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Verfahren zur Herstellung von Sämischleder Die Herstellung von Sämischleder
erfolgte bisher vorwiegend in der Weise, daß geeignete Felle, insbesondere Reh-,
Hirsch-, Renntier- und Gemsenfelle, aber auch Kalb-, Schaf- und Ziegenfelle zunächst
einer Vorbehandlung durch Weichen, Schwöden, Äschern unterzogen und nach dem Abstoßen
oder Abspalten des Narbens mit einer Enzymbeize behandelt wurden. Es folgte darauf
der Gerbvorgang, der durch Auftragen und Einwalken von Tran, Oxydation desselben
in Wärmekammern und nachfolgendes Auspressen und Auswaschen des überschüssigen Trans
bewirkt wurde. Für die Durchführung dieses Verfahrens kommt fast ausschließlich
Dorschlebertran in Frage, da Robbentran ein weniger griffiges Leder gibt und beispielsweise
Hai- und Waltran überhaupt nicht brauchbar sind, weil sie das Leder hart und blechig
machen. Die Fette von Landsäugetieren haben keine gerbende Wirkung; das Einwalken
solcher Fettstoffe in die Blößen führt daher nur zu einem sogenannten fettgaren
Leder, das aber nicht als gegerbt angesehen werden kann, da sich diese Fettstoffe
durch Lösungsmittel wieder aus der Haut entfernen lassen, die dann wieder die Beschaffenheit
der Blöße zeigt. Durch Einführung der sogenannten Neusämischgerbung hat man bereits
versucht, den Tranverbrauch bei der Herstellung des Sämischleders herabzusetzen.
Dieses Verfahren besteht darin, daß die wie üblich vorbehandelten Felle zunächst
einer Vorgerbung mit Formaldehyd unterworfen werden und dann der Tran eingewalkt
wird. Es ist auch eine weitere Ausführungsform der Neusämischgerbung bekannt,
wobei
nach Vorgerbung mit Formaldehyd eine mit Fettalkoholsulfonat als Emulgator erzeugte
Tranemulsion gegebenenfalls unter weiterem Zusatz eines Trockenmittels wie Manganoxylinbleat
in die Felle eingewalkt wird. Auch bei diesem Verfahren ist jedoch der Tran das
wesentliche Gerbmittel, und daher ist der Verbrauch an Tran auch hier entsprechend
hoch. Das Fettalkoholsulfonat dient im Rahmen dieses bekannten Verfahrens nur als
Emulgator für den Tran und wird mit dem überschüssigen Tran nach erfolgter Gerbung
wieder herausgepreßt bzw. bei der nachfolgenden Behandlung mit alkalischen Lösungen
herausgewaschen.
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Es wurde nun gefunden, daß es möglich ist, ohne Verwendung von Tran
ein dem Sämischleder in jeder Beziehung gleichwertiges, in bezug auf Heißwasserbeständigkeit
sogar noch überlegenes Leder herzustellen, indem man in üblicher Weise durch Weichen,
Schwöden, Äschern, Abstoßen oder Abspalten des Narbens und Beizen mit einer Enzymlösung
vorbereitete Blößen einer kombinierten Gerbung unterwirft, wobei der Gerbvorgang
zu einem Teil durch bekannte Gerbmittel, wie Alaun, Chromsalz, Formaldehyd oder
synthetische Gerbstoffe, zum anderen Teil aber dadurch bewirkt wird, daß man Fettalkoholsulfonate
in saurer Lösung zum Aufziehen auf die Kollagenfasern der Felle bringt. Während
bei allen bisherigen Verwendungen der Fettalkoholsulfonate in der Lederindustrie
diese Verbindungen entweder als Netzmittel oder als Dispergiermittel für sonstige
wirksame Stoffe oder zum Herauslösen unerwünschter Verunreinigungen aus der Blöße
dienen, werden bei dem vorliegenden Verfahren die Fettalkoholsulfonate an Stelle
von Tran als Gerbmittel verwendet, indem sie in saurer Lösung auf die Kollagenfasern
zum Aufziehen gebracht und darauf haltbar fixiert werden. Durch das neue Verfahren
wird der Sämischgerber völlig unabhängig von der Versorgung mit Tran. Die erforderlichen
Fettalkoholsulfonate sind im Gegensatz zum Tran jederzeit zu beschaffen, da sie
nicht nur aus beliebigen tierischen und pflanzlichen Fetten, sondern auch aus synthetischen
Stoffen, beispielsweise aus geeigneten Fraktionen der durch Oxydation von Paraffinen
oder sonstigen hochmolekulären aliphatischen Kohlenwasserstoffen erhaltenen Carbonsäuren
durch katalytische Reduktion zu den entsprechenden Alkoholen und Sulfonierung erhältlich
sind. Die mengenmäßige Ersparnis an Fettstoff ist eine außerordentliche, da der
Verbrauch an Fettalkoholsulfonat wesentlich geringer ist als der Verbrauch an Tran
bei dem alten Verfahren und auch bei der sogenannten Neusämischgerbung.
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Ein weiterer Vorteil des neuen Gerbverfahrens liegt darin, daß man
es in der Hand hat, die Wasseraufnahmefähigkeit des erzeugten Sämischleders in gewünschter
Weise einzustellen. Man kann sowohl ein wasserabstoßendes Sämischleder erzeugen,
das sich für Bekleidungsleder eignet, als auch ein sehr leicht benetzbares Sämischleder,
das als Fensterputzleder und Filtrierleder geeignet ist, wie im folgenden noch näher
auseinandergesetzt wird. Beispiele i. Rehfelle, die zur Herstellung von Sämischleder
für , Handschuhe, Reithosenbesätze und Bandagen dienen sollen, werden wie üblich
geweicht, geschwödet und geäschert. Nach Abstoßen oder Abspalten des Narbens werden
die Felle in bekannter Weise einer Enzymbeize unterworfen. Das übliche Pickeln kann
unterbleiben.
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Vorgerbung: Man läßt die Blößen im Faß mit Zoo °/o Flotte, enthaltend
io0;'o Kochsalz und?, % Fettalkoholsulfonat (33 % Fettalkoholgehalt) 30 Minuten
laufen und fügt nach dieser Zeit o,80/, Schwefelsäure zu. (Die Prozentangaben beziehen
sich auf das Blößengewicht.) Das Faß wird darauf noch weitere 11/, Stunden bewegt.
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Gerbung: Die Gerbung wird in derselben Flotte unter Zugabe von 4 0/,
Chromgerbextrakt (26 0/, Cr, 03), das auf 0/1Z basisch eingestellt ist und 10/,
Fettalkoholsulfonat (33)/, Fettgehalt), alles vom Beizgewicht, durchgeführt. Das
Chromsalz wird in der 4- bis 5fachen Menge Wasser aufgelöst und dann das ebenfalls
gelöste Fettalkoholsulfonat eingerührt. Die Lösung wird in 4 bis 5 Anteilen innerhalb
von 2 bis 3 Stunden in das Gerbfaß gegeben. Insgesamt dauert die Gerbung 8 bis 9
Stunden.
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Die Felle bleiben über Nacht im Faß liegen, das am nächsten Morgen
nochmals z bis 2 Stunden bewegt wird. Dann werden die Leder auf den Bock gelegt
und nach 2 Tagen mit einer Lösung von 1,5)/, Natriumbicarbonat in Zoo 0/, Wasser
bei 18 bis 2o' während 45 Minuten gespült und neutralisiert. Anschließend werden
die Felle nochmals gespült. Eine Nachfettung ist nicht unbedingt erforderlich. Wenn
eine solche zur Verbesserung der Geschmeidigkeit des Leders gewünscht wird, sind
2 0/, sulfonierter Tran (mit 2o o/(, Schwefelsäure sulfoniert), berechnet auf das
Falzgewicht, ausreichend. Nach dem Neutralisieren bzw. nach dem Fetten werden die
Leder getrocknet, eingespänt, gestöllt und geschliffen. Die so erhaltenen Leder
sind vollkommen waschecht, sehr weich und zügig und besitzen einen trockenen Velour.
Die Netzfähigkeit dieser Leder ist im Vergleich zu dem gewöhnlichen Sämischleder
wesentlich geringer. Darauffallende Wassertropfen perlen ab, wie bei -einem imprägnierten
Textilstoff.
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2. Rehfelle, die auf Sämischleder für Bekleidungszwecke verarbeitet
werden sollen, werden wie üblich bei einem pn-Wert von 9 bis ii geweicht, geschwödet
und geäschert. Zweckmäßig kann man dabei dem Äscher etwa 0,5 0/, Natriumsalz.
der Schwefelsäureester aus dem Vorlauf der Kokosfettalkohole (bezogen auf das Falzgewicht)
zusetzen. In dem Äscher bleiben die Blößen 14 Tage liegen. Sie werden dann entfleischt,
und der Narben wird abgestoßen oder abgespalten. Nach gutem Spülen wird in der Haspel
bei 5oo o/, Flotte mit i % eines Pankreaspräparates (iooo Testeinheiten nach Kubelka-Wagner)
während 3 Stunden bei 38° gebeizt. Es wird dann kurz gespült. Das übliche Pickeln
unterbleibt.
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Vorgerbung: Die Felle werden mit Zoo % Wasser, io 0/, Kochsalz, 2
0/, Fettalkoholsulfonat (33 0/, Fettgehalt), 3 0/, Alaun, alles vom Beizgewicht,
bei 18 bis 2o° gegerbt. Zur Herstellung der Gerblösung werden Fettalkoholsulfonat
und Alaun einzeln gelöst, zusammengemischt und dann ins Gerbfaß gegeben. In dieser
Gerblösung werden die Blößen 2 Stunden im Gerbfaß laufengelassen.
Gerbung:
Man gibt in dieselbe Flotte 3 °(a Formaldehyd in 3 Anteilen innerhalb i Stunde und
läßt das Faß eine weitere Stunde laufen. Dann erfolgt ein weiterer Zusatz von 2
°/o Fettalkoholsulfonat (33 °/o Fettalkoholgehalt) und 2 °/o Alaun, die aufgelöst
und vor Zugabe zur Gerblösung gemischt werden. Die Zugabe erfolgt in 3 Anteilen
innerhalb 2 Stunden. Nach weiteren 2 bis 4 Stunden Laufzeit wird das Faß abgestellt.
Die Leder bleiben bis zum nächsten Morgen in der Flotte liegen und werden dann nochmals
i bis 2 Stunden bewegt. Die Leder werden dann auf den Bock gesetzt und nach 48 Stunden
Lagerzeit gut gespült, getrocknet und, wie in Beispiel i beschrieben, zugerichtet.
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Die Leder sind rein weiß, gut waschbar, sehr weich und zügig. Die
Benetzbarkeit ist bei diesen Ledern ebenfalls geringer als bei normalem Sämischleder,
was für Bekleidungsleder von Vorteil ist.
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Das Verfahren kann auch in der Weise abgeändert werden, daß zunächst
nach dem Beizen und Spülen eine Vorgerbung mit 3 °/o Formaldehyd vorgenommen wird
und dann die Gerbung mit der Alaun und Fettalkoholsulfonat enthaltenden Gerblösung
erfolgt.
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3. Rehfelle, die auf Sämischleder für Fensterputzzwecke oder für Filtrierleder
verarbeitet werden sollen, werden einschließlich der Beize, wie in Beispiel 2 beschrieben,
vorbehandelt. Es folgt dann das Pickeln mit einer Flotte folgender Zusammensetzung:
200 °/o Wasser, io °;`o Kochsalz, o,8 °/o Schwefelsäure, alles vom Beizgewicht.
Die Temperatur soll dabei etwa 18 bis 2o° betragen.
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Vorgerbung: Die Vorgerbung erfolgt unter Mitverwendung der gebrauchten
Pickelbrühe, indem 4 °/o Chromgerbextrakt (26 °/o Cr. 03, "/12 basisch eingestellt)
nach vorherigem Auflösen in der 4- bis 5fachen Menge Wasser in 3 Anteilen im Verlauf
von 3 Stunden in das Gerbfaß gegeben wird. Nach weiteren 4 bis 6 Stunden Laufzeit
wird das Faß abgestellt, und die Felle bleiben über Nacht im Faß liegen. Sie werden
am nächsten Morgen nochmals i bis 2 Stunden bewegt. Dann werden die Leder auf den
Bock gelegt und nach 2 Tagen mit 1,5 °/o Natriumbicarbonat in Zoo °,7o Wasser bei
18 bis 20° während 45 Minuten gespült und neutralisiert. Anschließend werden die
Leder nochmals gut gespült.
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Gerbung (zugleich Fettung) : Man behandelt die Leder im Gerbfaß mit
einer Flotte aus i5o °/o Wasser, 6 °@ Fettalkoholsulfonat (33 °,!o Fettalkoholgehalt),
2 °; o sulfoniertem Tran (mit 2o °/o H2 S04 sulfoniert, alles vom Falzgewicht, während
45 Minuten bei 5o°. Dann setzt man zum Fixieren des Fettalkoholsulfonats °/o Ameisensäure
zu und läßt das Faß noch weitere 15 Minuten laufen. Es folgt das Trocknen, Einspänen,
Stollen und Schleifen wie üblich.
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Die nach dem Beispiel 3 erhaltenen Leder zeichnen sich durch eine
sehr gute Waschbeständigkeit aus und haben dieselbe Benetzbarkeit, wie das in üblicher
Weise hergestellte Sämischleder, so daß sie als Fensterputzleder sowie zum Filtrieren
von Benzin u. dgl. bestens geeignet sind. Die Schrumpfungstemperatur liegt beträchtlich
höher als diejenige eines gewöhnlichen Sämischleders, da auch im siedenden Wasser
noch kein Schrumpfen eintritt.
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In den vorstehenden Beispielen ist unter Fettalkoholsulfonat, soweit
nicht anderes bemerkt ist, das Sulfonat eines technischen Gemisches von Lauryl-
und Myristinalkohol, gewonnen aus dem den Kokosfettsäuren entsprechenden Fettalkoholgemisch,
zu verstehen. Diese Fettalkoholsulfonate können auch durch Sulfonate anderer aliphatischer
Alkohole mit 8 bis 16 Kohlenstoffatomen sowie durch Sulfonate innerhalb dieser Größenordnung
liegender Alkoholgemische ersetzt werden. Geeignet sind z. B. Cetylalkoholsulfonat,
Decylalkoholsulfonat und Oleylalkoholsulfonat.
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Die unter Mitverwendung von Chromgerbstoffen hergestellten Leder haben
eine grünliche Farbe, lassen sich aber ohne weiteres so färben, daß sie das gewöhnliche
Aussehen eines Sämischleders erhalten, wie aus der Mustertafel zu ersehen ist. Das
unter Mitverwendung von Alaun gegerbte Leder ist rein weiß und kann als solches
oder in gefärbtem Zustand verwendet werden.