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Verfahren zur Herstellung von torsionsentspannten Woll- und Mischgarnen
Die Mehrzahl der in der Wollindustrie hergestellten Garne verlassen die Spinnmaschinen
in einem Zustand starker Torsionsspannung innerhalb des Garngefüges, die durch die
bei der Verarbeitung erfolgende Verdrehung der das Garn bildenden Fasern verursacht
wird. Entgegen dieser Spannung hat das auch in bezug auf Verdrehung sehr elastische
Wollhaar das Bestreben, die Spannung wiederaufzuheben. Solange das Garn in fester
Wicklung auf den Spulen liegt, ergibt sich hieraus kaum eine Schwierigkeit. Dagegen
ergeben sich bei der weiteren Vererbeitung des Garnes leicht Störungen durch Bildung
von Kringeln, Schlingen, Drehstellen u. dgl. Um diese gerade bei hochwertigen Garnen
besonders stark hervortretenden Schwierigkeiten auszuschalten, wird beispielsweise
das für den Schuß eines Gewebes bestimmte Garn bisher einem intensiven Dämpfüngsprozeß
unterworfen. Dabei werden unter der Einwirkung des heißen Wasserdampfes die Einzelfasern
in ihrem im Garn erlangten Drehungszustand fixiert, ähnlich wie es bei der Dekatur
von Wollgeweben hinsichtlich des Gefüges im Gewebe geschieht. Dieser Dämpfprozeß
der Garne, der üblicherweise im geschlossenen Kessel unter schwachem Überdrucl:
stattfindet, bringt aber auch erhebliche Nachteile mit sich, indem die auf der Faser
befindlichen Spinnöle, wie z. B. Olein, leicht oxydieren oder
Mineralöle
infolge eines wenn auch geringen Gehaltes an Ölharz und Schwefelverbindungen vergilben,
wodurch das Aussehen und die Verwendungsmöglichkeiten des Garnes beeinträchtige
werden. Auch bei sehr gut raffinierten Mineralölen, einwandfreien Oleinen und auch
Neutralölen bringt das Dämpfen der Garne einen besonderen Nachteil mit sich. Während
beim eigentlichen Schmälzen oder Spinnen der Faser das Öl oben auf der Faser sitzt
und so durch Herabsetzung der Reibung die mechanische Beanspruchung der Faser mildert,
dringt es bei der hohen Temperatur des Dämpfens überwiegend in das innere Fasergefüge
ein. Dies ist bei der weiteren Ausrüstung der aus gedämpften Garnen hergestellten
Gewebe eine häufige Fehlerquelle, da sich das festgebrannte Öl in der nachfolgenden
Wäsche nur "schwer entfernen läßt.
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Am häufigsten treten .diese Nachteile des Dämpfens dort in Erscheinung,
wo,die Garnkopse nicht voll durchgedämpft werden. Hierbei sind dann innerhalb des
daraus hergestellten Gewebes über die ganze Länge besonders starke Kontraste festzustellen,
die besonders deutlich die schädliche Wirkung des Dämpfens bei Verwendung ölhaltiger
Schmälzen am schußbandigen Aussehen der im Stück gefärbten Ware erkennen lassen.
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Es wurde nun gefunden, daß man in einfacher und zuverlässiger Weise
torsionsentspannte Woll-und Mischgarne von besonders guter und einheitlicher Qualität
herstellen kann, indem man die Wollmischung mit der wäßrigen Lösung eines Gemisches
von Glykolen oder Polyglykolen einerseits und Polyglykoläthern oder -estern andererseits
schmälzt und dann im normalen Arbeitsgang zum Garn verspinnt und anschließend in
bekannter Weise heiß dämpft.
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Die in dieser Weise hergestellten Garne zeigen überraschenderweise
weder eine Vergilbung noch eine Erschwerung der Auswaschbarkeit. Dabei werden etwa
im Garn vorhandene Öle aus mitverarbeiteter Reißwolle von der beschriebenen Glykolschmälze
vollkommen aufgenommen, so daß sie bei der späteren Wäsche ohne Zusatz von Waschmitteln
mitenüfernt werden. Wegen der besonders vorteilhaften Wirkung der Glykolschmälze
kann für besondere Zwecke der Wollmischung auch ein Zusatz der bislang üblichen
Spinnöle einverleibt werden. Auch hier reicht das Lösungsvermögen bzw. die oberflächenaktive
Wirkung der Glykolschmälze völlig aus, um den Waschprozeß ohne Zusatz waschaktiver
Substanzen nur mit Wasser durchführen zu können.
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Es wurde weiter gefunden, daß bei dieser Arbeitsweise gegebenenfalls
auf den Dämpfprozeß ganz verzichtet werden kann, wenn man das Garn vor der Weiterverarbeitung
wenigstens 24 Stunden lagern läßt. Es ist zwar bekannt, daß man durch mehrtägiges
Lagern des Garnes in kühlen und feuchten Räumen eine gewisse Entspannung im Garn
erzielen kann, doch ist dieser Effekt im allgemeinen nicht ausreichend, und man
sucht im modernen hochentwickelten Fabrikationsprozeß eine derartige lange Verzögerung
und Lagerhaltung zu vermeiden. Erst durch die Anwendung der beschriebenen Glykoischmälze
ist mit einer kurzen Lagerung, die im Betrieb aus technischen Gründen ohnehin im
allgemeinen eintreten muß, eine völlige Lösung des Problems der Torsionsentspannung
gelungen.
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Das Verfahren ist besonders wirkungsvoll, wenn das so hergestellte
Garn anschließend noch gezwirnt wird. Gerade stark gezwirnte Garne erschweren die
Weiterverarbeitung durch Schlingenbildung, Drehstellen und ähnliche durch die starke
Torsionsspannung bedingte Ungleichmäßigkeiten, Man hat diesen Nachteil früher dadurch
zu beheben versucht, daß man die Zwirnspulen mit wäßrigen Lösungen von Glycerin
oder Glykolen besprühte. Aber selbst bei Zusatz von an sich guten Netzmitteln erzielte
man dabei eine ausreichende Entspannung allenfalls in den oberen, unmittelbar besprühten
Garn- bzw. Zwirnlagen. Das beschriebene neue Verfahren hat demgegenüber den entscheidenden
Vorteil einer völligen Gleichmäßigkeit des gewünschten Effektes.
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Der technisch bedingte Nachteil der Torsionsspannung in Streich- und
Kammgarnen und in Zwirnen läßt sich am einfachsten; gleichmäßigsten und wirksamsten
beheben, indem das Fasergut schon vor dem Verspinnen gleichmäßig mit ausreichenden
Mengen der beschriebenen wäßrigen Glykolschmälze bearbeitet wird, weil sich auf
diesem Weg eine natürliche Entspannung von innen heraus erzielen läßt.
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Das Verfahren ist anwendbar auf reine Wollmischungen und auf Mischungen
von Schurwolle und Reißwolle sowie auf Mischungen von @ Wolle mit Zellwolle oder
anderen Fasern nicht animalischer Herkunft.
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Als Polyglykoläther und -ester für die Schmälze sind unter anderem
besonders geeignet Äther ,nit gesättigten oder ungesättigten Fettalkoholen von io
bis i8 Kohl-enstoffatomen in der geraden oder verzweigten Kette und Ester mit gesättigten
oder ungesättigten Fettsäuren von io bis i8 Kohlenstoffatomen in der geraden oder
verzweigten Kette. Neben dem einfachen Äthylenglykol haben sich Di- und Triglykol
sowie Polyglykole bis zum Molgewicht von etwa 25oo als geeignet erwiesen. Das neue
Verfahren ist besonders vorteilhaft für die Herstellung von wollenen und halbwollenen
Geweben, wo Reißwolle, Wollabfälle aus der Kammgarnspinnerei, ölige Wickel und ähnliches
Material mitverwendet werden, wobei oft ein erheblicher Prozentsatz an Mineralöl,
Reißöl oder Spinnöl in die Wollmischung hineingebracht wird, der durch das neue
Verfahren unschädlich gemacht wird. Beispiel i iooo kg einer Wollmischung aus weißen
Schurwollen und Zellwolle werden mit Zoo 1 einer wäßrigen Lösung von 8 kg Octadecylpolyglykoläther
und 32 kg Äthylenglykol in der üblichen Weise geschmälzt. Anschließend wird 'das
geschmälzte Material gewolft und im normalen Arbeitsgang zu
einem
Streichgarn Nr. Nm 8 versponnen. Das Garn wird dann in üblicher Weise bei 3/1o atü
im Dämpfkessel gedämpft, wobei nach 5 Minuten Dämpfzeit die Kopse völlig gleichmäßig
durchgedämpft sind. Irgendeine Vergilbung der besonders empfindlichen weißen Wolle
tritt nicht ein.
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Der gleiche Effekt wird erreicht, wenn man an Stelle des Dämpfens
das Garn mindestens 24 Stunden vor der Weiterverarbeitung lagern läßt. Beispiel
2 Eine Wollmischung aus 5oo kg Schurwolle, Zoo kg Reißwolle und 30o kg Zellwolle
wird mit 250 1 einer wäßrigen Lösung von q. kg Ülsäurepolyglykolester, 26
kg Diglykol und io kg technischem Polyglykolgemisch vom Molgewicht 350
bis
8oo, wie es bei der Glykolherstellung anfällt, geschmälzt; anschließend wird in
üblicher Weise zu einem Streichgarn Nm 6 versponnen. Das so erhaltene Garn läßt
sich ohne Dämpfprozeß störungsfrei, d. h. ohne Kringelbildung und Drehstellen, weiterverarbeiten.