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Verfahren zur Herstellung von harten, unlöslichen Kondensationsprodukten.
Die vorliegende Erfindung bezweckt die Herstellung harter Kunstmassen aus Harnstoff
und Formaldehyd, die vielseitiger technischer Verwendung fähig sind.
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Die Reaktion zwischen Harnstoff und Formaldehyd ist vielfach untersucht
worden. Durch Einwirkung von überschüssigem Formaldehyd auf Lösungen von Harnstoff
in Salzsäure bei etwa 6o Prozent und Ausfällung mit Wasser wurde Methylenharnstoff
als körniger Niederschlagerhalten (Monatshefte für C hemie, 1889, i o. Band, 297
). G o 1 d s c h m i d t hingegen fand (B. B. 29, 2.138;, daß unter den obigen Bedingungen
in der Kälte ein in den meisten Lösungsmitteln unlöslicher Körper von der Zusammensetzung
C;, H1o Ni O;., entstehe. In alkalischer Lösung erhielt G o 1 d s c h m i d t bei
der Reaktion zwischen i Gewichtsteil Harnstoff und 5 Gewichtsteilen Formaldehyd
in der Kälte ein an der Luft unter Abgabe von Formaldehyd zersetzliches, in heißem
Nasser lösliches Pulver, das er als Dimethylolharnstoff
ansprach und im Patent 9716.1 als Desinfektionsmittel zu verwenden vorschlug. In
neutraler Lösung soll ein Gemisch beider Körper entstehen. Später stellte Einhorn
(B. B. 4.1, 24:) fest, daß bei dem alkalischen Prozeß G o 1 d s c h m i d t s Dimethylolharnstoff
zwar als Zwischenprodukt entstehe, welches in der Kälte jedoch allmählich zu amorphen
Endprodukten von variabler Zusammensetzung hinüberführe. Durch Einwirkung von i
Mol. Harnstoff auf 2 Mol. Formaldehyd bei 25°, höchstens 30° in Gegenwart alkalisch
reagierender Kondensationsmittel, z. B. Barythydrat, und Unterbrechung der Reaktion
im geeigneten Zeitpunkt, gelang es diesem Autor, reinen Dimethylolharnstoff zu isolieren.
Beim Erhitzen dieses Körpers trat der Geruch nach Formaldehyd und basischen Zersetzungsprodukten
auf, I bei vorsichtiger Behandlung des reinen Dimethylolharnstöffs mit Alkalien
in der Kälte erhielt Ein -h o r n amorphe weiße Körper ähnlich denen, die nach Goldschmidtschem
Verfahren erhalten wurden. Wenn man von dem, insbesondere beim Kochen mit Wasser,
Formaldehyd abspaltenden Desinfektionsmittel G a 1 ds c h m i d t s (Patent 9716¢)
absieht, haben alle diese wissenschaftlichen Untersuchungen zur Technik keine Beziehungen
hergestellt. Um zu technisch verwendbaren Kondensationsprodukten zu gelangen, schlug
J o h n (österreichisches Patent 7825i) vor, die Reaktion in Abwesenheit von Kondensationsmitteln
und in der Hitze auszuführen, wodurch ein neuer vom Dimethylolharnstoff verschiedener
Körper entstehen soll. Läßt J o h n 5 Gewichtsteile Formaldehyd auf i Gewichtsteil
Harnstoff einwirken, so ist das Kondensationsprodukt noch wasserlöslich. Bei Verwendung
eines noch größeren Überschusses von Formaldehyd (6: i) und bei längerem Erhitzen
bleibt
das Kondensationsprodukt in der Hitze zwar flüssig, gelatiniert
aber beim Erkalten zu einer elastischen Masse, die schließlich durch Erhitzen auf
8o' gehärtet werden kann. Versucht man es nach diesem Verfahren durch Erwärmung
in einem Zuge bis zu den harten Endprodukten -zu gelangen, so entstehen blasig aufgetriebene
Massen ohne technische Brauchbarkeit.
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Es hat sich nun gezeigt, daß man mit Hilfe der Reaktion zwischen Harnstoff
und Formaldehyd dadurch erst zu gewerblich vollkommen verwendbaren Kondensationsprodukten
gelangen kann, daß man Formaldehyd auf Harnstoff oder dessen Derivate in Gegenwart
von basischen Kondensationsmitteln in der Wärme einwirken läßt und die Erwärmung
bis zur Entstehung leicht gelatinierender und im weiteren Verlauf glasartig erstarrender
Produkte fortsetzt. Hierbei entsteht wahrscheinlich Dimethylolharnstoff als Zwischenprodukt;
jedenfalls erhält man, wenn man vom Dimethylolharnstoff selbst ausgeht, dieselben
Zwischen- und Endprodukte, welche mehr oder minder solvatisierte Emulsionskolloide,
bzw. aus ihnen hervorgegangene glasklare Gallerten und glasige feste Substanzen
darstellen, die mit den von E i n ho r n (B. B. ¢1, 1908, S.26%27, beschriebenen,
in der Kälte aus Dimethylolharnstoff entstehenden weißen, amorphen Substanzen nichts
gemein haben. Ein für diese Reaktion sehr geeignetes -Kondensationsmittel stellt
das Ammoniak dar, das man von vornherein als Hexamethylentetramin (das sich ja aus
Ammoniak und Formaldehyd jedenfalls bildet), zusetzen kann. Auch Pyridin ist beispielsweise
ein für gewisse Zwecke gut geeignetes Kondensationsmittel. Aber welche Base immer
man als Kondensationsmittel verwenden mag, so unterliegt es keinem Zweifel, daß
hierdurch eine bedeutende Verbesserung des Prozesses bewirkt wird.
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Das nach vorliegendem Verfahren erhältliche Endprodukt der Reaktion.
zwischen Harnstoff und Formaldehyd stellt eine wasserhelle, in Säuren und Alkalien
unlösliche Masse dar, die besonders durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen Säuren,
auch gegen Salpetersäure, ausgezeichnet ist. Diese Masse ist auch in ihren sonstigen
Eigenschaften von der früher erhaltenen verschieden, indem sie in der Wärme nicht
erweicht und eine bedeutend größere Härte und Widerstandskraft besitzt. Sie hat
das spezifische Gewicht von etwa i # 3, verkohlt erst bei Temperaturen über 300°,
ist in ihrer Härte ungefähr vergleichbar den gänzlich gehärteten Kondensationsprodukten
aus Phenolen und Formaldehyd, zeigt muscheligen Bruch, läßt sich vorzüglich sägen,
drehen, bohren, feilen und polieren und besitzt hohen Glanz. Die Anfangsprodukte
der Reaktion sind glashelle Flüssigkeiten, die in Wasser leicht löslich sind. Bei
weiterer Erhitzung gehen diese Anfangsprodukte zunächst durch Gelatinierung in halbfeste
Zwischenprodukte von geringerer Wasserlöslichkeit und schließlich in die harten
unlöslichen Endprodukte über. Es wurde nun weiter gefunden, daß es vorteilhaft ist,
bei der Überführung der zunächst entstehenden wasserlöslichen Anfangskondensationsprodukte
in die Endprodukte die Anwesenheit freien Formaldehyds tunlichst zu vermeiden. Am
zweckmäßigsten ist es, von vornherein (also schon zur Herstellung der löslichen
Anfangskondensationsprodukte), keinen LTberschuß von Formaldehyd oder einen geringeren,
als 3 Mol. Formaldehyd auf i Mol. Harnstoff entspricht, zu verwenden. Vorteilhaft
läßt man auf 2 Mol. Formaldehyd i Mol. Harnstoff einwirken. Beispiel i. 162 Gewichtsteile
Formaldehyd von ¢o Volumenprozent werden mit 5 Gewichtsteilen 2oprozentigem Ammoniak
versetzt. Zu der entstandenen Mischung von Formaldehyd und Hexamethylentetramin
fügt man 6o Gewichtsteile festen Harnstoff. Die Lösung kühlt sich hierbei stark
ab. Sobald der Harnstoff völliZ gelöst ist, erhitzt man unter Rückfluß. Hierbei
tritt eine exotherme Reaktion .ein. Man hält nun so lange im Sieden, bis die Masse
sich in der Kälte nicht mehr trübt. Nun wird die Reaktionsmasse in einen Vakuumapparat
gebracht und im Wasserbad so lange abdestilliert, bis der Rückstand die Beschaffenheit
eines Sirups angenommen hat. Man füllt hierauf in Formen und erwärmt die Masse bei
Temperaturen von 6o° bis 8o° C so lange, bis sie in einen harten, glasklaren Körper
mit den angegebenen Eigenschaften übergegangen ist. Es lassen sich hieraus durch
künstliche Färbung oder Trübung Imitationen von Bernstein, Elfenbein, Jet, Korallen,
Schildpatt, Horn, Perlmutter usw. herstellen. Beispiel 2.
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Ersetzt man in dem Beispiel 1 die dort als Kondensationsmittel verwendete
Menge Ammoniak durch die äquivalente Menge Pyridin, so gelangt man zu ganz ähnlichen
Resultaten, doch sind die erhaltenen Massen nicht völlig klar. Beispiel 3.
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14i,7 Gewichtsteile Formaldehyd von ¢o Volumenprozent werden mit 6
Gewichtsteilen Hexamethylentetramin versetzt. Hierzu fügt man 6o Gewichtsteile festen
Harnstoff. Die Lösung kühlt sich hierbei stark ab. Sobald
der Harnstoff
völlig gelöst ist, erhitzt man unter Rückfluß zum Sieden und arbeitet die Masse
im übrigen auf, wie in Beispiel i beschrieben.
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Beispiel q..
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Die nach dem Beispiel ; zur Verwendung gelangenden 6o Gewichtsteile
Harnstoff können durch io2 Gewichtsteile Acetylharnstoff ersetzt werden, wobei genau,
wie im Beispiel ; angegeben ist, weiter verfahren wird. Es entstehen glasklare Lösungen,
aus deren klare Massen erhalten werden. Beispiel 5.
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Ähnliche Massen werden auch erhalten, wenn man die 6o Gewichtsteile
Harnstoff durch 75 Gewichtsteile Thioharnstoff ersetzt und mit den in Beispiel 3
angegebenen Formaldehydmengen zur Reaktion briügt.
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Die Härtung der löslichen Zwischenprodukte kann auch bei Anwesenheit
von Füllmitteln aller Art stattfinden. Beispielsweise kann man das Produkt mit losen
pulverigen oder faserigen Stoffen- wie Holzstoff, Asbestfasern, Irreide, Gips, Carborundum,
Sand o. dgl. vermischen, in Formen pressen und gleichzeitig oder später härten.
Man kann auch so verfahren, daß man mit derartigen Zwischenprodukten oder ihrer
Lösung poröse Stoffe, wie Holz, Pappe oder Asbestgewebe imprägniert und hierauf
härtet, oder man kann die Lösungen zur Imprägnierung von Dampfdichtungen, Kolbenringen
o. dgl. verwenden und sie durch die Hitze des Dampfes in die unlösliche und harte
Form überführen lassen. Man kann diese Lösungen beispielsweise auch auf ein unendliches
Band aus Papiergewebe o. dgl, aufbringen, hierauf das Lösungsmittel verdunsten lassen
und dann das Band gleichzeitig auf eine erhitzte Achse derartig aufrollen, daß ein
Zusammenkleben der einzelnen Papierschichten unter Erhärtung der Masse stattfindet,
wodurch homogene gewickelte Formkörper entstehen. Oder man kann die löslichen Zwischenprodukte
für sich oder gemischt mit anderen in ihnen löslichen oder unlöslichen Körpern auf
Unterlagen aller Art aufbringen und hierauf härten. Die in Wasser nicht mehr löslichen
Zwischenkondensationsprodukte lassen sich kneten und zusammenpressen und bilden
daher ein geeignetes Material, um mit pulverigen oder faserigen Füllstoffen gemischt
in der Wärme geformt und durch Anwendung von Hitze und Druck oder Hitze allein in
den unlöslichen und harten Zustand übergeführt zu werden.
An Stelle des im Beispiel q. angeführten |
Acetylharnstoffs können auch andere Harn- |
stoffderivate bzw. Thioharnstoffderivate zur |
Verwendung gelangen. Der Formaldehyd |
kann in der handelsüblich wässerigen Lösung |
oder als gasförmiger Formaldehyd oder als |
eine Lösung von wasserfreiem Formaldehyd |
oder in Form der Polymeren zur Anwendung |
kommen. |