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Verfahren zur Darstellung von Essigsäure Die fabrikmäßige Darstellung
von Essigsäure aus Holzkalk und Schwefelsäure geschieht in der Weise, daß zu einer
gegebenen Menge Holzkalks im trockenen Zustand die zur Zersetzung notwendige Menge
Schwefelsäure zugegeben und die Reaktionswärme dazu benutzt wird, einen Teil der
gebildeten organischen Säuren abzudestillieren. Dieses Verfahren hat den Nachteil,
daß infolge unvermeidbarer Nebenreaktionen die anfallende Rohessigsäure einen störenden
Gehalt an schwefliger Säure aufweist und daß infolge dieser Nebenreaktionen die
zugeführteSchwefelsäure nicht ausschließlich zu der beabsichtigtenWirkung gelangt,
-daß somit ein höherer als der theoretische Verbrauch an Schwefelsäure stattfindet.
Außerdem zeigt sich, daß auf dem beschriebenen trockenen Wege eine vollständige
Umsetzung unmöglich ist; es finden sich immer kleine Teilchen essigsauren Kalks
in Gips eingebettet, welche sich der Umsetzung entziehen, und überdies reißt die
entstandene und entweichende schweflige Säure nicht unbeträchtliche Anteile der
gebildeten Essigsäure mit und setzt auf diese Weise die Ausbeute herunter.
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Man versuchte, diese Nachteile dadurch zu vermeiden, daß man den H-ö1zkalle
in Essigsäure bestimmter Konzentration löste und zu dieser Lösung die zur Umsetzung
notwendige Schwefelsäure gab. Später wurde das Verfahren in der Weise geändert,
daß nicht der Holzkalk in derEssigsäure gelöst, sondern die Schwefelsäure vor dem
Zersetzungsprozeß damit verdünnt wurde. Dieses Verfahren hat, in welcher Weise es
auch ausgeführt werden mag, den Nachteil, daß größere Mengen des Fertigproduktes
immer wieder von neuem dem Betrieb zugeführt werden müssen. Dadurch wird aber das
für die Durchführung des Prozesses erforderliche Fassungsvermögen der Apparatur
sowie die dafür notwendige Arbeitsleistung in unwirtschaftlicher Weise erhöht.
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Es wurde nun gefunden, daß man die Umsetzung zwischen Holzkalk und
Schwefelsäure in gelöstem Zustand vornehmen kann, ohne daß man genötigt ist, größere
Mengen des Fertigproduktes in den Arbeitsgang zurück-,zuführen.
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Man kann nämlich dieUmsetzung zwischen Holzkalle und Schwefelsäure
in der Weise ausführen, daß man den Holzkalk nicht in Essigsäure, sondern in einem
aus Holzkalk und Schwefelsäure gewonnenen Essigsäure-Gips-Gemisch löst und den gelösten
Holzkalk mit der äquivalenten Menge Schwefelsäure zersetzt. In diesem Gemisch kann
daher von neuem wieder Holzkalk gelöst und wieder durch Zugabe von Schwefelsäure
zersetzt werden. Wenn sich auf diese Weise eine genügend große Menge des Essigs:äure-Gips-Gemisches
gebildet
hat, kann ein Teil davon der Destillationsapparatur zugeführt werden, während der
zurückbleibende Teil von neuem zum Lösen des Holzkalks und zur Ausführung der Umsetzung
mit Schwefelsäure benutzt wird.
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Ein ähnliches Verfahren ist bereits für die Darstellung von Ameisensäure
aus Natriumformiat bekannt. Es war aber keineswegs vorauszusehen, daßdiesesVerfahren
sich auch mit Erfolg auf die Gewinnung von Essigsäure aus Holzkalk übertragen läßt.
Vor allem schien es im Hirnblick auf die ganz anders gearteten Löslichkeitsverhältnisse
des Gipses gegenüber dem Natriumsulfat kaum möglich, daß eine verhältnismäßig dünnflüssige
Reaktionsmasse erhalten wird, die der weiteren Verarbeitung keine Schwierigkeiten
bereitet. Die geringere Flüchtigkeit oder Essigsäure gegenüber der Ameisensäure
ließ es fernerhin fraglich erscheinen, ob die Essigsäure mit genügender Ausbeute
und in hinreichender Reinheit erhalten werden könne, besonders da der Holzkalk gegenüber
dem für die Gewinnung der Ameisensäure benutzten Natriumformiat eine geringere Reinheit
und insbesondere einen verhältnismäßig hohen Gehalt an empyreumatischen Stoffen
aufweist. Beispiel In ein etwa 3- cbm fassendes, von außen mit Wasser gekühltes,
mit Rührer versehenes Mischgefäß wird so viel Essigsäure von etwa 9o°%" vorgelegt,
daß der unterste Rührflügel von der Säure bedeckt ist (etwa 36o kg). Darauf setzt
man das Rührwerk in Gang und gibt unter ständiger Kühlung zunächst einen kleinen
Anteil des Holzkalks und, nachdem dieser sich in der vorgelegten Flüssigkeit gelöst
hat, die äquivalente Menge Schwefelsäure zu. Hat der Holzkalk z. B. 81°/0, so kommen
auf je ioo kg eines solchen Kalks .51 kg Schwefelsäure ioo°11o. Zum Auffüllen eines
Mischers sind etwa a ooo kg Holzkalk und i oaoi kg Schwefelsäure erforderlich. Der
dünnflüssige Inhalt des Mischers wird nun in einen evakuierten Destillierapparat
hinüberge@zogen, wobei zu beachten ist, daß im Mischer so viel zurückbleibt, daß
der unterste Rührflügel eben bedeckt ist. Man kann nun den Mischer beliebig oft
in der angegebenen Weise füllen, ohne daß es erforderlich ist, weitere Mengen Essigsäure
vorzulegen.
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Das Abtreiben der Essigsäure vom Gips geschieht in bekannter Weise.
Die Konzentration der nach obigem Verfahren gewonnenen Rohessigsäure beträgt bis
9o, 92°/a, vorausgesetzt, daß ein guter trockner Holzkalk zur Verarbeitung gelangt.
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Die Ausbeute an Rohessigsäure beträgt 97 bis 98°o der Theorie. Die
gewonnene Rohessigsäure ist praktisch frei von Schwefeldioxyd.
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Das Verfahren läßt sich auf einfache Weise auch kontinuierlich gestalten,
indem man einerseits durch geeignete Zuführungsvorrichtungen dafür sorgt, daß Holzkalk
und Schwefelsäure gleichzeitig in äquivalenten Mengen in den Mischer eintreten und
andererseits als Destilliergefäß einen Apparat wählt, der eine ununterbrochene Anstrengung
des Gipses während der Destillation gestattet. Die Essigsäure-Gips-Mischung wird
dann durch ein Einhängerohr dem evakuierten Destillierapparat ebenfalls ununterbrochen
in der erforderlichen Menge zugeführt.