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Verfahren zur Herstellung von Kunstmassen durch Polymerisieren organischer
Vinylester Es wurde gefunden, daß man einen neuen Typ künstlicher amorpher Massen
herstellen kann, wenn man Vinylester in Gegenwart ungesättigter Halogenkohlenwasserstoffe
polymerisiert, die für sich allein nicht polymerisierbar sind. Die Polymerisation
kann mit und ohne Anwendung von Katalysatoren vorgenommen werden. Die Reaktion scheint
in der Richtung einer Bildung einer chemisch und physikalisch sehr stabilen Additionsverbindung
unter Aufnahme des Halogenkohlenwasserstoffes in den polymeren Komplex zu verlaufen.
Eine streng stöchiometrische Reaktion liegt offenbar nicht vor, da man bei Anwendung
verschiedener Mengen der ungesättigten Halogenkohlenwasserstoffe, z. B. auf eine
bestimmte Menge Vinylacetat, verschiedene stabile Verbindungen mit wechselndem Halogengehalt
erhält. In technischer Hinsicht besonders günstig sind die Produkte, die aus äquimolekularen
Mengen Vinylacetat und Halogenkohlenwasserstoffen erhalten werden. Wie stabil diese
Verbindungen sind, geht daraus hervor, daß sie selbst im Vakuum bei i oo° das Halogen
sehr festhalten und daß säe sogar in gelöstem Zustande einer Erhitzung mit Zinkstaub
standhalten. Nur durch intensive Behandlung mit Wasserdampf gelingt es, Halogenwasserstoff
abzuspalten. Auch weisen die Massen den Geruch der Halogenkohlenwasserstoffe nicht
mehr auf. Die als halbfeste gelbliche Massen entstehenden polymeren Additionsprodukte
können an der Luft oder im Vakuum eingeschmolzen werden, wobei man je nach der Temperatur
und dem angewandten Vakuum helle, fast farblose bis dunkle glasartige Massen erhält.
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Eine charakteristische Eigenschaft dieser Additionsreaktion zwischen
Polyvinylestern und ungesättigten Halogenkohlenwasserstoffen ist die, daß die Addition
der ungesättigten Halogenkohlenwasserstoffe nach anscheinender Beendigung der in
ihrem Schoße verlaufenen Polymerisation noch weitergehen kann. Die nach Ablauf der
Zeit, in der die Polymerisation der Vinylester selbst erfahrungsgemäß vollendet
ist, zunächst entstandenen, verhältnismäßig dünnflüssigen Lösungen der Additionsprodukte
in überschüssigem Halogenolefin nehmen nämlich unter Umständen erst mit der Zeit
die für die Endprodukte charakteristische hohe Viskosität an, was darauf hindeutet,
daß der Polymerisationsvorgang bei Gegenwart von ungesättigten Halogenkohlenwasserstoffen
weitergeht, also z. B. an sich bei niederer Polymerisationsstufe endende Polymerisationen
zur Erreichung einer höheren Polymerisationsstufe angeregt werden. Demgemäß kann
man u. U. auch bei einem bestimmten niederen Polymerisationsgrad abgebrochene Polymerisationen
durch Zusatz von ungesättigten Halogenkohlenwasserstoffen
weiterführen.
Es kommt also darauf an, daß während des Gesamtpolymerisationsvorganges in irgendeinem
Stadium ungesättigte Halogenkohlenwasserstoffe bei der Reaktion mitwirken. Diese
durch Zusatz von Halogenolefinen in manchen Fällen noch nachträglich herbeigeführte
Steigerung der Viskosität tritt in anderen Lösungsmitteln nicht ein. Sie kann sogar
durch Zusatz eines anderen Lösungsmittels, z. B. Spiritus, zu der Lösung des primär
gebildeten Körpers in einem überschuß des Halogenkohlenwasserstoffs verhindert werden.
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Die technische Bedeutung der beschriebenen Massen liegt unter anderem
auf dem Gebiete der Lackindustrie. Da diese Massen in den meisten Lösungsmitteln
löslich sind, lassen sich leicht Lösungen herstellen, die an sich oder in Verbindung
mit anderen Lackbestandteilen vorzügliche Lacke darstellen. Diese Lacke zeichnen
sich durch das Vermögen, sehr rasch zu trocknen und durch eine gute Wasserbeständigkeit
aus. Auch für Zwecke der Isolationstechnik, der Klebindustrie - um einige der anderen
Verwendungsmöglichkeiten herauszustellen - kommen die Produkte des vorliegenden
Verfahrens in Betracht.
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Durch die Vermehrung der bekannten Vinylesterpolymerisate um die neuen
Produkte wird die Technik in verschiedener Hinsicht bereichert. Zunächst wird in
den Lacken u. dgl. ein Teil der Polyvinylsubstanz durch die mit geringeren Unkosten
gewinnbaren, für sich nicht polymerisierbaren gechlorten Äthylene ersetzt. Diese
werden also durch das neue Verfahren zu höherwertigen Polymerisaten bzw.Lacksubstanzen
gemacht. Außerdem besitzen die Lösungen der neuen Kunstmassen Viskositäten, die
die der Lösungen der bekannten Vinylesterpolymerisate erheblich übertreffen. Dies
ist für eine Reihe von Verwendungen, beispielsweise in der Kitt- und Klebindustrie,
technisch wertvoll, unter anderem für die Herstellung von splitterfreiem Glas, Bilderrahmen,
Klebfolien. Eine besondere technische Wirkung ergeben sie auch als Bindemittel für
Preßmassen, u. a. auch für Schallplatten, Isoliermaterialien, für Spachtel, Kunstleder,
linoleumartige Produkte. Sie sind auch vorteilhaft für Imprägnierungen aller Art
verwendbar. Schließlich sind die neuen Polymerisate vermöge ihrer eigenartigen Zusammensetzung
überhaupt eine wertvolle Ergänzung der Reihe der bekannten Polyvinylester. Beispielsweise
füllen sie vermöge ihres besonders guten Trocknungsvermögens und ihrer großen Wasserbeständigkeit
Lücken aus, die sich in der Verwendung der Polyvinylester in der Lacktechnik ergaben.
Sie liefern eigenartige und wertvolle Grundierlacke, Decklacke, Farblacke und Schleiflacke.
Die neuen Lacke sind u. a. auf dem Gebiete des Rostschutzes und Steinschutzes vorteilhaft
verwendbar.
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Ein Zusatz ungesättigter, für sich allein nicht potymerisierbarer
Halogenkohlenwasserstoffe zu polymerisierten Vinylestern ist zwar verschiedentlich
erwähnt worden, beispielsweise in der -britischen Patentschrift 15 271 v. J. 1914,
der französischen Patentschrift 634I36 und der deutschen Patentschrift 290 544.
Alle diese Angaben sehen jedoch die Verwendung von gechlorten Olefinen nur
als indifferente Lösungsmittel vor, ohne eine abweichende Wirkung von anderen indifferenten
Lösungsmitteln festzustellen. Daraus geht hervor, daß bei keiner der beschriebenen
Arbeitsweisen die charakteristischen Additionsverbindungen ihergestellt worden sind,
die den Gegenstand der vorliegenden Erfindung bilden. Beispiel i 21 kg Vinylacetat
wurden mit 14 kg Trichloräthylen gemischt und nach Zugabe von 0,4 kg Benzoylsuperoxyd
unter Erwärmung polymerisiert. Es entstand eine gelbliche, stark viskose Lösung,
die nach dem Abdampfen im Vakuum 28 kg einer klaren, bei 12o° flüssigen, bei Zimmertemperatur
harten Schmelze ergab.
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Beispiel 2 Ein Gemisch von 86 kg Vinylacetat, 97 kg Dichloräthylen
und 1,6 kg Benzoylsuperoxyd wurde durch Erwärmen polymerisiert. Es entstand eine
verhältnismäßig wenig viskose Lösung von schwach gelblicher Farbe. Aus dieser wurden
durch Abdampfen im Vakuum i i i kg einer klaren, dunkelbraunen, bei 12o° flüssigen
Schmelze erhalten, die beim Abkühlen auf Zimmertemperatur eine harte Masse ergab.