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Verfahren zur Gewinnung des herzwirksamen Reinglykosids aus Bulbus
Scillae. Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist die Iteindarstellung des bisher
in reinem Zustand unbekannten herzwirksamen Glvkosids aus der :Meerzwiebel (Bulbus
Scillae, Zwiebel von Urginea maritima (L.) Baker). Die Beinsubstanz hat gegenüber
der in ihrer Wirkung stark schwankenden Rohdroge außer der exakten Dosierbarkeit
noch den Vorteil der Injizierbarkeit und der geringeren Reizwirkung auf die Gewebe.
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Als Ausgangsmaterial werden Extrakte, die auf bekannte Weise mit wasserarmen,
organischen Lösungsmitteln, wie Alkohol oder Holzgeist, durch Ausziehen von gepulverter
glykosidreicher Meerzwiebel gewonnen sind, verwendet. Diese Extrakte enthalten neben
dein wirksamen Stoff eine große Menge von Begleitstoffen, von denen das Glykosid
zuerst unter Anwendung gerbstoffällender :Mittel, z. B. Bleiessig oder Bleizucker,
Zinkacetat, Aluminiumhydroxyd, und dann durch Verteilung zwischen wässeriger Lösung
und einem geeigneten, rnit Wasser nicht mischbaren, organischen Lösungsmittel, wie
Chloroform oder Essigester, abgetrennt wird, «-ober das Glykosid in sehr hochprozentiger
Form aus der wässerigen Phase in das zuin Ausschütteln verwendete organische Lösungsmittel
übergeht. Der Übergang des Glykosids aus der wässerigen Lösung wird begünstigt durch
Konzentrieren derselben im Vakuum, durch Zusatz von Salz zur wässerigen Phase und
durch Beifügen von bis zu to Prozent Methyl- oder Äthylalkohol zu der organischen
Ausschüttelungsflüssigkeit. Diese Maßnahmen gestalten das Überführen des Glykosids
aus der wässerigen Phase z. B. in Chloroform technisch bedeutend rationeller, wie
es denn überhaupt nicht vorauszusehen war, daß diese Operation erfolgreich sein
werde, da das Scillaglykosid im Gegensatz zu manchen anderen Herzglykosiden, die
ähnlich gewonnen werden, in Wasser relativ leicht, -in Chloroform dagegen nur sehr
schwer löslich ist. Zur Abtrennung eines kleinen Restes von Begleitstoffen führt
man das Glykosid aus dem organischen Lösungsmittel (z. B. Chloroform) durch Ausschütteln
mit einer ausreichenden Menge von reinem Wasser in dieses über. Das dem Glykosid
vom Ausgangsmaterial her allenfalls beigemischte zuckerfreie Spaltungsprodukt des
Glykosids bleibt bei dieser Ausschüttelung ebenfalls im organischen Lösungsmittel
zurück. Praktisch kann das nun durch die Ausschüttelung mit Wasser wieder glykosidfrei
gemachte organische Lösungsmittel (z. B. Chloroform) immer «-feder für eine neue
Ausschüttelung der wässerigen Rohglykosidlösung bis zur Erschöpfung derselben verwendet
werden. Durch Eindampfen der vereinigten, rein wässerigen Ausschüttelungen zur Trockne
rin Vakuum
bei niedriger Temperatur gewinnt man das Reinglykosid
in fester Form. Für manchen Verwendungszweck kann man sich das Eindampfen der wässerigen
Glykosidlösung ersparen, wenn man an einer Probe derselben den Gehalt an Glykosid
bestimmt und die gewöhnlich verhältnismäßig zu konzentrierte Lösung durch Verdünnen
auf die Konzentration der gebrauchsfertigen Lösungen einstellt.
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Die obenerwähnte Abscheidung von Begleitstoffen mit gerbstoffällenden
Mitteln geschieht vorteilhafter als in rein wässeriger Lösung in wasserhaltigen
organischen Lösungsmitteln, z. B. in .loprozentigem Alkohol.
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In abgekürztem Arbeitsverfahren gelingt es, den größeren Teil des
Glykosids rein abzuscheiden, wenn man aus geeigneten glykosidreichen Ausgangsextrakten
durch Aufnehmen derselben mit Methylalkohol u. dgl. und Versetzen mit Äther eine
große Menge von gummiartigen, glykosidfreien Begleitstoffen ausfällt und erst an
dem wieder zur Trockne eingeengten und in Wasser oder wasserhaltigem Alkohol in
Lösung gebrachten Präparat die Behandlung mit gerbstoffällenden Mitteln durchführt.
Aus der so gereinigten Lösung scheidet sich das Reinglykosid beim Einengen im Vakuum
in der Kälte zum größten Teil ab und stellt, abfiltriert und mit kaltem Wasser kurz
nachgewaschen, ein feinkörniges, weißes Pulver dar.
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In der Literatur ist ein von J a r m e r -s t e d t herrührendes Verfahren
zur Gewinriung des Glykosids aus :der Meerzwiebel beschrieben, welches sich jedoch
von dem vorliegenden wesentlich unterscheidet, und zwar zunächst schon durch die
Art der Bereitung des Ausgangsmaterials. Bei der Vorschrift von J a r m e r s t
e d t wird in keiner Weise Rücksicht auf die typischen Empfindlichkeitseigenschaften
des wirksamen Bestandteils der Scilladroge genommen, was sich daraus ergibt, daß
tagelang bei Wasserbadtemperatur in einem sauren :Medium digeriert wird. Das gleiche
gilt auch hinsichtlich des weiteren Arbeitsganges, insofern auch hier bei dem bekannten
Verfahren wenig Rücksicht auf die Eigenschaften des zu extrahierenden Körpers genommen
wird.
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Im Gegensatz hierzu arbeitet das vorliegende Verfahren, um die von
Anfang an schon mögliche Spaltung des wirksamen Stoffes zu verhindern, mit einem
Ausgangsmaterial, das durch die an und für sich bekannte Extraktion der Scilladroge
mit wasserarmen organischen Lösungsmitteln erhalten wurde. Es wird ferner bei dem
vorliegenden Verfahren im Arbeitsgang vermieden, Temperaturen, die 30° C übersteigen,
auftreten zu lassen, ebenso ist längeres Verweilen in wässerigen nicht neutralen
Lösungen ausgeschlossen. Das neue Verfahren paßt sich demnach weitgcli@@nd den charakteristischen
Empfindlichkeitseigenschaften des zu gewinnenden Naturkörpers an und vermeidet so,
daß das Endprodukt unter den Bedingungen, welche bei dem in der Literatur beschriebenen
Verfahren obwalten, rasch zu fast völlig unwirksamen Spaltprodukten abgebaut wird.
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Aber nicht nur in beug auf das Ausgangsmaterial und die Arbeitsweise
unterscheidet sich das vorliegende Verfahren von dem bekannt gewordenen, sondern
auch in bezug auf die physiologische Wirksamkeit des Endstoffes. Das nach den Angaben
von J a r -m e r s t e d t erhaltene Scillain hat einen Wirkungswert von ioo Froschdosen
(F.-D.) pro Milligramm, während das nach dem vorliegenden Verfahren erhaltene Erzeugnis
pro Milligramm i ioo bis i Zoo Froschdosen besitzt. Das Scillain ist nach den Angaben
der Literatur ein Gemisch mehrerer Substanzen und enthält zweifellos unwirksame
Spaltprodukte des S:cillaglykosids. Es hat sich daher auch therapeutisch niemals
eingeführt, während das Endprodukt des vorliegenden Verfahrens hervorragend therapeutische
Eigenschaften besitzt, die seine Einführung in die Praxis dank seiner hohen und
konstanten Wirksamkeit sowie Reinheit ermöglicht haben. Beispiel i. 5o g von zur
Trockne eingeengtem alkoholischem Extrakt- aus Bulbus Scillae werden in 2,51 Wasser
gelöst. Die Lösung versetzt man mit 5o ccm Plumbum subaceticum duplex, filtriert
und wäscht den Niederschlag mit i 1 Wasser aus. Das Filtrat wird mit 5o ccm einer
lauwarmen 3o Gewichtsprozent Dinatriumphosphatlösung entbleit. Man filtriert wiederum
und wäscht die Fällung mit i 1 Wasser aus. Das Filtrat engt man im Vakuum unterhalb
30° auf 25o ccm ein und sättigt die Lösung mit Kochsalz.
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Die Lösung des Glykosids wird nun mit 21 Chloroform-io Prozent Holzgeist
geschüttelt; die Chloroform-Holzgeist-Lösung trocknet man mit wasserfreiem Natriumsulfat,
filtriert und nimmt aus dem Filtrat durch zweimaliges Schütteln mit je 25o ccm Wasser
das Glykosid auf. Die glykosidfreie Chloroformphase wird durch Zusatz von Chloroform
und Holzgeist auf 21 Chloroform-io Prozent Holzgeist ergänzt und für eine weitere
Ausschüttelung der wässerigen Glykosidlösung verwendet usf. Nach siebenmaligem Ausschütteln
mit je 21 Chloroform-io Prozent Holzgeist ist die Lösung frei von wirksamem Glykosid.
Die vereinigten wässerigen Ausschüttelungen (3,5 1) werden im Vakuum unterhalb
3o° zur Trockne eingeengt; um die Substanz zu sainineln
und leichter
zu trocknen, nimmt man :!en Rückstand in wenig Holzgeist auf, destilliert das Lösungsmittel
wieder ab und trocknrt (las Glvkosid im Exsiccator. Es ist ein weißes bis schwach
gelbliches, aschefreies, Fehlingsche Lösung nicht reduzierendesPulver von hoher
pharmakologischer Wirksamkeit: i ing der Substanz ergibt nach der Bestimititingsitiethode
von H o u g h t o n - S t r a u b eine physiologische Wirksamkeit von i Zoo liis
1 300 Froschdosen (F.-D.). Bei höherer Temperatur, in rein wässeriger Lösung
schon hei 6o his ,^o°, nimmt :der Wirkungswert des Glykosids schon nach kurzer Zeit
beträchtlich ah. Durch verdünnte wässerige Säuren wird das Glwkosid selbst in der
Kälte leicht hvdro-I@siert, wobei sich auch aus verdiinnten Lö-#tlilgen das zuckerfreie
Spaltprodukt in gut @.ul:gebildeten Primen teilweise ausscheidet. l)ie davon abfiltrierte
Mutterlauge reduziert 1Milingsche Lösung kräftig. Die Kristallisation des zuckerfreien
Spaltlings löst sich leicht in Chloroform und Eisessig, mäßig in sh#dendem Alkohol
und Holzgeist, fast gar liiclit in @@'asser. Aus Alkohol kristallisiert die Stib:tanz
in farblosen, prachtvoll ausgebildeten Säulen, die, im Hochvakuum bei i05° zur Gewichtskonstanz
getrocknet, 78,2 Prozent Kohlenstoff und 8 Prozent Wasserstoff entiialten. Beim
Erhitzen zersetzt sie sich unter Gelbundrotfärbung unterhalb ihres Schmelzpunktes,
bei etwa 2401 bildet sich eine rote Schmelze. Beispiel e.
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2o g von zur Trockne eingeengtem, alkoliolischem Extrakt aus Bulbus
SCillae werden in 2 1 Wasser gelöst. Zu der Lösung fügt man 3o ccm einer wässerigen
Lösung von 25 Gewichtsprozent Zinkacetat, filtriert und wäscht den Niederschlag
mit 50o ccin Wasser aus. Das Filtrat wird mit 25 ccin einer lauwarmen 3o Gewichtsprozent
Dinatriumphosphatlö sang entzinkt. Man filtriert und wäscht die Fällung mit ..l00
ccm Wasser aus. Das Filtrat wird iiti Vakuum auf --oo ccm eingeengt und die konzentrierte
Lösung mit Kochsalz gesättigt. Die Glykosidlösung schüttelt man nun mit 1 1 einer
Mischung von Chloroform-.5 Holzgeist, trocknet die Chloroforniausschüttelung über
wasserfreiem Natriumsulfat, gießt davon ab und extraliiert <las Filtrat zweimal
mit je i25 CcM Wasser. Die Chloroformphase wird (furch Zusatz von Chloroform und
Holzgeist auf 1 1 Chloroform-5 Prozent Holzgeist ergänzt und die Extraktion der
Glvkosidlösung, wie beschrieben, fortgesetzt. \ach achtmaligem Ausschütteln mit
je 1 1 Chloroform-5 Prozent Holzgeist ist die salzgesättigte, wässerige Lösung frei
von wirksaineni Glykosid. Die vereinigten, wässerigen Reinglykosidlösungen (21)
werden im Vakuum zur Trockne eingeengt; den Rückstand nimmt man in wenig Holzgeist
auf, destilliert das Lösungsmittel wiederum ab und trocknet (las Glykosid ini Vakuumexsiccator;
es besitzt die gleichen Eigenschaften wie (las in -Beispiel r beschriebene Präparat.
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Beispiel 3.
2o g von zur Trockne eingeengtem, all>oholischein
Extrakt aus Bulbus Scillae werden in 21 40prozentigen Alkohols gelöst. Die Lösung
wird mit 25 CCITI Plumbum subaceticun2 duplex versetzt. Man filtriert und wäscht
den Niederschlag mit 500 ccln 4oprozentigeli Alkohols aus. Das Filtrat wird
mit 30 ccm einer lauwarmen Lösung voll 3o Gewichtsprozent Dinatriumphosphat
entbleit, filtriert und die Fällung mit. 500 ccm .Ioprozentigen .@tllcoliols
ausgewaschen. Das Filtrat wird im Vakuum auf 25o Ccm eingeengt, die so kon-7(ntrierte
Lösung mit Kochsalz gesättigt und wie in den .Beispielen i und 2 auf Reinglykosid
verarbeitet. Beispiel 2o g von zur Trockne eingeengtem, alkoholischem Extrakt aus
geeignetem, glykosidreichem Bulbus Scillae werden in Zoo ccin Holzgeist gelöst.
In die inethylalkoholische Lösung läßt man 60o ccin Äther unter Rühren einfließen.
Man filtriert und wäscht die Fällung so lange mit der Mischung Äther-Ilolzgeist
(3 : i) aus, bis das Filtrat frei von wirksauren Stoffen ist. Die filtrierte Lösung
wird im Vakuum zurTrockne eingeengt. Den Rückstand (12 g) löst man in 1 1 40prozentigen
Alkohols und fügt zu der Lösung 4o ccin Plumbum subaceticum duplex: Man filtriert
und wäscht den Niederschlag mit 400 ccln .Ioprozentigen Alkohols aus. Aus dem Filtrat
wird mit 5o ccm einer lauwaVnien Lösung von 3o Gewichtsprozent Dinatriumphosphat
das Blei gefällt. Man filtriert vom Bleiniederschlag ab, wäscht die Fällung mit
50o cciit 40prozentigen Alkohols aus und engt (las Filtrat im Vakuum unterhalb 3o°
auf 200 CCM ein. Bei der Verarbeitung geeigneten Ausgangsmater Tals scheiden sich
dabei oft bis gegen `/, der Gesaintglykosidmenge körnig aus. Man sammelt die Ausscheidung
durch Filtration, wäscht auf dein Filter mehrmals mit wenig kaltem Wasser aus und
trocknet im Vakuumexsiccator. Das Präparat bildet ein weißes Pulver, das .die Eigenschaften
des iin ersten Beispiel bschriebenen Endproduktes besitzt. Der in Lösung verbleibende
Feil des Glykosids kann, wie in den anderen Beispielen angegeben, gewonnen werden.