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Verfahren zur Gewinnung eines neuen kristallisierten,Glukosids der
Herbstzeitlose, »Colchicosid« genannt Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung
eines neuen aus Colchicumarten extrahierbaren Glukosids.
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Das durch das Verfahren gewonnene neue Glukosid wird als »Colchicosida
bezeichnet. Es ist in seinen Eigenschaften deutlich verschieden von den anderen
aus der Herbstzeitlose extrahierten Stoffen, z. B. dem seit langem bekannten Colchicin
und den Substanzen B, C, D, El, E2, F, G, I und J, die kürzlich durch Santavy und
seine Mitarbeiter beschrieben worden sind (F. Santavy, Pharm. Acta Helv., Bd. 25,
1950, S. 248; F. Santavy und T. Reichstein, Helv. Chim. Acta, Bd. 33, 195o, S. 16o6;
F. Santavy und Mitarbeiter, Ann. Pharm. Frank., Bd. 9, 1951, S.50). Das neue Glukosid
unterscheidet sich von den anderen aus der Herbstzeitlose gewonnenen Substanzen
durch seine Glukosidnatur und seine chemischen und physikalischen Eigenschaften,
insbesondere durch seine Unlöslichkeit . in Essigester und chlorierten Lösungsmitteln,
wie Chloroform, in welchen die anderen Stoffe der Herbstzeitlose löslich sind. Diese
Unterschiede in der Löslichkeit gestatten seine Abtrennung.
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Das Colchicosid ist eine gut kristallisierte Substanz, leicht löslich
in Wasser, niedermolekularen Alkoholen, wie Methanol, Äthanol, Propanol, sowie auch
in Pyridin und ähnlichen Basen. Es ist außerdem sehr leicht löslich in Mischungen
von Lösungsmitteln, insbesondere in Mischungen aus niedermolekularen Alkoholen
und
halogenierten niedermolekularen aliphatischen Kohlenwasserstoffen, z. B. Chloroform,
Tetrachloräthän, Trichlöräthylen. In den chlorierten Lösungsmitteln allein löst
es sich praktisch nicht. Aus Äthylalkohol kristallisiert das Colchicosid in Tafeln
oder rechteckigen Prismen und schmilzt, ohne Einschluß von Mutterlauge, nach Erweichung
bei rgo°, sofort bei 2r6 bis 2z8°. Es _ ist in i°/oiger wäßriger Lösung stark linksdrehend
Auf Grund seiner analytischen Kennzahlen, der Untersuchung seiner Abbauprodukte
und des Molekulargewichts (5q.7,5) ist ihm die Formel C27Ha30"N zuzuschreiben. In
ultraviolettem Licht zeigt es weißbläuliche Fluoreszens und besitzt das charakteristische
Absorptionsspektrum von colchicinähnlichen Substanzen. Mineralsäuren färben es lebhaft
gelb; nach dem Aufkochen im sauren Medium erhält man mit Eisenchlorid eine grüne
Farbe (Zeisel-Reaktion), und Fehlingsche Lösung wird reduziert.
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Durch Untersuchung der Hydrolyseprodukte des Colchicosids kann. man
nachweisen, daß je Mol z Mol Glukose enthalten ist.
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Durch neutrales oder basisches Bleiacetat oder durch die sogenannten
allgemeinen Alkaloidreagenzien kann es aus seiner wäßrigen Lösung nicht ausgefällt
werden, dagegen liefert Bromwasser in wenigen Stunden eine reichliche amorphe weiße
Fällung.
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Wird das Colchicosid Mäusen eingespritzt, so zeigt es eine mindestens
zehnmal geringere Giftigkeit als Colchicin. Die neue Substanz kann daher praktisch
auf ähnlichen biologischen und industriellen Gebieten angewandt werden wie Colchicin,
insbesondere bei der Kernteilung (Mitose oder Karyokinese) und bei der Herstellung
von Polyploiden.
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So lassen sich z. B. durch Versprühen wäßriger Lösungen des Colchicosids
auf Bodenkulturen oder durch Behandlung der Samen verbesserte Pflanzensorten züchten,
ein Umstand, der für die Landwirtschaft und von ihr abhängige Industrien bedeutungsvoll
sein kann.
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Die Gewinnung des Colchicosids wird nun in der Weise durchgeführt,
daß man die Herbstzeitlose mit einem Lösungsmittel extrahiert, das alle ihre Bestandteile
mit Ausnahme des Colchicosids löst, worauf man den Rückstand mit einem anderen Lösungsmittel
behandelt, welches das Colchicosid löst; welches dann aus der erhaltenen Lösung
zurückgewonnen werden kann. .
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Gewebe und Samen der getrockneten und zerkleinerten Herbstzeitlose
können direkt - oder vorzugsweise nach Entfernung der Fette mit einem Kohlenwasserstoff
oder Äther behandelt werden.
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Die erschöpfende Extraktion (Infusion, Abkochung, Perkolation, Mazeration
oder Digestion) läßt sich in der Wärme oder Kälte durchführen.
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Der Einfachheit halber arbeitet man im allgemeinen bei Zimmertemperatur:
Das erste Lösungzmittel, welches zur Extraktion benutzt wird, besteht aus einem
halogenierten niedermolekularen aliphatischen Kohlenwasserstoff, wie Chloroform,
Tetrachloräthan, Trichloräthylen.
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Das zweite Lösungsmittel, welches zur Herauslösung des Colchicosids
aus dem Rückstand benutzt wird, kann z. B. Wasser, ein niedermolekularer Alkohol-oder
eine Mischung derselben sein. Besonders geeignet ist eine Mischung eines niedermolekularen
Alkohols mit einem halogenierten niedermolekularen aliphatischen Kohlenwasserstoff,
z. B. ein Gemisch aus Äthylalkohol und Chloroform.
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Das Colchicosid wird aus den auf diese Weise erhaltenen Lösungen dadurch
wiedergewonnen, daß man das Lösungsmittel verdampft oder daß man es aus diesem Lösungsmittel
auskristallisieren läßt. Ein wiederholtes. Umkristallisieren kann ein besonders
reines Produkt liefern. -Nach einer anderen Ausführungsform des Verfahrens kann
man auch die Herbstzeitlose mit einem Lösungsmittel auslaugen, das sämtliche Wirkstoffe
einschließlich des Colchicosids lösen kann.
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Dieser Extrakt ist bequemer zu handhaben als die getrockneten Pflanzen
selbst und kann direkt einer weiteren Extraktion unterworfen- werden, um alle aktiven
Wirkstoffe außer dem Colchicosid zu entfernen.
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Man kann diesen Extrakt z. B. zur Trockne eindampfen und dann den
Rückstand mit einem Lösungsmittel für alle übrigen Bestandteile außer Colchicosid
aufnehmen, wobei man einen inerten Stoff, wie Aluminiumoxyd, Infusorienerde, aktive
Tonerde, gebrannten Gips, Calciumcarbonat oder Aktivkohlepulver; zumischen kann,
welcher die Herstellung eines nicht hygroskopischen und sich darum leicht verarbeitenden
Pulvers erleichtert. -Man kann schließlich dem wäßrigen oder wäßrigalköhölischen
Extrakt `der Herbstzeitlose auch ein Mineralsalz zufügen, welches in Wasser oder
wäßrigalkoholischen Lösungen löslich ist, z. B. Ammonium-oder Mag nesiumsulfat,
um dadurch einerseits in Wasser die Löslichkeit der aktiven Grundstoffe herabzusetzen,
andererseits aber die erschöpfende Extraktion dieser Stoffe und schließlich des
Colchicosids zu begünstigen.
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Die folgenden Beispiele sollen das Verfahren erläutern Beispiel x
zo kg pulverisierte Herbstzeitlose werden zunächst mit einem Lösungsmittel für Fette
(Kohlenwasserstoffe, Äther) und dann mit Chloroform extrahiert, welches das Cölchicin
und dessen Begleitstoffe löst. Schließlich wird das Herbstzeitlosepulver mit einem
Gemisch aus Alkohol und Chloroform im Verhältnis r : 3 behandelt. Der Chloroformauszug
wird dreimal mit je 0,31 Wasser ausgeschüttelt, wobei das Colchicosid in
die wäßrige Schicht übertritt, aus der man es dann durch Abdestillieren des Wassers
in rohem Zustand erhält. Mehrfaches Umkriställisieren aus Alkohol liefert -das Colchicosid
mit den oben angegebenen Kennzahlen. Ausbeute 23,5 g.
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Beispiel 2 Ein alkoholischer, wäßriger- oder wäßrig-alkoholischer
Extrakt, den man aus zo kg Herbstzeitlose= samen gewonnen hat, wird bis auf ein
Volumen von
ungefähr 41 konzentriert und, falls es erforderlich
ist, von Fetten und harzigen Substanzen befreit. Man entzieht ihm durch fünfmaliges
Ausschütteln mit je o,51 Chloroform das Colchicin und seine Begleitsubstanzen. Der
erste Auszug wird dann auf ein Volumen von 21 eingeengt, fünfmal mit j e 11 einer
Mischung aus Chloroform und Äthylalkohol (4 : i) verrührt, wobei das Colchicosid
gelöst wird. Die Ausbeute wechselt je nach der Samenherkunft, kann aber beispielsweise
bei etwa 2o g liegen, entsprechend einer Ausbeute von o,2 °/o. ' Beispiel 3 Ein
alkoholischer, wäßriger oder wäßrig-alkoholischer Extrakt der Herbstzeitlose, der
gemäß Beispiel 2 gewonnen worden ist, wird getrocknet und mit einer inerten Substanz,
welche die Herstellung eines wasserfreien Pulvers ermöglicht, vermischt. Man laugt
dieses Gemisch zunächst mit Trichloräthylen aus, welches das Colchicin und seine
Begleitstoffe löst, und dann mit einem Gemisch aus Trichloräthylen und Isopropanol
(4 : i). Nach dem Abdampfen des Lösungsmittels hinterbleibt das Colchicosid, welches
durch fraktionierte Kristallisation gereinigt wird.
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Beispiel 4 2o kg pulverisierte und entfettete Herbstzeitlose werden
mit einem Gemisch aus Alkohol-Chloroform (Mischungsverhältnis i :3) oder allgemein
einem niedermolekularen Alkohol und einem chlorierten Kohlenwasserstoff (Tetrachloräthan
oder Trichloräthylen) extrahiert. Nach dem Abdampfen der Lösungsmittel erhält man
einen Rückstand, der alle wirksamen Bestandteile der Pflanze enthält. Der Trockenextrakt
wird in 21 Wasser gelöst und die Lösung durch viermaliges Ausschütteln mit je 11
Chloroform ausgelaugt, darauf mit Aktivkohle gereinigt und dann zur Trockne eingedampft.
Der Rückstand liefert nach dem Umkristallisieren aus Alkohol das Colchicosid in
reinem Zustand.
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Beispiel 5 8 bis io 1 eines wäßrig-alkoholischen Extrakts von 2o kg
Herbstzeitlosesamen werden mit Ammonium-oder Magnesiumsulfat gesättigt. Aus -der
Lösung werden dann mit fünfmal je 21 Tetrachloräthan alle wirksamen Bestandteile
der Herbstzeitlose extrahiert. Dieser Extrakt gibt beim Versetzen mit 21 Wasser
das Colchicosid an die wäßrige Schicht ab. Nach der Reinigung mit Aktivkohle wird
der wäßrige Auszug zur Trockne eingedampft. Der Rückstand liefert nach der Kristallisation
aus Äthylalkohol das Colchicosid.