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Verfahren zur Herstellung von Kunstharzen Bei der Herstellung von
Anilinharzen, d. h. Harzen aus Anilin und Formaldehyd, hat man bisher praktisch
das Verhältnis von etwa i Mol Anilin zu i, i Mol Formaldehyd angewandt, weil die
dabei erhaltenen Harze ve,rhältnismäßig@ weich und plastisch sind. Anilinharze sind
sowieso erheblich weniger plastisch als Phenolharze im A-Zustand und deshalb viel
schwerer als jene zu verarbeiten. Insbesondere benötigt man zu ihrer Verarbeitung
wesentlich höhere Preßdrucke als für die bekannten Phenolharze. Aus diesem Grund
hat man die Harze aus i Mol Anilin und etwa i,i Mol Formaldehyd bevorzugt, obwohl
ihre mechanischen Festigkeiten manchmal nicht voll befriedigten. Die Harze aus i
Mol Anilin und etwa 1,2 Mol Formaldehyd besitzen bessere mechanische Festigkeit,
haben jedoch nur ein mäßiges Fließvermögen und sind verhältnismäßig schwer verarbeitbar.
Auf heißen Walzen werden sie überhaupt nicht plastisch. Bei der Herstellung dieser
Harze wandte man bisher eine, möglichst kurze Kondensationszeit an, weil man befürchtete,
daß bei längerem Kondensieren in gleicher Weise wie bei der Verwendung von noch
mehr Formaldehyd als 1,a Mol auf i Mol Anilin die Harze noch schwerer verarbeitbar
würden und ihre Sprödigkeit zunehmen würde. Die im Schrifttum gelegentlich vorgeschlagenen
etwas längeren Kondensationszeiten bei der Verwendung von i bis i,i Mol Formaldehyd
auf i Mol Anilin können nicht ohne
weiteres auf die Herstellung
von Harzen aus i Mol Anilin und etwa 1,2 Mol Formaldehyd übertragen werden, da bei
Verwendung von etwa äquimolekularen Mengen Formaldehyd naturgemäß die Vernetzungs-
und Härtungsmöglichkeit wesentlich geringer ist als bei Verwendung größerer Mengen
Formaldehyd. Es ist infolgedessen selbstverständlich, daß man bei Verwendung geringer
Mengen Formaldehyd auch längere Kondensationszeiten anwenden kann, ohne eine zu
weitgehende Vernetzung der Moleküle der Kondensationsprodukte herbeizuführen. Mit
dem Grad der Vernetzung geht aber im allgemeinen Hand in Hand, daß die Produkte
immer schwerer schmelzbar und weniger plastisch werden. Bei der Herstellung der
Harze, aus i Mol Anilin und 1,2 Mol Formaldehyd in saurer Lösung wandte man deshalb
bisher Kondensationszeiten von höchstens 3o Minuten an. Die Harze befinden sich
dann noch in mit Wasser gequollenem Zustand. Sie besitzen trotz der kurzen Kondensationsdauer
beim Pressen unter hohem Druck nur ein geringes Fließvermögen und werden beim Erwärmen
auch unter Druck nicht ausgesprochen plastisch. Nach einem bekannten Vorschlag sollen
zur Behebung dieses Mangels geringe Mengen eines aromatischen Amins mit höherem
Molekulargewicht als Anilin, z. B. Benzidin, Diphenylamin oder Naphthylamin, bei
der Kondensation mitverwendet werden. Aber auch die so erhaltenen Harze befriedigen
noch nicht ganz.
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Es wurde nun gefunden, daß man unter Druck in der Wärme plastisch
werdende und infolgedessen leicht verarbeitbare und technisch weitgehend anwendbare
Harze aus i Mol Anilin und etwa 1,2 Mol Formaldehyd erhält, wenn man die Reaktion
nach Erreichung des praktisch unschmelzbaren Zustandes des Harzes wenigstens noch
so lange fortsetzt, bis das Harz beim Erhitzen, zumindest unter gleichzeitiger Anwendung
von Druck, plastisch geworden und entquollen ist. Die gute Plastizität der Harze
nach der Erfindung in der Wärme ist überraschend. Man hätte eigentlich erwarten
müssen, daß bei weitergehender Kondensation die Produkte weiter härten, d. h. noch
-,veniger plastisch und spröder als die bekannten Harze werden.
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Die Reaktionsdauer, das wesentliche Merkmal der Erfindung, bedingt
die besseren Eigenschaften der erhaltenen Harze. Die Reaktion soll beim Arbeiten
bei etwa 5o° nach mehr als io Minuten oder beim Arbeiten bei 3o° nach mehr als
30 Minuten abgebrochen werden, was durch Säureentzug, beispielsweise durch
Zusatz von basischen Stoffen, insbesondere Alkalilaugen, oder etwa durch plötzliche
starke Verdünnung mit viel Wasser geschehen kann. Dabei erhält man nicht, wie bei
der bekannten Arbeitsweise, nach der die Reaktion bei Erreichung der praktisch unschmelzbaren
Stufe, also früher abgebrochen wird, das Harz in sehr fein verteilter und nur schlecht
absaugbarer Form, sondern in mehr körniger Beschaffenheit, in der es sich gut absaugen
läßt. Hierin besteht ein beträchtlicher betriebstechnischer Vorteil. Die durch längere
Reaktion erhaltenen Herze besitzen außerdem ein gutes Fließvermögen und die Formkörper
aus ihnen gute, mechanische Festigkeit.
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Wird die Reaktionsdauer wesentlich über die genannten Mindestzeiten
ausgedehnt, etwa einige Stunden über die Erreichung der unschmelzbaren Stufe hinaus,
so werden ebenfalls feinkörnige, sehr gut absaugbare Harze erhalten. Sie lassen
sich im Gegensatz zu den bisher bekannten Harzen. aus Anilin und überschüssigem
Formaldehyd auf heißen Walzen wie thermoplastische Stoffe verarbeiten und zu elastischen
Fellen ausziehen. Diese werden in der Kälte wieder hart und geben für sich allein
beim Verpressen in der Wärme leichter zerbrechliche und weniger wärmebeständige
Formkörper als die bekannten unschmelzbaren Harze. Sie besitzen aber ein ausgezeichnetes
Bindevermögen für Füllstoffe und gute Fließfähigkeit. Vor allem eignen sich Faserstoffe,
z. B. Cellulosefasern oder Holzmehl, als Füllstoffe.
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Man kann aus den Mischungen der Harze mit Faserstoffen Hartplatten
oder Hartpäpiere herstellen, die mit Vorteil in der Elektrotechnik verwendbar sind.
Auch Preßpapier oder gewebehaltige Preßpapiere kann man unter Verwendung der leicht
schmelzbaren Harze im Siebkasten oder auf der Rund- bzw. Langsiebmaschine herstellen
und aus ihnen in der Hitze Formkörper pressen. Die Fließfähigkeit der Harze gestattet,
dabei jeweils nur verhältnismäßig geringe Mengen von ihnen im Vergleich zum Faserstoff
anzuwenden, und erlaubt auch die Herstellung gewickelter Hartpapierrohre und anderer
Profile, wie sie vor allem in der Elektrotechnik viel gebraucht werden. Andererseits
lassen sich auch die für Phenolharze bekannten Schnitzelmassen mit Papier oder Textilien
herstellen.
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Außer den bereits erwähnten Faserstoffen können auch andere Füllstoffe
faseriger oder auch pulveriger Beschaffenheit, z. B. Asbest, Schlacken-oder Glaswolle,
Talkum oder Schiefermehl, verwendet werden. Auch können die Massen Farbstoffe, Gleitmittel
und ähnliche Zusatzstoffe und auch härtend wirkende Mittel, z. B. Aldehyd abspaltende
Stoffe, wie Hexamethylentetramin, enthalten. Auch kann man mit ihnen verträgliche
Harze, z. B. Schellack oder Phenolharze, ferner Polyvinylverbindungen und auch weichmachende
Mittel, wie Holzöl, Wachse und Ester höherer Fettsäuren oder Gemische dieser Stoffe,
zusetzen.
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Die Harze nach der Erfindung eignen sich vorzüglich auch für Schallplattenmassen,
zumal sie mit Schellack, der bisher hauptsächlich in Schallplattenmassen enthalten
war, gut verträglich sind und dieser sogar noch als Flußmittel wirkt. Schallplattenmassen
aus diesen Harzen lassen sich infolgedessen mit Abfall oder Bruch von Schellackplatten
verarbeiten und sind wiederholt umarbeitbar.
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Die nur verhältnismäßig kurze Zeit über die Bildung der unschmelzbaren
Stufe hinauskondensierten Harze, z. B. solche, die in einstündiger Reaktionsdauer
erhalten sind und unter gleichzeitiger
Anwendung von Druck und
Hitze plastisch werden, können auch auf einer Rohrpresse bei genügend hohem Druck
und erhöhter Temperatur zu Rohren oder beliebigen Profilen verarbeitet werden. Auch
Schleifscheiben kann man aus diesen Harzen herstellen. Die neuen Harze sind überhaupt
für die gleichen Gebiete verwendbar, für die man bisher Phenoplaste oder auch Schellack
verwendet hat, soweit nicht deren Löslichkeit eine besondere Rolle spielt. Die Harze
aus aromatischen Aminen und Aldehyden sind nämlich in organischen Lösungsmitteln
praktisch unlöslich.
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Beispiel Zu einer salzsauren wäßrigen Lösung von i kg/Mol Anilin vom
p$-Wert etwa i bis 2 gibt man bei gewöhnlicher Temperatur und anschließender Kühlung
mit Eis unter starkem Rühren innerhalb kurzer Zeit etwa 1,2 kg/Mol wäßrigen Formaldehyd
und rührt das Reaktionsgemisch bei Temperaturen bis zu etwa 4o° so lange weiter,
bis eine aufgearbeitete Probe ein nicht mehr gequollenes, in der Hitze plastisches
Harz ergibt, was nach etwa i bis 2 Stunden der Fall ist. Dann wird das Ganze unter
gutem Rühren in stark verdünnte Natronlauge gegossen, wobei das entstandene Harz
sich in feiner Verteilung abscheidet. Dann wird zweckmäßig noch einige Zeit bei
etwa 8o° weitergerührt, neutralisiert und das pulverige Harz abgesaugt. Dieses wird
so lange mit Wasser nachgewaschen, bis keine Alkalisalze mehr nachweisbar sind.
Das abgesaugte, aber noch feuchte, etwa 5oo/oige Harzpulver kann sofort oder auch
später im Holländer mit Natroncellulose vermahlen und auf einer Langsiebpapiermaschine
zu Preßpapier verarbeitet werden. Das trockene Papier oder die Pappen, die etwa
q.o bis $oo/o Harz enthalten, lassen sich, gegebenenfalls nach Aufschichten, unter
15o bis Zoo kg/qcm Preßdruck oder mehr bei etwa i65° verpressen.
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Man kann das feuchte Harz beispielsweise auch im Kollergang mit feuchter
Cellulose innig vermischen, das Ganze trocknen und gegebenenfalls vermahlen. Die
erhaltene lockere Fasermasse läßt sich zu beliebigen Formkörpern heiß verpressen,
deren mechanische Eigenschaften etwa den analogen Phenoplastpreßmassen entsprechen.
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Das noch feuchte oder auch bei etwa 75° getrocknete Harzpulver kann
man auch mit etwa -der gleichen Menge Holzmehl auf einem Walzwerk bei etwa i2o bis
14o° einige Minuten verwalzen, das Walzfell nach Abkühlen zerkleinern und das so
erhaltene Preßpulver verpressen. Die Preßkörper wie auch die aus den vorstehend
beschriebenen, Cellulose enthaltenden Massen können meist schon nach wenigen Minuten
Preßzeit sofort der heißen Form entnommen werden. Sie haben gute mechanische Eigenschaften
und hohe Wärmebeständigkeit und entsprechen den üblichen Anforderungen des Verbandes
deutscher Elektrotechniker.