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Verfahren zur Herstellung künstlicher Gebilde, insbesondere von Kunstseide
Gegenstand der Erfindung ist ein Verfahren zur Herstellung künstlicher Gebilde,
insbesondere von Kunstseide, durch Behandeln von Cellulose bzw. meroerisierter,regenerierter,
oder veresterter Cellulose mit konzentrierter Ameisensäure in Gegenwart eines Katalystors
und Verspinnen der erhaltenen Formylcelluloselösung. Bei den bisher bekannten Verfahren
zum Formylieren von Cellulose mittels konzentrierter Ameisensäure in Gegenwart von
Katalysatoren, insbesondere gasförmiger Salzsäure, wurden Produkte erhalten, die
sich nur schwierig verspinnen ließen und außerdem nur geringe Widerstandsfähigkeit
gegen Kochen mit Wasser haben, so,daß sie dabei den größten Teil der Ameisensäure
wieder abspalten.
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Gemäß der Erfindung wird die Formylierung bei einer Temperatur ausgeführt,
die auf keinen Fall 5° C übersteigen darf und vorzugsweise bei o° C oder darunter
liegt. Man erhält dabei ein Produkt, das sich gut verspinnen läßt und dessen Ameisensäuregehalt
dem theoretischen des Cellulosetriformiats sehr nahe kommt, was nach keinem früher
bekannten Formylierungsverfahren erreichbar war. Das Produkt ist gegen Kochen mit
Wasser sehr beständig und spaltet dabei auch nach längerer Zeit nur einen geringen
Teil seines Ameisensäuregehaltes ab. Als Katalysatoren werden vorzugsweise Chlorwasserstoff
und Zinkchlorid gleichzeitig verwendet. Beide Katalysatoren sind einzeln schon verwendet
worden, jedoch ist Zinkchlorid bei der gemäß,der Erfindung angewendeten niedrigen
Temperatur nicht genügend wirksam, und Chlorwasserstoff ist nicht fähig, Wasser
zu binden, worauf es bei dem Verfahren wesentlich ankommt. Erst wenn beide Katalysatoren
zusammen benutzt werden, wird bei der erwähnten niedrigen Temperatur einerseits
eine vollständige Formylierung erzielt, andererseits aber auch das Auftreten von
zu viel Wasser vermieden.
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Gemischte Ester können erhalten werden, wenn man andere Ester, 'z.
B. Celluloseacetat, in der Lösung des Celluloseformiats auflöst und dann die Ester
zusammen niederschlägt.
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Ein anderes Verfahren zur Herstellung derartiger gemischter Produkte
besteht darin, daß man vollendetes Celluloseformiat m.it Acetylchlorid oder Essigsäureanhydrid
und einem Katalysator behandelt. In ähnlicher Weise kann man Celluloseformiat mit
ungenügendem Ameisensäuregehalt von neuem bei niedriger Temperatur mit hochkonzentrierter
Ameisensäure und einem Katalysator behandeln. Im letzten Falle ist das Produkt natürlich
kein gemischter Ester, aber ein höher formyliertes Produkt.
Die
frisch hergestellte Lösung des neuen Celluloseformiats kann ohne weiteres versponnen
werden. Zur Stabilisierung soll jedoch der Katalysator erst inaktiv gemacht werden.
Wenn der Katalysator eine Säure ist oder ein saures Chlorid o. dgl., kann er inaktiv
gemacht werden durch Neutralisierung mit einer Base oder mit dem Salz einer schwachen
Säure, wie ameisensaurem Natron, ameisensaurem Ammonium oder ameisensaurem Calcium.
Wenn der Katalysator Salzsäure ist, kann er auch zum größten Teil entfernt werden
durch Verdampfung in einem Vakuum oder mittels eines durch,die Lösung geführten
trockenen Luftstromes.
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Wenn Basen oder Salze zur Neutralisierung des Katalysators zu der
frisch hergestellter Lösung gesetzt werden, werden in vielen Fällen unlösliche Salze
gebildet, welche sehr fein suspendiert ,in der Lösung bleiben. Diese fein verteilten
suspendierten Salze, welche bei der Filtration nicht entfernt werden, scheinen bisweilen
einen günstigen Effekt zu haben, weshalb es in vielen Fällen vorteilhaft ist, eine
größere Menge des Salzes zuzusetzen, als zur Inaktivierung des Katalysators notwendig
wäre. Dieses ist besonders wichtig, wenn sehr feine Fäden aus verhältnismäßig großen
öffnungen gesponnen werden sollen, und dieses gilt sowohl beim Spinnen auf der Spule
als beim Spinnen in Spinnzentrifugen.
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Die Lösung des Celluloseformiats in Ameisensäure kann auch zu anderen
Zwecken als zur Herstellung von Kunstseide o. dgl. benutzt werden. So kann sie unmittelbar
derart behandelt werden, daß man geformte Gegenstände aus Celluloseformiat erhält,
entweder durch Verdampfung der Ameisensäure oder durch Koaguli:erung der Lösung
in einem Koagulierbade. Man kann z. B. Gelluloseformiat als einen ungeformten Niederschlag
ausscheiden und dieses Produkt dann weiter in beliebiger Weise verwenden.
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Besonders wichtig ist aber das Verspinnen der Celluloseformiatlösung
zur Erhaltung von Kunstseide, Kunststroh, Bänder, Litzen u. dgl. Das Spinnen der
Kunstseide wird in der üblichen Weise ausgeführt, indem die Lösung durch kleine
öffnungen in ein Koagulierbad gezogen und der koagulierte Faden aufgewunden wird.
Zu .diesem Zwecke können Spulen oder Schleuderapparate benutzt werden. Viele organische
und anorganische Flüssigkeiten können als Koagulierbad benutzt werden. Wenn eine
organische Flüssigkeit verwendet wird, kann sie mit Wasser mischbar sein oder nicht.
Am wichtigsten sind Wasser oder wässerige Lösungen, wie Salzlösungen. Die Lösung
eines Formiats ist geeignet, weil das Formiat aus der Ameisensäure gebildet werden
kann, welche beim Spinnen durch teilweise oder vollständige Neutralisierung z. B.
durch Zusatz von Soda oder Kalk frei wird. Das Bad kann neutral oder sauer gehalten
werden. Auch alkalische Bäder können benutzt werden, doch muß man dabei berücksichtigen,
daß diese eine mehr oder weniger verseifende Wirkung ,auf das Celluloseformiat haben.
Wenn man ein Foraniat.-bad verwendet, kann die Konzentration des Formiats oder der
Ameisensäure durch entsprechenden Zusatz einer Base und Abführung der For@miatlösung
konstant gehalten werden. Die Ameisensäure kann aus der Formiatlösung in bekannter
Weise zurückgewonnen werden. Das Verfahren zum Spinnen von Kunststroh, Bänder und
Litzen oder anderen Gegenständen ist analog.
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Die frisch gesponnene Kunstseide kann irgendeiner oder mehreren Nachbehandlungen
unterworfen werden, welche bei der Behandlung von Kunstseide, insbesondere Viskoseseide,
Verwendung finden, wie einer Behandlung mit Lösungen verschiedener Metallsalze,
einer Streckbehandlung, einer Zwirnurig, dem Haspeln, Färben, Dämpfen, Waschen und
Bleichen. Nach .dem Waschen, Bleichen und Trocknen in gestrecktem Zustande wird
eine sehr feste Formiatseide erhalten mit prachtvollem Glanz, welche in hohem Grade
wasserbeständig ist und einen hohen Gehalt an Ameisensäure besitzt.
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Der Ameisensäuregehalt in 'dem Produkt hängt von den Reaktionsbedingungen
ab, besonders von der Konzentration der Ameisensäure; der Natur und .der Menge des
Katalysators, der Reaktionsdauer usw. Ein Ameisensäuregehalt von 5o°/" und darüber
kann ohne Schwierigkeit erhalten werden, aber die Erfindung ist nicht auf einen
bestimmten Gehalt an Ameisensäure in dem Erzeugnis beschränkt.
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Man hat weiter gefunden"daß der Ameisensäuregehalt und die Eigenschaften
der Formiatseide modifiziert werden können durch eine Behandlung mit einem Alkali
oder einem alkalisch reagierenden Salze, besonders mit kaustischem Alkali, ohne
Schaden für den Glanz des Produktes, welcher dem der natürlichen Seide nahekommt.
Wenn Formiatseide in einem Bade eines verdünnten kaustischen Alkalis gelassen wird,
nimmt der Ameisensäuregehalt der Seide entsprechend dem Alkalihydroxydgehalt des
Bades ab. Das Alkalihydroxyd kann durch diese Reaktion fast vollständig neutralisiert
werden. In dieser Weise kann der Ameisensäuregehalt in dem Endprodukt leicht geregelt
und. auf eine bestimmte Höhe fixiert werden. Durch diese partielle Verseifung werden
-Seidearten von verschiedener Permeäbilität für Wasser erhalten,
welche
sich im Färbebad entsprechend verschieden verhalten.
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Die hohe Zugfestigkeit, besonders in nassem Zustande, dieser partiell
verseiften Produkte sowie die der ursprünglichen Seide ist bemerkenswert. Es .ist
z. B. ein Produkt mit einer Zugfestigkeit in trockenem Zustande von über 15 ooo
m und in nassem Zustande von über io ooo m erhalten worden (diese Zahlen geben die
Länge des Fadens an, deren eigenes Gewicht Bruch verursachen würde). Beispiel I
5o kg getrocknete Holzcellulose werden bei o° C mit 52o kg einer Flüssigkeit, welche
95°1o wasserfreie Ameisensäure und 4,5°/a Sulfurylchlorid enthält, behandelt. Nach
d.8 Stunden erhält man eine klare viskose Lösung, zu der man unter fortwährendem
Umrührei So kg Natriumformiat und eine genügende Menge Ameisensäure setzt, um eine
Lösung der verlangten Viskosität zu erhalten. Nach dem Filtrieren wird diese Lösung
zur Erhaltung von Kunstseide in ein wässeriges Spinnbad mit einer Schleuderspinnmaschine
gesponnen. Beispiel II 5o Gewichtsteile gereinigte Cellulose werden mit 7oo Gewichtsteilen
98 bis ioo°[oiger Ameisensäure, 35 Gewichtsteilen trockenen Chlorwasserstoffs und
35 Gewichtsteilen Zinkchlorid während 16 Stunden bei einer Temperatur von etwa minus
io° C behandelt. Das erhaltene Celluloseformiat enthält 51,7°p Ameisensäure.
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Obgleich das so erhaltene Celluloseformiat sehr wertvolle Eigenschaften
hat, begegnet man Schwierigkeiten bei der Färbung dieses Materials, besonders der
daraus hergestellten Kunstseide. Diese Schwierigkeiten sind von der gleichen Art
als beim Färben von Acetatseide und eine Folge des geringen Absorptionsvermögens
des Materials für Farbstoffe.
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Es hat sich herausgestellt, daß Produkte, welche aus dem neuen Celluloseformiat
bestehen oder dieses enthalten, mittels irgendeines der Verfahren gefärbt werden
können, welche für das Färben von Celluloseacetatseide bekannt sind. So kann,die
Formiatseide vor -der Färbung ganz oder teilweise verseift werden. Solche Farbstoffe,
welche Celluloseacetat direkt färben, werden auch Celluloseformiat direkt färben.
Andere bekannte Verfahren zum Färben von Celluloseacetat bringen eine Behandlung
mit einer Flüssigkeit mit, welche eine Schwellung der Fäden verursacht, womit erreicht
wird, daß die Farbstoffe besser absorbiert werden. Die gleich-Behandlung kann auch
auf Formiatseide angewendet werden und ist besonders erfolgreich beim Färben der
gemischten Ester von Celluloseformiat und -acetat. So kann ein frisch gesponnener
Faden aus gemischtem Celluloseformiat und -acetat mit einer organischen Flüssigkeit,
wie Aceton, behandelt werden und darauf mit den verschiedensten Farbstoffen gefärbt
werden. Beispiel III 5o kg gereinigte und getrocknete Cellulose werden bei minus
5° C mit ioookg 98 bis 1oo°/oiger Ameisensäure und 5o kg trockenem Chlorwasserstoff
behandelt. Nach 4-- Stunden wird der Katalysator inaktiviert -durch Zusatz einer
äquivalenten Menge wasserfreien Natriumformiats, und eine Lösung von 3,5 kg Cel.luloseacetat
in der gerade genügenden Menge Ameisensäure wird mit der erhaltenen Celluloseformiatlösung
gut gemischt. Die Mischung wird filtriert und versponnen. Die erhaltene Kunstseide
wind in gewöhnlicher Weise gewaschen und getrocknet. Nach dem Trocknen bringt man
die Seide während 2d. Stunden in eine verdünnte Natriumhydroxydlösung, welche 3°1o
des Gewichtes der Seide an Natriumhydroxyd enthält.
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Nach .dem Waschen und Trocknen erhält man eine Kunstseide, die leicht
mit allen Farbstoffen gefärbt werden kann, welche teilweise verseifte Celluloseacetatseide
färben.