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Verfahren zur Gewinnung von Acetaldehyd aus acetylenhaltigen Gasen
Es ist bekannt, aus hochprozentigem Acetylen unter gewöhnlichem odererhöhtem Druck
durch Anlagerung von Wasser mit Hilfe einer quecksilbersulfathaltigen Katalysatorflüssigkeit,
die neben Wasser ein organisches Lösungsmittel für Acetylen enthält, Acetaldehyd
herzustellen. Die Katalysatorflüssigkeit kann man hierbei mit Hilfe einer Pumpe
im Kreislauf führen, um so die Temperatur der Katalysatorflüssigkeit durch Kühlung
oder Heizung auf der gewünschten Höhe zu halten oder die Zusammensetzung der Flüssigkeit
zu regeln. Da hierbei nahezu zooprozentiges Acetylen verarbeitet wird, kann man
das Acetylen im Kreislauf führen und muß nicht darauf bedacht sein, es bei einmaligem
Durchgang durch die Katalysatorflüssigkeit möglichst" vollständig in Acetaldehyd
überzuführen. Schwieriger gestaltet sich dagegen die Verarbeitung von acetylenhaltigen
Gasen, wie sie beispielsweise im elektrischen Flammenbogen neuerdings unter technisch
und wirtschaftlich günstigen Bedingungen erzeugt werden. Diese Gase kann man nicht
im Kreislauf auf Acetaldehyd verarbeiten, da sich die beigemengten trägen Gase anreichern
und so den Teildruck des Acetylens im Kreislaufgas mehr und mehr herabsetzen. Man
ist daher gezwungen, dauernd einen großen Anteil des Gases aus dem Kreislauf herauszunehmen
und damit für den Umsatz zu Acetaldehyd verlorenzugeben. Da eine solche Arbeitsweise
unwirtschaftlich und technisch wertlos wird, ist es notwendig, das acetylenhaltige
Gasgemisch bei einmaligem Durchgang des Gases durch die Katalysatorflüssigkeit nach
Möglichkeit vollständig in Acetaldehyd überzuführen. Nur so gelingt es, auch acetylenhaltige
Gase ohne Acetylenverluste, die die technische Verwertungsmöglichkeit eines Verfahrens
entscheidend beeinflussen, wirtschaftlich vorteilhaft zu verarbeiten.
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Zur Erreichung dieses Zieles hat man schon vorgeschlagen, das in acetylenhaltigen
Gasgemischen vorhandene Acetylen im Gegenstrom in Türmen, die mit Füllkörpern versehen
sind, mittels geeigneter Katalysatorflüssigkeiten, die z. B. in schwefelsaurer Lösung
neben Quecksilbersalzen auch Eisensalze enthalten können, in Acetaldehyd umzuwandeln.
Die Katalysatorflüssigkeit muß hierzu von einer gegen heiße Schwefelsäure unempfindlichen
Pumpe am unteren Ende des Umsatzturmes angesaugt und am oberen Turmende dem aufsteigenden
Gasstrom entgegen in den Turm gedrückt werden. Eine solche Arbeitsweise bedingt
besondere, kostspielige Werkstoffe für die Pumpen und
außerdem einen
dauernden Kraftaufwand zur Führung der Katälysatorflüssigkeit im Kreislauf. Die
technischen Nachteile, die sich beim Umwälzen heißer Schwefelsäure mittels einer
Pumpe ergeben, werden also noch vermehrt durch Kosten für Kraftaufwand. Ferner kann
man beim Arbeiten im Gegenstrom den Umsetzungsturm nicht über eine gewisse Grenze
belasten, da sich sonst die' dem Gasstrom entgegenrieselnde Katalysatorflüssigkeit
staut und die Waschwirkung der im Turm verteilten Flüssigkeit und damit auch der
gewünschte Umsatz leidet. Man kann also nicht die größten Durchsätze für einen gegebenen
Turmraum erreichen, wie sie die Wirkungsfähigkeit einer Katalysatorflüssigkeit gestatten
würde, sondern die Stauwirkung setzt diesem anzustrebenden Ziel eine Grenze. Man
ist also gezwungen, größere oder zahlreichere Türme zur Verarbeitung einer bestimmten
Acetylmenge zu bauen. Das bedeutet aber eine wesentliche Beeinträchtigung der Verwendbarkeit
acetylenhaltiger Gase aus dem elektrischen Flammenbogen an Stelle von hochprozentigem
Acetylen bei der Verarbeitung zu Acetaldehyd.
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Es wurde nun gefunden, daß man das Acetylen in acetylenhaltigen Gasen,
wie man sie auf thermischem Wege, insbesondere im elektrischen Flammenbogen erhält,
vorteilhaft in Acetaldehyd überführen kann, wenn man die Gase im Gleichstrom mit
der Katalysatorflüssigkeit behandelt und diese gleichzeitig im Kreislauf herumführt.
Der Kreislauf erfolgt derart, daß stündlich ein Mehrfaches der im Reaktionsgefäß
vorhandenen Flüssigkeitsmenge umgewälzt wird. In besonders günstiger Weise kann
dies erreicht werden, wenn man eine Anordnung wählt, wie sie die beiliegende Zeichnung
veranschaulicht. Das acetylenhaltige Gasgemisch strömt in den unteren Turmteil A.
Die darin sowie im Turmteil B, der mit Füllkörpern beschickt sein kann, befindliche
Katalysatorflüssigkeit wird durch den Gasstrom teils schaumartig hochgetragen und
sammelt sich im Turmteil C, von wo sie wieder durch ein Überlaufrohr zum unteren
Turmteil A zurückfließt. Die Schnelligkeit der Kreislaufbewegung der Katalysatorflüssigkeit
hängt also lediglich von dem infolge teilweiser Schaumbildung im Turm geringeren
spezifischen Gewicht der Katalysatorflüssigkeit und der Menge des in den Turm eingeführten
acetylenhaltigen Gasgemisches ab. Richtige Abmessung der Rohr-und Turmteile vorausgesetzt,
entspricht jeweils einem bestimmten Gasdurchsatz eine bestimmte umlaufende Menge
Katalysatorflüssigkeit in der Zeiteinheit. Die für eine gewisse Turmbelastung notwendige
Katalysatormenge paßt sich demnach selbsttätig dem Gasdurchsatz an. Eine Pumpe ist
also nicht erforderlich. Alle beim Umpumpen heißer Säuren auftretenden Schwierigkeiten
sind damit ausgeschaltet. .Ein dauernder Kraftaufwand zum Umpumpen der Säure ist
ebenfalls nicht notwendig. Eine Stauung der Katalysatorflüssigkeit im Turm kann
nie eintreten, da Gas und -Katalysatorflüssigkeit in derselben Richtung strömen.
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Zur Verarbeitung von Acetylen in acetylenhaltigen Gasen auf Acetaldehyd
arbeitet man folgendermaßen: Man füllt eine der Größe des Umsetzungsturms angepaßte
Menge einer freie Schwefelsäure und Ferrisulfat enthaltenden Lösung, wie sie z.
B. bei dem in der Patentschrift 293 07o beschriebenen Verfahren angewandt
wird, bei E in den Türm. Durch Einblasen von Dampf oder mittelbare Heizung des Turms
wird die Lösung auf etwa 9o° erwärmt. Wenn diese Temperatur erreicht ist, bläst
man nach vorausgegangenem Einfüllen von OOuecksilber in den Turinteil D durch das
Rohr F das acetylenhaltige Gasgemisch ein. Die Katalysatorlösung wird nach C hochgetragen,
fließt nach D über, sättigt sich mit Ouecksilberv erbindungen und fließt im Kreislauf
nach A zurück. Im Turm werden die mitgeführten Quecksilberverbindungen verbraucht;
die an Quecksilberverbindungen verarmte Lösung fließt erneut über nach Di, sättigt
sich wieder, und der Kreislauf beginnt von neuem. Durch diese Anordnung wird erreicht
daß immer die für die Wasseranlagerung an das Acetylen notwendige Quecksilbermenge
zur Verfügung steht. Das Restgas zusammen mit dem entstandenen Aldehyd durchstreicht
Teil C des Turms und verläßt ihn durch das Übergangsrohr H, um in einem angeschlossenen
Kühler und Waschturm vom Aldehyd befreit zu werden. Auf diese Weise gelingt es,
hohe Durchsätze zu erzielen und den Gasdurchgang durch den Turm der jeweils erforderlichen
Menge der Katalysatorflüssigkeit anzupassen, da die stündlich umgewälzte Menge der
Flüssigkeit in dauernder Abhängigkeit vom Gasdurchsatz steht. Mit den erreichten
hohen Durchsätzen ist gleichzeitig eine so gut wie vollständige Überführung des
Acetylens in Acetaldehyd verbunden. Bei dem bekannten Gegenstromverfahren konnte
nur ein acetylenhaltiges Gasgemisch, das 3 % Acetylen enthielt, verarbeitet
werden. Nach der neuen Arbeitsweise kann man aber acetylenhaltige Gase, die bis
zu 18 % Acetylen enthalten, umsetzen.
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Die zur Umsetzung erforderlichen und bei ihr teilweise verbrauchten
O_uecksilberverbindungen müssen durch Umsetzen von metallischem Ouecksilber mit
Eisen-3-salz neu gebildet werden. Das dabei entstandene Eisen-2-salz muß wieder
oxydiert werden. Diese
Erneuerung der Katalysatorlösung kann in
den Kreislauf eingeschaltet oder getrennt davon vorgenommen werden.
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Die Durchsätze kann man noch erhöhen, wenn man die Umsetzung unter
erhöhtem Druck durchführt. Beispiel meinen Turm, wie er in der beiliegenden Zeichnung
dargestellt ist, bringt man eine Katalysatorlösung, die neben 5o g freier Schwefelsäure
35 g Eisen als Eisen-a- und Eisen-3-sulfatimLiterenthält. DieKatalysatorlösung wird
im Kreislauf geführt und hierbei an geeigneter Stelle mit metallischem Quecksilber
in Berührung gebracht. Hierdurch sättigt sich diese Lösung infolge des Umsatzes
des metallischen OOuecksilbers mit dem Eisen-3-sulfat an Queclcsilberverbindungen
der Merkuro- und i@lerkuristufe. In diese Katalysatorlösung wird ein acetylenhaltiges
Gas, das 18 Volumprozente Acetylen enthält, unter Zusatz einer Dampfmenge eingeblasen,
die der für die Wasseranlagerung an das Acetylen und für die Aufrechterhaltung der
Konzentration der Katalysatorlösung erforderlichen Wassermenge entspricht. Das Abgas
steht im Turmteil C unter einem Überdruck von 1/2 Atmosphäre. Gas und Katalysätorflüssigkeit
bewegen sich im Gleichstrom. Das acetylenhaltige Gasgemisch wird bei einmaligem
Durchgang durch die Katalysatorlösung zu 97,8 % umgesetzt, so daß im Abgas
neben Acetaldehyd und den Begleitgasen nur noch 0,4 Volumprozent Acetylen nachzuweisen
sind. 94 % der zugeführten Acetylenmenge werden in Acetaldehyd, etwa z
% in Crotonaldehyd und weitere 1,8 °/o in Essigsäure übergeführt.