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Verfahren zur Darstellung eines berzwirksamen kristallisierten Glucosides
aus Convallaria majalis Das Maiglöckchen, Convallaria majalis L., ist ein Jahrhunderte
altes Volksheilmittel; es wurde und wird in gewissen Gegenden heute noch als Diuretikum
und Herzmittel gebraucht. Natürlich hat es nicht an Versuchen gefehlt, die wirksame
Substanz. aus -der Pflanze in reiner Form darzustellen, bis jetzt ohne Erfolg. Walz,
der sich am eingehendsten mit dier chemischen Untürsuchung von Convallaria majalis
befaßte, gewann aus dieser Pflanze unter anderem zwei Substanzen, das Convallamann
-und das Convallarin. Nur der Bitterstoff Convallamarin soll herzwirksam sein. Es
wurde verschiedeutlich am Frosch ausgewertet; die erhaltenen Werte schwa:nken etwa
zwischen 5o ooo und 200 000 Froschdosen pro Gramm. In den Lehr- und Handbüchern
(z. B. S c h ni i d t: »Lehrbuch der _pliarmazeutischen Chemie«; van
Rij n : »Die Glycoside«; Ab derhalden : »läiochem. Handlexikon«)
findet man
sonderbarerweise die Angabe, das Convallamarin von Walz sei ein
kristallinisches Pulver. Diese Angaben sind nicht richtig. Walz selber charakterisiert
das Convallamarin nur als ein »weißes Pulver« und sagt in seiner letzten ausführlichen
Arbeit: An deutlichen Kristallen konnte dieser gepaarte Zucker bis jetzt von mir
nicht erhalten werden«. (Neues Jahrbuch für Pharmazie, Bd. io [1858], i5o). Das
Convallamarin von Walz, welches bald darauf von E. M e r c k in den
Handel gebracht wurde, ist nicht nur keine kristallisierte, sondern nicht einmal
eine- einigermaßen reine Substanz. E. M e r c k bezeichnet sie als
ein gelbes, amorphes Pulver (Merck's wissenschaftliche Abhandlui#igen, Nr.
8, S. 63),
und die verhältnismäßig niederen und schwankenden Werte, die man
bei der physiologischeu Prüfung erhält, weisen deutlich darauf hin, daß das Convallamarin
keine reine Substanz sein kann. Den bisherigen Stand der Convallaria-Forschung gibt
Z o n d e k (Arch. f. exp. Pathol. u. Pharinakol., Bd. go Lig2i],
285) wie folgt wieder. »Solange das Convallanlarin nicht kristallinisch dargestellt
ist - meine dahingehenden Versuche sind wie die anderer Autoren bisher erfolglos
gewesen -, wir mithin auch keine Garantie für !ein reines und immer gleichmäßig
wirkendes Präparat haben, können wir die galenischen Präparate der Pflanze nicht
entbehren, wenn wir die Convallaria majalis als Herzn-ättel gebrauchen- wollen.«
Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ein Verfahren zur Darstellungeines herzwirksamen
kristaläsierten Glucosides aus Convallaria majalis L., welches dadurch gekennzeichnet
ist,
daß man wässerige Drogenauszüge zunächst mit gerbstoffällenden Mitteln behandelt,
hernach die Lösungen mit Adsorptionskohle ausrührt -, das Kohleadsorbat nach
dem Trocknen mit einem wassierfreien. organischen Lösungsmittel extrahiert, aus
dem Extrakt durch Behandlung mit Petroläther unwirksame' Stoffe entfernt und den
Rückstand durch Umfiällen aus alkoholischer Lösung mit Äther und Kristallisation
aus Wasser und verdünntem Alkohol weiter reinigt.
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Als Droge verwendet man Herba Convallariae oder Flores Gonvallariae.
Die Benutzung der letzteren ist von Vorteil, da sie wesentlich mehr wirksame Substanz
und weniger für die Aufarbeitung unangenehme Begleitstoffe enthält. Das reine, in
weißen Nadeln oder langen Säulen kristallisierte Glu,-cosid aus Convallaria majalis,
L. ist in Wasser und Chloroform sehr schwer löslich, leicht dagegen in Alkohol.
Es schmeckt intensiv bitter und schmilzt bei etwa 22o'. Bei der Liebennannschen
Reaktion entsteht zuerst eine Rotfärbung, die rasch in eine prachtvolle Grünfärbung
übergeht. Die Nitroprussidnatriumreaktion fällt positiv aus. Durch Kochen mit verdännter
Säure wird Zuckeir abgespalten, der Fehlingsche Lösung reduziert. Ein Gramm des
kristallisierten Glucosides enthält nach der Methode von H o u g h -t o n
- S t r a u b 3 ooo ooo Froschdosen; es ist damit das für das Froschherz
giftigste Herzglucosid, welches man bis jetzt kennt. Das kristallisierte Glucosid
aus Convallaria majalis L. soll als Arzneimittel verwendet wexden.
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Das nach dem vorliegenden Verfahren gewonnene neue herzwirksame, kristallisierte
Glucosid aus Convallaria m*#jahs ist nicht identisch mit dem zuerst von Walz als
weißes Pulver beschriebenen Convallamarin. Außer dem Unterschied im Aussehen bestehen
Verschiedenheiten. in der Löslichkeit, in der optischen Drehung, in der Wirksamkeit
usw. Das Convallamarin wird als ein in Wasser leicht lösliches Produkt beschrieben.
Das neue Glucosid löst sich in Wasser sehr schwer. Bei der Ausführung der Liebiermarmschen
Reaktion schlägt die Farbe beim Convallamarin von gelb nach rot, bei dem neuen Glucosid
von rot nach grün um. Die Nitroprussidnatriumreaktion ist beirn Convallamarin negativ,
beim neuen Glucosid positiv. Die optische Drehung beträgt bieim Convallamarin (U)D-55',
das neue Glucosid ist in iprozentiger Lösung optisch inaktiv. ig Convallamarin besitzt
eine Wirksamkeit von 5o- bis i5o ooo Froschdosen, die Wirksamkeit der gleichen Menge
des neuen Glucosides beziffert sich auf 3 bis 3/, Millionen Froschdosen.
Für das Convallamarin wird die Strukturformel C23H4,1012 angegeben, was einem Kohlenstoffgehalt
von 53,909 und einem Wasserstoffgehalt von 8,5goio entspricht. Demgegenüber
wurden bei der Elementaranalyse des lufttrockenen, aus verdünntem Alkohol kristallisierten
neuen Glucosi#des 57,720jo C und 7,990/0 H und bei der Verwendung der bei
ioo' getrockneten Substanz 62,92oio C und 7,47#"o H gefunden.
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Schon Walz jahrbuch. der praktischen Pharmacie, 1843, Bd.
7, S. 277) hat sowohl gerbstoffällende Mittel, wie Adsorptionskohle,
für die Gewirmung des Bitterstoffs aus Convallaria majalis benutzt. Er arbeitete
indessen nicht mit wässerigen, sondern mit alkoholischen Lösungen. In dem gegenüber
Wasser größeren Lösungsvermögen des Alkohols für die Verunreinigungen ist wahrscheinlich
die Erklärung dafür zu suchen, daß Walz den Bitterstoff nach seinem Verfahren nur
in einer Form erhalten hat, die wesentlich unreiner war als das Convallamarin, was
ihn später veranlaßte (Neues jahrbuch der Pharmacie, 1856, Bd. 5, S. i, und
1858,
Bd. io, S. 145), für die Gewinnung dieses Glucosides eine andere
Darstell:ungstnethode zu wählen.
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iTeil gen-iahlene Flores Convallariae wird mit 12 Teilen Wasser 15
Stunden biei gewöhnlicher Temperatur ausgerührt. Nach dem Filtrieren und Nachwaschen
mit Wassier wird der klare, braun gefärbte Auszug mit einer konzentrierten Bleiaoetatlösung
versetzt, bis keine Fällung mehr entstleht. Dann wird der Bleiniederschlag abgetrennt,
und das überschüssige, in der Lösung vorhandene Blei durch Natriumphosphat abgeschieden.
Die filtrierte, klare Lösung wird -mit 0,5 bis o,6 Teilen Tierkohle
3 Stunden bei gewöhnlicher Temperatur ausgerührt, hernach wird die Kohle
von der Flüssigkeit getriennt. Sie wird mit wenig Wasser gewaschen und blei
30
bis 40' getrocknet. Das trockene Kohleadsorbat wird mit heißem Chloroform
ausgezogen und aus dem erhaltenen Auszug das Chloroform abdestilliert, am Schluß
im Vakuum. Der Rückstand wird in wenig Methylalkohol gelöst, die. erhaltene Lösung
dreimal mit dem doppelten* Volumen Petroläther au#sgeschüttelt und dann im Vakuum
zur Trockne gebracht. Das zurückbleibende Produkt wird in wenig a;bisolutem Alkohol
gelöst und äur#Ü Eintragen dieser Lösung in die zehnfach,- Menge trockenen Äther
gefällt. Der entstandene Niederschlag wird abgenutscht -und mit etwas Äther nachgewaschen;
er stellt ein hellgra:-ues, nicht hy-
groskopisches Pulver dar, das pro Gramm
1 500 ooo bis i 8oo ooo Froschdosen enthält. Verreibt oder digerlert man
dieses Pulver mit etwas Wassex von 3o bis 35', so geht ein Teil in die Lösung.
Beim Verdunsten oder schon
beim Erkalten scheidet sich aus der Lösung
das kristallisierte Glucosid aus. Da dies-es, entsprechend #*seiner Reinheit, in
Wassier schwer löslich ist, löst man es in wenig Alkohol und gibt etwas Wasser dazu,.
Nach dem Verdunsten des Alkohols scheidet sich dasselbe in schönen, farblosen Nadeln
oder langen Säulen aus.