DE3005208C2 - - Google Patents
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Description
Die Erfindung betrifft die Verwendung von Acylcarnitin
zur Behandlung von zerebraler Insuffizienz.
Diese tritt im Gehirn-Metabolismus
bei seniler und präseniler psychomotorischer Involution,
oftmals zusammen mit Depressionen, bei seniler und präseniler
Demenz, bei den Folgeerscheinungen von Schlaganfällen
und bei zerebraler Ischämie oder primären Störungen
im Gehirn-Metabolismus auf.
Zerebralvasodilatoren werden schon seit einiger Zeit zur
Behandlung von seniler und präseniler psychomotorischer
Involution und insbesondere zur Behandlung von seniler
Demenz, die zusammen mit zerebrovaskularen Störungen
auftritt, angewendet. Untersuchungen bei der Anwendung
solcher Mittel haben ergeben, daß Demenz wahrscheinlich
das Ergebnis eines verschlechterten Zerebraldurchflusses
aufgrund einer Verengung des Querschnitts der zerebralen
Arterien ist.
Deshalb ist zu erwarten, daß Arzneimittel, welche diese
Gefäße erweitern, den zerebralen Blutfluß erhöhen und
damit das klinische Erscheinungsbild verbessern. Klinische
Erfahrungen stehen jedoch mit diesen Überlegungen
nicht in Übereinstimmung.
Bei Alzheimers Demenz ist der verminderte zerebrale
Blutfluß mehr die Konsequenz als die Ursache des pathologischen
Zustandes; daher ist es äußerst unwahrscheinlich,
daß ein erhöhter Blutfluß primäre Neuraldegeneration
verändern kann. Bei Poly-Infarkt-Demenz sind die zerebralen
Gefäße im allgemeinen verhärtet und Vasodilatoren können
keinerlei Wirkung ausüben. Vielmehr wirken solche Arzneimittel
auf die peripheren Gefäße, entziehen dem Gehirn
Blut und bewirken eine weitere Verschlechterung anstelle
einer zu erwartenden Verbesserung der Gehirndurchblutung.
Im "British Medical Journal", Nr. 6189, vom 1. September
1979, wird auf Seiten 511 bis 512 über Verwirrungserscheinungen,
die aufgrund der gegenwärtig verwendeten Vasodilatoren
auftreten, berichtet. In dieser Veröffentlichung
wird festgestellt, daß Isoxuprin keinerlei praktischen
Wert hat, sondern den zerebralen Blutfluß vermindern kann,
und Nebenwirkungen einschließlich Hypotonie, Erröten
und Tremor bewirkt. Die Wirkung von Cyclandelat bei
vaskularer Demenz ist bisher noch nicht untersucht worden,
jedoch sind Nebenwirkungen, wie Erröten, Schwindelanfälle
und Ausschläge bekannt.
Auch "Zerebralaktivatoren", d. h. Vasodilatoren, die
einen Einfluß auf den Zerebral-Metabolismus haben, indem
sie außer ihrer vaskularen Wirkung die Sauerstoff- und
Glukoseausnutzung verbessern, werden in dem vorerwähnten
Aufsatz in "BMJ" stark kritisiert.
Dihydroergotoxin (Mesylat) bewirkt zwar kaum wahrnehmbare
Verbesserungen hinsichtlich einer Reihe von Geistesfunktionen,
jedoch tritt eine Erhöhung der Bradykardie
(Pulsverlangsamung) und Hypotonie ein. Bei längerer Ver
abreichung kann eine vaskulare Insuffizienz und Gangräne
der Finger und Zehen eintreten.
In dem Aufsatz wird der Schluß gezogen, daß nach der bisherigen
Erfahrung einfache Vasodilatoren ungeeignet sind für
die Behandlung von vaskularer Demenz. Sie weisen einige
vorzeigbare therapeutische Wirkungen auf und sie können
schädlich sein. Deshalb sind Zerebralaktivatoren nur von
theoretischem Interesse.
Dieses Mißtrauen in zerebrale anti-ischämische Mittel
und gegenüber den gegenwärtig angewendeten Arzneimiteln
für die Behandlung von Seneszenz, insbesondere gegenüber
solchen, die zur Klasse der "Vasodilatoren" gehören, wird
auch in SCRIP Nr. 422 vom 19. September 1979 auf Seite 4
ausgedrückt, wo bestätigt wird, daß hinsichtlich dieser
Arzneimittel Vasodilation oder andere hämodynamische
Eigenschaften keine Rolle spielen soll, weil zerebrale
Seneszenz kein vaskulares Erscheinungsbild ist. Deshalb
kann nicht bestätigt werden, daß Vasodilatoren aktiv
gegenüber zerebraler Seneszenz sind, was mit anderen
Worten heißt, daß man mit solchen Arzneimitteln zerebrale
Seneszenz nicht verhindern kann.
Aus der DE-OS 28 17 358 ist die Verwendung von Acylcarnitine
enthaltenden Zubereitungen für die Behandlung von
Myocardialer Anoxie, Ischämie, Arrythmiesyndromen, Herzschwäche
und -versagen bei Tieren und Menschen bekannt.
Ein Mittel gegen Coronarischämie kann am Herz wirksam
werden, indem man es intravenös injiziert. Um aber im
Gehirn wirksam zu werden, also in den Gehirnmethabolismus
einzugreifen, muß die Substanz in der Lage sein, die Blut-
Gehirn-Barriere zu überschreiten.
Aufgrund dieses Standes der Technik besteht offensichtlich
ein Bedürfnis, neue therapeutische Mittel für die Behandlung
der vorerwähnten pathologischen Zustände, insbesondere
von zerebraler Seneszenz und seniler Demenz zu finden.
Insbesondere besteht ein Bedürfnis nach Arzneimitteln,
die metabolisch auf die zerebralen und neuralen Stellen
einwirken, die bei den vorerwähnten pathologischen Zuständen
involviert sind.
Irving B. Fritz hat in einer Studie "Carnitin and its
role in fatty acid metabolism", veröffentlicht in "Advances
in Lipid Research", 1, 285-334 (1963) Academic Press,
die Wirkung bei einer Verabreichung beschrieben, bei welcher
man Carnitin in die Cisterna Magna von Ratten unter
schwacher Anästhesie injizierte. 3 bis 5 Minuten nach
der Injektion wurde eine deutliche Übererregbarkeit
und klonische Zuckungen beobachtet, wobei ein Zustand,
bei dem die Versuchstiere sich drehten und sprangen,
während 5 bis 8 Minuten anhielt. Anschließend fielen
die Versuchstiere in einen depressiven Zustand und zeigten
wenig oder gar keine spontane Aktivität. Beim Anstoßen
zeigten die Tiere eine Übererregbarkeit und
fielen anschließend in einen depressiven Zustand.
Fritz stellte ähnliche Ergebnisse bei Katzen fest, denen
in die Seitenventrikel des Gehirns eine Kanüle eingepflanzt
worden war. Eine endocerebroventrikulare Verabreichung
von Acetylcarnitin bewirkt eine Pupillenerweiterung und
eine merklich erhöhte motorische Aktivität.
Dagegen wurden diese Wirkungen bei intravenöser Verabreichung
von Acetylcarnitin nicht festgestellt.
Daraus zieht Fritz den Schluß, "daß betont werden muß,
daß Acetylcarnitin eine Neuralwirkung nur dann ausübt,
wenn es direkt in das Gehirn injiziert wird. Systemische
Verabreichung hat keine Wirkung, wahrscheinlich, weil die
Verbindung nicht die Barrieren im Gehirn passieren kann,
um die höheren Neuralstrukturen zu erreichen."
Aus Vitamins and Hormones, R. S.: Harris et al. (Ed) Vol. XV,
Academic Press, New York 1957, Seiten 106 bis 109 und
E. Strack and H. Seim, Acta biol. med. germ., 35 (1976) Seiten
645 bis 656 sind Wirkungen von Acetylcarnitin auf die peripheren
Bereiche des Nervensystems bekannt. Die peripheren
Bereiche des Nervensystems müssen aber von dem ZNS unterschieden
werden, da nur letzteres durch die Blut- Gehirn-
Schranke geschützt ist.
Aufgabe der Erfindung ist ein Mittel zur Behandlung von
zerebralen Insuffizienz, insbesondere bei sensiler und präsiniler
psychomotorischer Involution, Demenz und Depression
zur Verfügung zu stellen, das oral oder parenteral verabreicht
werden kann. Diese Aufgabe wird durch die Verwendung
gemäß Anspruch gelöst.
Das erfindungsgemäß
verwendete Acylcarnitin der allgemeinen Formel I wird in den Arzneimitteln neben
üblichen Träger- und Verdünnungsmitteln in solchen Mengen
eingearbeitet, daß etwa 100 bis 1000 mg Acylcarnitin der
Formel (I) oder eines pharmakologisch annehmbaren Salzes,
davon in einer Dosierungseinheit enthalten
ist.
Die Arzneimittel werden dann oral oder parenteral verabreicht
und zwar in Mengen, daß etwa 2 bis 20 mg/kg
Körpergewicht pro Tag Acylcarnitin der allgemeinen Formel (I)
oder eines pharmazeutisch annehmbaren Salzes,
davon aufgenommen werden, wobei jedoch auch
größere oder kleinere Dosierungen je nach der Entscheidung
des Arztes und dem Alter, dem Gewicht, dem Allgemeinzustand
und dem pathologischen Zustand des behandelten Patienten
möglich sind.
Die Erfindung wird durch die nachfolgenden klinischen
Untersuchungen gestützt.
Vor der Behandlung mit Arzneimitteln, die gemäß der vorliegenden
Erfindung hergestellt worden waren, wurden die
Patienten psychometrischen Tests unterworfen mit der Zielsetzung,
den Grad der Geistesverwirrung festzustellen,
und es wurden Aufzeichnungen über die Quote der negativen
Veränderungen (CNV) gemacht und über die Gehirnwellenfunktionen,
die im Zusammenhang stehen mit dem Grad der Aufgeschlossenheit,
Aufmerksamkeit, Konzentration und der motorischen
Aktivität.
Bei allen Patienten wurde eine computerisierte axiale
Tomographie (CAT) vorgenommen.
Die Patienten wurden einen Monat mit 750 mg pro Tag
(drei 250-mg-Kapseln) Acetylcarnitin behandelt. Während
dieser Behandlung erfolgte keine andere Therapie.
Die psychometrischen und elektrophysiologischen Versuche
wurden nach Beendigung der Acetylcarnitin-Behandlung
wiederholt.
Ausführliche Ergebnisse, die mit vier Patienten, die zwischen
58 und 67 Jahren alt waren, vorgenommen wurden, werden
nachfolgend gezeigt.
Alle Patienten zeigten eine erhöhte Einsicht. Drei von
vier Patienten zeigten ein verbessertes Ich-Gefühl. Bei
zwei Patienten wurde eine verminderte emotionelle Labilität
festgestellt.
Alle Patienten hatten geringere Schwierigkeiten, aufmerksam
zu bleiben. Hinsichtlich der Selbstfürsorge wurde
bei zwei Patienten eine Verbesserung, insbesondere bei
der Nahrungsaufnahme und der persönlichen Hygiene festgestellt.
Bei der täglichen instrumentellen Aktivität wurden Verbesserungen
bei drei Patienten festgestellt, insbesondere
beim Gebrauch des Telefons, der Haushaltsführung und bei
der Anwendung von Transportmitteln und Arzneimitteln.
Hinsichtlicht des geistigen Zustandes wurde bei zwei Patienten
eine Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses und bei einem
eine Verbesserung der Raumorientierung festgestellt.
Alle Patienten reagierten besser auf den Symbol-Zahlentest.
Bei allen Patienten konnte eine Neigung zu einer größeren
motorischen Aktivität festgestellt werden.
Die Ergebnisse der Versuche sind in der Tabelle aufgezeichnet.
Für jeden Patienten wurden die Werte, die vor der Behandlung
festgestellt wurden, in der linken Kolonne und die
nach der Behandlung festgestellt wurden, in der rechten
Kolonne aufgezeichnet.
Um bei der Auswertung eine möglichst große Objektivität
zu haben, wurden Aktivitäten oder Versuche ausgewählt,
bei denen die subjektiven Eindrücke der Patienten die
größtmögliche Rolle spielen. Es wurden die in der Psychiatrie
üblichen Bewertungsnormen angewendet für die
Beschreibung des Zustandes der Patienten vor und nach
der Behandlung. Die niedrigsten Bewertungen bedeuten
ein normales Verhalten, während die höchsten Bewertungen
bedeuten, daß der Patient keinerlei Kontrolle über seine
Aktivitäten hatte. Mittelwerte geben den Grad der Kontrolle
an, der zwischen einer normalen und einer vollkommen abnormen
Aktivität liegt.
Zum Beispiel wurde hinsichtlich der persönlichen Sauberkeit,
der Kleidung und dem Aussehen folgende Bewertungsskala
angewendet:
- 1. Der Patient war vollständig in der Lage, sich sauber zu halten, zu kleiden und auf sein Äußeres zu achten. Es lag keine Inkontinenz vor.
- 2. Der Patient benötigt bei der persönlichen Hygiene Hilfe bzw. beschmutzt und benäßt höchstens einmal wöchentlich im wachen Zustand seine Wäsche.
- 3. Er beschmutzt sich und benäßt sich mehr als einmal wöchentlich im Schlaf.
- 4. Er beschmutzt und benäßt sich mehr als einmal wöchentlich im wachen Zustand.
- 5. Er hat keine Kontrolle über den Schließmuskel.
Hinsichtlich der täglichen instrumentalen Aktivitäten
wurde die Skala gemäß M. Powel et al (The Gerontologist,
1969, 9, 179 bis 186) angewendet.
Hinsichtlich der Selbstfürsorge wurde die Bewertungsskala
noch Lowenthal "Lives in distress" (1964) New York, Basic
Books, angewendet.
Hinsichtlich des Geisteszustandes wurde die Bewertung
gemäß J. Birren in "Human Aging - A Biological and Be
havioral Study (1971) angewendet.
Die CNV-Aufzeichnungen wurden nach den von G. Walter in
Arch. Psychiat. Nr. 206, 309 bis 322 (1964), beschriebenen
Verfahren vorgenommen. Bei diesen Verfahren wird ein
warnendes Leuchtzeichen in Form eines Blitzes (S₁) ausgestrahlt
und daran schließlich ein imperatives Lautzeichen
(S₂), wodurch das Subjekt zu einer motorischen
Antwort veranlaßt wird (möglichst schnelles Niederdrücken
eine Knopfes).
Es ist weiterhin bekannt, daß CNV durch Erwartung, Aufmerksamkeit
und Motivation beeinflußt wird, und daß CNV
stärker hinsichtlich der Parameter (Fläche, Maximalpeak
und dergleichen) durch das Erinnerungsvermögen des Subjektes
und dessen Personalität und weniger durch sein
chronologisches Alter modifiziert wird.
Bei vier Patienten, die unter präseniler Demenz litten,
wurden CNV-Aufzeichnungen vorgenommen und zwar vor und
nach einmonatiger Behandlung mit jeweils 750 mg täglichen
oralen Dosen von Acetylcarnitin.
Die Personen wurden dann aufgefordert, einen Knopf zu
drücken, sobald sie in einem Kopfhörer einen schrillen
Klang (7000 Hz) hörten, und den Knopf nicht zu drücken
bei einem dunklen Laut (200 Hz).
Nach der Behandlung mit Acetylcarnitin verbesserte sich
die Reaktionszeit (die Personen unterbrachen S₂ häufiger)
und bei den vier Patienten wurden weniger Fehler bei
der Durchführung der motorischen Antwort festgestellt.
Die Zeichnung zeigt CNV-Aufzeichnungen bei einem der behandelten
Patienten. Die Spur A ist die CNV-Aufzeichnung
vor der Behandlung mit Acetylcarnitin und die Spur B
die CNV-Aufzeichnung nach der Behandlung.
Die Figur zeigt einen erheblich verbesserten Maximalpeak
der Welle und dies ist ein zuverlässiger Index für die
Erhöhung der Gesamtfläche des CNV.
Obwohl der genaue biochemische Mechanismus über die Aktivität
von Acylcarnitin der Formel (I) bei der Behandlung
der erwähnten pathologischen Zustände nicht bekannt
ist, kann man feststellen, daß bei dem zerebralen ischämischen
Phänomen ähnlich wie bei kardialen Ischämien eine
Ansammlung von Acylcarnitin im ischämischen Gewebe erfolgt
und dadurch eine Inhibierung von Adenin-Nukleotid-
Translakase, NADH-NAD-Dehydrogenase und Acetylcarnitin-
Transferase erfolgt.
Bei der Verabreichung von Acylcarnitin der Formel (I)
scheint eine Reaktivierung des vorerwähnten enzymatischen
Systems stattzufinden, wodurch eine Umkehr der pathologischen
Zustände, die in den ischämischen Regionen auftreten,
erfolgt und diese Phänomene abnehmen bis der
Normalzustand wieder hergestellt ist.
Unter Annahme dieser Wirkungsweise ist es besonders
überraschend, daß die Acylcarnitine der Formel (I)
die vorerwähnten Funktionen auf die Neuralstrukturen
ausüben können und in der Lage waren, die Barriere
zum Gehirn zu überschreiten.
Acylcarnitin der Formel (I) kann auch mit nachfolgender
Strukturformel gekennzeichnet werden:
Es handelt sich also um γ-Trimethyl-β-oxybutyro-betain,
das an der Oxygruppe verestert ist.
Claims (1)
- Verwendung von Acylcarnitin der allgemeinen Formel oder eines pharmazeutisch annnehmbaren Salzes, worin R einen Säurerest aus der Gruppe Acetyl, Propionyl, Butyryl, Hydroxybutyryl und Acetoacetyl bedeutet, zur oralen oder parenteralen Behandlung von zerebraler Insuffizienz insbesondere bei seniler und präseniler psychomotorischer Involution, Demenz und Depressionen.
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