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Verfahren zur Umwandlung von Polysacchariden Es ist bekannt, daß man
Polysaccharide, wie Cellulose, Stärke usw., in Glucose überführen kann, wenn man
sie bei erhöhter Temperatur längere Zeit mit verdünnter Flußsäure behandelt. Man
hat auch schon Flußsäure in konzentrierter flüssiger Form oder in gasförmigem Zustande
bei niederen Temperaturen auf Cellulose einwirken lassen und dabei Hydrocellulose
oder andere wasserunlösliche Umwandlungsprodukte der Cellulose erhalten. Weiter
ist vorgeschlagen worden, gasförmige Flußsäure auf angefeuchtetes cellulosehaltiges
Material, z.B. Holz, so lange einwirken zu lassen, bis es gequollen ist; man erhält
dabei eine schleimige, weiche Masse, die durch weitere Behandlung mit verdünnter
Säure verzuckert werden kann.
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Es wurde nun gefunden, daß man durch Behandlung von Polysacchariden
oder solche enthaltenden Stoffen mit Flußsäure zu wertvollenUmwandlungsprodukten
kommen kann, wenn man hochkonzentrierte oder wasserfreie Flußsäure in flüssigem
oder gasförmigem Zustand in Gegenwart von höchstens so °1o Wasser, bezogen auf die
gesamte Reaktionsmasse, so lange einwirken läßt, bis sich das Reaktionsprodukt auch
nach Entfernung der Flußsäure in Wasser löst.
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Die Dauer der Einwirkung richtet sich vor allem nach den Ausgangsstoffen,
der Konzentration der angewandten Flußsäure, dem Wassergehalt des Ausgangsmaterials
und der Arbeitstemperatur; so wird z. B. reine Cellulose von wasserfreier Flußsäure
bei o° und darunter schon in wenigen Minuten gelöst und in wasserlösliche Produkte
übergeführt. Ob das gegebenenfalls in der Reaktionsmasse vorhandene Wasser mit dem
Ausgangsmaterial, der Flußsäure oder als solches eingeführt wird, richtet sich nach
dem zur Verfügung stehenden Material. Im allgemeinen ist es vorteilhaft, bei niedriger
Temperatur zu arbeiten und dieFlußsäure in ganz oder nahezu wasserfreier Form anzuwenden.
Temperaturen über zoo° sind zu vermeiden, da sonst leicht unerwünschte Umwandlungen
unter Bildung dunkel gefärbter Stoffe eintreten. Bei Verwendung von zerkleinertem
Holz als Ausgangsmaterial findet eine Dunkelfärbung und Schrumpfung des Holzes statt,
wobei es jedoch seine trockene und bröcklige Beschaffenheit beibehält.
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Je nach den angewandten Ausgangsstoffen, der Konzentration der Flußsäure,
der Dauer der Einwirkung und den sonstigen Arbeitsbedingungen entstehen verschiedeneprodukte,
die jedoch alle ohne weiteres wasserlöslich sind; man kann Produkte erhalten, die
Fehlingsche Lösung mehr oder weniger reduzieren; die mit wasserfreier Säure bei
kurzer Behandlungsdauer entstehenden Stoffe reduzieren sie jedoch praktisch nicht.
Die
Flußsäure kann aus der Reaktion@-masse entweder in bekannter Weise durch Fällung
mit gelöschtem Kalk oder Calciumcarbonat oder durch Verdampfung bei niedriger Temperatur
entfernt werden. Letztere Arbeitsweise ist besonders vorteilhaft, wenn man mit hochkonzentrierter
Flußsäure arbeitet, da diese schon bei verhältnismäßig tiefer Temperatur, eventuell
durch Hindurchblasen eines Luftstroms, aus dem Reaktionsgefäß verdampft, durch Kühlung-
wieder kondensiert und ummittelbar für einen neuen Aufschluß verwendet werden kann.
Statt durch Kühlung zu kondensieren, kann man die verdampfte Flußsäure auch durch
Alkalifluorid absorbieren. Dieses verwandelt sich dabei in Bifluorid, das noch weiter
lebhaft Flußsäure aufnimmt. Durch Erwärmen der entstehenden Lösung oder Schmelze
wird die Flußsäure in praktisch wasserfreier Form zurückerhalten. Reste von Flußsäure,
die sich aus dem Reaktionsprodukt durch Verdampfen schwer entfernen lassen, können
durch Fällung mit Kalk beseitigt werden.
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Liegen die Polysaccharide bzw. polysaccharidhaltigen Stoffe nicht
im trockenen, sondern im feuchten Zustand vor, so ist der Wassergehalt in jedem
Fall so niedrig zu wählen (im allgemeinen nicht mehr als 2o °1o, bezogen auf die
gesamte Reaktionsmasse, daß nicht wie bei den bekannten Verfahren eine Quellung,
sondern ein Zusammenschrumpfen des Materials eintritt und daß nach dem Abblasen
der Säure keine schleimige, sondern eine bröcklige Masse zurückbleibt.
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Außer Polysacchariden können auch polysaccharidalhaltige Stoffe, wie
Holz, Stroh, Schilf, Mehl usw., als Ausgangsmaterial verwendet werden. Dabei bleiben
die Begleitstoffe, im Falle des Holzes z. B. das Lignin, im allgemeinen ungelöst
und können in bekannter Weise von der fluorwass.erstoffsauren Lösung getrennt werden.
Man kann daher auch so verfahren, daß man zunächst die Flußsäure durch Verdampfen
entfernt und das wasserlösliche Produkt der Zuckergruppe aus dem Rückstand mit Wasser
extrahiert.
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Die aus den Polysacchariden entstehenden Produkte können zu den verschiedensten
Zwecken, beispielsweise zur Ernährung von Futterhefe, verwendet werden. Durch eine
geeignete mehr oder weniger lange Nachbehandlung mit verdünnter Säure, auch Fluß=
säure, können die zunächst erhaltenen Umwandlungsprodukte in Stoffe übergeführt
werden, die Fehlingsche Lösung stärker reduzieren und u. a. Glucose enthalten können.
Auch diese Produkte lassen sich für die obengenannten Zwecke verwenden. ' -Beispiel
i Auf ioo Teile Cellulose in Form von getrocknetem Filtrierpapier läßt man unter
Kühlung etwa Zoo Teile wasserfreie Flußsäure einwirken. Zur völligen Lösung wird
umgerührt, bei Zimmertemperatur etwa eine Viertelstunde ,aufbewahrt, dann die Hauptmenge
des Fluorwasserstoffs durch Einleiten eines trockenen Luftstroms abgeblasen und
der zurückbleibende Sirup in Wasser gelöst. Die Lösung wird mittels Calciumcarbonats
von Resten Flußsäure befreit und das Filtrat, am besten unter vermindertem Druck,
zur Trockne verdampft. Der Rückstand besteht aus wenig mehr als ioo Teilen eines
Materials, das in Wasser löslich ist und nur einige wenige Prozent Traubenzucker
enthält.
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Falls eine 85°/oige wäßrige Fluorwasserstoffsäure für die Umwandlung
bei o° benutzt wird, erhält man nach ungefähr i- bis 2stündiger Behandlung in einer
Ausbeute von etwa 93 °/o des Ausgangsmaterials eine wasserlösliche Substanz, die
ein Reduktionsvermögen besitzt, das etwa 140,10 Glucose entspricht. Beispiel e 5oTeile
wasserfreier Fluorwasserstoff werden gasförmig bei etwa 30° im Lauf von etwa 45
Minuten über io Teile lufttrocknes Filtrierpapier geleitet. Dieses fließt dabei
zu einem zähen Sirup zusammen, der Fluorwasserstoff gelöst enthält. Er wird in Wasser
aufgenommen, mit Calciumcarbonat von der Flußsäure befreit und am besten unter vermindertem
Druck eingedampft. Es resultieren 9,4 Teile einer weißen wasserlöslichen Substanz
von süßem Geschmack. Beispiel 3 Auf ioo Teile gespaltenen Fichtenholzes mit einem
Feuchtigkeitsgehalt von etwa i °/o werden ioo Teile wasserfreie Flußsäure in langsamem
Strom kondensiert. Die Flußsäuer wird durch Durchleiten eines trocknen Luftstroms
und unter langsamer Erhitzung des Reaktionsgutes bis ioo° abgeblasen, wobei die
Flußsäure zwecks weiterer Verwen- j Jung von Kaliumbifluorid oder Kaliumfluorid
absorbiert wird. Nach dem Abblasen der Flußsäure wird das Reaktionsgut mit kochendem
Wasser ausgezogen und das Filtrat zuletzt im Vakuum zur Trockne verdampft. Es i
hinterb:leibt ein weißer wasserlöslicher Rückstand von mehr als 65 Teilen des Ausgangsmaterials.
' Beispiel 4 Auf ioo Teile Kartoffelstärke (wasserfrei) -werden unter Kühlung Zoo
Teile wasserfreier
Fluorwasserstoff daraufdestilliert, durch kurzes
Umrühren eine homogene Lösung hergestellt und dann der Hauptteil des Fluorwasserstoffs
durch Einleiten. eines trocknen Luftstroms wieder abgeblasen. Der sirupöse Rückstand
wird mit Wasser gelöst, ein Rest von Fluorwasserstoff aus dieser Lösung mit Calciumcarbonat
entfernt und das klare Filtrat unter vermindertem Druck zur Trockne verdampft. Es
hinterbleibt ein Material in etwas größerer Menge als die angewandte Stärke, das
klar löslich in Wasser ist und nur wenig reduzierenden Zucker enthält.