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Verfahren zur Gewinnung von pentosanarmen Zellstoffen aus Pflanzenstoffen
Zellstoffe, die sich als sogenannte Kunstseidezellstoffe ohne Anstände nach dem
Viscoseverfahren zu Kunstseide und Zellwolle verarbeiten lassen, müssen einen hohen
Grad chemischer Reinheit besitzen, und ihr Gehalt an Cellulosebegleitstoffen darf
eine gewisse empirisch festgelegteGrenze nicht überschreiten. Die Erfahrung hat
gelehrt, daß sich die Anwesenheit größerer Mengen Pentosan in diesen Zellstoffen
besonders störend auswirkt, zu Schwierigkeiten bei der Filtration .der Viscose und
zu 'einer Verminderung der Festigkeit der daraus erzeugten Kunstfaser führt. Handelsübliche
Kunstseidezellstoffe, die diese Anforderungen erfüllen, spalten bei der Furfuroldestillation
nicht mehr als 5 0%, in den meisten Fällen sogar noch beträchtlich geringere Mengen
Furfurol ab. Derartige Zellstoffe können aus pentosanarmen Pflanzenstoffen, wie
Fichtenholz, und auch aus pentosanreichen Pflanzenstoffen, wie Buchenholz, unmittelbar
nur nach einem sauren Aufschlußverfahren, wie z. B. dem Sulfitverfahren, dargestellt
werden.
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Wird aber .als Aufschlußflüssigkeit eine alkalische Lösung, z. B.
eine Sulfatlauge, verwandt, dann entstehen Zellstoffe, die wesentlich größere Mengen
an Pentosan enthalten. Pentosanreiche Ausgangsstoffe, wie Buchenholz, Stroh, Kartoffelkraut,
Sonnenblumenstroh u..dgl., liefern beim alkalischen Aufschluß Zellstoffe, die normalerweise
je nach den Aufschlußbedingungen sogar 1a bis z6°fo Furfurol abspalten können.
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Durch Verschärfung der Aufschlußbedingungen, d. h. Anwendung höher
konzentrierter Laugen bei höherer Aufschlußtemperatur
und verlängerter
Aufschlußdauer, läßt sich der Furfurolivert der Zellstoffe zwar erniedrigen, jedoch
muß in diesem Fall ein derartiger Ausbeuteverlust iii Kauf genommen werden, daß
die Wirtschaftlichkeit dieses Verfahrens in Zweifel gerückt wird. Die entsprechend
der geringeren Ausbeute in verstärktem Maße in Lösung gegangenen Bestandteile können
bisher auf wirtschaftliche Weise nicht wiedergewonnen und einem chemischen Verwendungszweck
zugeführt werden, sondern dienen lediglich bei der Verbrennung der Ab-
lange,
die zum Zwecke der Alkaliregenerierung erfolgt, als Kalorienquelle.
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Es ist schon vorgeschlagen worden, daß die unerwünschten Cellulosebegleiter
aus den Pflanzenstoffen durch eine Vorbehandlung vorzugsweise saurer Art entfernt
werden. Die Vorhydrolyse wird danach entweder mit verdünnten Säuren bei hoher Temperatur
oder mit höher konzentrierten Säuren bei niedriger Temperatur ausgeführt. Als geeignete
Säuren sind empfohlen worden: Schwefelsäure, Salzsäure, schweflige Säure, Phosphorsäure,
Kohlensäure. Mit diesen Säuren lassen sich die Pentosane aber nur bis zu einem gewissen
Grad entfernen, ohne daß ein Angriff auf die Cellulose erfolgt.
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Es ist nun gefunden worden, .daß es durch Anwendung von Bromwasserstoffsäure
unter geeigneten Vorhydrolysebedingungen gelingt, aus pentosanhaltigen Pflanzenstoffen
Rückstände zu erhalten, die sich nach an sich bekannten Verfahren anstandslos zu
sehr pentos#anarmen, für die Herstellung von Kunstseide und Zellwolle besonders
geeigneten Zellstoffen aufschließen lassen. Die besondere, die Gellulosesubstanz
pflanzlicher Rohstoffe äußerst schonende Wirkurig der Bromwasserstoffsäure geht
aus dem Vergleich mit anderen Mineralsäuren, wie Salzsäure oder Schwefelsäure, deutlich
hervor. Unter gleichen Vorhydrolyse- und Aufschlußbedhigungen liefert sie in gleicher
Konzentration wie diese Säuren Zellstoffe in wesentlich höherer Ausbeute und höheren
a-Cellulosegehaltes. Aus Roggenstroh wird z. B. bei 125° in 95 Minuten mit 1%iger
HBr ein Zellstoff in einer Ausbeute von 31,160% mit einem a-Cellulosegehalt von
96,87% erhalten, mit 10%iger Schwefelsäure -5,65 0% mit 95,700)o a-Cellulose, mit
i%iger Salzsäure 22,25% mit 93,5a0% a-Cellulose. Erstrebt man Zellstoffe gleichen
Pentosangehaltes, gemessen am Furfurolwert, z. B. 1,5% Furfurol, so sind unter denselben
Bedingungen zu verwenden eine o,55%ige Salzsäure, eine o,620/.ige Bromwasserstoffsäure
und eine 2,75 o/oige Schwefelsäure; die Ausbeuten betragen in derselben Reihenfolge
Zellstoff, auf Stroh bezogen, 27,6%, 35,8%, 24,8% und die a-Cellulosegehalte dieser
Zellstoffe 9d.,5 %, 95,65 °/o, 95,1o0%. Die Broinnvasserstoffsäure wirkt also viel
schonender als die anderen Mineralsäuren. Aus der nach Filtration des Hydrolvsats
erhaltenen Lösung kann Furfurol durch Wasserdampfdestillation abgetrieben «erden;
die verbleibende Lösung kann für eine neue Vorhydrolyse wiederverwendet «-erden.
Auch .Gemische von Bromwasserstoffsäure mit an-` deren Säuren ergeben ähnlich günstige
Effekte.
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Das Verfahren ist hervorragend geeignet zur Herstellung von pentosanarinen
Zellstoffen aus pentosanreichen Pflanzenstoffen, wie Buchenholz, Stroh, Haferschalen
u. dgl. Die Rückstände können bei ligninarinen Ausgangssto:ffeii, z. B. Haferschalen,
nach dem Chlorierungsverfahren weiter aufgeschlossen werden, bei ligninreicheren
Ausgangsmaterialien gelangt zweckmäßigen-,-eise ein alkalisches Aufschlußverfahren
zur Anwendung. Beispiel I Haferschalen wurden in ein,--in Autoklaven in einer Stoffdichte
von i5°/0 bei einer Temperatur von 12o° 3 Stunden finit i 1/oiger Broinwasserstoffsäure
behandelt. Nach dem Abkühlen wurde filtriert. Der ausgewaschene Rückstand wurde
in 1.5% Stoffdichte bei 95° I Stunde mit io0%o NaOH, auf Stoff gerechnet, behandelt
und ausgewaschen. Der ausgewaschene feuchte Stoff wurde dann bei 2o° und einer Stoffdichte
von 5% innerhalb von 2 Stunden mit 80/. Chlor in Form von Chlorwasser beliandeltundwiederumausgewaschen.
Der Stoff wurde dann einer milden alkalischen Behandlung bei 45°, I50/0 Stoffdichte,
unter Anwendung von i 0f, N a O H, auf den Stoff berechnet, i/2 Stunde lang ausgesetzt
und wiederum ausgewaschen.
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Der noch gelblich gefärbte Stoff wurde bei einer Temperatur von 35°,
einer Stoffdichte von 2o0/. innerhalb von 5 Stunden mit einer alkalisch gepufferten
Hypochloritlösung, enthaltend 1% aktives Chlor, auf den Stoff gerechnet, gebleicht.
Der anfallende Stoff besaß einen Weißgehalt von über 9o0(0, einen x-Cellulosegehalt
von 95,54% und lieferte bei einer Furfurolbestiminung nach F.1£K-Merkblatt Nr. 9
nur noch 1,17'1, Furfurol. Er entstand in einer Menge von 27,45'/", auf die Haferschalen
gerechnet, und lieferte bei der Umwandlung in Viscose eine klare Lösung von befriedigender
Viscosität. Beispiele Buchenholzhackschnitzel wurden mit der fünffachen Menge 10%iger
Bromwasserstoffsäure io Minuten auf 132° erhitzt. Aus dem hierbei entstehenden Hydrolysat
wurden durch Wasserdampfdestillation 8,d20/. Furfürol,
auf Buchenholz
gerechnet, abgetrieben. Die Bromwasserstoffsäure ließ sich aus dem Hydrolysenrückstand
zum größten Teil in -der ursprünglichen Konzentration wiedergewinnen.
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Nach dem Auswaschen der Bromwasserstoffsäure wurden die Schnitzel
nach dem Sulfatverfahren aufgeschlossen.
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Das Laugenverhältnis, auf den Rückstand gerechnet, betrug 5 : i, das
Alkaliverhältnis 12,5 g Na auf ioo g Rückstand und die Na-Konzentration .der Aufschlußflüssigkeit
2,5 01o. Das Na in -der Lauge war wie folgt gebunden: 6201, als NaOH, 121/0
als Natriumcarbonatund 260/, als NagS. D.as Reaktionsgut wurde innerhalb von 11/2
Stunden nn einem Autoklaven auf 17o° erhitzt, dort 1/2 Stunde belassen, dann in
weiteren 11/2 Stunden auf 16o° gebracht, im Verlaufe von 1/2 Stunde bis auf i20°
abgekühlt und,die Kochung unterbrochen. Die Gesamtkochdauer betrug also 4 Stunden.
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Der Zellstoff fiel in einer Ausbeute von 314701, auf Buchenholz gerechnet,
an, enthielt o,80/, Lignin und ergab bei der a-Cellulosebestimmung einen Rückstand
von 97,o60%. Bei der bekannten Destillation mit 13 0/,iger kochsalzhaltiger Salzsäure
entstand ein Destillat, dessen Sauerstoffverbrauch nach der Bromid-Bromat-Methode
2,20% Furfurol, auf Zellstoff gerechnet, entsprach, in dem jedoch mit Biarbitursäure
keinerlei Fällung eintrat.
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Der Zellstoff wurde nach einer Dreistufenbleiche bei der Anwendung
von elementarem Chlor in der ersten Stufe, gefolgt von einer alkalischen Zwischenbehandlung
mit 101o Na OH auf Stoff und einer Hypochloritbleiche beim Gesamtchlorverb.rauch
von 1,201o, zu einem Weißgehalt von 96010 gebleicht. Der Stoff enthielt 97,47
% a-Cellulose und spaltete bei der Furfuroldestillation nach FAK nur noch 4304 Furfurol
ab, gemessen am Sauerstoffverbrauch des Destillats mittels Bromid-Bromat. Mit Barbitursäure
ließ sich kein Furfurol nachweisen. Der Stoff ergab bei der Umwandlung in Viscose
eine klare Lösung von befriedigender Viscosität. B.cisp@iel 3.
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Technische Buchenholzhackschnitzel wurden mit der viereinhalbfachen
Menge eines Säuregemisches, enthaltend o,511/0 Bromwasserstoffsäure und 0,5'1, Schwefelsäure,
in einem Autoklaven io Minuten lang auf eine Temperatur von 133° erhitzt. Nach der
Abtrennung der Flüssigkeit, aus der sich io,gi % Furfurol gewinnen ließen, und dem
Auswaschen der Schnitzel wurden diese mit der sechsfachen Menge einer Sulfatlauge,
enthaltend 2,5 0/ö Na, wovon 6:201, als NaOH, I2 % als Nag C 03, 26% als Nag S gebunden
waren, aufgeschlossen.
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Die Temperatur des Reaktionsgutes wurde in 11/2 Stunden auf 17o° gebracht,
112 Stunde dort belassen, dann für weitere :2 Stunden auf 16o° erniedrigt und schließlich
im Verlauf 1/2 Stunde auf 12o° abgekühlt. Die Gesamtkochdauer betrug also 4112 Stunden.
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Die Ausbeute des anfallenden Feinstoffes betrug 31,5201" auf das ursprüngliche
Buchenholz gerechnet. Der Feinstoff enthielt o,90/0 Lignin, ergab bei der a-Cellulos.ebestimmung
einen Rückstand von 97,2401o und bei der Furfurolbestim.mung nach FAK-einen Wert
von 3,11%, mit Barbitursäure gefällt o,570/0. Beispiel 4 Gehäckseltes Roggenstroh
wurde mit der achtfachen Menge eines Säuregemisches, enthalteud 0,501, H2
S04 und o,50/, HBr, bei einer Temperatur von 122° i20 Minuten lang behandelt. In
dem abgezogenen Hydrolysat einschließlich des Waschwassers befanden sich 22,90010
Zucker, auf Stroh bezogen, die der Verhefung zugeführt werden können, oder 11,810/,
Furfurol, auf Stroh gerechnet, liefern. Der ausgewaschene Hydrolysierrückstand wurde
mit 7,5 Teilen, auf abs. trockenen Stoff gerechnet, einer Lauge, enthaltend 2% Na,
davon gebunden 65 04 als Na OH, 2o 01, als Nag C03 und 15 % als Nag S, aufgeschlossen.
Die Maximaltemperatur von 16o° wurde nach 2 Stunden erreicht und 4 Stunden lang
eingehalten. Der nach dem Auswaschen anfallendeEdelzellstoff entstand in einerAusbeute
von 31,2801,, auf Stroh gerechnet, besaß einen a-Cellulosegehalt von 98,43% und
einen Furfurolwert, bestimmt mit HBr, gefällt mit Thiobarbitursäure von 2,33%.