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Verfahren zum Weichen von Rohhäuten und -feilen Mit der aus dem Jahre
1914 stammenden deutschen Patentschrift 288 095 wurde erstmals die Verwendung voll
Enzymen zur Durchführung der Weiche von Häuten und Fellen offenbart. Die mit dieser
Patentschrift gegebene Lehre, daß nämlich die Einwirkung der Enzyme auf die zu weichenden
Felle und Häute in einer wäßrigen Lösung erfolgen muß, wurde bis auf den heutigen
Tag befolgt. Die Fachliteratur wiederholt in allen diesbezüglichen Angaben, daß
der enzymatisch bedingte Weichprozeß in wäßriger Lösung abläuft und die Praxis hat
sich während der vergangenen vier Jahrzehnte an diese Vorschrift gehalten.
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Es wurde nun gefunden, daß das Weichen trockener bzw. trockengesalzener
bzw. gesalzener Häute und Felle unter der Einwirkung proteolytischer Enzyme mit
besonderem Vorteil derart durchgeführt wird, daß die Enzyme nicht in Form einer
wäßrigen Lösung, sondern in Brei- oder Pastenforin zur Einwirkung kotreinen. Man
kann dabei so vorgehen, daß man aus den handelsüblichen pulverförmigen Enzymprodukten
und Wasser eine Paste anrührt oder daß man zu gewaschenen und damit einen gewissen
Wassergehalt aufweisenden Rohfellen pulverförmiges Enzymprodukt hinzugibt. Im letzteren
Fall bildet sich bei der zweckmäßigen Weiterbehandlung im Walkfaß die im Sinne vorliegender
Erfindung als Weichmittel zu verwendende Paste. Nachdem auch beim Arbeiten in wäßriger
Enzymlösung unerwünschte Verluste an Hautsubstanz nicht ganz vermieden werden können,
mußte angenommen werden, daß diese Verluste bei der konzentrierten Einwirkung voll
Enzymen in besonders starkem Maße auftreten würden. Überraschenderweise ist jedoch
der unerwünschte Abbau bei dem neuen Verfahren geringer als bei dem bisher üblichen
Vorgehen. und darüber hinaus wird die Weichdauer wesentlich abgekürzt.
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Als weiterer Vorteil, der mit der Einwirkung pastenförmiger Enzymprodukte
auf die zu weichenden Felle und Häute verbunden ist, sei erwähnt, daß die Bearbeitung
in erheblich kleineren Walkfässern durchgeführt werden kann. Während nach dem bisher
üblichen Verfahren das 5- bis 10fache des Gewichtes der Felle an Wasser benutzt
und somit bei der Bearbeitung von beispielsweise 100 kg Fellen eine Gesamtmenge
voll etwa 1 t bewegt werden mußte, enthalten beim vorliegenden Verfahren die Häute
höchstens den gleichen Wassergehalt, den sie auch im frischen Zustand aufgewiesen
haben.
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Es hat sich gezeigt, daß der Weichprozeß im Sinne des vorliegenden
Verfahrens mit besonderem Vorteil derart durchgeführt werden kann, daß die von Mikroorganismen,
also die von Schimmelpilzen oder Bakterien gebildeten Enzyme zur Anwendung kommen.
Die Wirksamkeit der proteolytischen Enzyme kann in deutlichem Maße durch die Mitverwendung
von Carbohydrasen, also Enzymen, die glucosidische Bindungen zu spalten vermögen,
gesteigert werden.
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Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die an sich bekannte Mitverwendung
von Netzmitteln bei der enzymatischen Weiche bei dem erfindungsgemäßen Verfahren
so durchgeführt werden kann, daß auch die Netzmittel in Pulver- bzw. Pastenform
auf die gewaschenen Häute aufgebracht werden. Im Hinblick darauf, daß die Netzmittelkonzentrationen
bei praktisch allen technischen Prozessen, bei denen diese Stoffe eine Rolle spielen,
außerordentlich gering sind, muß es als überraschend bezeichnet werden, daß die
Wirksamkeit der in konzentrierter Form zur Einwirkung kommenden Netzmittel eine
ausgezeichnete ist.
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Das neue Weichverfahren läßt unter Ausnutzung des dem Fachmann Bekannten
eine große Reihe von Variationen zu. So können Enzyme verschiedener Herkunft miteinander
kombiniert und deren Wirksamkeit durch Zusätze an sich bekannter Art gesteigert
werden. Auch die Mitverwendung von Konservierungsmitteln ist möglich.
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Es ist zwar bekannt, Enzyme der verschiedensten Herkunft in Pulverform
herzustellen und in den Handel zu bringen, ihre Anwendung als Weichmittel, aber
auch als Enthaarungs- und Beizmittel erfolgt jedoch stets in wäßriger Lösung. Dagegen
ist schon vorgeschlagen worden, enzymfreie Präparate in Pulverform beim Konservieren
von Fellen und Häuten anzuwenden. In diesem Fall ist die Verwendung ohne Wasserzusatz
selbstverständlich, da gleichzeitig eine Entwässerung erfolgen soll, die die Konservierungswirkung
noch steigert. Es liegt hier jedoch ein völlig anderer Vorgang vor, der mit dem
Aufweichen der Rohhäute und -feile nicht vergleichbar ist. Auch enzymfreie, wasserhaltige
Pasten, zu deren Herstellung
indifferente Trägerstoffe, wie organische
oder anorganische Kolloide, z. B. Leim, Stärke, Kieselgur, Ton und andere Verdickungsmittel,
verwendet wurden, sind als Weichmittel bekannt. Diese Pasten werden auf die Fleischseite
von Schaffellen aufgebracht. Dadurch soll verhindert werden, daß die Wolle mit Wasser
in Berührung kommt, um so eine Entfernung von Wollschweiß und Salzen aus der Wolle
zu unterbinden.
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Weiterhin ist schon beschrieben worden, zum Weichmachen von Juchtenleder
an Stelle von Rinderpankreas ein Trockenpulver von Pottwalpankreas zu verwenden.
In diesem Fall handelt es sich um das Weichmachen von Leder und nicht um das Aufweichen
der Rohfelle und -häute. Da es nicht möglich ist, Leder mit Enzym zu behandeln,
ist hier wahrscheinlich auf einen Beizprozeß Bezug genommen, nach dem die Blößen
mit pulverförmigem Pottwalpankreasenzym behandelt werden, das wie das Rinderpankreasenzym
in wäßriger Flotte zur Einwirkung kommt.
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Den bekannten Veröffentlichungen ist zu entnehmen, daß Enzymprodukte
nur in verdünnter Lösung auf Felle und Häute zur Einwirkung kommen. Der Begriff
Weichen ohne Wasser war bisher undenkbar, denn mit dem Begriff Weichen von Rohfellen
und -häuten ist zugleich die Vorstellung der Anwendung großer Wassermengen verbunden.
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Bei der praktischen Ausübung des Verfahrens hat sich folgende Arbeitsweise
als vorteilhaft erwiesen: Die getrockneten bzw. trockengesalzenen bzw. gesalzenen
Rohfelle werden zur Entfernung von Blut, Schmutz und gegebenenfalls Salz ausgiebig
mit Wasser ausgewaschen bzw. behandelt. Bei getrockneten Fellen ist es vorteilhaft,
die Felle über Nacht in Wasser liegenzulassen. Wenn dabei auch eine gewisse Wasseraufnahme
erfolgt, reicht dieses »Anweichen« für die Weiterbehandlung, also für die anschließende
Äscherung bzw. Weiterverarbeitung auf Pelzfelle nicht annähernd aus, so daß sich
nach dem bisher gültigen Wissensstand die unter dem Einfluß von Alkalien, Enzymen
oder 1,Tetzmitteln in wäßriger Flotte ablaufende Weiche anschließen mußte. Ersetzt
man nun diese bekannten Weichverfahren durch das beschriebene Vorgehen, so erreicht
man den angestrebten Weicheffekt in erheblich kürzerer Zeit. Beispielsweise gelingt
es bei getrockneten Fellen unter Anwendung pasten- bzw. pulverförmiger Enzymprodukte,
die Weichdauer auf etwa die Hälfte jener Zeit zu verringern, die bei Anwendung der
gleichen Enzyme, jedoch in Form ihrer wüßrigen Lösung, erforderlich wäre. Beispiele
1. Trockene Zickelfelle werden über Nacht mit Wasser ohne Zusatz von Weichmitteln
behandelt. Am anderen Tag werden die Felle im Faß ohne Zusatz von Wasser unter Zugabe
von 1 % Schimmelpilztryptase und Konservierungsmittel in Pulverform i/2 Stunde
gewalkt. Nach dem Liegen über Nacht wird ausgewaschen, bevor die Felle geäschert
und dann auf Leder weiterverarbeitet werden.
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2. Trockene Ziegenfelle werden über Nacht mit Wasser ohne Zusatz von
Weichmitteln behandelt. Am anderen Tag werden die Felle im Faß ohne Zusatz von Wasser
unter Zugabe von 0,5 % Schimmelpilztryptase in Pulverform, 0,51/o Natriumbisulfit,
0,51/o Ammoniumsulfat 2 Stunden gewalkt, dann über Nacht in Wasser von gewöhnlicher
Temperatur fertiggeweicht, schließlich ausgewaschen und dann auf Pelzfelle weiterverarbeitet.
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3. Trockengesalzene Ziegenfelle werden 5 Stunde in Wasser geweicht,
dann ausgewaschen, um Salz und Schmutz zu entfernen und anschließend im Faß ohne
Zusatz von Wasser mit 0,5% Schimmelpilztryptase, 0,5% Bakterienprotease, 0,5% Carbohydrase
aus Bacillus subtilis. 0,51/o Natriumbisulfit in Pulver-oder Pastenform 1 Stunde
gewalkt. Nach 6stündigem Liegen wird mit Wasser fertiggeweicht.
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4. Trockene Rindshäute werden über Nacht mit Wasser behandelt, dann
im Faß ohne Zusatz von Wasser mit 2% pulverförmiger Pankreastryptase, 0,2% Soda,
calc., versetzt, 1 Stunde gewalkt und anschließend mit Wasser fertiggeweicht.
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5. Gesalzene Kalbfelle werden zunächst 1 Stunde in Wasser geweicht,
dann ausgewaschen und im Faß ohne Zusatz von Wasser 20 Minuten mit 0,5 % pulverförmiger
Bakterienprotease, 0,5% Ammonsulfat gewalkt. Nach 3stündigem Liegen wird mit Wasser
ausgewaschen und anschließend geäschert.