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Verfahren zur Herstellung von O-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin
Die vorliegende Erfindung betrifft die Herstellung des neuen wirksamen 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicins
der Formel I, das aus Pflanzen der Art »Colchicum<; gewonnen wird. Die Eigenschaften
dieser Verbindungen sind von denjenigen anderer aus Colchicum autumnale erhaltenen
Verbindungen deutlich verschieden.
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Es ist bekannt, daß beim Ausziehen von Colchicum autumnale mit Alkohol
nach der Fraktionierung drei verschiedenartige Fraktionen erhalten werden. Die erste,
neutral reagierende enthält Colchicin, Colchicosid sowie verschiedene Abkömmlinge
(vgl. Santavy, Pharm. Acta. Helv., Bd.23, 1948, S.380; Bd.25, 1950, S.248; Santavy,
Collection Czech. Chem. Commun., Bd.15, 1950, S. 552; Santavy und Reichstein, Helv.
Chim. Acta, Bd. 33, 1950, S. 1606; Santavy und Mitarb., Ann. Pharm. frank., Bd.9,
1951, S. 50; Bellet, Ann. Pharm. frang., Bd. 10, 1952, S. 81). Die zweite Fraktion,
die aus Aminoverbindungen entsteht, enthält das N-Desacetyl-N-methyl-colchicin (vgl.
Kiselew und Mitarb., Doklady Akad. Nauk. SSSR, Bd.87, 1952, S.227; Bd.88, 1953,
S.825; Santavy, Winkler und Reichstein, Helv. Chim. Acta, Bd. 36, 1953, S. 1319;
Ueno, Proc. Japan Acad., Bd.29, 1953, S.266; Uffer, Schindler, Santavy und Reichstein,
Helv. Chim. Acta, Bd. 37, 1954, S.18).
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Aus der dritten Fraktion, die phenolische Alkaloide enthält, gewinnt
man das 2-Desmethylcolchicin, das den Hauptbestandteil darstellt.
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Das neue 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin unterscheidet sich
von den anderen, obenerwähnten Co1_chicinen dadurch, daß es sowohl eine Phenolgruppe
als auch eine Methylamingruppe besitzt. Diese dadurch bedingte amphotere Eigenschaft,
die in der Reihe der Bestandteile von Colchicum autumnale zum erstenmal auftaucht,
macht man sich bei dem neuen Verteilungsverfahren zur Gewinnung des 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methvlcolchicins
zunutze, indem man es aus der Lösung in einem mit Wasser nicht mischbaren, organischen
Lösungsmittel, zuerst als Hydrochlorid und dann als Natriumsalz in die wäßrige Lösung
überführt, um es von den phenolischen und den Aminocolchicinen, die es begleiten,
abzutrennen, wobei die neutrale Fraktion vorher abgetrennt wurde.
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Das erfindungsgemäße Verteilungsverfahren besteht demnach darin, daß
man die feinvermahlenen und entfetteten Samenkörner von Coichicum autumnale mit
einem Lösungsmittel oder Lösungsmittelgemisch behandelt, das alle wirksamen Bestandteile
löst, nach dem teilweisen Abdampfen des Lösungsmittels den Rückstand mit einem wasserunlöslichen
organischen Lösungsmittel auszieht und das 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin
durch Ausschütteln dieses Auszugs zuerst mit einem sauren und dann mit einem alkalischen
Lösungsmittel abtrennt. Das Lösungsmittel, das zum Ausziehen des entfetteten Colchicumsamens
verwendet wird, kann Wasser, ein niedermolekularer Alkohol, ein niedermolekularer
wäßriger Alkohol oder eine Mischung aus einem niedermolekularen Alkohol mit einem
niedrigmolekularen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoff sein. Man verwendet
vorzugsweise 70°/oigen wäßrigen Alkohol. Wurde ein wäßrig-alkoholischer Auszug hergestellt,
so entfernt man den Alkohol durch Destillation im Vakuum, zieht den wäßrigen Rückstand
mit Chloroform aus und schüttelt die Chloroformlösung mit 1 n-Salzsäure aus. Die
saure, wäßrige Lösung, die alle aminogruppenhaltigen Bestandteile von Colchicum
als Hydrochloride enthält, wird mit Natriumbicarbonat neutralisiert und dann mit
Chloroform ausgezogen, so daß man eine organische Lösung erhält, die reich an N-Desacetyl-N-methylcolchicin
(Formel IV) und anderen basischen Verbindungen ist. Ein rasches Ausschütteln dieses
Auszugs mit n/10 Natronlauge in der Kälte, wobei die Natronlauge das N-Desacetyl-N-methylcolchicin
nicht angreift, führt zu einer wäßrig-alkalischen Lösung, die man sofort mit Salzsäure
ansäuert und dann mit Natriumbicarbonat neutralisiert. Diese Lösung enthält nur
die amphoteren Bestandteile von Colchicum autumnale. Aus ihr wird das 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin
mit Chloroform ausgezogen und nach dem Abdampfen des Chloroforms aus Methanol umkristallisiert.
Die erhaltenen Kristalle enthalten Kristallmethanol, das durch Erhitzen auf 137°
im Vakuum entfernt wird, wobei sie etwa 9,5 °/o ihres Gewichts verlieren und dann
bei 131° schmelzen, rd," _ -109° i 5° (c = 1 °,!o in Chloroform). Die Verbindung
hat die Summenformel C@O H23 0, N und reagiert
gleichzeitig wie
ein Phenol und ein Methylaminderivat.
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Der Aufbau des neuen 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicins der
Formel I wird mit Ausnahme der Stellung der freien Phenolgruppe durch die folgenden
Reaktionen bewiesen.
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Die Acetylierung liefert das N, 0-Diacetat der Formel III, das bei
223° schmilzt. [a]ö = -229° ±5' (c = 0,5"/, in Chloroform) und entspricht der Summenformel
C24 H27 O 7 N.
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Die saure Hydrolyse führt zum 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicein
der Formel Il a, welches das Tribenzoat der Formel IIb, C4oH"08N gibt, F. = 232°,
# a#D 20 272' ± 5' (c = 0,5 0 /0 ' in Chloroform).
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Die Methylierung des 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicins der
Formel I mit Diazomethan liefert das N-Desacett-l-N-methylcolchicin der Formel IV,
F. = 183 bis 185°, das mit einer Probe von N-Desacetyl-N-methylcolchicin (Helvetica
Chimica Acta, Bd.36, 1953, S. 1324), die durch Ausziehen von Colchicum autumnale
nach bekannten Verfahren erhalten wurde, keine Schmelzpunktserniedrigung gibt. Von
der Verbindung der Formel IV kann man durch Acetylierung leicht zum N-#vlethylcolchicin
der Formel V, F. = 227', gelangen.
Das neue 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin wird biologisch und industriell
wie das Colchicin, also insbesondere zur Änderung der Zellkernteilung (Mitose) und
zur Erzeugung von Polyploiden, entweder durch Ausbreiten von wäßrigen Lösungen oder
Suspensionen des Colchicinabkömmlings auf Kulturböden oder durch Vorbehandlung der
Saat mit den reinen oder mit einem Lösungsmittel oder einem Träger verdünnten Produkten
verwendet.
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Das folgende Beispiel erläutert die Erfindung. Man kann insbesondere
die Reihenfolge der Extraktionen, die angewandten Lösungsmittel sowie deren Mengen
oder auch die Extraktionstemperatur ändern.
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An Stelle der Salzsäure kann man auch jede andere Säure oder Verbindung
verwenden, die das gewünschte Colchicinderivat auf Grund der vorhandenen Methylaminogruppe
im Molekül löst. Auch die Natronlauge kann durch andere geeignete Alkalien ersetzt
werden.
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Beispiel 1 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin 150 kg gemahlene
Samen von Colchicum autumnale werden mit 5001 Petroläther entfettet und dann in
der Kälte mit 7001 70°joigem Alkohol ausgeschüttelt. Der Alkohol wird durch Destillation
im Vakuum entfernt und die entstandene wäßrige Lösung fünfmal mit je 351 Chloroform
ausgezogen. Man vereinigt die Chloroformauszüge und verrührt sie dreimal mit je
101 1 n-Salzsäure. Die wäßrige, saure Schicht wird abgetrennt, mit einer gesättigten
Natriumbicarbonatlösung neutralisiert und erneut viermal mit je 2 1 Chloroform behandelt.
Man zieht dann die Chloroformlösung in der Kälte viermal mit je 250 ccm n;`10 Natronlauge
und dann mit 500 ccm Wasser aus. Die vereinigten wäßrigen, basischen Lösungen werden
mit Salzsäure angesäuert und dann mit Natriumbicarbonat neutralisiert. Man zieht
die neutrale Lösung schließlich fünfmal mit je 200 ccm Chloroform aus, trocknet
die Chloroformlösung über Magnesiumsulfat und dampft sie im Vakuum zur Trockne ein.
Man erhält 5,9 g eines Rückstandes, der nach dem Verreiben mit etwas Methanol 2,8
g Kristallmethanol haltiges 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin liefert. Diese
neue Verbindung schmilzt bei
in Chloroform). Nach dem Tlmkri.gtallisipr(-.n an- 1,#TPthanol schmilzt es bei
in Chloroform).
Analyse: C20H"05N; Molekulargewicht = 357,4 (nach
dem Trocknen bei 137° im Vakuum 9,5 0/0 Verlust.
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Berechnet C 67,2, H 6,5, N 3,9, 0 C H3 26,00/0, gefunden C
67,5, H 6,7, N 3,9, OCH3 25,30/0. Zum Beweis des Aufbaus des Colchicinabkömmlings
der Formel I werden folgende Umsetzungen durchgeführt. a) 0-Desmethyl-O-acetyl-N-methylcolchicin
Man behandelt 400 mg 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin 16 Stunden bei 20°
mit 8 ccm Essigsäureanhydrid in Gegenwart von 8 ccm Pyridin, gießt dann die Mischung
in Wasser, zieht das Gemisch mit Chloroform aus und wäscht die Chloroformlösung
nacheinander mit 1 n-Salzsäure, 1 n-Natronlauge und dann mit Wasser. Man trocknet
die Chloroformlösung über Magnesiumsulfat und dampft sie im Vakuum zur Trockne ein.
Der Rückstand wird aus Äthylacetat umkristallisiert und liefert 400 mg 0-Desmethyl-O-acetyl-N-methylcolchicin.
Diese neue Verbindung schmilzt bei 223°, [aD = -229° ±5° (c = 0,50/0 in Chloroform).
Zur Analyse trocknet man sie 2 Stunden bei 100°.
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Analyse: C24H270,N; Molekulargewicht = 441,5. Berechnet C 65,3, H
6,2, 0 25,4, N 3,2, OCH3 21,10/0; gefunden C 65,2,H 6,4, 0 25,5,N 3,3, OCH3 20,30/0.
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b) Hydrolyse des 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicins und Herstellung
des Tribenzoyl-0-desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchiceins Man erhitzt 580 mg 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin
in 52 ccm Wasser, das 6 ccm 2n-Salzsäure enthält, 2 Stunden auf dem Wasserbad, neutralisiert
die Reaktionsmischung mit einer gesättigten Natriumbicarbonatlösung und zieht sie
mit einem Gemisch aus Chloroform und Methanol im Verhältnis 2: 1 aus. Die erhaltene
Lösung wird mit 20 ccm Wasser gewaschen, über Magnesiumsulfat getrocknet und im
Vakuum zur Trockne eingedampft. Der entstehende Rückstand wird in der Kälte mit
2 ccm Benzoylchlorid in Gegenwart von 2 ccm Pyridin behandelt. Man gibt zu der Mischung
30 ccm Wasser, nimmt sie in Chloroform auf und erhält nach dem Waschen der Lösung
mit 1 n-Salzsäure, 1 n-Natronlauge und mit Wasser, Trocknen über Magnesiumsulfat
und Eindampfen zur Trockne 600 mg eines Rückstandes, der aus Essigsäureäthylester
umkristallisiert wird. Klan erhält so 260 mg Tribenzoyl-0-desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicein,
das bei 231 bis 232° schmilzt; [a]ö = -272° ± 5° (c = 0,50/0 in Chloroform).
Zur Analyse wird es 2 Stunden bei 100° getrocknet. Analyse: C40H"03N> Molekulargewicht
= 655,7.
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Berechnet C 73,3,H 5,1, 0 19,5,N 2, 1, OCH3 9,50/0; gefunden
C 73,1,H 5,2,O 20,1,N 2,1, OCH3 10,10/0. c) Methylierung des 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicins
Man löst 50 mg 0-Desmethyl-N-desacetyl-N-methylcolchicin in 5 ccm einer Mischung
aus Methanol und Chloroform im Verhältnis 1 : 4 und gibt zu der Lösung 15 ccm einer
50/00igen Lösung von Diazomethan in Toluol. Man läßt die Lösung 16 Stunden bei gewöhnlicher
Temperatur stehen, zerstört das überschüssige Diazomethan durch Zugabe einiger Tropfen
Essigsäure und wäscht sie mit 5 ccm 1 n-Natronlauge. Die verbleibende Toluollösung
wird mit Wasser gewaschen, über Magnesiumsulfat getrocknet und im Vakuum zur Trockne
eingedampft. Der Rückstand kristallisiert aus Essigsäureäthylester und liefert 30
mg rohes N-Desacetyl-N-methylcolchicin vom F. = 177 bis 180°, die an 2 g neutralem
Aluminiumoxyd chromatographiert werden. Der aus dem Chloroformauszug sich ergebende
Rückstand liefert nach dem Umkristallisieren aus Essigsäureäthylester 10 mg N-Desacetyl-N-methylcolchicin
vom F. = 183 bis 185°. Dieses stimmt mit einer auf anderem Wege hergestellten Probe
von N-Desacetyl-N-methylcolchicin, die durch Ausziehen von Colchicum autumnale nach
bekannten Verfahren erhalten wurde, überein.
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d) N-Methylcolchicin durch Acetylierung von N-Desacetyl-N-methylcolchicin
Man löst 6 mg des nach den Angaben in c) hergestellten N-Desacetyl-N-methylcolchicins
in 0,5 ccm Pyridin, gibt zu der Lösung 0,5 ccm Essigsäureanhydrid, läßt die Mischung
über Nacht bei 16° stehen, gießt sie in 5 ccm Wasser, zieht das Gemisch mit Chloroform
aus, wäscht den Chloroformauszug mit Salzsäure, N atriumbicarbonat und Wasser und
dampft ihn nach dem Trocknen über Magnesiumsulfat im Vakuum zur Trockne ein. Der
Rückstand kristallisiert nach Zugabe eines Tropfens Essigsäureäthylester. Man saugt
die Kristalle ab, wäscht sie mit Essigsäureäthylester und erhält 1,5 mg N-Methylcolchicin
vom F. = 225°.
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Diese Verbindung stimmt mit einem N-Methylcolchicin, das aus einer
auf anderem Wege gewonnenen Probe von N-Desacetyl-N-methylcolchicin nach derselben
Methode hergestellt wurde, überein.