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Verfahren zur Gewinnung von alkaliempfindlichen Alkaloiden aus Drogen
Man kann Alkaloide aus Drogen entweder im sauren Medium in Form ihrer wasserlöslichen
Salze extrahieren, oder aber man arbeitet im alkalischen Medium, wobei die Alkaloide
als solche mit geeigneten Lösungsmitteln herausgeholt werden.
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Das erste Verfahren geht verhältnismäßig langsam. Außerdem hat die
Extraktion mit verdünnten Säuren den Nachteil, daß dabei sämtliche wasserlöslichen
Stoffe mitgelöst werden, darunter Celluloseabbauprodukte, Zuckerarten und Schleimstoffe,
die zum Teil kolloider Natur sind und die spätere Ausfällung der als Salze in Lösung
gegangenen Alkaloide verhindern oder doch wenigstens stark beeinträchtigen.
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Mit alkalischen Verfahren ist eine schnellere und vollständigere Extraktion
der Drogen möglich. Deshalb wird auch bei allen Analysenverfahren des Deutschen
Arzneibuches diese Methode angewandt. Sie besteht im wesentlichen darin, daß die
Droge mit Wasser befeuchtet, dann Kalk, Soda, Ätznatron oder Ammoniak zugegeben
und schließlich mit Äther, Chloroform, Benzol oder einem ähnlichen organischen Lösungsmittel
extrahiert wird. Hierbei muß allerdings mit in Kauf genommen werden, daß außer den
Alkaloiden auch Harze, wachsartige Stoffe, Fette, Chlorophyll und Farbstoffe mitgelöst
werden, soweit sie eben von dem betreffenden Lösungsmittel aufgenommen werden. Destilliert
man dann das Lösungsmittel ab, so bleiben dunkelgefärbte Schmieren zurück, aus denen
die Alkaloide nur sehr schwierig in reinem Zustand zu gewinnen sind.
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Diese ungünstigen Verhältnisse waren die Veranlassung, nach einem
neuen Weg zu suchen, der rascher und einfacher zum Ziele führt. Er wurde auf Grund
folgender Überlegungen gefunden.
Durch alkalische Extraktion werden
die Alkaloide verhältnismäßig rasch und vollständig aus der Droge herausgelöst;
zweckmäßig ist dabei kontinuierliches Arbeiten in einem Kreislauf. Man kann z. B.
ein hohes zylindrisches Gefäß, in dem sich die Droge befindet, ein Destilliergefäß
und einen Rückflußkühler in geeigneter Weise vereinen, so daß eine in sich geschlossene
Vorrichtung entsteht. Man hat dann verhältnismäßig wenig Lösungsmittelverluste und
kommt etwa mit der 5fachen Menge Lösungsmittel, bezogen auf die Droge, aus.
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Das Verfahren hat aber immer noch den Nachteil, daß sich die Alkaloide
zusammen mit Harzen und anderen Verunreinigungen im Destilliergefäß ansammeln und
dort stundenlang erhitzt werden. Dabei können z. B. bei den empfindlichen Solanaceenalkaloiden
Verluste durch Zersetzung entstehen.
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Wenn es gelingt, die Alkaloide in diesem Kreislauf gewissermaßen in
einer Schleuse abzufangen, die nur die Alkaloide zurückhält, die Verunreinigungen
aber durchläßt, so wäre die Aufgabe gelöst. Diese Möglichkeit ist aber dadurch gegeben,
daß sich die freien Alkaloide einerseits leicht in organischen nicht mit Wasser
mischbaren Lösungsmitteln lösen, andererseits aber mit Säuren leicht Salze bilden.
Zwingt man also das organische Lösungsmittel, welches die Alkaloide gelöst enthält,
eine wäßrige Säureschicht zu passieren, so ist es nur eine Frage der Geschwindigkeit
der Durchströmung und der Salzbildung, ob die Alkaloide vollständig abgefangen werden,
während die Verunreinigungen zum Destilliergefäß weitergehen, wo sie sich ansammeln.
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Die dafür notwendige Vorrichtung ist in der Zeichnung dargestellt.
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Als Extraktor C dient ein hohes zylindrisches Gefäß, in welches die
mittelfein zerkleinerte und mit einer wäßrigalkalischen Lösung angefeuchtete Droge
eingefüllt wird. Der Extraktor wird bis oben mit dem Lösungsmittel, z. B. Chloroform,
gefüllt und mit einem Rückflußkühler D verschlossen. Im Destilliergefäß B befindet
sich ebenfalls Chloroform, im Absorptionsturm A eine wäßrige, verdünnte Säure, z.
B. Salzsäure oder Schwefelsäure, die mit Chloroform unterschichtet wird. Die Abmessungen
des heberartigen Abflusses von A nach B sind durch den Gewichtsunterschied der Säureschicht
in A einerseits und des verwendeten Lösungsmittels andererseits gegeben. Arbeitsweise
Das Lösungsmittel, wie Chloroform, Methylenchlorid, Trichloräthylen oder ein ähnliches
mit Wasser nicht mischbares Lösungsmittel, wird im Gefäß B zum Sieden erhitzt. Die
Dämpfe treten oben in den Extraktor C ein und verflüssigen sich in dem aufgesetzten
Rückflußkühler D. Das etwas angewärmte Chloroform durchströmt die Droge langsam
von oben her. Unten läuft eine Lösung ab, die bei der Verwendung von Blattdrogen
anfangs dunkelgrün gefärbt ist, die nun in den Absorptionsturm A geleitet wird,
wo sie eine Säureschicht passiert, welche die Alkaloide zurückhält. Die aus dem
Säureturm A ablaufende Chloroformlösung gelangt dann in das Siedegefäß B zurück,
wo sich Harze, Chlorophyll und sonstige Verunreinigungen ansammeln, und der Kreislauf
des Chloroforms beginnt von neuem. Die Geschwindigkeit des Umlaufes kann beliebig
geregelt werden, indem man das Siedegefäß B mehr oder weniger stark erhitzt.
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Es genügt nicht, wenn man die Chloroformlösung durch die Säureschicht
im Turm A in Tropfenform hindurchperlen läßt, auch dann nicht, wenn man die Oberfläche
durch Raschig-Ringe oder Glasperlen stark vergrößert. Dagegen hat es sich gut bewährt,
wenn man den Turm nur etwa zur Hälfte mit Raschig-Ringen füllt und im oberen Teil
mit einem kleinen, elektrisch betriebenen Rührer die Flüssigkeiten kräftig rührt.
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Eine möglichst gute Durchmischung beider Flüssigkeiten im Säureturm
ist besonders wichtig. Wenn auch die Konzentration der zufließenden Alkaloidlösung
nur gering ist, so wird doch die Säureschicht verhältnismäßig schnell durchlaufen;
während dieser kurzen Zeit muß aber möglichst das gesamte Alkaloid an die Säure
abgegeben werden.
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Die Extraktion wird so lange durchgeführt, wie noch Alkaloid in der
aus dem Extraktor C abfließenden Lösung nachweisbar ist; ungefähr kann man das schon
daran erkennen, ob die Lösung noch gefärbt ist. Dann wird das restliche Chloroform
aus dem Extraktor C abgelassen, die ausgelaugte Droge ausgepreßt und das Lösungsmittel
zurückgewonnen. Auch aus dem Siedegefäß B wird das Chloroform vollständig abdestilliert;
dabei bleiben ziemlich viel Harze, Chlorophyll und sonstige Verunreinigungen zurück.
Die Säure aus dem Turm A, welche die Alkaloide enthält, wird zunächst durch Erhitzen
von gelöstem Chloroform befreit, nach dem Abkühlen neutralisiert. Die Alkaloide
werden dann durch Ammoniak oder Soda ausgefällt. Sie fallen dabei in weit größerer
Reinheit aus als bei den sonst üblichen Methoden.
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Dieses Verfahren bedeutet einen wesentlichen technischen Fortschritt
aus den folgenden Gründen. Die Alkaloide werden sofort, nachdem sie aus der alkalischen
Droge herausgelöst wurden, in Säure aufgenommen. Die schädliche Einwirkung des Alkalis
(Verseifung, Razemisierung) ist dadurch praktisch kaum möglich.
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Es erfolgt in einem einzigen Arbeitsgang eine weitgehende Trennung
der Alkaloide von den im Extraktionsmittel ebenfalls löslichen Verunreinigungen.
Die Alkaloide werden deshalb gleich bei der ersten Ausfällung aus der sauren Lösung
in verhältnismäßig großer Reinheit erhalten.
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Es wird in einer geschlossenen Vorrichtung gearbeitet. Die Lösungsmittelverluste
sind bei guter Rückflußkühlung gering.
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Die aus dem Extraktor C ablaufende Alkaloidlösung kann jederzeit geprüft
werden, ob sich die Extraktion noch lohnt oder abgebrochen werden
kann.
Die Extraktionsdauer ist je nach der Beschaffenheit der Droge eine Sache praktischer
Erfahrung.
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Beispiel i i kg Herba Belladonnae wird mit einer solchen Menge einer
Aufschwemmung von 25 g Calciumhydroxyd in Zoo ccm Wasser vermischt, daß eine krümelige
Masse entsteht, diese wurde in den Extraktor C eingefüllt. Im Säuregefäß befanden
sich Zoo cmm 5"/oige Schwefelsäure. Nach 8stündiger Extraktion mit Chloroform wurden
an verschiedenen Stellen der Vorrichtung Proben entnommen; dabei wurden im Säuregefäß
A 66,6°/o, im Destillationsgefäß B 4,7% und im Extraktor C noch 28,7 a/o Alkaloide
gefunden. Die Extraktionszeit von 8 Stunden war also nicht ausreichend. Insgesamt
wurden 2,97 g Alkaloide erhalten, das entspricht 9i°% des Alkaloidgehaltes, der
durch Analyse im Ausgangsmaterial zu 0,32"/o festgestellt worden war. Der Reinheitsgrad
der aus dem Säuregefäß A gewonnenen Alkaloide betrug 74,3°/o. Beispiel 2 i kg derselben
Droge wurde, wie im Beispiel 1, in der gleichen Weise 16 Stunden extrahiert. Im
Säuregefäß A befanden sich Zoo ccm foa/oige Schwefelsäure. Nach dieser Extraktionsdauer
waren im Säuregefäß A 94,4%, im Destillationsgefäß B 2,3% und im Extraktor C 3,3
% Alkaloide vorhanden. Der Reinheitsgrad der aus dem Säuregefäß A gewonnenen Alkaloide
betrug 81,5 0/0. Eine Extraktionsdauer von zweimal 8 Stunden erwies sich demnach
als ausreichend.
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Vergleichsversuche mit den aus der Literatur bekannten Verfahren zur
Gewinnung von Alkaloiden aus Drogen zeigten folgende Ergebnisse.
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Nach dem in Ullmann, Enzyklopädie der technischen Chemie, 1932, 2.
Auflage, Bd. 9; S. 526, beschriebenen Verfahren erfolgt die Kaltextraktion mit Alkohol.
Die erhaltenen Rohalkaloide sind gelbbraun. Die Ausbeute beträgt nur 28% der Theorie,
und der Reinheitsgrad ist im Durchschnitt 79"/o. Der Reinheitsgrad der nach diesem
Verfahren erhaltenen Alkaloide ist also verhältnismäßig gut, die Ausbeute dagegen
schlecht.
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Nach dem in U 11 m a n n, a. a. O., 1928, 2. Auflage, Bd. i, S. 222,
beschriebenen Verfahren erfolgt die Extraktion der mit Soda vermischten Droge mit
Äther. Die erhaltenen Rohalkaloide sind braun und harzig, der Reinheitsgrad liegt
bei 52 %, und die Ausbeute beträgt nur etwa 4% der Theorie.
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Nach dem in Bios Final Report Nr. 766, S. 2o8, beschriebenen Verfahren
erfolgt die Extraktion mit Benzol in Gegenwart von Soda. Der Reinheitsgrad der erhaltenen
Rohalkaloide liegt bei 4:2"/0, und die Ausbeute beträgt nur 2 bis 3 % der Theorie.
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Aus diesen Vergleichsversuchen ergibt sich, daß nach dem neuen Verfahren
wesentlich bessere Ausbeuten und außerdem verhältnismäßig reine Alkaloide erhalten
werden können. Die in einem einzigen Arbeitsgang gewonnenen Rohalkaloide sind bereits
bei der ersten Ausfällung fast weiß. Die Verunreinigungen bestehen zum Teil aus
mitgerissenen Kalksalzen, die leichter zu entfernen sind als organische Verunreinigungen.