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Verfahren zur Gewinnung von Alkaloidpräparaten aus alkaloidhaltigen
Drogen, insbesondere aus Mutterkorn. Zur Ausfällung der Ballaststoffe aus wiisserigenMutterkornauszügen
wird viehfach hochprozentiger Alkohol verwendet; hierdurch wird jedoch die Wirksamkeit
des Auszuges verändert bzw. herabgesetzt. Die Ursache dieser Erscheinung konnte
nun festgestellt werden: sie besteht darin, daß die Salze der wirksamen Basen mit
zwei- oder mehrhasischen Säuren in Alkohol so gut wie unlöslich sind. Da die Droge
in großen Mengen Phosphorsäure enthält, geht einerseits bei Behandlung wässeriger
Auszüge mit Alkohol ein sehr erheblicher Teil der wirksamen Stoffe in den Niederschlag
ein und läßt sich anderseits durch Extraktion der Droge mit Alkohol nur ein Bruchteil
ihrer wirksamen Bestandteile in den Auszug bringen.
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Diese neue Erkenntnis führt zunächst zu der Regel, daß vor Behandlung
der Droge oder ihrer wässerigen Auszüge mit Alkohol die zwei- und mehrbasischen
Säuren entfernt werden müssen. Dies geschieht am zweckmäßigsten durch Ausfällung
dieser Säuren in Form unlöslicher Salze. Es werden hierbei die zwei- oder mehrbasischen
Säuren durch einbasische ersetzt. An Stelle von Salzen einbasischer Säuren kann
man zur Ausfällung auch Carbonate verwenden. Fällt man z. B. einen in der Kälte
bereiteten wässerigen Auszug des Mutterkorns mit Bleiacetat, so kann man nach der
Entfernung des Bleiüberschtrsses mit Schwefelwasserstoff aus dem bis zur Sirupdicke
eingeengten Filtrat das mit Alkohol Fällbare vollkommen ausfällen, ohne befürchten
zu müssen, daß mit dem Niederschlag erhebliche Anteile der wirksamen Stoffe verworfen
werden.
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Weiter ergibt sich aus dieser Erkenntnis die Möglichkeit, die wirksamen
Bestandteile der Mutterkornauszüge durch Zusatz von zwei- oder mehrbasischen Säuren
ans diesen in fester Form auszuscheiden. Hierbei wirken die Säuren dem Grad nach
verschieden. So bleibt bei Fällung mit Schwefelsäure oder Phosphorsäure ein größerer
Bruchteil der wirksamen Stoffein Lösung. Hingegen lassen sich die wirksamen Stoffe
bis auf einen Rest von weniger als io Prozent mit einer alkoholischen Lösung von
Weinsäure niederschlagen. Auch Zitronensäure ist verwendbar, jedoch mit Vorsicht,
weil sich der entstandene Niederschlag im Überschuß der Säure wieder auflöst.
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Ferner wurde gefunden, daß die Gesamt-Uteruswirksamkeit aus wässerigen
Mutterkornauszügen gleich anderen Alkaloiden durch Phosphorwolframsäure bei Gegenwart
von Mineralsäuren vollständig niedergeschlagen wird. Durch die vereinigte Anwendung
der Phosphorwolframsäurefällung und Fällung mit alkoholischer Weinsäure läßt sich
die Gesamtheit der wirksamen Stoffe rein oder nahezu rein von den unwirksamen Bestandteilen
abtrennen. Die mit Hilfe dieser
Arbeitsmethoden unternommenen Versuche
lassen den Schluß zu, daß im Seeale cornutum verschiedenartige Gruppen von uteruswirksamen
Bestandteilen vereinigt sind. Die sympaticuslähmende Gruppe Ergotamin-Ergotoxin-Ergotinin
(wovon Ergotamin in Drogen mancher Herkunft fehlt) ist für einen kleinen Teil der
Wirksamkeit verantwortlich. Auch die bisher dargestellten anderen Bestandteile,
wie Histamin und Tyramin, sind nur für einen Teil der Wirkung maßgebend. Der oder
"die Hauptträger der Wirkung sind noch nicht abgeschieden.
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Dieses neue Verfahren wird zweckmäßig auf Auszüge angewendet, die
nach Patent 3888-1-5 durch Gärung eine Reinigung und Steigerung der Wirksamkeit
erfahren haben. Hierdurch wird zwar die Art der abgeschiedenen Stoffe anscheinend
nicht verändert, wohl aber die Ausbeute sehr beträchtlich erhöht. Ausführungsbeispiele:
Beispiel i. iooo g der Droge Seeale cornutum werden gemahlen, mit io 1 Wasser verrührt
und in einen Brutschrank bei 37° C stehengelassen. Nach 12 bis 24. Stunden beginnt
die Gärung und ist nach 2 bis 3 Tagen beendet. Hierauf werden 9o g basisches Bleiacetat
oder 5o g Bleicarhonat eingetragen. Das Filtrat wird mit Schwefelwasserstoff behandelt,
vom Schwefelblei durch Filtration befreit und Bernach bei niedriger Temperatur auf
i 1 eingeengt. Aus dem eingeengten Auszug werden die wirksamen Stoffe durch Extraktion
mit io 1 hochprozentigem Alkohol herausgeholt. Der nach dem Abblasen des Alkohols
verbleibende Rückstand wird abermals mit Alkohol extrahiert, wobei sich ein klarer,
schwach saurer, mit Bleiacetat nicht fällbarer Auszug ergibt.
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Beispiele. Um die wirksamen Basen von Capsella bursae pastoris oder
von Ustilago maidis nach diesem Verfahren zu gewinnen, geht man beispielsweise folgendermaßen
vor: i kg der Droge wird mit 4 kg Wasser angefeuchtet und bei 38° C 8 Tage lang
der Gärung überlassen. Hierauf wird das Material abgepreßt und der Preßsaft aufgefangen.
Die in der Presse verbleibenden Rückstände werden noch zweimal mit so viel Wasser
angerührt, als die erste Preßsaftni-enge betragen hat, und ausgepreßt. Die vereinigten
Preßsäfte werden mit Bleiacetat oder mit Bleicarbonat geklärt. Man filtriert von
dem ausgeschiedenen Niederschlag ab und entfernt den Blenüberschuß mit Schwefelwasserstoff.
Die klare Lösung wird bei niedriger Temperatur im Luftstrom eingeengt und der Sirup
mit 96prozentigem Alkohol aufgenommen, wobei sich Schmieren abscheiden. Die Lösung
wird filtriert und der Alkohol bei hohem Vakuum abdestilliert. Der Rückstand wird
in ungefähr 1/21 96prozentigem Alkohol aufgenommen und mit gesättigter alkoholischer
Weinsäurelösung so lange versetzt, als noch ein Niederschlag entsteht. Die ausgefällten
Tartrate, die in Alkohol unlöslich sind, werden auf einem Filter gesammelt und in
1/41 heißem Wasser gelöst. Die wässerige Lösung wird auf etwa 70 ccm eingeengt
und abgekühlt. Hierbei scheidet sich saures weinsaures Kalium aus. Auf diese Weise
wird das Kalium aus dem Extrakt entfernt. Die abfiltrierte wässerige Lösung der
Tartrate wird vorsichtig mit Calciumcarbonat neutralisiert, wobei die überschüssige
Weinsäure als Calciumtartrat ausfällt. Die so erhaltene wässerige Lösung enthält
die wirksamen Tartrate in reiner injektionsfähiger Form und kann zur Trockene gebracht
werden. Die Wirksamkeit des Pulvers wird biologisch ermittelt.
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Beispiel 3. Zur Abscheidung der wirksamen Stoffe von Seeale cornutum
in fester Form wird von einem nach Beispiel i gereinigten Auszug ausgegangen, welcher,
auf die Menge der Ausgangsdroge gerechnet, io- bis 2oprozentig hergestellt wird.
In diesen alkoholischen Auszug wird Weinsäure anteilswe,ise in fester Form so lange
eingetragen, bis die über dem sich massenweise ausscheidenden Niederschlag befindliche
Flüssigkeit durch eine frisch bereitete alkoholische Weinsäurelösung nicht mehr
getrübt wird. Hierzu sind erfahrungsgemäß für i kg Droge, gleich 5 bis io 1 Secale-Drogenlösung,
8o bis ioo g Weinsäure erforderlich. Wurde die Droge der Gärung unterzogen, so ist
etwa die doppelte Menge Weinsäure notwendig. Der fast weiße Niederschlag wird nach
dem Waschen mit Alkohol in Wasser aufgenommen, wobei saures Kaliumtartrat ungelöst
bleibt. Zur Ausfällung der wirksamen Stoffe aus der kalisalzfreien Lösung wird diese
durch Schwefelsäure auf einfache Normalität gebracht und anteilsw eise unter Umrühren
mit Phosphor-Wolframsäure so lange versetzt, bis eine Probe des Filtrates mit ioprozentiger
wässeriger Phosphorwolframsäurelösung keine Trübung mehr gibt. Hierzu ist annähernd
für i g Ausgangsdroge i g Phosphorwolframsäure erforderlich. Im Niederschlag wird
nun die Phosphorwolframsäure, bei Vermeidung alkalischer Reaktion, in beliebiger
Weise, z. B. durch Schütteln des gewaschenen Niederschlages mit Bleizuckerlösung,
zerlegt. Die vom Blei befreite Lösung wird eingeengt, im Alkohol gelöst und abermals
mit Weins i 'itire , gefällt. Das Filtrat und die alkoholischen Waschwässer
enthalten nur Spuren von uteruswirksamen Stoffen. Auf diese
Weise
gelingt es, die Gesamtheit des reinen wirksamen Bestandteiles als feste Stoffe abzuscheiden.
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Das Endprodukt stellt ein weißes, ungemein leicht lösliches amorphes
Pulver dar, welches alle Reaktionen zeigt, die in den Arzneibüchern für Mutterkornextrakte
angegeben sind. (Tannin, Quecksilberchlorid und außerdem bei mineralsaurer Reaktion
mit Phosphorwolframsaure mächtige Fällung. Die Lösung gibt auch die von Paulysche
Diazoreaktion.) Die wässerige Lösung dieser Substanz reagiert sauer.
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In ganz gleicher Weise und unter Einhaltung ähnlicher Konzentrationen
wird z. B. auch die Chinindroge behandelt, wobei bei der Fällung mit Weinsäure ein
bisher unbekanntes Chinaalkaloid ausfällt. Auch aus anderen alkoholischen Auszügen
alkaloidhaltiger Drogen lassen sich nach dieser Methode bestimmte Alkaloide als
unlösliche Körper niederschlagen.
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Es hat sich gezeigt, daß eine Gruppe von basischen Stoffen, welchen
eine pharmakologisch und therapeutisch ausgezeichnete Wirkung zukommt, sich von
den typischen Pflanzenalkaloiden dadurch unterscheiden, daß sie aus ihren alkoholischen
Lösungen durch zwei- und mehrbasische Säuren, z. B. Weinsäure, gefällt werden. Zu
diesen basischen Stoffen gehört ein großer Teil der sogenannten Biogenen Amine,
deren Bedeutung für die Biologie und Medizin immer mehr in den Vordergrund tritt.
Von Drogen, die solche. Stoffe enthalten, sind in erster Linie zu erwähnen: Ustilago
maidis und Capsella Bursa pastoris. Auch in einigen Drogen, die mehrere Alkaloide
enthalten, wie die Chinarinde und Ipecacuanha-,vurzel, sind derartige basische Stoffe
nachweisbar. Bei Verwendung von Weinsaure fallen gleichzeitig mit den wirksamen
Basen, ebenso wie in den Mutterkornauszügen, die Alkali- und Erdalkalimetalle als
Tartrate aus, von welchen die wirksamen Stoffe nach bekannten Methoden befreit werden
können.