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Verfahren zum Gerben tierischer Häute Das Gerben von tierischen Häuten
ist eine Maßnahme, die sich häufig über Wochen und Monate erstreckt. Besonders in
der Lohledergerberei ist es üblich, das Hautmaterial unter wiederholtem Wechsel
Gerbbrühen mit allmählich steigender Gerbstoffkonzentration auszusetzen. Bei zu
früher Anwendung konzentrierter Gerbbrühen entsteht »totgegerbtes« Leder. Um derartigen
Gefahren vorzubeugen und anderseits eine allzulange Ausdehnung der Gerbung zu vermeiden,
ist man vielfach dazu übergegangen, die Gerbung von Sohlleder, Riemenleder, vegetabilischen
Feinledern usw. mit Gemischen von künstlichen und natürlichen vegetabilischen Gerbstoffen
vorzunehmen. Wenn auch die Gerbung mit künstlichen Gerbstoffen bezüglich Griff,
Zerreißfestigkeit, Gewicht usw. noch keineswegs den Anforderungen der Praxis genügt,
so dringt doch der künstliche Gerbstoff infolge seines höheren Dispersitätsgrades
besser in die tieferen Teile der Haut ein und bewirkt eine schnellere und vollständigere
Durchgerbung. Künstliche Gerbstoffe, die die genannten Wirkungen ergeben, sind meist
Kondensationsprodukte von Kresolsulfonsäuren, Naphthalinsulfonsäuren usw. mit Formaldehyd,
die entsprechend den deutschen Patenten 262 558, 291 457 u. a. hergestellt
werden.
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Die Anwendung der künstlichen Gerbstoffe als Beschleuniger hat den
Nachteil, daß die Produkte gleichzeitig sich als Gerbmittel betätigen, die Hautproteine
absättigen und diese somit für die Aufnahme der vegetabilischen Gerbstoffe unfähig
machen. Die Folge ist ein zu geringes Gewicht des Leders. In der Unterlederfabrikation
ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, das Leder durch Sättigen mit ungebundenem
vegetabilischem Gerbstoff zu beschweren.
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Es wurde nun ein Verfahren aufgefunden, unter Fortlassung der künstlichen
Gerbstoffe mit vegetabilischen oder mineralischen Gerbstoffen oder mit gerbenden
Fetten eine vollständige und befriedigend schnelle Durchgerbung zu erreichen, wobei
die genannten Gerbmittel allein als solche wirken. Der Zusatz von nicht gerbenden
hochmolekularen einfachen oder kondensierten Sulfonsäuren oder Sulfonsäuresalzen,
die .aus Fetten, Ölen oder Fettsäuren allein oder im Gemisch mit molekülvergrößernden
kondensierbaren Zusatzstoffen durch intensive Sulfonierung und Kondensierung gewonnen
werden, befördert das Eindringen der eigentlichen Gerbstoffe ganz beträchtlich,
gibt außerdem dem Leder eine bessere Fülle und hellt die Farbe der Gerbung auf.
Die Ursache hierfür ist wohl in der Kapillaraktivität der erwähnten hochmolekularen
Sulfonsäuren zu suchen, die Verdichtungen der Gerbstoffteilchen an der Hautoberfläche
verhütet und das Eindringen des Gerbstoffs in
das Innere der Haut
befördert. Da die genannten hochmolekularen Sulfonsäuren bzw. ihre Salze Nichtgerbstoffe
sind, d. h. nicht imstande sind, Blößen'in Leder umzuwandeln, und höchstens geringe
Mengen gerbender Kondensationsprodukte als technische Verunreinigungen enthalten,
so findet keine eigentliche Absättigung des Hautproteins durch diese Sulfonsäuren
statt. Sie befördern lediglich das Eindringen der eigentlichen Gerbstoffe und wirken
mithin als Aktivatoren und Beschleuniger .des Gerbprozesses. Darüber hinaus werden
sie aber; an der inneren Oberfläche des Leders durch Adsorption festgehalten, wodurch
einmal die Fülle des Leders wesentlich verbessert wird und anderseits an Gerbstoff
oder auch an Fettlicker gespart werden kann. Mit Hilfe dieser Zusätze ist es leicht
möglich, die Gerbung mit konzentrierteren Brühen als sonst üblich zu beginnen und
den Übergang von verdünnten Gerblösungen zu konzentrierten schneller zu gestalten,
als es sonst üblich ist.
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Ein weiterer Vorteil der Mitverwendung der hochmolekularen Sulfonsäuren
oder Salze vorgenannterj Art besteht in der konservierenden Wirkung derselben auf
die Gerbbrühen. Die Gärung und Bildung von Schimmelpilzen wird stark gehemmt. Hierdurch
wird Gerbstoff gespart und Hautmaterial geschont. Schließlich bewirken die Sulfonsäuren
eine aufhellende Wirkung auf Gerbstofflösung und Leder. Sie ähneln in dieser Beziehung
den Mineralsäuren, ohne deren schädliche Wirkung auf die Hautsubstanz auszuüben.
Sie lösen auch in starkem Mäße Phlobaphene und gestatten auf diese Weise eine weitergehende
Ausnutzung vegetabilischer Extrakte.
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Eine Verbesserung der Gerbung findet nicht nur bei der vegetabilischen
Gerbung, sondern auch bei der Mineralgerbung, der Fettgerbung sowie bei kombinierten
Gerbungen statt. Auch die Herstellung von Chromleder, Alaunleder, Sämischleder wird
durch Zusätze der hochmolekularen organischen Sulfonsäuren erleichtert und die Qualität
der Leder verbessert.
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Sulfonsäuren, welche im Sinne der vorliegenden Erfindung als Zusätze
zur Gerbung geeignet sind, werden aus Fetten, Ölen oder Fettsäuren oder aus Gemischen
solcher mit kondensierbaren Verbindungen, wie aromatischen Kohlenwasserstoffen oder
deren Derivaten, z. B. Halogenderivaten oder Phenolen, sowie Alkoholen, Ketonen,
Lactonen oder Carbonsäureanhydriden bzw. -chloriden durch intensive Sulfonierung
bzw. Kondensienuig mit Schwefelsäurehalogenhydr'_,nen oder ähnlich stark kondensierend
wirkenden Sulfonierungsmitteln gewonnen. Auch solche Sulfonsäuren, bei deren Herstellung
etwa zunächst Kondensierung der hochmolekularen Fettkomponente mit der aromatischen
Verbindung und dann Sulfonierung erfolgt ist, wie z. B. Oleophenonsulfonsäure, sind
als Zusätze bei Gerbprozessen geeignet. Als Fettstoffe sind die meisten natürlich
vorkommenden Fette tierischer oder pflanzlicher Herkunft sowie die daraus gewonnenen
Fettsäuren geeignet. Auch kommen solche Verbindungen in Betracht, die von- den natürlich
vorkommenden Fetten oder Fettsäuren abzuleiten sind. Als Sulfonierungsmittel finden
Chlorsulfonsäure, S 03, rauchende Schwefelsäure, Gemische dieser untereinander oder
Gemische von Sulfonierungsmitteln mit stark wasserentziehenden Substanzen, kurz
solche Agenzien Verwendung, welche die genannten Fette bzw. fettähnlichen Stoffe
in hochsulfonierte Erzeugnisse mit erheblichem Gehalt an echten am C-Atom sitzenden
Sulfongruppen überzuführen vermögen. Nur derartige hochsulfonierte Verbindungen
sind geeignete Gerbhilfsmittel im Sinne der Erfindung, weisen genügende Beständigkeit
gegen Härtebildner des Wassers, saure Gerbbrühen, Chromverbindungen, Salzzusätze
auf, sind imstande, pflanzliche Gerbstoffe und sogar die Phlobapheneweitgehend zu
dispergieren und darüber hinaus die Gerbung aufzuhellen und das Leder zu füllen,
ohne gleichzeitig, wie ein Fettungsmittel, den Stand zu beeinträchtigen. Einfache
Gerböle bzw. Türkischrotöle oder Fettschwefelsäureester, selbst von höherem Sulfonierungsgrad,
wie sie etwa nach dem Verfahren der amerikanischen Patentschrift 1374 607
erhältlich sind, lassen die erforderlichen Beständigkeitseigenschaften vermissen,
d. h. sie bilden mit hartem Wasser Kalkseifen, geben in sauren G erbbrühen Fettsäureabscheidungen,mit
Chrombrühen Niederschläge usw., haben weit geringere kapillaraktive Wirkungen und
beeinträchtigen häufig in unerwünschter Weise den Stand des Leders. Das gleiche
gilt für die neuerdings vorgeschlagenen Sulfonate, die aus Wollfettsäuren in Gegenwart
von Phenol erhalten werden und die ausschließlich zum Fetten von Leder Verwendung
finden sollen. Sulfonsäuren von Mineralölkohlenwasserstoffen wirken gleichfalls
weit weniger durchdringend und gerbbeschleunigend, haben außerdem ein unerwünschtes
Eigengerbvermögen und liefern zudem ein leeres, dunkles Leder.
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Es ist ferner bereits vorgeschlagen worden, Emulsionen, welche aus
hydrierten Kohlenwasserstoffen und aromatischen Sulfonsäuren bestehen, zum Reinigen,
Entfetten und Benetzen von tierischen Fasern und auch von` Leder anzuwenden. Derartige
Emulsionen sind für das vorliegende Verfahren nicht geeignet. Andererseits spielen
auch Entfettungs- und Benetzungsprozesse hier keine Rolle.. -,Entfettungen. pflegen
entweder im Blößenzustand oder nach der Gerbung, niemals aber in-der Gerbung durchgeführt
zu werden. Ein Benetzen erübrigt sich, da
durch die voraufgehenden
Arbeitsgänge; wie Äschern und Beizen, das Blößenmaterial bereits völlig -durchnetzt
wird.
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Es seien im folgenden einige Verfahren zur Herstellung geeigneter
hochmolekularer Sulfonsäuren angeführt.
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Beispiel i ioo Gewichtsteile Ricinusöl werden mit ioo Gewichtsteilen
Chlorsulfonsäure bei 3o bis 33'C unter guter Kühlung und Rührung innerhalb von 6
Stunden sulfoniert. Nach i2stündigem Stehen wird die Sulfonsäure mit 3/4 ihres Gewichts
an Eiswasser aufgenommen und mit konzentrierter Natronlauge unter guter Kühlung
bis zur Klärung und schwach sauren Reaktion neutralisiert. Von auskristallisierten
Salzen wird nach mehrtägigem Stehen dekantiert.
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Beispiel 2 28z Gewichtsteile technische Olsäure werden mit 78 Gewichtsteilen
Benzol gemischt, und dieses Gemisch wird mit 233 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure
bei 25 bis 30'C unter guter Kühlung und Rührung innerhalb 6 Stunden kondensiert
und sulfoniert. Nach beendeter Reaktion wird die Sulfonsäure mit 3/4 ihres Gewichts
an Eiswasser aufgenommen und unter intensiver Kühlung bis zur schwach sauren Reaktion
mit Natronlauge neutralisiert. An Stelle des Benzols kann auch die äquivalente Menge
Phenol verwendet werden.
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Beispiel 3 ioo Gewichtsteile Ricinusöl werden mit 4o Gewichtsteilen
Essigsäureanhydrid vermischt und mit ioo Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure bei etwa
--8' C behandelt. Die so erhaltene Sulfonsäure wird mit 3/4 ihres Gewichtes an zuvor
gekühlter 2o%iger Kochsalzlösung versetzt, worauf sich innerhalb weniger Stunden
eine saure Salzlösung absetzt. Diese wird abgezogen und dann wird die Sulfonsäure
unter guter Kühlung mit Natronlauge neutralisiert, bis eine PH von 5,5 bis 6 erreicht
ist. An Stelle des Essigsäureanhydrids kann auch Acetylchlorid in äquimolekularer
Menge angewandt werden. Beispiel 4 i Mol Olsäurechlorid wird unter Mitverwendung
von wasserfreiem Aluminiumchlorid mit 6 Mol Benzol zu Oleophenon kondensiert und
dieses mit 4 Mol rauchender Schwefelsäure (7% Anhydrid) zu Oleophenonsulfonsäure
sulfoniert.
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Beispiel 5 ioo Gewichtsteile Olein werden mit 25 Gewichtsteilen n-Butylalkohol
vermischt und mittels einer Lösung von 15 Gewichtsteilen Phosphorpentoxyd in 75
Gewichtsteilen Schwefelsäuremonohydrat bei etwa :25' C kondensiert und sulfoniert.
Nach beendeter Reaktion nimmt man das Sulfonierungsgemisch mit 3/4 seines Gewichts
an Wasser auf und neutralisiert mittels konzentrierter Natronlauge bis zur Schichtentrennung
an. Die obere Schicht wird zu Ende neutralisiert und das erhaltene 01 von
etwa auskristallisierten Salzen abfiltriert.
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Beispiel 6 3o Gewichtsteile Klauenölfettsäure und io Gewichtsteile
Cyclohexanon werden gemischt und mit 2o Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure bei 5 bis
io ° C unter guter Kühlung und Rührung sulfoniert. Nach beendeter Reaktion wird
die Sulfonsäure in beschriebener Weise mit Eiswasser gemischt und bis zur schwach
sauren Reaktion neutralisiert.
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Beispiel ? ioo Gewichtsteile Ricinusöl werden mit 6o Gewichtsteilen
eines technischen Gemisches von Butyrolacton und Valerolacton gemischt und mit dem
Reaktionsprodukt aus 138 Gewichtsteilen Oleum (45% S03) und 45,3 Gewichtsteilen
Kochsalz bei etwa 30' C behandelt. Nach beendeter Reaktion wird die Sulfonsäure
mittels ,3/4 ihres Gewichts an 2o%iger Kochsalzlösung ausgewaschen. Die säure Salzlösung
wird abgelassen und die obere Schicht mit konzentrierter Natronlauge neutralisiert.
Man erhält so ein ölartiges Erzeugnis.
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Die nach den vorstehenden Vorschriften gewonnenen Sulfonsäuren bzw.
Sulfonsäuresalze können auch durch Kalken, Aussalzen, Bleichen o. dgl. wahlweise
gereinigt werden. Ähnlich geeignete Sulfonsäuren sind nach den in dem französischen
Patent 64o 617 beschriebenen Verfahren erhältlich.
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Die Anwendung der Sulfonsäuren in der Gerberei geschieht wie folgt:
I. Lohgares Unterleder Zum Gerben von Unterleder wird die vorbereitete Blöße zunächst
in eine 3 ° Be starke pflanzliche Gerbbrühe aus gleichen Teilen Quebracho-und Eichenrindengerbstoff
gebracht, die zwecks Gerbbeschleunigung 2% einer anneutralisierten Sulfonsäure nach
Beispiel 2 oder 4 enthält. Nach zwei Tagen kommen die Häute in eine Brühe der gleichen
Gerbstoffe von 4° B6, die ebenfalls 2% der Sulfonsäure enthält. Sobald der Schnitt
vollständige Durchgerbung zeigt, wird im Faß mit einer Gerbbrühe von 6 bis 8'B6
etwa innerhalb von 48 Stunden vollgegerbt.
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II. Chromgares Rindboxleder Bei der Gerbung dieser Lederart wird der
üblichen basischen Chromgerbbrühe (bereitet aus Chromalaun und Soda, Basizität etwa
40 %) 1,5% der in Beispiel 6 bzw.7 beschriebenen Sulfonierungsprodukte zugesetzt.
Die Blößen
gerben schneller und gleichmäßiger durch, der Narben
wird geschlossener erhalten, und das Leder neigt nicht zum »Losewerden«. Nach 5-
bis 6stündiger Gerbung wird neutralisiert und wie üblich zugerichtet.
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III. Sämischleder Zur vollständigen Sämischgerbung von Schaffleischspalten
werden diese dreimal in der Kurbelwalke mit einem Gemisch aus 97 °/o Tran
und 3 % einer gereinigten Sulfonsäure nach Beispiel q. oder 7 durchgewalkt,
wobei die Spalte nach jeder Operation zwecks Oxydation des Trans an der Luft verhängt
werden. Pro Fell werden etwa 500 ccm des Tran-Sulfonsäure-Gemisches verbraucht.
Der Zusatz der Sulfonsäure befördert das Eindringen des Trans in die nasse Haut
und bedingt eine Abkürzung der Gerbdauer um wenigstens 2o °/o.
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IV. Reptilienleder Gebeizte Eidechsenblößen werden in üblicher Weise
in einer etwas aufgebesserten, bereits gebrauchten Sumachextraktbrühe von 1/2° B6
während eines halben Tages angegerbt. Dann wird auf frischen Brühen von i ° B6,
3 ° B6 und 5 ° B6 ausgegerbt, wobei der Gerbprozeß insgesamt q. bis 5 Tage in Anspruch
nimmt. Der 3 ° B6 starken Brühe wird 1/2%, der 5 ° B6 starken Brühe i('/, des nach
Beispiel i oder 3 erhaltenen Sulfonats, berechnet auf das Blößengewicht, zugesetzt.
Die Gerbung wird hierdurch beschleunigt, der Griff des Leders verbessert und die
Farbe aufgehellt, was sich auch in der nachfolgenden Färberei nutzbringend auswirkt.
V. Pelzgerbung Kaninchenfelle, welche zuvor gut gebeizt und entfleischt worden sind,
werden in an sich bekannter Weise der Leipziger Zurichtung unterworfen. Eine Kochsalzlösung
von io ° B6 Stärke wird mit Schwefelsäure versetzt, bis die Lösung ii° B6 spindelt.
io Teile dieser Salzlösung werden mit 2 Teilerz des nach Beispiel 3 erhältlichen
Sulfonats vermischt. Die Kaninchenfelle werden nunmehr mit dieser Mischung eingestrichen,
i Stunde lang Fleisch auf Fleisch liegengelassen und dann getrocknet bzw. zugerichtet.
Man kann das gleiche Gerbverfahren auch bei bereits, zugerichteten und gefärbten
Kaninchenfellen oder bei anderen Pelzsorten anwenden.