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Kettenfahrleitung für mit hoher Geschwindigkeit betriebene elektrische
Bahnen Es ist bekannt, die Fahrleitungen elektrischer Bahnen als Kettenfahrleitungen,
insbesondere als sogenannte Hochketten, auszubilden. Der Nachteil dieser bekannten
Fahrleitungssysteme besteht darin, daß sie für einen Verkehr mit Höchstgeschwindigkeit,
d. h. mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h und darüber, nicht geeignet sind, weil
sie vertikale Stromabnehmerbewegungen in einem solchen Ausmaß herbeiführen, daß
es einerseits zu starken Stößen zwischen Stromabnehmer und Fahrdraht kommt und andererseits
Abhebungen des Stromabnehmers auftreten, die mit entsprechenden Lichtbogenbildungen
verbunden sind. Der Grund hierfür dürfte darin zu erblicken sein, däß die bekannten
Fahrleitungssysteme im wesentlichen nach den Regeln der Statik entwickelt wurden,
ohne das dynamische Verhalten des Stromabnehmers und der Fahrleitung gebührend zu
berücksichtigen.
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In Fig. 1 bis 3 der Zeichnung sind zur Erläuterung bekannte Systeme
für Kettenfahrleitungen dargestellt. Fig.1 zeigt eine Hochkette mit fest verlegtem
Tragseil 1 und nachgespanntem Fahrdraht 2. Hierbei geben die ausgezogenen Linien
die Lage von Tragseil und Fahrdraht bei einer Temperatur von -;- 40° C und die gestrichelten
Linien deren Lage für eine Temperatur von - 20° C an:. Es zeigt sich, daß der Fahrdraht
2 im Sommer einen verhältnismäßig großen Durchhang aufweist, während er im Winter
nach oben gewölbt ist. Die Folge hiervon sind erzwungene Vertikalbewegungen des
Stromabnehmers sowie im Bereich des Stützpunktes im Sommer starke Stoßwirkungen
und im Winter ein Abspringen des Stromabnehmers, beides hervorgerufen durch die
plötzliche Änderung des Winkels, den die Tangente an die Stromabnehmerbahn mit der
Horizontalen einschließt.
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Fig.2 zeigt eine weitere bekannte Kettenfahrleitung, die sich von
derjenigen nach Fig. 1 dadurch unterscheidet, daß die Aufhängung des Fahrdrahtes
unter dem Stützpunkt mit Hilfe eines Y-förmigen Beiseils 3 erfolgt. Für den Fahrdraht
2 ist der Verlauf bei niedrigen Temperaturen (- 20° C) gestrichelt und bei -f- 40°
C ausgezogen eingezeichnet. Durch die Verwendung des Y-Beiseils wird erreicht, daß
sich bei Temperaturschwankungen die Höhenlage des Fahrdrahtes auch unter dem Stützpunkt
etwas ändert, so daß die Amplitude der Stromabnehmerbew egung kleiner ist als bei
der Anordnung nach Fig. 1 und somit auch die Stoßwirkung und die Gefahr des Abhebens
des Stromabnehmers geringer wird. Immerhin ist auch hier ein Knick in der Stromabnehmerbahn
im Bereich des Stützpunktes vorhanden.
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Fig.3 zeigt eine ebenfalls bekannte Kettenfahrleitung, bei der sowohl
Tragseil 1 als auch Fahrdraht 2 nachgespannt sind und letzterer unter dem Stützpunkt
an einem Y-förmigen Beiseil 3 aufgehängt ist. Trotz der doppelten Nachspannung weist
auch hier die Stromabnehmerbahn am Stützpunkt einen Knick auf, da der Stromabnehmer
4 den Fahrdraht 2 in Feldmitte mehr anhebt als am Stützpunkt, so daß in dessen Bereich
bei Höchstgeschwindigkeiten ein Abheben des Stromabnehmers auftreten kann.
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Bei den bekannten Kettenfahrleitungen ist die durch den Fahrdrahtverlauf
gegebene Bahn des Stromabnehmers eine Aneinanderreihung von Durchhangsparabeln.
Diese Bahn kann mit Hilfe des Fourierschen Verfahrens in eine sinusförmige Grundschwingung
und mehrere Oberschwingungen zerlegt werden.
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Wie Fig. 4 erkennen läßt, ist die Wellenlänge der Grundschwingung
5 gleich der Stützpunktentfernung. Als Oberschwingungen treten im wesentlichen die
zweite und fünfte Oberwelle (6 bzw. 7) auf, letztere verursacht durch den Richtungswechsel
des Fahrdrahtverlaufs im Stützpunkt und' gegebenenfalls durch den Abstand der beiden
dem Stützpunkt benachbarten Klemmen. Der Stromabnehmer ist bei hohen Geschwindigkeiten
im allgemeinen nicht in der Lage, diese Schwingungsbewegungen mitzumachen, so daß
es zu Stößen und Abhebungen kommt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Kettenfahrleitung für
elektrische Bahnen derart auszubilden, daß sie mit Stromabnehmern üblicher Bauart
auch bei höchster Geschwindigkeit ohne Störungen der vorgenannten Art befahren werden
kann. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine derartige Aufhängung des Fahrdrahtes
gelöst, daß er in jedem zweiten Feld eine Durchbiegung nach oben und. in dem jeweils
dazwischenliegenden Feld eine Durchbiegung nach unten aufweist und der Übergang
von einer Durchbiegung in die andere knickfrei erfolgt.
Die Durchbiegung
des Fahrdrahtes nach oben. soll bei mittlerer Temperatur (-1- 10° C) mindestens
so groß sein, wie die sich bei - 20° C einstellende Durchbiegung des Fahrdrahtes
einer bei mittlerer Temperatur geradlinig verlegten Kettenfahrleitung gleichen Mastabstandes
mit nicht nachgespanntem Tragseil, während die Durchbiegung des Fahrdrahtes der
erfindungsgemäßen Fahrleitung nach unten etwa gleich derjenigen des Fahrdrahtes
der vorerwähnten Kettenfahrleitung bei -f--10° C sein soll. Auf jeden Fall müssen
sowohl die nach oben als auch die nach unten gerichteten Durchbiegungen derart bemessen
sein, daß bei keiner der im Betrieb auftretenden Temperaturen eine Umkehrung der
Richtung einer Durchbiegung eintritt, sondern daß stets noch eine Durchbiegung in
der ursprünglichen Richtung erhalten bleibt.
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Besonders vorteilhaft ist es, den Fahrdraht derart zti führen, daß
er in der Vertikalebene nach einer Sinusfunktion verläuft. Für die Bemessung der
Amplitude der Sinuskurve bei mittlerer Temperatur gilt ebenfalls, daß sie bei keiner
der im Betrieb auftretenden Temperaturen Null werden darf.
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Es ist zweckmäßig, Fahrdraht und Tragseil in an sich bekannter Weise
nachzuspannen, da dann der nach der Erfindung gewählte Verlauf des Fahrdrahtes bei
allen Temperaturen im wesentlichen erhalten bleibt.
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In denjenigen Fällen, in denen eine Nachspannung des Tragseiles nicht
möglich oder nicht erwünscht ist, empfiehlt es sich, den Fahrdraht unter dem Stützpunkt
in an sich bekannter Weise an einem Y-förmigen Beiseil aufzuhängen. Dadurch wird
erreicht, daß der Fahrdraht auch im Bereich des Stützpunktes die durch Temperaturänderungen
bewirkten Vertikalbewegungen in gewissen Grenzen mitmacht. so daß der knickfreie
Übergang zwischen zwei entgegengesetzt gerichteten Fahrdrahtdurchbiegungen erhalten
bleibt. Die Y-Aufhängung kann zur Erhöhung der Elastizität der Fahrleitung aber
auch bei nachgespanntem Tragseil vorgesehen werden.
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Ein knickfreier Verlauf des Fahrdrahtes im Bereich des Stützpunktes
läßt sich auch ohne Verwendung einer YAufhängung dadurch erzielen. daß die beiden
dein Stützpunkt benachbarten Hänger symmetrisch zu diesem in einem solchen gegenseitigen
Abstand angeordnet werden, der der Breite einer Y-Aufhängung entspricht, während
unter dem Stützpunkt selbst kein Hänger vorgesehen wird.
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Der Gegenstand der Erfindung sei an Hand der Fig. 5 der Zeichnung
näher erläutert, die eine Kettenfahrleitung mit nicht nachgespanntem Tragseil 8
und Y-Aufhängung 9 des nach einer Sinusfunktion verlegten Fahrdrahtes 10 bei mittlerer
Temperatur zeigt. Wie die Darstellung erkennen läßt, gehen die entgegengesetzt gerichteten
Durchbiegungen des Fahrdrahtes stetig ineinander über, so daß ein Knick in der Stromabnehmerbahn
nicht auftritt und die obenerwähnte fünfte Oberwelle der dem Stromabnehmer aufgezwungenen
Grundschwingung sich nicht ausbildet. Auch die zweite Oberwelle ist bei mittlerer
Temperatur nicht vorhanden; sie tritt nur bei tieferen oder höheren Temperaturen
auf (vgl. den strichpunktiert bzw. gestrichelt dargestellten Fahrdrahtverlauf),
und zwar mit kleinerer Amplitude als bei den bekannten Fahrleitungen. Ihre Entstehung
kann sogar gänzlich vermieden werden, wenn das Tragseil im Gegensatz zum dargestellten
Ausfiihrungsbeispiel nachgespannt wird. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß
die Frequenz der Grundwelle der Stromabnehmerbahn bei gleicher Stützpunktentfernung
nur halb so groß ist wie bei den bekannten Fahrleitungen. Die erfindungsgemäße Fahrleitung
führt auch bei höchsten Fahrgeschwindigkeiten zu einem ruhigen Lauf des Stromabnehmers.
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Es sei noch bemerkt, daß auch die erfindungsgemäße Fahrleitung windfest
verspannt werden kann, indem man Tragseil und Fahrdraht in bekannter Weise in einem
zueinander gegenläufigen Zickzack führt. Auch ist es mit einfachen Mitteln möglich,
bereits vorhandene Kettenfahrleitungen in solche nach der Erfindung umzubauen, damit
die zugehörigen Strecken mit höherer Geschwindigkeit befahren werden können.