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Verfahren zum alkalischen Aufschluß von Pflanzenstoffen Bei den bisher
gebräuchlichen oder vorgeschlagenen alkalischen Verfahren zum Aufschluß von Pflanzenstoffen
werden neben dem hauptsächlich wirksamen Natriumhydroxyd erwünschte oder unerwünschte
Zusätze, wie Natriumsulfid, Natriumsulfit und Natriumkarbonat u. a., mitverwandt.
Von diesen erleichtern Natriumsulfid und Natriumsulfit die Herauslösung des Lignins.
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Man hat auch beobachtet, daß Natriumdithionit (Na, S2 04), früher
als Natriumhydrosulfit bezeichnet, in alkalischer Lösung bei erhöhter Temperatur
auf Flachsstroh eine milde, ligninentfernende Wirkung ausübt, die jedoch nur so
weit geht, daß die eigentlichen Flachsbastfasern wohl freigelegt, nicht aber aufgeschlossen
werden. Man hat außerdem beobachtet, daß alkalische Lösungen von Natriumdithionit
selbst bei Temperaturen von 16o° Holz nicht aufzuschließen vermögen, obgleich sie
etwas Lignin daraus entfernen. Es ist auch schon der Vorschlag gemacht worden, harzreiches
Holz mit einer Lösung milder Alkalien unter Zusatz von Reduktionsmitteln, wie von
Sulfiten, Hydrosulfiten u. dgl., vorzuextrahieren und anschließend mittels Bisulfit
aufzuschließen. Bei dieser Vorextraktion sollen also keine ätzenden kaustischen
Alkalien, wie Natriumhydroxyd, sondern nur milde Alkalien, wie Soda, sogar noch
in einer Konzentration unter o,5 °/o angewandt werden.
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Es wurde nun die überraschende Feststellung gemacht, daß im Gegensatz
zu diesen bisherigen Beobachtungen Natriumdithionit doch unter geeigneten Bedingungen
ein ausgezeichnetes Aufschlußmittel für Pflanzenstoffe darstellt und Zellstoffe
mit unerwartet günstigen Eigenschaften zu liefern imstande ist. Hierzu muß das Natriumdithionit
in einer Natriumhydroxydlauge, die auch noch andere Natriumverbindungen, wie Natriumsulfid,
Natriumkarbonat,
Natriumsulfit u. a., enthalten kann, bei erhöhter
Temperatur und Druck vorzugsweise in einer derartigen Konzentration und Menge, auf
den Pflanzenstoff gerechnet, angewandt werden, daß keine Schwarzkochungen eintreten,
die Auslösung des Lignins begünstigt und die der Polysaccharide gehindert wird.
Schon verhältnismäßig kleine Mengen des Salzes sind in diesem Sinne wirksam. Wird
es jedoch in einer allzu großen Menge angewandt, dann tritt eine Erhöhung des Ligningehaltes
im entstehenden Zellstoff ein. Die hierbei zu beobachtenden Grenzen hängen im einzelnen
von der Art des aufzuschließenden Pflanzenstoffes ab.
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Gegenüber dem reinen Natron- und dem Sulfatverfahren muß, wenn man
mit optimalen Mengen von Natriumdithionit arbeiten will, der Aufschluß etwas intensiviert,
d. h. bei etwas höherer Temperatur und bzw. oder verlängerter Aufschlußdauer durchgeführt
werden. Beobachtet man diese Vorsichtsmaßregeln, dann stellen sich gegenüber dem
bekannten alkalischen Aufschlußverfahren die im folgenden näher beschriebenen Vorteile
ein.
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Trotz der etwas erhöhten Aufschlußtemperatur bzw. verlängerten Aufschlußdauer
verläuft der Delignifizierungsvorgang in milderer Form, d. h. es wird bei größerer
Schonung der Polysaccharidsubstanz mehr Lignin herausgelöst. Man gelangt deshalb
leicht zu Zellstoffen niedrigeren Ligningehaltes bei gleichzeitig sehr hoher Ausbeute
an ligninfrei gedachter Faser.
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Das Natriumdithionit wirkt zugleich als sehr starkes Reduktionsmittel,
weshalb die entstandenen Zellstoffe, selbst bei höheren Ligningehalten, eine überraschend
helle Färbung zeigen. Auch die Lauge nach dem Aufschluß, die Lignin und Polysaccharide
u. a. m. enthält, ist sehr hell gefärbt und kann deshalb zumindest zum großen Teil
beim Aufschluß wieder verwendet werden. Sie ist allerdings tunlichst dem Einfluß
des Luftsauerstoffes zu entziehen, weil sie an der Luft nachdunkelt.
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Diese reduzierende Wirkung des Natriumdithionits verhindert auch den
Abbau der Polysaccharidsubstanz des Pflanzenstoffes, so daß die entstandenen Zellstoffe
sich durch hohen Polymerisationsgrad auszeichnen.
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Auf diese Weise gelingt es, ungebleichte Zellstoffe niedrigen Ligningehaltes
im Gebiet der optimalen Ausbeute und von hohem Polymerisationsgrad darzustellen.
Diese Einzeleffekte wirken sich in ihrer Gesamtheit in einer überraschend hohen
Festigkeit der aus diesen Zellstoffen hergestellten Papiere aus.
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Weiterhin ergab sich die ebenfalls überraschende Feststellung, daß
das in den Dithionitzellstoffen vorhandene Lignin nicht nur an sich heller gefärbt
ist, sondern sich auch wesentlich leichter als das in Natron-oder Sulfatzellstoffen
gegenwärtige mit den üblichen Bleichmitteln, wie Chlor, Hypochlorit, Chlordioxyd
u. a., entfernen läßt. Man kann sogar, wenn nicht allerhöchste Weißgehalte angestrebt
werden, auf hochaktive, besonders schonende Bleichmittel, wie Chlordioxyd, verzichten
und trotzdem gebleichte Zellstoffe sehr hohen Weißgehaltes und sehr hoher Festigkeit
in wenigen Bleichstufen und bei geringem Aufwand von aktivem Chlor gewinnen. Die
günstige Wirkung des Natriumdithionits macht sich auch dann geltend, wenn geringe
Mengen, z. B. o,5 g auf ioo cm3 Flüssigkeit einer Sulfatlauge üblicher Zusammensetzung
zugesetzt werden. Es tritt dann sofort eine Steigerung der Ausbeute, begleitet von
einer sprunghaften Erhöhung des Weißgehaltes, ein.
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Die Wirkung des Natriumdithionits übertrifft auch die des Natriumsulfits
bei weitem und ergibt, in derselben Menge und unter den gleichen Bedingungen wie
dieses viel weniger aktive Reduktionsmittel angewandt, Zellstoffe niedrigeren Ligningehaltes
und von wesentlich hellerer Farbe.
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Die beschriebenen Vorteile wirken sich nicht nur bei Nadelholz, sondern
auch bei Laubhölzern aus. So erhält man sehr leicht aus Buchenholz Zellstoffe in
Ausbeuten bis zu 6o0/0 und mit außerordentlich hohem Weißgehalt. Beim Einsatz größerer
Mengen Natriumdithionits gelingt es sogar, Zellstoffe zu erhalten, deren Weißgehalt
an den von ungebleichten Sulfitzellstoffen heranreicht, der seinerseits etwa
59
bis 640/" bezogen auf Bar ytweiß, beträgt.
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Bei der Anwendung höherer Natriumhydroxydkonzentrationen ist es auch
möglich, insbesondere nach Vorschaltung einer Vorhydrolyse bei erhöhter Temperatur
mit Wasserdampf, Wasser oder verdünnten Mineralsäuren, Zellstoffe höheren Alphacellulosegehaltes
und niedrigeren Pentosangehaltes zu erzeugen, die sich zur Gewinnung von Kunstseide,
Zellwolle, Filmen u. dgl. gut eignen.
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Die Anwendung von Natriumdithionit gestattet es auch, die beim Sulfataufschluß
so sehr störende Geruchsplage wirkungsvoll zu bekämpfen.
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Das Natriumdithionit läßt sich auf an sich bekannte Weise leicht im
Betrieb herstellen. So kann z. B. Zink mit S 0,-Lösung zu einer Lösung von Zinkdithionit
(Zinkhydrosulfit) umgesetzt und daraus das Zink mit Natriumkarbonat gefällt werden.
Die entstandene Lösung von Natriumdithionit wird dann entweder reiner oder karbonathaltiger
Lauge oder karbonat- und sulfidhaltiger oder sulfithaltiger Lauge zugesetzt. Es
ist auch möglich, eine Lösung von Zinkdithionit direkt einer Lauge zuzugeben, die
für den Natron- oder Sulfataufschluß dienen soll. Im letzteren Falle tritt eine
Ausfällung des Zinks als schwerlösliches Sulfid ein, das z. B. durch Filtration
entfernt, anschließend gewaschen und getrocknet werden kann; das Zinksulfid stellt
ein wertvolles Nebenprodukt dar und kann als Füllstoff für sehr weiße Papiere benutzt
werden. Beispiel Technische Eichtenholzhackspäne werden nach der Evakuierung mit
der 7,5fachen Menge einer Lauge durchtränkt, die 3,48 g Na O H und 6,25 g Nag S2
04 in ioo cm3 enthält. Der Ansatz wird in einem verschlossenen Autoklav innerhalb
von 2 Stunden auf eine Temperatur von 18o° gebracht, dort 8 Stunden lang belassen
und darauf 45 Minuten lang abgekühlt. Das Aufschlußgut wird ausgewaschen und läßt
sich in einem Rührer mit hoher Tourenzahl leicht und vollständig in Einzelfasern
zerlegen. Die Ausbeute auf absolut trokkener Basis beträgt 44,75 °/o, der Ligningehalt
2,q.2 % und der Weißgehalt, bezogen auf Barytweiß, gemessen
mit
dem Zeißleukometer, 58,45 °/°. Wird unter denselben Bedingungen die Menge Na, S204
auf 7,81 g in ioo cm3 erhöht, so steigt zwar dieAusbeute auf 48,i5°/°, jedoch auch
der Ligningehalt auf 4,61 °/°, während der Weißgehalt mit 5950 °/ö keine wesentliche
Erhöhung erfährt.
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Beispiel 2 Wird unter den in Beispiel i angegebenen Bedingungen mit
einer Lauge gearbeitet, die nur 2,0 g Na 0 H neben den 6,25g Nag S204 in ioo cm3
Aufschlußflüssigkeit enthält, so entsteht ein Fichtenholzzellstoff in einer Ausbeute
von 56,40 °/°, jedoch mit einem Ligningehalt von 8,30 °/° und mit einem für
diesen Ligningehalt erstaunlich hohen Weißgehalt von 57,6o °/°.
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Beispiel 3 Zum Vergleich des Natron- und des Sulfatverfahrens mit
dem Dithionitaufschluß wird gemäß den in der Zahlentafel gegebenen Aufschlußbedingungen
Fichtenholz so aufgeschlossen, daß der jeweils entstehende Zellstoff in etwa gleicher
Ausbeute, auf Holz gerechnet, anfällt (44,3 bis 44,8 °/o). Die in der Zahlentafel
angeführten Eigenschaften beweisen, daß das Dithionitverfahren hierbei den weitaus
niedrigstenLigningehalt von 2,17 °/o bei etwas erhöhter oder nur wenig verringerter
Ausbeute an ligninfrei gedachter Faser ergibt, zudem aber noch die beiden anderen
Zellstoffe in Weißgehalt, Durchschnittspolymerisationsgrad (DP) und in der Festigkeit
sehr wesentlich übertrifft.
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Die drei urigebleichten Zellstoffe werden auf bekannte Weise gebleicht,
wobei folgende Bedingungen zur Anwendung gelangen: i. Stufe: Chlorierung: 3°/o Stoffdichte,
2o°, i Stunde; 2. Stufe: Alkalische Behandlung: 1 °/° Na OH auf Stoff, 5 °/° Stoffdichte,
20°, 1 Stunde; 3. Stufe: Hypochloritbleiche: 5 °/o Stoffdichte, 38°, 4 Stunden.
Zahlentafel zu Beispiel 3 |
AufschluBverfahren Natron Sulfat Dithionit |
Chemikalien in der Lauge, Gramm in ioo cm3 ..... 3,48
Na O H 3,38 Na O H 3,48 Na O H |
1,37 Nag S 6,25 Nag S204 |
o,55 Nag C 03 |
Maximaltemperatur ..................:.......... 18o° 18o° 18o° |
Aufschlußdauer bei Maximaltemperatur in Stunden.. 4 4 8 |
Ausbeute auf Holz atro-Basis in °/° ...............
44,7o 4480 4430 |
Lignin im Zellstoff in °/° ........................
5,70 3,00 2,17 |
DP ........................................... 570 740
905 |
Weißgehalt auf Barytweiß bezogen in °/ä:......... 40,0 43,2
570 |
Festigkeiten der urigebleichten Zellstoffe bei 50° SR |
Reißlänge in Meter ............................ 6855
7416 9443 |
Fortreißfestigkeit cm - g/cm .......................
210 237 302 |
Falzzahl ........................................ 1649 3094
6448 |
Gesamtchlorverbrauch in °/° ...................... 13,62 5,22
4,37 |
Weißgehalt der gebleichten Stoffe auf Barytweiß |
bezogen in °/° ................................ 82,o 76,o 86;o |
Festigkeiten der gebleichten Zellstoffe bei 5o° SR |
Reißlänge in Meter ........................... 7770 8342 I0
58o |
Fortreißfestigkeit cm - g/cm .......................
209 239 266 |
Falzzahl ....................................... 1346 3242
6036 |
Die Ergebnisse in der Zahlentafel zeigen, daß der Dithionitzellstoff bei niedrigstem
Chlorverbrauch den höchsten Weißgehalt von 86 °/° ergibt, der damit den des Sulfatzellstoffes
um io Einheiten übertrifft und der bei technischen gebleichten Sulfatzellstoffen
im allgemeinen nur unter Einsatz von wesentlich größeren Mengen aktiven Chlors und
viel zahlreicheren Stufen zu erzielen ist.
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Obgleich der, gebleichte Dithionitzellstoff aus einem urigebleichten
Stoff mit dem wesentlich niedrigeren Ligningehalt entstand, zeigt er dennoch die
überlegenen Festigkeitseigenschaften, von denen insbesondere die Reißlänge mit 10
58o m und die Falzzahl von 6036 auffallen.
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Beispiel 4 Technische Fichtenholzspäne werden nach dem Evakuieren
mit der 7,5fachen Menge einer Sulfatlauge versetzt, die 2 °/° Na, davon gebunden
65 % als Na OH, 25 °/° als Nag S und io °/° als Nag C 03 enthält. Der Aufschluß
erfolgt im geschlossenen Autoklav bei einer Anheizdauer von 2 Stunden bei einer
Maximaltemperatur von 17o° während 4 Stunden. Der entstehende Zellstoff fällt in
einer Ausbeute, auf atro-Basis gerechnet, von 48,5 °/o mit einem Ligningehalt von
4,91 °/o an und zeigt einen Weißgehalt von 30,7 °/°.
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Wird dieser Aufschluß unter sonst vollkommen gleichen Bedingungen,
jedoch unter Zusatz von 0,48 g Na2S204 auf ioo cm3 der beschriebenen Sulfatlänge
durchgeführt, dann steigt die Ausbeute auf 49,6 °/°, der Ligningehalt jedoch nur
auf 5,o5 °/o und der Weißgehalt erfährt die sehr beträchtliche Erhöhung auf 37,8%.
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Gibt man unter sonst gleichen Bedingungen an Stelle von 0,48 g Nag
SZ 04 die wesentlich höhere Menge von 3,83 9 zu ioo cm3 der beschriebenen
Sulfatlauge, so
steigt die Ausbeute auf 53,10/" der Ligningehalt
jedoch nur auf 5,80 % und der Weißgehalt auf 45,9 %, was gegenüber dem reinen Sulfataufschluß
eine Erhöhung des Weißgehaltes um 15,2 Einheiten oder um nahezu 5o % relativ
bedeutet.
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Beispiel 5 Technische Buchenholzhackspäne werden nach dem Evakuieren
mit der 7,5fachen Menge einer Lauge durchtränkt, die 3,48 g NaOH und 6,25 g Na,
S204 in ioo cm3 Flüssigkeit enthält. Nach einer Anheizdauer von 2 Stunden im geschlossenen
Autoklav wird der Ansatz auf eine Temperatur von 165° gebracht und dabei 8 Stunden
lang belassen; das Abkühlen nimmt 45 Minuten in Anspruch. Das aufgeschlossene Gut
läßt sich nach dem Auswaschen leicht zerfasern und stellt einen sehr hellgefärbten
Zellstoff dar. Die Ausbeute beträgt 58,5 % auf atro-Basis bei einem Ligningehalt
von 5,79 0/0 und einem Weißgehalt von 61,3 %.
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Wird unter genau denselben Bedingungen aufgeschlossen, jedoch nur
die 4,5fache Laugenmenge benutzt, dann steigt die Ausbeute auf 66,25 % und der Ligningehalt
auf 9,40/0. Trotz dieses hohen Ligningehaltes zeigt der urigebleichte Zellstoff
einen Weißgehalt von 62,2 01`0, der innerhalb des Gebietes für urigebleichte Fichtensulfitzellstoffe
liegt. Die in einem nach kurzem Aufschlagen mit einem Rührer mit hoher Tourenzahl
noch vorhandenen geringen Anteile schwerer zu zerfasernden Holzes werden durch Mahlurig,
z. B. in der Jokromühle, rasch aufgeschlagen und treten im fertigen Papier nicht
mehr in Erscheinung.
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Beispiel 6 Technische Fichtenholzhackspäne werden nach dem Evakuieren
mit der iofachen Menge einer Aufschlußflüssigkeit durchtränkt, die 2 g NaOH und
6,25 g Nag SO, in ioo cm3 enthält. Nach dem Erhitzen im geschlossenen Autoklav
auf 17o° während 24 Stunden entsteht ein splitterfreier Zellstoff in einer Ausbeute
von 46,io%, einem Ligningehalt von 3,97% und einem Weißgehalt von 3940 Wird der
Aufschluß unter denselben Bedingungen durchgeführt, die 6,25 g Nag S03 jedoch durch
6,25 9
Na. S204 ersetzt, dann entsteht ein ebenfalls Splitter> freier Zellstoff
in der Ausbeute von 46,07 0/0, der jedoch nur 2,7o % Lignin enthält und den wesentlich
höheren Weißgehalt von 6=,70 0/0 zeigt.