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Verfahren zur Gewinnung von Morphin und Codein Immer und immer wieder
hat das Problem, die Opiumalkaloide statt aus dem eingetrockneten Milchsaft des
Mohns unmittelbar aus der unreifen oder reifen Mohnpflanze zu gewinnen, die Forscher
beschäftigt. Es sind auch bereits auf einige Verfahren zur Herstellung der Opiumalkaloide
unmittelbar aus der Pflanze Patente ausgefolgt worden (Patentschriften 232 126,
524 964, französische Patentschrift 748 3o8).
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Durch die französische Patentschrift 675 072 ist ein Verfahren bekanntgeworden,
nach dem die Alkaloide aus Drogen dadurch gewonnen werden, daB ein mit Hilfe einer
Salzlösung, der Alkali- oder Erdalkalihydrate zugesetzt werden, in einem Zirkulationssystem
hergestellter Drogenauszug im gleichen Zirkulationssystem mit einem organischen
Lösungsmittel ausgezogen wird. Dieses Verfahren ist für die technische Herstellung
vieler Alkaloide, insbesondere von Morphin, unbrauchbar. Nach dem Verfahren der
französischen Patentschrift wird die Pflanze mit wässerigen Alkalien (und Salzen)
bei ein und derselben Wasserstoffionenkonzentration extrahiert wie nachher die wässerige
Lösung mit dem organischen Lösungsmittel. Nach dem neuen Verfahren werden diese
zwei Extraktionen bei zwei verschiedenen pH-Werten ausgeführt. Es findet somit eine
Umstellung der Wasserstoffionenkonzentration statt, die bei dem kontinuierlichen
Verfahren der französischen Patentschrift gar nicht möglich ist.
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Diese Umstellung der Wasserstoffionenkonzentration ist für den Erfolg
des beanspruchten Verfahrens von ausschlaggebender Bedeutung.
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Angaben über die Menge des verwendeten Calciumhydroxyds sind in -der
französischen Patentschrift nicht enthalten. Das vorliegende Verfahren arbeitet
mit Zusätzen von io °/o. Diese Zusätze bedingen die Entstehung einer sehr stark
alkalisch reagierenden Lösung vom PH #-- 13, wie mit PH-Papier nach Dr. Höll
festgestellt wurde.
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Versucht man nun, aus calciumhydroxydalkalischen Mohnfiltraten ohne
Umstellung des pH -Wertes auf 9, d. h. also nach dem Lösungsprinzip der französischen
Patentschrift 675 o72, unmittelbar Morphin durch organische Lösungsmittel zu extrahieren,
so stellt man fest, daß dies praktisch unmöglich ist: Auch nach mehrmaligem Ausschütteln
findet sich kein Morphin im organischen Lösungsmittel; es bleibt in der wässerigen
Lösung. Die Erklärung hierfür ist in dem bekannten amphoteren Charakter des Morphins
zu suchen. Morphin bildet mit Calciumhydroxyd (wie mit allen starken Alkalien und
Erdalkalien) ein Salz (Nagers Handbuch der pharmaceutischen Praxis, II. Band [igig],
S. 396 Zeile io von unten), welches
ähnlich wie das Natriumphenolat
in organischen Lösungsmitteln praktisch unlöslich ist, in Wasser sich dagegen-leicht
löst. Die Extraktion mit crgänischeg-'---Lösungsmittel.rx wird erst durch die Umstellung
des p Wertes der stark alkalischen Lösung möe lich. Diese Umstellung, welche bei
der alkak Tischen Extraktion auch durch Zusatz von Ammoniumchlorid und bei der sauren
Extraktion durch Zusatz von Natriumcarbonat herbeigeführt werden kann, bewirkt den
Erfolg des beanspruchten Verfahrens.
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Wenn auch aus der französischen Patentschrift 675 072 eine Einschränkung
auf Vaselinöl als organisches Lösungsmittel nicht erkennbar ist, so geht aus der
wiederholten Erwähnung des Vaselinöls, insbesondere auch aus dem Satz auf S. 2,
linke Spalte, Zeile 14 und 15: » ... lequel, suivant 1'invention, est constitue
par de 1'huile de vaseline. -. . «, hervor, daß der Erfinder dieses Lösungsmittel
als ganz besonders geeignet für sein Verfahren angesehen hat. Es kann daher mit
Sicherheit angenommen -werden, daß er niemals versucht hat, sein Verfahren auf morphinhaltige
Pflanzen anzuwenden, sonst hätte er Vaselinöl nicht als einziges organisches Lösungsmittel
empfehlen können. Durch Versuche wurde nämlich festgestellt, daß zur Auflösung eines
Gewichtsteiles Morphinbase mehr als ro ooo Gewichtsteile Vaselinöl erforderlich
sind. Calciummorphinat ist in diesem Lösungsmittel noch schwerer löslich.
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Zusammenfassend ist zu sagen, daß zwischen - dem - Verfahren der französischen
Patentschrift 675 072 und dem vorliegenden Verfahren ein grundsätzlicher
Unterschied besteht. Nach dem Verfahren der französischen Patentschrift werden beide
Extraktionen, diejenige der Pflanze und diejenige der wässerigen Lösung, bei ein
und demselben pH ausgeführt. Nach dem vorliegenden Verfahren .erfolgt die wässerige
Extraktion der Pflanze bei einem pH, bei dem das Morphin in Wasser gut löslich ist,
wobei infolge des amphöteren Charakters dieses Alkaloids sowohl sauer wie alkalisch
extrahiert werden kann. Dann wird auf ein pH von etwa 9 umgestellt, wodurch die
Morphinbase frei wird und, durch geeignete organische Lösungsmittel extrahiert werden
kann, Wenn die fabrikmäßige Morphingewinnung unmittelbar aus der Pflanze bis jetzt
nur vereinzelt durchgeführt wurde, erklärt sich dies aus den großen Schwierigkeiten,
welche die Verarbeitung der sehr geringe Mengen Alkaloid, dafür aber sehr große
Mengen Verunreinigungen .enthaltenden Auszüge verursacht. Bisher hat man die sehr
verdünnten' Alkaloidlösungen stets eingedampft (vgl- hierzu auch Arch. f. Pharmazie
248 [191O] S. 555) und die Verunreinigungen durch Ausfällung beseitigt. Die
Umkehrung dieser Arbeitsweise, nämlich die rxtraktion der Alkaloide aus den verdünnten
jnsungen, erschien undurchführbar und rde noch von keiner Seite versucht, da 'anän
lästige Emulsionsbildung und einen gleichzeitigen Übergang der Verunreinigungen
mit den Alkaloiden in das zur Extraktion verwendete organische Lösungsmittel annehmen
mußte.
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Es wurde nun gefunden, daß die Extraktion der Alkaloide aus dem in
gewaltigem Überschuß vorhandenen wässerigen Lösungsmittel und die Abtrennung von
den' großen Mengen Verunreinigungen mit geeigneten organischen Lösungsmitteln in
technisch sehr wirtschaftlicher und leicht durchführbarer Weise gelingt und daß
dabei Ausbeuten erzielt werden, welche diejenigen, die bisher mit technischen Verfahren
erhalten worden sind, um ein Mehrfaches übertreffen.
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Die wässerigen, wässerig-sauren oder wässerig-alkalischen Auszüge
von unreifen oder reifen Mohnpflanzen oder Teilen derselben werden durch Zugabe
von schwachen Alkalien, wie Natrium- oder Ammoniumcarbonat, oder von Säuren auf
ein PH von ungefähr 9 eingestellt. Aus der so vorbereiteten Lösung werden die Alkaloide
mit organischen Lösungsmitteln, die Morphin und Codein lösen und leicht wieder freigeben,
wie Chloroform, Butanol, Amglalkohol u. dgl., oder durch Mischungen solcher Lösungsmittel
extrahiert. Morphin und Codein werden von den organischen Lösungsmitteln aufgenommen,
ohne daß dabei eine lästige Emulsionsbildung auftritt oder wesentliche Mengen von
Verunreinigungen mitgehen. Aus dem organischen Lösungsmittel können die Alkaloide
in üblicher Weise, z. B. durch Überführung in konzentrierte wässerige Alkaloidsalzlösung,
durch Ausrühren mit verdünnten Säuren und Fällung der Alkaloide leicht gewonnen
werden. Nach dem Entzug der Alkaloide ist das organische Lösungsmittel nicht wesentlich
verunreinigt, es kann ohne Destillation zur weiteren 'Extraktion Verwendung finden.
Dadurch ist es möglich, die Alkaloide, trotzdem sie in sehr großer Verdünnung vorliegen
und trotzdem der Verteilungskoeffizient für Morphin zwischen Wasser und organischem
Lösungsmittel allgemein nicht besonders günstig ist, mit kleinen Mengen organischer
Lösungsmittel vollständig und in sehr wirtschaftlicher Weise zu extrahieren., Die
viel höheren Ausbeuten, die mit dem neuen Verfahren erzielt werden, erklären sich
dadurch, daß bei den bisher gebräuchlichen Methoden durch das lange Eindampfen
und
besonders durch Okklusion und Adsorption bei der Fälltmg der Verunreinigungen große
Mengen von Alkaloiden verlorengehen, während beim.; vörliegenden Verfahren diese
Verlustquellen vermieden werden.
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Beispiel i 6 Tonnen zerkleinertes, lufttrockenes Mohnstroh, das zu
einem guten Teil aus Köpfen besteht, werden in 6 Ansätzen zu je einer Tonne mit
Wasser im Gegenstrom, also nach dem Anreicherungsprinzip, ausgezogen. Die ungefähr
2o m3 betragende Lösung wird nach Einstellung mit Soda auf ein p H von ungefähr
9 in einer Flüssigkeitsextraktionskolonne mit einer Mischung gleicher Raumteile
Butanol und Benzol extrahiert. Das aus der Kolonne abfließende, mit den Alkaloiden
beladene Extraktionsmittel leitet man durch wässerige Säure, welche die Alkaloide
aufnimmt, worauf die Butanol-Benzol-Mischung zur Fortsetzung der Extraktion der
wässerigen Lösung benutzt wird. Die vollständige Überführung der Alkaloide aus dem
wässerigen Pflanzenextrakt in die Säurelösung gelingt in weniger als 48 Stunden.
Die saure Alkaloidlösung wird bei 500 mit gepulvertem Natriumcarbonat auf ein pH
von ungefähr 9 gebracht und das dabei .ausfallende Morphium vom Lösungsmittel abgetrennt.
Dem Filtrat entzieht man das Codein mit Benzol und reinigt es über das Sulfat. Es
werden auf diese Weise 34,6 kg trockenes Rohmorphin mit einem Gehalt von 83,87 °/o
reiner wasserfreier Morphinbase, entsprechend 4,84 °/o der lufttrockenen Mohnpflanzen,
sowie 1,2 kg wasserfreie Codeinbase erhalten.
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Beispiel 2 iooo kg trockene, zerkleinerte Mohnpflanzen werden finit
7ooo l Wasser verrührt. Nach einigen Stunden setzt man ioo kg Calciumhydroxyd zu
und sorgt für gründliche Mischung. Die Brühe reagiert sehr stark phenolphthalein-alkalisch.
Es folgt die Filtration und anschließend das Auswaschen des Rückstandes, wobei die
Filtrate getrennt aufgefangen und zum Ansetzen und Auswaschen einer zweiten Menge
von iooo kg verwendet werden. Die getrennt gesammelten Filtrate werden, besonders
wenn sie nicht sofort zur Aufarbeitung gelangen, mit verdünnter Salz- oder Schwefelsäure
auf Lackmus neutral oder schwach sauer gestellt. Sechs solcher iooo kg-Ansätze geben
eine Flüssigkeitsmenge von :etwa 25 m3. Durch Zusatz von wenig Salzsäure wird die
Alkaloidlösung schwach angesäuert und dann mit gepulvertem Natriumcarbonat das pH
der Lösung auf etwa 9 eingestellt. Nach dem Abfiltrieren einer geringfügigen Calciumcarbonatausscheidung
werden die Alkaloide durch Behandlung mit einer Mischung von etwa je iooo Z Butanol
und Benzol herausgelöst und wie in.Beispiel i gewonnen. Beispiel 3 ioo kg Mohnköpfe
werden nach dem im Deutschen Arzneibuch 3. Ausgabe S. 277 beschriebenen Verfahren
ausgezogen und die im Filtrate vorhandenen geringen Alkoholmengen im Vakuum abgedampft.
Das PH der wässerigen Lösung wird hernach durch Zusatz von Amrnoniumcarbonat auf
etwa 9 eingestellt und die Morphin- und Codeinbase mit Amylalkohol ausgezogen. Die
Überführung des Morphins und Codeins aus dem organischen Lösungsmittel in verdünnte
wässerige Säurelösung und die Isolierung der reinen Alkaloide geschieht in bekannter
Weise.
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Beispiel 4 iooo kg zerkleinerte, naturfeuchte, unreife Mohnpflanzen
werden mit angesäuertem Wässer erschöpfend ausgezogen und die etwa gooo L betragende
wässerige Lösung im Vakuum auf 6ooo L eingeengt. Die weitere Verarbeitung des wässerigen
alkaloidhaltigen Auszuges erfolgt wie in Beispiel 3.