<Desc/Clms Page number 1>
EMI1.1
Die Erfindung betrifft ein Verfahren, um aus Naturseideabfallen durch Lösung und Verspinnen auf nassem Wege wieder einen endlosen Faden aus vielen Kapillarfäden zu erzeugen.
Es ist schon mehrfach versucht worden, Naturseide zu lösen und wieder zu endlosen Fäden zu verspinnen, vorwiegend unter Verwendung von organischen Säuren als Lösungsmittel. Es wurden hiebei jedoch nur harte, spröde Fäden erhalten, die keine Ähnlichkeit mehr mit Seide aufwiesen. Die erwähnten Lösungsmittel bewirkten einen zu starken Abbau des empfindlichen Fibroins. Auch die Verwendung von Salzsäure wurde schon in dem französischen Patent 354. 336 vorgeschlagen. Diese Lösungen zersetzen sich indessen bei gewöhnlicher Tem-' peratur schon in wenigen Minuten.
Wesentlich bessere Ergebnisse liessen sich bisher nach dem Verfahren von P. P. von Weimarn (z. B. Kolloidzeitschrift 45, S. 38) erzielen, wo die Seide bei höherer Temperatur in neutralen, stark wasserlöslichen Salzen gelöst und nach Vorkoagulierung zu Fäden angezogen wird. Man gelangt auf diese Weise zeitweilig zu einem der Naturseide ähnlichen Faden. Ein fabrikatorisches Verspinnen ist nach diesem Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Vorkoagulation sehr lange Zeit, eine Viertelstunde und mehr, beansprucht und das schwer erkennbare Koagulationsoptimum innerhalb enger Grenzen liegt. Auch entmischen sich die Salzlösungen leicht, wodurch eine äusserst zähe Masse entsteht.
Nach eigenen Angaben des Erfinders kann es ferner trotz'strenger Einhaltung der Bedingungen geschehen, dass Fäden geringer Qualität resultieren oder überhaupt kein Faden erhalten wird.
Alle erwähnten Nachteile werden durch vorliegende Erfindung behoben, welche gestattet, Seidenfibroin bei gewöhnlicher Temperatur zu einer viskosen und genügend lange Zeit haltbaren Masse zu lösen und ohne Schwierigkeiten zu verspinnen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Orthophosphorsäure in hohem Masse zum Lösen von Seidenfibroin geeignet ist. Eine bei Zimmertemperatur hergestellte Lösung von Seidenfibroinabfällen in Phosphorsäure ist selbst bei gewöhnlicher Temperatur mehrere Stunden. bei 00 einen Tag und länger ohne Beeinträchtigung der Regenerationsfähigkeit haltbar.
Zur Erlangung eines Seidenfadens aus dieser Viskoselösung werden Fällbäder in Gestalt wässriger Lösungen von Alkalisalzen starker Säuren, am besten in Gegenwart von Alkalisalzen der niederen Fettsäuren, wie Natriumacetat oder Ammonformiat, verwendet. Diese letzteren Salze haben den Vorteil, beschleunigend auf die Koagulation einzuwirken, da sie sich mit der Phosphorsäure unter Bildung von Phosphaten umsetzen.
Es wurde gefunden, dass die Festigkeit und Weichheit der Fäden am besten ausfallen, wenn man die Koagulation durch Hintereinanderschaltung zweier Bäder vor sich gehen lässt, von denen das erste eine schwächere Fällwirkung auf den Faden ausübt als das zweite. Das erste Bad besteht zweckmässig in der Hauptsache aus einer konzentrierten Lösung von Alkalisalzen der Mineralsäuren. Dabei haben sich überraschenderweise die besten Ergebnisse gezeigt, wenn man nicht Natriumsalze oder Kaliumsalze für sich anwendet, sondern ein Gemisch der gesättigten Lösungen von Kalium-und Natriumsalzen.
Um die Koagulationsgeschwindigkeit zu
<Desc/Clms Page number 2>
erhöhen, werden diesem Gemisch zweckmässig noch ein Sechstel bis ein Drittel seines Volumens an einer gesättigten Alkaliformiat- oder Acetatlösung zugefügt.
Ferner hat sich im ersten Bad ein Zusatz von Formaldehyd als günstig erwiesen, der die Festigkeit des Fadens erhöht und die Spinngeschwindigkeit zu steigern gestattet. Ein derartig zusammengesetztes Bad ermöglicht schon bei einer Badstrecke von nur 10 bis 20 cm im ersten Bad ein einwandfreies Spinnen.
Nach Verlassen des ersten Bades wird der Faden sofort in ein zweites Bad geleitet, das in der Hauptsache aus einer gesättigten Lösung von Alkaliformiat, Acetat oder sonstigen Alkalisalzen der niederen Fettsäuren besteht. Auch die Salze von Oxy-oder Oxosäuren haben sich im Gemisch mit den Salzen der einfachen Fettsäuren als günstig erwiesen, auch können diese Salze schon dem ersten Fällbad zugefügt werden. So haben sich die Salze der Milchsäure und der Brenztraubensäure als vorteilhaft erwiesen. Milchsaure Salze z. B. haben die günstige Eigenschaft, die Kristallisation der Salze auf dem Faden nach Verlassen des Bades aufzuhalten. Selbst nach Verlassen des zweiten Fällbades ist der Faden noch wasserlöslich oder mindestens in Wasser stark quellbar.
Erst wenn er nach Durchlaufen einer längeren Luftstrecke auf das Fünf-bis Achtfache seiner Länge ausgezogen wird, ist er wasserunlöslich geworden und kann auf der Spule salz-und säurefrei gewaschen und geseift werden.
Die so erzeugten Fäden zeigen noch den Fehler, dass, zumal beim Spinnen aus Düsen von vielen Löchern, die einzelnen Fasern zum Verkleben neigen. Es hat sich nun gezeigt, dass durch eine geringe Abänderung in der Zusammensetzung der sauren Spinnlösung dieses Zusammenkleben auf ein so, geringes Mass eingeschränkt werden. kann, dass eine Nachbehandlung mit Netzmitteln, Seifen u. dgl. die einzelnen Kapillarfäden-vollkommen freilegt. Dieser Effekt wird erreicht durch einen Zusatz von ätherischen Ölen, z. B. Terpentinöl, zu der sauren Spinnlösung. Es genügen schon sehr geringe Mengen, z. B. 0'02-0'l/o Ölzusatz, auf die Spinnlösung berechnet. Eine schwache Braunfärbung der Spinnlösung ist bedeutungslos und hat keinen Einfluss auf die Farbe des fertigen Fadens.
Durch den Zusatz von ätherischen Ölen wird zugleich die Loslösung der einzelnen Fasern von der Düse erleichtert und damit die Spinnsicherheit und die Gleichmässigkeit des Titers erhöht.
Ausführungsbeispiel : Man löst'einen Teil Seidenabfälle unter Rühren oder Kneten in 10 Teilen 85 /oiger Phosphorsäure und fügt der Lösung 0'04% Terpentinöl zu. Die zähe, schwach gelbbraune Lösung wird filtriert und durch Zentrifugieren von Luftblasen befreit. Das sonst übliche Evakuieren zur Entfernung der Luftblasen führt hier infolge der hohen Viskosität nicht zum Ziel. Die Lösung wird aus einem gekühlten Spinnkessel mit oder ohne Verwendung einer Spinnpumpe durch eine Glasdüse mit beispielsweise 120. Löchern von 0'08 mm Durch- messer in das erste Fällbad gepresst.
Dieses Bad enthält im Liter :
132 Gramm Chlornatrium, 122 " Chlorkalium,
21 Natriumlaktat,
25 Kaliumlaktat,
22 Natriumformiat, 28 " Kaliumfórmiat und
15 Formaldehyd (wasserfrei).
Die Lösung enthält also 142 Gramm Salzsäure, 34 Gramm Milchsäure und 30 Gramm Ameisensäure, je zu ungefähr gleichen Teilen an Kalium und Natrium gebunden. Die Badstrecke kann 10-80 cm betragen. Nach Verlassen des Bades wird der Faden zweckmässig über eine leicht bewegliche Rolle durch das zweite Bad geleitet, das aus einer gesättigten Ammoniumformiatlösung besteht, die mit etwa einem Achtel ihres Volumens mit konzentrierter Natriumlaktatlösung versetzt worden ist. Das. zweite Fällbad wird zweckmässig möglichst lang, mindestens 50 CM gewählt. Nach Verlassen dieses Bades beschreibt der Faden einen Luftweg von einem bis mehreren Metern.
Der Abzug wird so eingestellt, dass bis zur Beendigung der Luftstrecke kein nennenswerter Verzug des Fadens gegenüber der Austrittsgeschwindigkeit der Spinnlösung aus den Düsenlöchern stattfindet. Erst nach Durchlaufen der Luftstrecke wird der Faden mittels einer Streckvorrichtung auf das Fünf-bis Achtfache seiner Länge ausgezogen. Hierauf wird er auf der Spule ausgewaschen, geseift und getrocknet. Man erhält weiche, glänzende Fäden bis zu einem Einzeltiter von 1 Denier und mit einer Trockenfestigkeit bis zu 2 Gran pro Denier und mit einer Nassfestigkeit bis über 1 Gran pro Denier bei einer Dehnbarkeit von etwa 12%.
An die angegebene Fällbadzusammensetzung ist man nicht streng gebunden ; auch ist das erste Fällbad lange Zeit brauchbar, wenn es auch schon erhebliche Mengen Phosphorsäure aufgenommen hat.
Die nach der Erfindung erzeugten Seidenfäden zeigen keine Anzeichen für einen stattgefundenen Abbau des Fibroin. Sie geben alle Reaktionen des genuinen Seidenfibroins und
<Desc/Clms Page number 3>
drehen die Ebene des polarisierten Lichtes unter Auftreten von Farben wie die natürlichen Seidenfäden. Das Röntgendiagramm der nach der Erfindung erzeugten Fäden ist von dem der natürlichen Seide nicht zu unterscheiden.
PATENT-ANSPRÜCHE :
1. Verfahren zur Herstellung künstlicher Fäden mit vielen Einzelfasern aus Seidenfibroin, dadurch gekennzeichnet, dass Seide oder Seidenabfälle in Phosphorsäure gelöst, in einem Koagulationsbad in Fadenform wieder ausgefällt und hinter dem Bad bis zu einem Fasertiter von 1 Denier ausgezogen werden.