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Verfahren zum Spinnbarmachen von spröden und glatten animalischen
Haaren Gewisse animalische Haare, beispielsweise Roßhaare oder menschliche Kopfhaare,
lassen sich nach dem Streichgarnverfahren nicht verspinnen; weil infolge ihrer Glätte
und Sprödigkeit eine Florbildung auf der Krempel und infolgedessen auch die Bildung
eines geschlossenen Vor- oder Fertiggespinstes nicht möglich ist. Solche- Haare
konnte man nur nach anderen Verfahren verspinnen., wenn die Haare eine gewisse Länge
haben, oder man mußte die Haare in kleinen Mengen besser verspinnbaren Fasern zusetzen.
Infolgedessen ist die Verwendbarkeit der kurzen Haare dieser Art, die jedoch in
erheblichen Mengen anfallen, zu Spinn- und Webzwecken sehr beschränkt.
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Es ist bereits vorgeschlagen worden, die Spinnfähigkeit von Menschen=
und Tierhaaren dadurch zu verbessern, daß man die Haare mit verdünnten Alkalien,
mit .Seife oder organischen Lösungsmitteln oder mit Gemischen von Seifenlösung und
organischen Lösungsmitteln behandelt. Dann soll der ;Überschuß der Lösungen durch
-Behändlüng' mit Lösungen von Calciüm= oder Magnesiumchlorid oder deren Gemischen
entfernt und die Haare bei gewöhnlicher oder mäßig erhöhter Temperatur getrocknet
werden. Dieses Verfahren löst jedoch die gestellte Aufgabe nicht in befriedigender
Weise. Der nicht abgepreßte bzw. nicht abgeschleuderte Rest dieser Chloride verbleibt
in den behandelten Haaren und soll hier wahrscheinlich durch seine hygroskopische
Wirkung die Spinnfähigkeit erhöhen. Calcium- und Magnesiumchlorid sind nun aber
bekanntlich stark dissoziiert. Infolgedessen gelangen auf die Spinnkrempel. Fasern,
die mit einem stark sauer wirkenden Mittel beladen sind, wodurch die Beschläge der
Krempel unweigerlich verdorben werden. Es kommt hinzu, daß man diese Haare nicht
mehr mit pflanzlichen Fasern gemischt verspinnen könnte, di(-, durch das Erdalkalichlorid
besonders in der Wäre carbonisiert werden würden. Die Alkalibehandlung der Haare
dient bei dem geschilderten bekannten Verfahren nur der Reinigung der Faser und
der Empfänglichmachung für die Aufnahme der Erdalkalichloride. Es ist ausdrücklich
von einer schonenden alkalischen Behandlung die Rede, die üi Gegensatz gestellt
wird zu der ebenfalls bekannten Behandlung der Haare mit Ätzalkalien. Von dieser
Behandlung mit Atzalkalien wird jedoch behauptet, daß sie @entweder nur eine Reinigung
der Haare herbeiführt, ohne sie weich zu machen, oder daß sie, kräftig ,ausgeübt,
die Haare morsch und brüchig werden läßt.
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Die Erfindung ,geht von der Erkenntnis aus, daß man spröde und glatte
animalische Haare nur dann wirklich spinnfähig machen kann, wenn es gelingt; den
Haaren eine Oberflächenbeschaffenheit zu verleihen, die beim Vorspinn- und Spinnvorgang
genügend Reibung zwischen den einzelnen Haaren liefert. Da eine solche Veränderung
der von Natur aus glatten Oberfläche der Menschen-, Vieh-und ähnlichen spröden,
glatten animalischen
Haare sich wirksam aber nur mit starken Alkalien
erreichen läßt, führt die Erfindung
auf ein Gebiet, das bisher wegen der |
lösenden Wirkung von starken Alkalien |
mieden worden ist.. |
Man hat zwar schon vorgeschlagen, @#@'aäs.. Schrumpfen von Wolle oder tierischen
lhlern dadurch günstig zu beeinflussen, daß die Fasern mit einer auf unter i g'
B6 verdünnten Alkalilauge bei einer zwischen 5 und io° liegenden Temperatur behandelt
werden. Allein dieses Verfahren eignet sich nicht zum Spinnbarmachen von solchem
glatten und spröden Haar, wie menschliche Kopfhaare und Roßhaare. Wenn man solche
Haare mit einer Natronlauge von a6° B6 bei einer Temperatur von 5° behandeln würde,
so wären die Haare genau so wenig spinnfähig wie ohne diese Behandlung. Auch eine
Abkühlung der Natronlauge auf 4° oder :eine noch tiefere Temperatur würde nicht
die gewünschte Wirkung haben.
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Bekannt ist auch der Vorschlag, seidene Fertigwaren dadurch aufnahmefähiger
für Appreturmittel zu machen, daß man z. B. seidene Garne in :eine Kalilauge von
4o° B6 bei 40' eintaucht. Würde man eine so starke Lauge bei dieser Temperatur auf
lose Haare oder Wolle einwirken lassen, so würden die Fasern restlos ,aufgelöst
werden.
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Die Erfindung ermöglicht die Verwendung starker Alkalien, z. B. :einer
Natronlauge von 26'B6, ohne schädigende Wirkung dadurch, daß die Lauge auf 4° abgekühlt
wird. Der Erfolg beruht darauf, daß durch die Anwendung -einer Temperatur von 4"
die unmittelbare kolloidchemische Einwirkung des starken Alkalis auf die Haare ausgenutzt
werdenkann. Alkali von a6° B6 löst bei Zimmertemperatur die Haarsubstanz vollständig
auf. Bei niedrigerer Temperatur fällt jedoch diese ,auflösende Wirkung des Alkalis
weg; es tritt aber dafür seine schon im äußeren Habitus der Faser sichtbare Strukturveränderung
der Faseroberfläche :ein, die sich durch die völlig veränderten spinntechnischen
Eigenschaften des so behandelten Fasergutes kundgibt. Überraschenderweise mindert
eine Abkühlung der Lauge unter 4° die Strukturveränderung herab, so daß bei weiteren
Temperaturerniedrigungen .der technische Effekt wieder aufgehoben wird. Bei Temperaturerhöhungen
über 4° wird auf der anderen Seite wiederum die angreifende Wirkung der Alkalilauge
auf die tierischen Fasern so erhöht, daß merkliche Gewichtsverluste eintreten und
schleimige Auflösungen der Faseroberfläche und ein Brüchigw:erden der Faser zu beobachten
sind. Die Temperatur von 4° ist also optimal und ihre Kenntnis für die Ausführung
des IKVerfahrens wesentlich. Ebenso wesentlich ist aber auch die Laugenkonzentration
von z6° B6. . - Die Anwendung von Temperaturen unter o°, insbesondere zwischen --io
und -i5°, ist bekannt bei der Behandlung von tierischen Fasern mit organischen Lösungsmitteln
zwecks Entfettung und Erhöhung der Verfilzbarkeit. Diese tiefe Temperatur soll das
in den Haaren enthaltene Wasser zum Gefrieren bringen und dadurch die physikalische
Struktur der Faser verändern. Auf diesem Wege ist jedoch die Spinnbarmachung von
glatten und spröden Haaren, wie menschlichen Kopfhaaren und Roßhaaren, nicht möglich;
jedenfalls bedeutet das Verfahren gemäß der Erfindung demgegenüber eine völlige
Neuerung mit überraschendem Erfolg; denn das erstrebte Ziel wird erreicht bei Temperaturen,
die über dem Nullpunkt liegen.
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Die Erfindung beruht auf der völlig neuen, eigenartigen Kopplung :einer
Laugenkonzentration von a6° B6 mit der Temperatur von 4°, d. h. auf der Feststellung,
daß es sein optimales Gleichgewicht zwischen Laugenstärke und Temperatur gibt, bei
dem höchste Wirkung mit der geringsten Schädigung verbunden werden kann.
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Versuche mit Fasern, die sich in unbehandeltem Zustande nicht einmal
verkrempehi, geschweige denn verspinnen lassen, haben :ergeben, daß bei Anwendung
des Verfahrens gemäß der Erfindung ein tadelloses zusammienhängendes Vlies auf der
Krempel entsteht und daß der Florteiler und die Nitschelbank ein einwandfreies,
leicht verspinnbares Vorg .arn liefern.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung arbeitet wirtschaftlich gut; denn
die Alkalilauge kann zum größten Teil durch Abtropfen und Abpressen wiedergewonnen
und wiederverwendet werden. Man kann diese Lauge nach den aus der Baumwollmercerisation
bekannten Verfahren reinigen und wieder verwendbar machen, falls sie durch Aufnahme
von Sclunutzteilen aus den Haaren zu stark verunreinigt worden ist.