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Verfahren zur Oxydation ungesättigter Alkohole der Cyclopentanopolyhydrophenanthrenreihe
Die chemische Hormonforschung der letzten Jahre hat ergeben, daß viele dieser physiologisch
und pharmakologisch so wichtigen Stoffe, insbesondere die Sexualhormone, polycyclische
Ketone sind. So wurde z. B. gefunden, daß das Progesteron, der wirksame Stoff des
Corpus luteums, d-4, 5-Pregnendion (3,2o) und daß das Testosteron d-4, 5-Androstenol-(17)-on-(3)
sind. Man hatte diese und viele andere Hormone, die ebenfalls polycyclische Ketone
sind, auch schon halbsynthetisch (aus Cholesterin, Stigmasterin usw.)hergestellt,
und zwar außer dein Progesteron (B u t e n a n d t u. M. Z. Phys. Chem. 227, 84,
1934; Ber. 67 B, 1611, 2085, 1934 und Fernholz, Ber.67, 1855, 29027,
1934) und dem Testosteron (R u z i ck a u. M. Helv. Chim. Acta 18, 1264, 1478,1935)
dasMethyltestosteron(Ruzicka, Goldberg, Rosenberg, Helv. Chim. Acta 18,1487,193
5), das Androstendion (Ruzicka, W e t t s t e i n, Helv. Chim. Acta 18, 986, 1935)
usw.
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Zur Darstellung von polt' cyclischen Ketonen wie den soeben genannten,
die außer einer Ketogruppe eine Doppelbindung haben, ging man bei den bisher bekannten
Verfahren von Stoffen aus, die, abgesehen von evtl. Seitenketten, am Kohlenstoffatom
C$ eine Hydroxylgruppe und zwischen den Kohlenstoffatomen C;, und Q eine Doppelbindung
haben. Mit diesen Substanzen müssen also in einem Stadium der Halbsynthese die gleichen
chemischen
Umsetzungen geschehen, die bei der Darstellung von Cholestenon
aus Cholesterin stattfinden. Für die letztgenannte Reaktion sind zwei Verfahren
beschrieben. Die 1 s (Ber. 37, 3099, 19o4) hat Cholesterin mit Kupferoxyd
bei 28o bis 300° C zusammen geschmolzen und hierbei Cholestenon mit einer Ausbeute
voll 65 °/o erhalten. Andererseits haben Windaus und Abderhalden (Ber. 39, 518,
i 9o6) an die Doppelbindung des Cholesterins die berechnete Menge Brom addiert,
das Dibromid K Mn 04 oder Cr 0g zum Dibromketon oxydiert und dieses darauf wieder
eiltbromt, wobei sie ebenfalls Cholestenon mit 6o bis 6511, Ausbeute erhalten haben.
Beide Verfahren hat man schon zur Darstellung polycyclischer betone aus Alkoholen
angewandt, z. B. bei Progesteron die Oxydation mit Kupferoxyd nach Die 1 s (F e
r n 1i o l z , Ber. 67, 2030, z934). Hierbei wurden jedoch nur 4°/o Ausbeute erhalten,
was im Hinblick auf ,die energisdheBohandIting verständlichist.
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Das andere Verfahren (über die Bromderivate) ist das allgemein übliche
zur Darstellung ungesättigter polycyclischer Ketone. Nach diesem Verfahren wurde
z. B. aus ._1-5, 6-Preglienol- (3) -on- (2o) kristallisiertes Progesteron mit einer
Ausbeute von 35 bis .I0°/, erhalten (Butenandt, Der. 69, 443, 1936). Dieses
Verfahren wurde auch bei der Darstellung von Testosteron und ilZethyltestosteron
angewandt, jedoch ebenfalls mit verhältnismäßig schlechten Ausbeuten, die niemals
höher als 5o11, waren (R u z i c 1c a . loc, cit.). Diese großen Verluste sind auf
die komplizierte Reaktion (zwei Zwischenprodukte) zurückzuführen, und außerdem müssen
bei den Umsetzungen alle Bedingungen, die jedoch voll Fall zu Fall wechseln, so
günstig wiemöglicheingehaltenwerden (Butenandt, Ber.67, 2087, 1934, Fernholz,
Ber.67, 2029, 11934).
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Andere ",'erfahren zur rationellen Ausführung der Oxydation sind bisher
nicht bekannt. Allerdings hat Schönheimer (J. Biol. Clieni. 11o, d.61, 1935) eine
Abänderung des zuletzt genannten Verfahrens beschrieben, wobei er Cliolestenon mit
guter Ausbeute aus Cholesterindibrornid, dein Bromierungszwischenprodukt, erhält.
Dadurch werden aber die Verluste der gesamten Reaktion nur teilweise vermieden,
und außerdein läßt sich dieses Verfahren nicht mit dem gleichen Erfolg auf die Stoffe
anwenden, die gemäß dem vorliegenden neuen Verfahren dargestellt werden können.
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Es ist gelungen, ungesättigte polycyclische Alkohole auf einen völlig
neuen und außerordentlich einfachen Wege unter nahezu quantitativer Ausbeute zu
oxydieren. Es wurde nämlich gefunden, daß ungesättigte polycyclische Alkohole bei
Verwendung gewisser Alkoholate an andere Stoffe, die eine CO-Gruppe enthalten, zwei
Wasserstoffatome pro -Molekül und pro Hydrozylgruppe abzugeben vermögen. Hierbei
weiden z. B. Verbindungen vom Cholesterintypus zu solchen des Cholestenontypus oxydiert,
und zwar so milde, daß die Ausbeute nahezu gleich der theoretischen ist.
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Das neue Verfahren übertrifft die bisher bekannten Methoden in jeder
Hinsicht. Es besteht darin, daß man z. B. einen zu oxydierenden Sterinalkoliol mit
Alkoholaten 61
Aluminiums oder Magnesiumchlorids mit einem Überschuß eines
Ketons oder Aldehyds behandelt, und zwar zweckmäßig zur Erhöhung der Reaktionsg:5chwindigkeit
bei erhöllter Temperatur, 5o bis i-Io'' C, und dal inan gegebenenfalls die hierdurch
erhaltenen Oxydationsprodukte reinigt.
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Erfindungsgemäß kann man die Behandlung in Gegenwart eines indifferenten
Lösungsmittels für die Reaktionszwischenprodukte vornehmen, z. B. in Gegenwart von
Benzol. Mit Vorteil werden die ungesättigten polycyclischen Alkohole nach einer
Ausführungsforin der Erfindung in ungereinigter Form der Behandlung unterworfen.
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Ohne dieses Verfahren mit einer bestimmten Theorie verknüpfen zu wollen,
wird angenommen, daß die Reaktion so verläuft, daß aus dein ungesättigten polycyclischen
Alkohol (I) beispielsweise mit Aceton in Gegenhart von Aluminium- oder Magnesiumcliloridall;oholat
eineAdditionsveri>iiiduilg (II) entsteht, die in das a, (;-ungesättigte Keton (III)
und Isopropylall:ohol zerfällt.
Dieses Verfahren kann allgemein auf ungesättigte polycyclische Alkohole angewandt
werden, und zwar. außer auf die Sterinalkohole, z. B. Cholesterin, auch auf ungesättigte
polycyclische Oxyketone, z. B. Dehydroandrosteron, Pregnenolon usw., die dabei zu
Dihetonen oxydiert werden, sowie auf ungesättigte polycyclische Oxyester, z. B.
Androstendiolacetat-i7, usw. Es war besonders überraschend, daß die Estergruppe
von Oxyestern nicht während dieser Reaktion verseift wurde, denn es war bekannt,
daß Ester meistens mit Alkoholaten unter Verseifung reagieren. (Windaus und M. Ann.
520, ioo, 19z5.) Auch im Molekül vorhandene tertiäre OH-Gruppen stören bei
diesem Verfahren nicht, so daß es möglich ist, auf diese Weise aus i 7-Methylandrostendiol-(3,17)
Methyltestosteron darzustellen mit einer Ausbeute, die sich der theoretischen nähert.
(Vgl. Ruzicka, Helv. Chim. Actä. 18, 487, 1935.) Mit Hilfe des neuen Verfahrens
kann man ferner Stoffe synthetisieren, die man bisher überhaupt noch nicht darstellen
konnte, weil während der energischen Oxydation von Substanzen mit mehreren Doppelbindungen
gemäß den bemannten Verfahren Nebenreaktionen stattfinden. Beispielsweise hat man
das Ergostatrienon bisher noch nicht darstellen können, dessen Synthese nach dem
neuen Verfahren mit sehr hoher Ausbeute in Beispiels beschrieben wird.
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Zur Einführung des Aluminiums oder Magnesiumchlorids in die zu oxydierenden
Hydroxyde sind hauptsächlich tertiäre Alkohole, wie z. B. Triinethylcarbinol, Amylenhydrat,
Triphenylcarbinol, geeignet.
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Als Wasserstoffacceptoren können Ketone und Aldehyde der aliphatischen,_
alicyclischen und aromatischen Reihe verwandt werden. Der technische Fortschritt,
der durch dieses neue Verfahren erzielt wird, besteht darin, daß i. die Ausbeuten
ungefähr verdoppelt werden gegenüber denen der bisher bekannten Verfahren; 2. die
Ausführung der Reaktion außerordentlich einfach ist und nur einen Bruchteil der
bisher benötigten Zeit erfordert; 3. das Verfahren mit gleichem Erfolg auf rohe
Konzentrate angewandt werden kann. So kann man beispielsweise aus dem im Laufe der
Fabrikation des Dehydroandrosterons aus Cholesterin oder Sitosterin erhaltenen Mutterlaugen
der Ketone, aus denen das Dehydroandrosteron entfernt wurde; ein Progesteronkonzentrat
herstellen, was bisher technisch völlig unmöglich war.
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Viele der auf diesem Wege hergestellten ungesättigten Ketone können
therapeutisch verwandt werden. Beispiel i Cholestenon aus Cholesterin. io g Cholesterin
-,verden in ioo bis 130 cm3 Aceton unter Erwärmung gelöst, worauf man eine Lösung
von 2o g tertiärem Aluminiumbutylat in 30o cm3 wasserfreiem Benzol zufügt. Dieses
Gemisch wird 7 Stunden unter Rückflußkühlung erwärmt, dann zur Entfernung des Aluminiums
mit verdünnter Schwefelsäure ausgeschüttelt, die Benzolschicht mit Wasser gewaschen,
mit Natriumsulfat getrocknet und darauf zur Trockne eingedampft. Es hinterbleibt
praktisch reines Cholestenon, das beim Umkristallisieren, z. B.- aus Methanol, mit
einer Ausbeute von 9o bis 95 °1o der theoretischen auskristallisiert. Beispiel e
Androstendion aus Dehydroandrosteron. 2 g Dehydroandrosteron werden mit 2 g Aluminat
des Amylenhydrats und 8o g Acetophenon in i 5o cm' Benzol 14 Stunden unter Rückfluß
erwärmt, dann mit verdünnter Schwefelsäure hydrolysiert und die gewaschene und getrocknete
Benzollösung eingedampft. Der Rückstand wird im Hochvakuum fraktioniert destilliert
und -die bei 12o bis i¢o° C im Kathodenvakuum übergehende Fraktion ausÄtherumkristallisiert.
EswirdAndrostendion vom Schmelzpunkt 17o bis 172°C in einer Ausbeute von 8o bis
86°p .der Theorie erhalten.
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Beispiel 3 Methyltestosteron aus Methylandrostendiol. o,6 g 17-Methyl-d-5,
6-Androstendiol- (3, 17) werden in 5o cm' Benzol und 12 cm3 Aceton
mit
3 g tertiärem Chlormagnesiumbutylat, das durch Umsetzung von Aceton mit Methylmagnesiumchlorid
bereitet werden kann, 2o Stunden unter Rückfluß erwärmt. Die Aufarbeitung geschieht
xvie im Beispiel i und ergibt in über 750/, Ausbeute das bei 16o bis 16a° C schmelzende
Methy ltestosteron. Beispiel q. Testosteron aus Androstendiol. 0,79
17-Monoacetat
von Androstendiol-(3, 17) werden in 30 cm' Toluol und 8 cm3 Aceton mit i
g tertiärem Aluminiumbutylat 5 Stunden unter Rückfluß erwärmt. Weitere Aufarbeitung
wie in Beispiel i und zweite Ausbeute: 8o bis 9o01, der theoretischen bei 135 bis
139° C schmelzendes Testosteroacetat, bezogen auf die theoretisch zu erwartende
Ausbeute.
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Beispiel s Ergostatrienon aus Ergosterin. 1,5g Ergosterinwerden in
120 cm' Benzin vom Siedepunkt ioo bis 1a5° C heiß gelöst und mit einem Zusatz
von .2o g Aceton und i g tertiärem Aluminiumbutylat 8 Stunden unter Rückfluß erwärmt.
Aufarbeitung wie in Beispiel i. Es werden 1,12 kg kristallisiertes Ergostatrienon
in -Nadeln vom Schmelzpunkt 131 bis 1,2,5' C erhalten. Beispiel 6 Bei der Abtrennung
von Ketonen aus den \eutralteilen der Dehvdroandrosteronbereitung (aus Cholesterin)
mittels Girard-Reagenz hinterbleibt nach der Umsetzung mit Semicarbazid ein Teil
in Lösung. Diese Fraktion, die vor der weiteren Verarbeitung finit Schwefelsäure
hydrolysiert wird, enthält außer kleinen Resten Dehydroandrosteron und anderen Betonen
(las Pregnen-5-ol-3-oii-2o. =oo g dieser Fraktion (brauner Sirup) werden finit -20o
g tertiärem Alurniniumbutylat in 3 1 Cyclohetanon 5 Stunden unter Rückfluß gekocht.
Nach Hydrolyse mit verdünnter Schwefelsäure wird das Cyclohexanon im Vakuum abdestilliert.
Der Rückstand zeigt im Clauberg-Test die charakteristische Wirhung des Progesterons;
man kann aus i kg Cholesterin auf diese Weise etwa 3 bis 4ooo 1. E. gewinnen. Das
Produkt, ein brauner Sirup, ist noch sehr unrein; der Gehalt an Progesteron beträgt
etwa 5 bis 7 °/o. Es kann in an sich bekannter Weise gereinigt «-erden.
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Beispiel 7,
io g Cholesterin werden in 25o c& Benzol mit
4o- Benzaldehyd und 30- Aluminiumtert.-Butylat 7 Stunden unter Rückfluß erwärmt.
Dann wird mit verdünnter Essigsäure hydrolysiert, die Benzolschicht mehrere Male
mit Wasser gewaschen, eingedampft und mit Wasserdampf destilliert, bis nichts mehr
übergeht. Der Rückstand wird aus eisgekühltem :lfetlianol umgelöst. Ausbeute 6,2
g Cholestenon vom Schmelzpunkt So'.