Verfahren zur Herstellung von Methacrylsäureverbindungen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Methacrylsäureverbindungen aus Acetoncyanhydrin und konzentrierter Schwefelsäure, welches ohne Acetoncyanhydrinverluste durchgeführt wird.
Es ist bekannt, dass man aus Acetoncyanhydrin und konzentrierter Schwefelsäure unter Zusatz von Alkohol oder Ammoniak oder Wasser Alkylmethacrylate oder Methacrylsäureamid oder freie Methacrylsäure herstellen kann. Diese Reaktionen werden im allgemeinen durch das Zusammenmischen des Acetoncyanhydrins und der konzentrierten Schwefelsäure eingeleitet. Führt man dieses Mischen bei höheren Temperaturen durch, so entstehen, da der Blausäurepartialdruck des Acetoncyanhydrins mit der Temperatur besonders im stark sauren Medium ansteigt, erhebliche Mengen von Blausäure, die entweder entweichen oder sich mit der anwesenden Schwefelsäure in bekannter Weise zu Kohlenoxyd und Ammonsulfat umsetzen. Wird die Mischung bei niedrigen Temperaturen durchgeführt, so erstarrt das Gemisch von Schwefelsäure und Acetoncyanhydrin, wenn es äquimolekular ist, immer zu einer steinharten kristallinen Masse.
Bei einem gründlichen Einrühren des Acetoncyanhydrins in überschüssige Schwefelsäure werden auch dann noch dicke, zähe, fast gummiartige Massen erhalten, die bei Temperaturen unter 60 C möglicherweise plötzlich erstarren können, wenn der Überschuss an Schwefelsäure 0,25 bis 1,5 Mol beträgt. Noch grössere Schwefelsäure überschüsse sind der Reaktion abträglich, weil sie die Ausbeute mindern. Derartige Mischungen lassen sich also nur schwer weiterverarbeiten. Will man ein festes Gemisch von äquimolekularen Mengen von Schwefels äuremonohydrat und Acetoncyanhydrin wieder verflüssigen, so benötigt man dazu eine Tem peratur von 90 bis 950 C. Infolge der schlechten Wärmeleitfähigkeit sind ausserdem noch lange Reaktionszeiten erforderlich.
Es sind Verfahren bekannt geworden, die die Nachteile der Zersetzung des Acetoncyanhydrins durch Einhaltung einer Temperatur von 60 bis 80" C zu vermeiden versuchen. Derartige Verfahren sind jedoch wenig befriedigend, weil bei ihnen zwangsläufig ein Überschuss an Schwefelsäure verwendet werden muss, der die Ausbeute mindert.
Es ist ausserdem ein anderes Verfahren bekannt geworden, welches die oben genannten Nachteile dadurch zu vermeiden sucht, dass das Acetoncyanhydrin mit hoher Geschwindigkeit in konzentrierte Schwefelsäure unter feinster Verteilung und kräftiger Mischung eingeführt wird, wobei die Mischung auf einer Temperatur zwischen 130 und 1600 C gehalten wird. Da besonders der beim äquimolekularen Einmischen der Komponenten bei tieferen Temperaturen eintretende feste Zustand für eine Weiterverarbeitung des Gemisches unbrauchbar ist, nimmt man im allgemeinen die Einmischung bei höheren Temperaturen vor. Der dabei auftretende Verlust an Acetoncyanhydrin durch Zersetzung in Aceton und Blausäure wird dabei in Kauf genommen. Die bisher bekannten Verfahren weisen daher einen Zersetzungsverlust von mindestens etwa 2 bis 3 O/o auf.
Es ist ferner bekannt, Methacrylsäureester so herzustellen, dass zunächst das Acetoncyanhydrin mit Borsäureverbindungen, wie Pyroborsäure oder Borsäureanhydrid, bei Temperaturen zwischen 30 und 1000 C in einem fast wasserfreien Medium in die Borsäureester des Acetoncyanhydrins überführt werden. Das Borsäureestergemisch wird dann mit konzentrierter Säure bei erhöhten Temperaturen behandelt. Durch diese Vorveresterung wird das Entstehen eines festen Gemisches verhindert. Es gelingt auf diese Weise, eine Zersetzung des Acetoncyanhydrins zu vermeiden und zu praktisch quantitativen Ausbeuten an Endprodukten zu gelangen. Allerdings weist dieses Verfahren den Nachteil auf, dass komplizierte neue Trennungs- und Aufarbeitungsmethoden für die Borsäurederivate angewendet werden müssen.
Es wurde nun überraschenderweise gefunden, dass man Methacrylsäureverbindungen durch Umsetzung von Acetoncyanhydrin mit konzentrierter Schwefelsäure und anschliessender weiterer Reaktion mit Alkoholen, Ammoniak oder Wasser in guten Ausbeuten herstellen kann, wenn man die Umsetzung von Acetoncyanhydrin mit Schwefelsäure so durchführt, dass einem äquimolekularen oder Schwefelsäure im Überschuss enthaltenden Gemisch aus Acetoncyanhydrin und Schwefelsäure, welches nach Erhitzen auf Temperaturen von 80 bis 140 C, vorzugsweise 100 bis 110 C, schnell auf eine Temperatur unter 600 C abgekühlt worden ist, sofort Acetoncyanhydrin und/oder konzentrierte Schwefelsäure bei Temperaturen unter 600 C zugegeben wird.
Die Dauer des Erhitzens ist von der Höhe der angewendeten Temperatur abhängig. Bei der Anwendung einer Temperatur, die in der Nähe der unteren Temperaturgrenze liegt, ist selbstverständlich eine längere Erhitzungszeit als bei der Anwendung einer Temperatur, die in der Nähe der oberen Grenze liegt, notwendig. Beispielsweise muss bei einer Temperatur von 100 bis 1100 C die Erhitzung etwa 15 bis 90 Minuten dauern.
Bei dem erfindungsgemässen Verfahren ist es wesentlich, dass das erhitzte Acetoncyanhydrin/ Schwefelsäure-Gemisch schnell auf eine Temperatur unter 600 C abgekühlt wird. Diese Abkühlung soll zweckmässigerweise in einem Zeitraum von wenigen Sekunden bis maximal einigen Minuten erfolgen.
Dieser Abkühlungsvorgang kann also als Abschrekkung bezeichnet werden. Wird die Abkühlung nicht schnell durchgeführt, so kann das Gemisch über einen zähflüssigen bis gallertartigen in einen pastenförmigen, ja sogar festen Zustand übergehen. Stellt man das zu erhitzende und abzuschreckende Gemisch aus Acetoncyanhydrin und Schwefelsäure mit einem Überschuss an Schwefelsäure her, so kann dieser bis zu 0,5 Mol betragen.
Die Zugabe des Acetoncyanhydrins und/oder der konzentrierten Schwefelsäure zu dem abgeschreckten Gemisch kann entweder getrennt oder in Form eines vorbereiteten Gemisches erfolgen. Benutzt man hierfür ein vorbereitetes Gemisch, so ist dabei zu beachten, dass das Gemisch so zusammengesetzt ist, dass es im flüssigen Zustand bleibt. Dies kann beispielsweise dadurch bewirkt werden, dass eine der beiden Komponenten in einem Überschuss von etwa 50 Mol O/o verwendet wird. Es ist nicht notwendig, dieses Gemisch in der vorher errechneten Menge auf einmal einzuführen. Dies kann auch in zwei oder mehreren getrennten Anteilen erfolgen.
Unter konzentrierter Schwefelsäure wird, wie bei den anderen bisher bekannten Herstellungsverfahren, im allgemeinen eine 100 0/obige Schwefelsäure verstanden.
Das erhaltene Endgemisch kann in an sich bekannter Weise, z. B. durch Erhitzen und Umsetzen mit Alkoholen, Ammoniak oder Wasser zu den Methacrylsäureverbindungen weiterverarbeitet werden.
Bei dem erfindungsgemässen Verfahren entstehen keinerlei Zersetzungsprodukte des Acetoncyanhydrins, wie Blausäure, Kohlenoxyd oder Ammoniak.
Infolgedessen treten auch keine die Reaktionslösung und die Endprodukte verfärbende Polymerisate auf.
Die bei der Reaktion anfallenden Nebenprodukte, wie Ammoniumhydrogensulfat oder Ammoniumsulfat sind rein weiss und können ohne weitere Reinigung für andere Zwecke verwendet werden. Ausserdem tritt keine Verfestigung des Acetoncyanhydrin/ Schwefelsäure-Gemisches ein.
Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemässen Verfahrens besteht darin, dass es sich mit bestem Erfolg kontinuierlich durchführen lässt. Vorteilhaft geht man hierbei so vor, dass das Acetoncyanhydrin und/ oder die Schwefelsäure kontinuierlich einem überschüssigen, laufend auf Temperaturen von 80 bis 1400 C, vorzugsweise 100 bis 1100 C, erhitzten und jeweils auf Temperaturen unter 600 C abgeschreckten Gemisch aus Acetoncyanhydrin und Schwefelsäure zugegeben wird. Das kontinuierliche Verfahren kann beispielsweise nach dem Prinzip einer Wärmepumpe, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einer Förderpumpe, erfolgen. Das Prinzip einer solchen Apparatur wird in der angefügten Zeichnung wiedergegeben.
Die besten Ergebnisse werden bei dem erfindungsgemässen Verfahren erhalten, wenn die Zugabe des Acetoncyanhydrins und/oder der Schwefelsäure in solchen Mengen erfolgt, dass in dem entsprechenden Endgemisch das Molverhältnis von Acetoncyanhydrin zur Schwefelsäure 1:1 beträgt. Derartige Gemische sind für die weiteren Umsetzungen besonders geeignet. Es können jedoch auch solche Gemische, die Acetoncyanhydrin und Schwefelsäure im Verhältnis 1 : > 1 enthalten, verwendet werden.
Beispiell
Man lässt ein flüssiges Gemisch aus 196 g 100 0/obiger Schwefelsäure und 85 g Acetoncyanhydrin (Verhältnis 2:1) bei einer Temperatur von 25 C unter Abführung der frei werdenden Wärme reagieren.
Dieses Gemisch wird dann eine Stunde lang auf 1000 C erwärmt und danach auf Zimmertemperatur abgeschreckt. Diese Mischung wird die Hälfte eines anderen flüssigen Gemisches aus 98 g 100 0/oiger Schwefelsäure und 170 g Acetoncyanhydrin (Verhältnis 1:2), welches bei einer Temperatur von 250 C unter Abführung der frei werdenden Wärme hergestellt worden ist, zugesetzt. Hierbei tritt keine Verfestigung ein. Diese Mischung wird sodann 50 Minuten lang auf 100" C erwärmt und anschliessend abgeschreckt und mit der zweiten zurückgebliebenen Hälfte versetzt. Obwohl nunmehr Acetoncyanhydrin und Schwefelsäure im Verhältnis 1:1 vorhanden sind, verfestigt sich das Gemisch während des Einmischens nicht, und es tritt auch keine Zersetzung des Acetoncyanhydrins ein.
Beispiel 2
In einem Liter-Dreihalskolben (11) mit Bodenablass (12), einer Flüssigkeitszuleitung (13), einem Motor mit Rührwelle (14) und einem Stockthermometer (15) mit Schliff werden 1000 g = 10,2 Mol 1000/oige Schwefelsäure vorgelegt. Der Schwefelsäure Inhalt des Dreihalskolbens (11) wird über den Bodenablass (12) dem Wasserkühler (17) einer gläsernen Flügelradpumpe (18) zugeführt, von dort über eine Leitung mit Stockthermometer (19) einem zweiten Durchflusskühler (20) und dem Drosselhahn (21) im geschlossenen Kreislauf wieder in den Kolben (11) zurückgeführt. Der Kreislauf wird mittels des Drosselhahns (21) so reguliert, dass der Gesamtinhalt während einer Stunde etwa einmal umläuft.
Aus einer Gesamtmenge von 10,2 Mol Acetoncyanhydrin (= 867 g) werden aus dem Vorratsgefäss (22) pro Stunde ca. 2 Mol Acetoncyanhydrin über eine Dosiervorrichtung (23) laufend in den Pumpenmischraum (24) eingegeben. Nach einer Stunde beginnt man mit dem Aufheizen des Schwefelsäure-Acetoncyanhydrin Gemisches im Vorratsgefäss (11) mittels der Heizhaube (16) auf 100-1100 C. Nach dem Aufheizen wird die Kühlung des Gemischkreislaufes so einreguliert, dass das Thermometer (19) eine Temperatur von maximal 500 C anzeigt. Nach etwa 5 Stunden ist die Gesamtmenge Acetoncyanhydrin zugegeben.
Über den Dreiweghahn (12) können nun pro Stunde 366 g eines ca. 1000 C heissen äquimolekularen Acetoncyanhydrin-Gemisches abgenommen werden, während gleichzeitig pro Stunde einerseits über den Schwefelsäurezulauf (13) 196 g H2SO4 und andererseits über den Acetoncyanhydrin-Zulauf (23) 170 g zulaufen.
Dabei bleibt das Gemisch durchweg hell und flüssig. Eine Gasentwicklung von beispielsweise Kohlenoxyd oder gar merklichen Mengen Cyanwasserstoff, die auf eine Acetoncyanhydrin-Zersetzung hinweisen könnte, stellt man in der Entlüftung (25) nicht fest.
Ein aliquoter Teil des fertigen Gemisches von Schwefelsäure und Acetoncyanhydrin erstarrt durch längeres Stehen und langsames Abkühlenlassen auf Zimmertemperatur innerhalb 24 Stunden mit Sicherheit zu einer festen Kristallmasse.
Die schliesslich laufend anfallende äquimolekulare Mischung von Acetoncyanhydrin und Schwefelsäure wird auf bekannte Weise nach Umsetzung mit Methanol auf Methylmethacrylat weiterverarbeitet.