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Verfahren zur Herstellung organischer Cyanverbindungen Es ist bereits
bekannt, organische Cyanverbindungen durch Umsetzen von organischen Halogenverbindungen
mit Kupfer(i)-cyanid herzustellen. Zwar führt in einigen Fällen das Zusammenschmelzen
der Ausgangsstoffe zum Ziel, doch bedient man sich dabei meist solcher Lösungsmittel,
die sowohl die Halogenverbindung und insbesondere auch das Kupfer(i)-cyanid lösen.
Als Lösungsmittel wurden bisher ausnahmslos Pyridin, Chinolin, Benzylcyanid oder
auch Acetonitril verwendet, von denen bekannt ist, daß sie mit dem Kupfer(i)-cyanid
additionelle Verbindungen liefern. Die Verwendung dieser Lösungsmittel ist aber,
abgesehen von ihrem hohen Preis, mit so großen Nachteilen verbunden, daß der Austausch
von Halogen gegen die Cyangruppe auf diesem Wege nur in wenigen Fällen zu einem
technisch brauchbaren Ergebnis geführt hat. So erfordert das Arbeiten mit Acetonitril
oder Pyridin wegen des niedrigen Siedepunktes dieser Verbindungen meist die Verwendung
geschlossener Gefäße, da die Umsetzung meist oberhalb des Siedepunktes verläuft.
Trotzdem ist auch hier die Umsetzungsdauer noch so lang, daß sich oft Nebenumsetzungen
nicht vermeiden lassen, die die Ausbeute und Reinheit des Endstoffes ungünstig beeinflussen.
Selbst bei der bekannten Verwendung von nur 1,a5 Mol - Pyridin auf i Mol Kupfercyanür
beim Austausch von am Ringkohlenstoff gebundenen Halogen gegen die Cyangruppe ist
ein längeres- Erhitzen im geschlossenen Gefäß auf igo bis 31o° erforderlich. Benzylcyanid
neigt bei längerem Erhitzen zu Zersetzung und beteiligt sich oft in unerwünschter
Weise an der Umsetzung, so daß es nur in bestimmten Fällen unter Einhaltung besonderer
Vorsichtsmaßnahmen mit befriedigendem
Erfolg verwendet werden kann.
Chinolin und auch Pyridin bewirken häufig in Gegenwart von Kupfersalzen eine weitere
Veränderung des erwarteten Endstoffs, so daß man oft an Stelle der monomeren Nitrile
deren Polymerisationsprodukte erhält.
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Es wurde nun gefunden, daß man die Nachteile, die mit der Verwendung
dieser stickstoffhaltigen Lösungsmittel verbunden sind, vermeiden kann und in einfacher
Weise aus organischen Halogenabkömmlingen ringförmiger Verbindungen, mit Ausnahme
von o-Halogencarbonsäuren, die entsprechenden Cyanverbindungen in guter Ausbeute
und Reinheit erhält, wenn man diese mit Kupfer(i)-cyanid inVerdünnungsniitteln,
in denen Kupfer(i)-cyanid unlöslich ist, in Gegenwart von etwa i Mol oder weniger
von Zusatzstoffen, die das Kupfer(i)-cyanid im Umsetzungsgemisch löslich machen,
umsetzt. Die als Ausgangsstoffe in Betracht komnienden Halogenabkömmlinge ringförmiger
Verbindungen können den verschiedensten Reihen angehören. Die auszutauschenden Halogenatome
können dabei an einem Ringkohlenstoffatom oder bzw. und an einem in offener Kette
befindlichen Kolilenstoffatorn sitzen. Man kann also beispielsweise von Halogenverbindungen
der Benzol-, Naphthalin-, Anthracen-, Diphenyl-, Phenanthren-, Pyren- oder Chrysenreihe
oder auch von den Halogenabkömmlingen der entsprechenden lieterocyclischen Verbindungen
ausgehen, also etwa von halogenhaltigen Pyridinen, Chinolinen, Azaphenanthrenen,
Chinazolinen, Pyrazinen, Diphenylenoxyden, Acridonen, Thioxanthronen, Carbazolen,
Anthrapyrimidinen und Azabenzanthronen. Als Halogenabkömmlinge kommen vor allem
die Chlor- und Bromverbindungen in Betracht. Besonders gut verläuft die Umsetzung,
wenn man von den Brom- oder Jodverbindungen ausgeht. Wenn man als Ausgangsstoffe
Chlorverbindungen benutzt, wählt man vorteilhaft solche, bei denen das Chlor durch
die Art seiner Stellung, insbesondere durch bestimmte benachbarte Atome oder Atomgruppen,
beweglich gemacht ist. Verbindungen mit derartig beweglichen Chloratomen sind z.
B. o-Chlorphthaloylverbindungen, wie i-Chloranthrachinone, oder S-Chlorchinoline,
weiterhin" Halogenabkömmlinge von Verbindungen mit am Ring gebundenem Chlor, bei
denen in Nachbarstellung-zum Chlor etwa Nitro- oder abgewandelte Carboxylgruppen
vorhanden sind. Als sogenannte Lösungsvermittler kommen im allgemeinen solche Stoffe
in Betracht, die Anlagerungs- oder Doppelverbindungen mit dem Kupfer(i)-cyanid zu
bilden vermögen. Es seien beispielsweise folgende Verbindungen genannt: Basen von
der Art des.Uyridinz oder Chinolins und die entsprechenden hydrierten `'erbindungen
(z. B. Piperidin, Luti-(Ain, Hydrochinoline), Cyclohexylamine, Azaplienanthrene,
,ferner Alkyl-, Aralkyl- und Arylamine sowie Alkylol-, Di- und Triallcylamine, ferner
aliphatische Säurenitrile, wie Acetonitril oder Propionitril, oder auch Aralky1cyanide,
wie Benzylcyanid oder Arylcyanide (Benzonitril). Im allgemeinen kann man den am
besten geeigneten Lösungsv ermittler durch einen einfachen Torversuch leicht ermitteln.
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Lösungsmittel, die Kupfer(i)-cyanid nicht zu lösen vermögen, sind
beispielsweise Kohlenwasserstoffe, wie Xylol oder Naphthalin, ferner Nitrokolilenwasserstoffe,
wie N itrobenzol oder Nitronaphthalin, oder auch, besonders in solchen Fällen, in
denen ein verliähnismäßig leicht austauschbares Halogenatom durch die Cyangruppe
ersetzt werden soll, Halogenbenzole, wie Dichlor- oder Trichlorbenzol. Im allgemeinen
genügt es für eine befriedigende Durchführung der Umsetzung, etwa die berechnete
Menge oder nur einen geringen Überschuß des Kupfer(i)-cyanids anzuwenden. Man arbeitet
also meistens so, daß man die Halogenverbindung in einem der üblichen Lösungsmittel
auflöst und das Kupfer(i)-cyanid in Gegenwart »von etwa i Mol oder weniger des Zusatzstoffes,
der als Lösungsvermittler das Kupfer(i)-cyanid im Umsetzungsgemisch löslich macht,
einwirken läßt. Dabei ist es nicht erforderlich, von fertigem Kupfer(i)-cyanid auszugehen,
vielmehr kann man dieses auch zu Beginn oder während der Umsetzung entstehen lassen,
z. B. aus Kupfer(2)-salz und Alkalicyaniden.
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Die bei der Umsetzung von Halogenverbindungen mit Kupfer(i)-cyanid
bisher verwendeten stickstoffhaltigen Lösungsmittel werden bei vorliegendem Verfahren
entweder überhaupt nicht oder nur in solcher Menge verwendet, daß sie während der
Umsetzung an das Kupfer(i)-cyanid oder das entstehende Kupfer(i)-halogenid gebunden
sind. Sie sind demnach im Umsetzungsgemisch nicht frei vorhanden und können keinen
Anlaß zu den erwähnten Nebenumsetzungen geben oder zu sonstigen Nachteilen bei der
Umsetzung führen. Daraus erklärt sich der glatte und saubere Verlauf der Umsetzung
nach dem vorliegenden Verfahren. Die Bindung des Lösungsvermittlers an das Kupfer(i)-cyanid
bewirkt, daß man das Umsetzungsgemisch auf die zur Umsetzung erforderliche Temperatur
erhitzen kann, ohne den Siedepunkt des Lösungsvermittlers berücksichtigen zu müssen,
und das Lösungsmittel unbeschadet des etwa niedrigen Siedepunktes des Lösungs-_
vermittlers
der jeweilig erforderlichen Ümsetzungstemperatur anpassen kann. Da man dabei das
Lösungsmittel stets so wählen kann, daß sein Siedepunkt höher als die Umsetzungstemperatur
liegt, kann die Verwendung eines geschlossenen Gefäßes in allen Fällen vermieden
werden.
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Das neue Verfahren ist allgemeiner Anwendung fähig, während die früheren
Arbeitsweisen fast immer nur in bestimmten Fällen brauchbare Ergebnisse lieferten.
Insbesondere eröffnet es einen einfachen Weg zu einer Reihe bisher entweder nur
umständlich herstellbarer oder noch nicht bekannter Cyanverbindungen.
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Die Ausbeuten bei dem neuen Verfahren sind im allgemeinen sehr gut
und entsprechen in manchen Fällen den berechneten. Auch sind die Endstoffe meistens
sehr rein. Erforderlichenfalls kann man sie in der üblichen Weise reinigen, z. B.
durch Umsieden, gegebenenfalls unter vermindertem Druck und bzw. oder mittels Wasserdampf,
durch Sublimieren oder, in geeigneten Fällen, auch über ihre Salze. Vielfach kann
man den Endstoff von dem beigemengten Kupfer(i)-halogenid durch Behandeln mit starken
Halogenwasserstoffsäuren, vor allem mit Salzsäure, befreien, wobei -sich als weiterer
Vorteil ergibt, daß sich die entstehende Lösung des Kupfer(i)-halogenids leicht
durch Behandeln mit Alkalicyaniden und etwas schwefliger Säure wieder in das Kupfer(i)-cyanid
überführen läßt, das dann für weitere Umsetzungen zur Verfügung steht.
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Die so erhältlichen Verbindungen können in verschiedenster Weise zur
Herstellung von Farbstoffen benutzt werden. In manchen Fällen haben sie bereits
selbst färberische Eigenschaften. Vielfach lassen sie sich auch bequem verseifen
und liefern so die zugehörigen Carbonsäuren. In manchen Fällen kann man sie auch
als Arzneimittel oder zur Herstellung von Heilmitteln verwenden.
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Die in nachstehenden Beispielen erwähnten Teile sind Gewichtsteile.
Beispiel i Eine Lösung von 5oo Teilen i-Chlor-2-aminoanthrachinon, Zoo Teilen Kupfer(i)-cyanid
und 23o Teilen Cyclohexylamin in 2d.oo Teilen Nitrobenzol erhitzt man so lange auf
16o bis 165°, bis eine Probe rein blaue Küpe liefert, was nach einigen Stunden der
Fall ist. Nach dem Erkalten saugt man ab und wäscht den Rückstand mit Nitrobenzol
und dann mit verdünnter Salzsäure und Wasser aus. Man erhält so das i-Cyan-a-aminoanthrachinon
in der berechneten Ausbeute in Form gelbroter Nadeln, die sich in starker Schwefelsäure
mit gelber Farbe lösen und eine blaue Küpe liefern. Man kann an Stelle des Cyclohexylamins
auch Pyridin, Piperidin oder Triäthanolamin als Lösungsvermittler verwenden.
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Ebenso erhält man aus i-Chlord.-amino- oder 5-aminoanthrachinon das
i-Cyan-4-amino- oder 5-aminoanthrachinon. Beispiel 2 Man erhitzt eine Mischung von
25o Teilen 2-Bröin-i-aminoanthrachinon, 8o Teilen Kupfer(i)-cyanid, 75 Teilen Pyridin
und goo Teilen Nitrobenzol so lange auf Zoo bis 2io°, bis kein Ausgangsstoff mehr
nachweisbar ist, und arbeitet es auf die in Beispiel i beschriebene Weise auf. Man
erhält so in der berechneten Ausbeute i-Amino-2-cyananthrachinon.
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In gleicher Weise kann man 2-Amino-3-bromanthrachinon in 2-Amino-3-cyananthrachinon
überführen.
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2-Brom-3-oxyanthrachinon liefert bei derselben Behandlung 2-Cyan-3-oxyanthrachinon.
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Beispiel 3 Ein Gemisch von 31 Teilen Bzl-Brom-8-azabenzanthron, 9,8
Teilen Kupfer(i)-cyanid, 8,7 Teilen Pyridin und i 5o Teilen Nitrobenzol erhitzt
man einige Stunden lang-auf i8o°. Nach dem Abkühlen saugt man das entstandene Bzl-Cyan-8-azabenzanthron
ab, wäscht mit Alkohol, dann mit verdünnter Schwefelsäure und schließlich mit Wasser
aus. Es bildet strohgelbe Nadeln, die bei 305 bis 3o6° schmelzen und sich
in starker Schwefelsäure mit gelber Farbe und grüner Fluoreszenz lösen. Die Ausbeute
entspricht nahezu der berechneten (98 0/9).
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Beispiel ¢ Eine Mischung von 5o Teilen i,8-Chlornitronaphthalin, 22
Teilen Kupfer(i)-cyanid, i9 Teilen Pyridin und 5o Teilen Nitrobenzol erhitzt man
einige Stunden lang auf igo bis 195°. Dann dampft man das Nitrobenzol mit Wasserdampf
ab und reinigt den Rückstand durch Auswaschen mit konzentrierter Salzsäure und Wasser.
Man erhält so das i,8-Cyannitronaphthalin mit einer Ausbeute von über 9o 0% der
berechneten. Durch Umlösen aus siedendem Alkohol wird die Verbindung vollkommen
rein (Schmelzpunkt i38°) erhalten.
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Beispiel 5 Man erhitzt eine Mischung von ioo Teilen Dibromallomesonaphthodianthron,
32 Teilen Kupfer(i)-cyanid, 29 Teilen Pyridin und 36o Teilen Nitrobenzol etwa 6
bis 8 Stunden lang auf Zoo bis zo5° und arbeitet sie dann in der im Beispiel i angegebenen
Weise auf.
Man erhält in der berechneten Ausbeute das Dicyanallomesonaphthodianthron
inForm rotbrauner Kristalle; die Verbindung . färbt aus violetter Küpe Baumwolle
in gelbroten Tönen. Beispiel 6 Eine Lösung von 5oo Teilen 2-Acetylamino-3-bromanthrachinon,
25oo Teilen Nitrobenzol, z26 Teilen Pyridin und 143 Teilen Kupfer(i)-cyanid wird
2 Stunden lang auf 185 bis igo° erhitzt. Nach dem Abkühlen saugt man das entstandene
2-Acetylamino-3-cyananthrachinon ab. Man erhält es vollkommen rein durch Waschen
mit Methanol, starker Salzsäure und schließlich mit Wasser. Es schmilzt bei 32o
bis 321°. Die Ausbeute beträgt 95 °%.
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Beispiel 7 Ein Gemisch von 4-.l. Teilen 3', 5', 6'-Trichloranthrachinonbenzacridon,
loTeilen Kupfer(i)-cyanid, 12 Teilen Pyridin und q.oo Teilen Nitrobenzol erhitzt
man unter Rühren 2 Stunden lang zum Sieden. Nach dem Abkühlen saugt man den Kristallbrei
ab, wäscht ihn mit Nitrobenzol und Methanol und befreit ihn mit verdünnter Salpetersäure
von den Kupfersalzen. Man erhält so in einer Ausbeute von 95 °Jfl ein Monocyandichloranthrachinonbenzacridon
in Form rotbrauner .Tadeln, die sich in starker Schwefelsäure mit gelber Farbe lösen.
Die Verbindung färbt Baumwolle aus blauvioletter Küpe in orangen Tönen.
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Geht man vom q., 3', 5'-Trichloranthrachinonbenzacridon aus, so erhält
man auf dieselbe Weise q.-Cyan-3', 5'-dichloranthrachinonbenzacridon in Form eines
rosastichigen dunkelbraunen Kristallmehls. Die Verbindung ist in starker Schwefelsäure
mit orangegelber Farbe löslich und färbt Baumwolle aus blauvioletter Küpe in roten
Tönen.