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Verfahren zum Abtreiben von Ammoniak aus den Mutterlaugen der Ammoniaksodafabrikation
Die Herstellung von Soda nach dem Ammonialisodaprozeß führt bekanntlich über das
Natriumbicarbonat, welches aus ammoniakalischer Steinsalzlösung durch Einleiten
von kohlendioxydhaltigem Gas ausgefällt wird. Das Natriumbicarbonat wird auf Zellenfiltern
oder Zentrifugen von der Mutterlauge abgetrennt, die im allgemeinen auf 1 Mol nicht
umgesetztes Natriumchlorid etwa 1 Mol Ammoniak in Form von Ammoniak-Kohlensäure-Verbindungen
und 3 Mol Ammonchlorid enthält. Das in den vorgenannten Ammoniakverbindungen enthaltene
Ammoniak wird in bekannter Weise durch einen in dampfbeheizten Destillationskolonnen
durchgeführten Abtreibprozeß aus der Mutterlauge wiedergewonnen. Im Oberteil der
Kolonne wird die im Gegenstrom zu dem von unten nach oben strömenden Dampf geführte
Mutterlauge auf über 90° erwärmt und von den Arnmoniak-Kohlensäure-V erbindungen
befreit. Anschließend wird die heiße Lauge mit Kalkmilch vermengt und im Unterteil
der Kolonne ebenfalls unter Einwirkung des in die Kolonne eingeführten Dampfes in
eine arzmoniakfreie Lauge, die im allgemeinen auf 1 12ol Natriumchlorid 1,5 Mol
Chlorcalcium enthält, umgewandelt. Die in der Kolonne entbundenen, Ammoniak und
Kohlensäure enthaltenden Brüden werden absorbiert und zum Bereiten neuer ammoniakalischer
Steinsalzlösung benutzt.
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Je nach dem Druck im Absorber muß die die Destillationskolonne verlassende
Lauge auf etwa 100 bis 1153 angewärmt werden. Der Dampfverbrauch für die Destillation
hängt außer von dieser Temperatur und den Zersetzungswärmen der Ammoniakverbindungen
wesentlich von der Eintrittstemperatur und der aufgegebenen Menge Mutterlauge bzw.
Kalkmilch ab. Es ist üblich, die Mutterlauge vor ihrem Eintritt in die Kolonne weitgehend
unter Ausnutzung von Abwärme und die Kalkmilch unter Ausnutzung der Kalklöschw ärme
vorzuwärmen. Ebenfalls aus Gründen der Dampfersparnis hält man die Mengen an Mutterlauge
und Kalkmilch möglichst gering. Die untere Grenze der Mutterlaugenmenge wird bestimmt
durch das pro Tonne Soda einzusetzende Volumen an ammoniakalischer Steinsalzlösung
und den Umsetzungsgrad des Steinsalzes zu Natriumbicarbonat. Die Technik rechnet
mit einem Anfall von etwa 5 m3 1Iutterlauge pro Tonne Soda, der praktisch nicht
zu unterschreiten ist und der sich überdies durch hinzukommende Wässer vom Auswaschen
des Natriumbicarbonats noch auf 5,5 bis 6 m3 erhöht. Um das Kalkmilehvolumen möglichst
niedrig zu halten, hat man bisher für die Zersetzung des Chlorammoniums der Mutterlauge
eine Kalkmilch mit einem derartig hohen CaO-Gehalt verwendet, daß eine Förderung
der Kalkmilch mittels Kreisel- oder Kolbenpumpen noch eben möglich ist.
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Um eine noch weitere Verringerung des Dampfverbrauchs zu erzielen,
wird in der deutschen Patentschrift 929 185 vorgeschlagen, das für die Zersetzung
des Chlorammoniums der Mutterlauge benötigte Kalkhydrat in Form einer Paste mit
einem möglichst hohen Gehalt an CaO anzuwenden. Bei dem Verfahren des vorgenannten
Patents wird die Paste aus in bekannter Weise hergestelltem Kalkhydratpulver und
Wasser bzw. Ablauf der Destillationskolonne hergestellt und mittels einer Knetpumpe
unter entsprechendem Druck in die Destillationskolonnen eingeführt.
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Der Erfinder des vorgenannten Patents mußte aber die Erfahrung machen,
daß man zwar eine sehr steife Kalkhydratpaste; herstellen kann, diesen Vorteil aber
mit einem stark ansteigenden Kraftbedarf der Förder-bzw. Knetpumpen bezahlen muß.
Er schlägt deshalb in der Patentschrift 954 149, die einen Zusatz zum Patent 929
185 darstellt, vor, die gemäß denn Hauptpatent hergestellte Kalkhydratpaste zunächst
in einem Vormischer mit einem Teil der aus einer Destillationskolonne entnommenen,
entcarbonisierten 1Iutterlauge zu gut flüssiger Kalkmilch zu verdünnen und dann
zum Abtreiben des gebundenen Ammoniaks in die Destillationshauptkolonne zu schicken.
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Eine andere Arbeitsmöglichkeit des in der vorgenannten Patentschrift
vorgeschlagenen Verfahrens besteht darin, die Kalkhydratpaste durch direktes Vermischen
des Kalkhydratpulvers mit der im Vormischer
gewonnenen Kalkmilch,
z. B. in einer Mischschnecke oder Knetpumpe, herzustellen und dann wieder in den
Vormischer hineinzudrücken.
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Wie aus den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, wird gemäß
dem Hauptpatent wie- auch gemäß dem Zusatzpatent stets von einer Kalkhydratpaste
ausgegangen. Es wurde nun gefunden, daß im Hinblick auf eine möglichst hohe Dampfersparnis
die Herstellung einer Kalkhydratpaste nicht erforderlich ist, sondern daß das gleiche
Ziel in einfacher Weise dadurch erreicht werden kann, daß man für die Zersetzung
des Chlorammoniums in der Mutterlauge das Kalkhydrat in Form von gut flüssiger Kalkmilch
anwendet, die dadurch erhalten wird, daß man in bekannter Weise hergestelltes Kalkhydratpulver
mit entcarbonisierter Mutterlauge oder bzw. und Ablauf der Destillationskolonne
direkt vermischt. Zweckmäßig verwendet man Kalkhydratpulver, welches in geeigneter
Weise aufbereitet, z. B. durch Absieben von ungebrannten Kalksteinstücken befreit
worden ist, unmittelbar nach seiner Herstellung, um seine fühlbare Wärme auszunutzen.
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Die Verwendung von entcarbonisierter Mutterlauge bei der Herstellung
der Kalkmilch hat gegenüber der Verwendung von Kolonnenendlauge den Vorteil, daß
das über den Unterteil der Kolonne geführte Flüssigkeitsvolumen um den Anteil entlastet
wird, um den das an sich im Unterteil der Kolonne vorhandene Flüssigkeitsvolumen
bei Verwendung von im Kreislauf geführter Kolonnenendlauge zum Anrühren des Kalkhydrats
noch vermehrt werden würde. Die so erzielte Entlastung des Unterteils der Kolonne
gestattet, diesen mit entcarbonisierter Mutterlauge aus dem Oberteil der Kolonne
höher zu beaufschlagen und damit die Kapazität der Kolonne zu erhöhen.
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DieVerwendung von entcarbonisierter Mutterlauge hat den weiteren Vorteil,
daß man zur Herstellung einer gut flüssigen Kalkmilch ein geringeres Flüssigkeitsvolumen
als bei Verwendung von Kolonnenendlauge benötigt, da ein beträchtlicher Anteil des
Kalkhydrats beim Vermischen mit entcarbonisierter Mutterlauge schnell in Lösung
geht. Die hierbei entstehenden ammoniakhaltigen Brüden werden in geeigneter Weise
in den Prozeß zurückgeführt.
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Im Hinblick auf eine möglichst hohe Wärmeersparnis ist es ohne Belang,
ob bei der Herstellung der Kalkmilch nach der Erfindung ein größeres als das zur
Erzielung einer gut flüssigen Suspension erforderliche Flüssigkeitsvolumen angewandt
wird. Da die zum Anrühren des Kalkhydrats verwendeten Laugen durch isolierte Leitungen
aus der Destillationskolonne abgezogen, mit dem etwa 120 bis 150° heißen Kalkhydratpulver
vermischt und als heiße Kalkmilch dem Unterteil der Kolonne wieder zugeleitet werden,
treten bei denn gesamten Vorgang praktisch keine Wärmeverluste ein. Auch im Hinblick
auf den Chlorcalciumgehalt im Ablauf der Destillationskolonne ist es ohneBelang,
ob etwas mehr oder weniger Kolonnenlauge umgepumpt wird. Es ist bereits vorgeschlagen
worden, unreinen Ätzkalk mit entcarbonisierter Mutterlauge zu tränken und das so
erhaltene Gemisch dem Unterteil der Destillationskolonne zuzuführen. Mit einem solchen
Verfahren, das sich offenbar in der Praxis nicht bewährt hat, hat das erfindungsgemäße
Verfahren nichts zu tun, da bei diesem durch direktes Vermischen von Kalkhydratpulver
mit entcarbonisierter Mutterlauge eine gut flüssige Kalkmilch hergestellt wird,
die sich leicht handhaben läßt und die sich bei ihrer Verwendung in der Destillationskolonne
als sehr reaktionsfähig erweist. Beispiele 1. Bei der Durchführung des Ammoniaksodaprozesses
werden pro Tonne herzustellender Soda 600 kg Ca0 in Form von Kalkhydrat mit etwa
70°,'o Ca0 (Temperatur etwa 130°) mit 1,9 m3 Kolonnenablauf, der das Unterteil der
Kolonne mit etwa 112° verläßt, in einem Rührbehälter vermischt. Es werden 2,25 m3
siedend heiße Kalkmilch erhalten. Die so erhaltene Kalkmilch wird mittels einer
Kreiselpumpe einem Mischgefäß zugeleitet, worin sie mit etwa 92° heißer, entcarbonisierter
Mutterlauge vermischt wird. Diese Mischung wird dem Unterteil der Destillationskolonne
zugeführt, worin die bereits in dem vorgenannten Mischgefäß eingeleitete Umsetzung
des in der Mutterlauge enthaltenen Chlorammoniums zu Chlorcalcium zu Ende geführt
wird. Die im Unterteil der Kolonne wie im Mischgefäß entwickelten Brüden durchstreichen
den Oberteil der Kolonne und werden anschließend im Absorber niedergeschlagen.
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2. Die Herstellung von Kalkmilch aus Kalkhydratpulver und 92° heißer
entcarbonisierter Mutterlauge erfolgt in gleicher Weise wie die Herstellung der
Kalkmilch im Beispiel l mit dem Unterschied, daß pro Tonne herzustellender Soda
nur 1,5 m3 entcarbonisierteMutterlauge benötigt werden. Die sich im Kalkmilchanrührgefäß
entwickelnden ammoniakalischen Brüden werden in einem Kondensator zum Teil entwässert
und anschließend dein Absorber zugeführt.