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Verfahren zur Umsetzung von Olefinen mit Chlorwasser zu Alkylenchlorhydrinen
Der allgemeine Weg für die technische Darstellung der Alkylenchlorhydrine ist die
Anlagerung von unterchloriger Säure in wässeriger Lösung an Olefine. Für die technische
Darstellung von unterchloriger Säure wendet man verschiedene Verfahren an, z. B.
die Zersetzung von wässeriger Lösung oder Suspension von Chlorkalk durch Kohlensäure
und die Einwirkung von Chlor auf wässerige Lösungen der Alkalien oder Alkalicarbonate
oder -bicarbonate. Diese Methoden sind jecioch nicht vorteilhaft.. Die Dosierung
des Chlorkalkes z. B. und der Kohlensäure ist schwierig. Diese letztere Methode
hat auch den Nachteil, daß große Mengen Calciumc arbonatschlamm entstehen, die nach
der Einwirkung der wässerigen unterchlorigen Säure auf Olefine von den gebildeten
Chlorh_vdrinen getrennt werden müssen.
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Die Verwendung von Alkali- oder Alkalicarbonatlösungen ist sehr unrentabel,
da zur Durchführung der Reaktion erhebliche Mengen dieser teuren Produkte benötigt
werden. Neuerdings hat man gefunden, daß an Stelle der genannten Verfahren die unterchlor
ige Säure in einfacherer Weise und ebensogut durch eine wässerige Chlorlösung ersetzt
werden kann. Die Herstellung von Chlorliydrineri durch Behandlung der Olefine
mit Chlorwasser gelingt jedoch mit befriedigender Ausbeute nur, wenn das Chlorwasser
äußerst verdünnt ist.
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Die praktische Durchführung dieses Verfahrens bereitet indessen Schwierigkeiten.
Bei der gleichzeitigen Einleitung von Chlor und Olefinen in eine wässerige Lösung
muß für eine energische Bewegung der Flüssigkeit und für die feinste Verteilung
der Gase gesorgt werden, da andernfalls zur Umsetzung der Olefine mit Chlorwasser
sehr große Reaktionsräume und -gefäße erforderlich sind. Nimmt man z. B. die Reaktion
in einem Kessel mit Rührwerk vor, so ist die Materialfrage der Apparatur, die beständig
gegen verdünnte Salzsäure, wässeriges Chlor und verdünnte Chlorhydrine sein muß,
schwierig zu lösen. Der erforderliche Kraftverbrauch ist groß. Weiterhin macht die
Abführung der Reaktionswärme bei salzsäurebeständigen Materialien nicht unerhebliche
Schwierigkeiten. Alle diese Mängel führen beim Arbeiten nach der erwähnten Methode
dazu, daß neben häufigen Betriebsstörungen nur unbefriedigende Ausbeuten erzielt
werden.
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Man hat auch bereits das Chlor und die Olefine getrennt in die wässerige
Lösung eingeleitet. Dabei arbeitet man mit Rieseltürmen, durch die die Flüssigkeit
von oben nach unten hindurchrieselt. In den ersten Kieselturm wird Chlor eingeleitet,
das der Flüssigkeit von unten nach oben entgegenströrnt und dabei von dem Wasser
aufgelöst wird. In das so gebildete Chlorwasser wird dann in einem zweiten Turm
Äthylen eingeleitet, daß wiederum dem Flüssigkeitsstrom entgegen diesen durchströmt
und dabei von dem Chlorwasser aufgenommen wird, das es in Äthylenchlorhydrin umwandelt.
Dieses Verfahren
hat aber den \ achteil, daß das Chorwasser bei
der Überführung aus dem Chlorrieselturm in den Äthylenrieselturm an der Stelle,
wo es aus dem Verbindungsrohr in den Turm einläuft, mit Luft bzw. Gasen in Berührung
kommt, 'So daß eine teilweise Entgasung des Chlorwassers eintritt. Das frei gewordene
gasförmige Chlor verbindet sich mit dem aufsteigenden Äthylen zu Äthylenchlorid.
Eine weitere Auflösung des Chlorwassers erfolgt beim Herabrieseln durch den Äthylenrieselturm,
da dieser nicht vollständig mit Flüssigkeit angefüllt ist. Auch das hier frei gewordene
Chlor verbindet sich mit dem aufsteigenden Äthylen zu Äthylenchlorid. Diese Nebenreaktionen
sind aber sehr unerwünscht. Sie bilden den Anlaß zu ungenügenden Chlorhydrinausbeuten.
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Durch das neue Verfahren werden diese Nachteile beseitigt. Es besteht
darin, daß man zur Umsetzung der Olefine mit Chlorwasser zu Alkylenchlorhydrinen
die. Olefine in eine unter Druck fortbewegte, den Reaktionsraum als Flüssigkeitssäule
ausfüllende Chlorlösung einführt. Dabei kann man das Chlor zur Herstellung des Chlorwassers
vor der Eintrittsstelle der Clefine in die strömende Löseflüssigkeit einführen,
mit der es sich dann in gleicher Richtung fortbewegt und dabei vollständig aufgelöst
wird. Bei dieser Arbeitsweise wird die Verwendung irgendwelcher größerer säurefester
Reaktionsgefäße mit Verteiler- und Kühlvorrichtungen überflüssig. Rieseltürme fallen
vollständig fort. Die Reaktion wird in einer einfachen Rohrleitung ausgeführt, und
zwar geht die Flüssigkeit zweckmäßigerweise unter fortlaufender Zugabe von Chlor
und Olefinen im Kreislauf durch diese Rohrleitung, wobei von der gebildeten Chlorhydrinlösung
nach Erreichung der gewünschten Konzentration ständig eine gewisse Menge ab- und
eine entsprechende Menge Frischwasser wieder zugeführt wird.
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Der Arbeitsgang sei an folgendem Beispiel näher erläutert: Aus einem
Sammelgefäß i, das mit einer gewissen Menge Wasser beschickt ist, wird mit der Pumpe
2 kontinuierlich ein Teil der Flüssigkeit ausgepumpt und wieder in das Sammelgefäß
zurückgeführt. In die Saugleitung der Pumpe wird durch eine Rohrleitung 3 in das
zirkulierende Wasser Chlor eingeführt, das sowohl mit dem Wasser in der Saugleitung
als in der Pumpe 2 so innig gemischt wird, daß es vollständig in Lösung geht. Da
die Flüssigkeit in der Druckleitung unter einem gewissen Druck steht, so ist das
Wiederfreiwerden von Chlor ausgeschlossen. Hinter der Pumpe 2 leitet man nun durch
eine Rohrleitung 4 die olefinhaltigen Gase in die Druckleitung ein. Dieselben ,werden
durch die rasche Strömung der Flüssigkeit in der Rohrleitung schaumartig mit dieser
vermischt, so daß die Umsetzung in kürzester Zeit erfolgt und vollständig beendet
ist, wenn die Flüssigkeit wieder in das Sammelgefäß zurückströmt. Die von den Olefinen
befreiten Restgase trennen sich hier von der Flüssigkeit und werden durch eine Leitung
5 zur weiteren Verwertung abgeleitet. Hat die zirkulierende Flüssigkeit eine gewisse
Konzentration von Chlorhydrinen erreicht, so wird dem Sammelgefäß i durch eine Leitung
6 kontinuierlich kaltes Wasser zugeführt. Der Überschuß an Flüssigkeit, die nun
durch die frei werdende Reaktionswärme erheblich wärmer wird, fließt ebenfalls kontinuierlich
durch einen Überlauf 7 ab. Die Fabrikation braucht also nicht unterbrochen zu werden,
und man ist nicht genötigt, die einmal eingestellten Reglerapparate für den Zufluß
der Gase zu verändern. So erzielt man eine höchst einfache Arbeitsweise, die fast
automatisch wirkt und unter Ausschluß jeder Gasnebenreaktion sehr befriedigende
Ausbeuten an Chlorhydrinen gibt. Ausführungsbeispiel 164 cbm Ölgas mit einem Gehalt
von 39 V01. °/o Olefinen werden stündlich mit 73 cbm-Chlor behandelt, bei einer
Umlaufgeschwindigkeit der Flüssigkeit von 400 cbm je Stunde. Das Abgas ist bis auf
einen Gehalt von i °/o frei von Olefinen. Die Temperatur der Umlaufflüssigkeit beträgt
38 bis 40°. Der Frischwasserzufluß und der Abfluß der Reaktionsflüssigkeit wird
so geregelt, daß sich der Gehalt der Umlaufflüssigkeit an Chlorhydrinen auf etwa
4 °Jo hält. Von den verarbeiteten Olefmen werden im Durchschnitt 89 °/o als Chlorhydrine
und 8,8°/9 als Chloride gewonnen. Gesamtausbeute 97,8