlicher Flottenmenge
im Haspel behandelt. Das Pelzmaterial kann dann getrocknet und zu geschmeidigen
Pelzeinlegesohlen zugeschnitten werden, die unempfindlich gegen Fußschweiß und außergewöhnlich
haltbar sind, oder es kann in üblicher Weise mit Schwefelsäure und Kochsalz zugerichtet
werden, wobei nach der Fettung und Trocknung eine besonders widerstandsfähige und
wasserechte Pelzzurichtung erhalten wird.