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Herstellung von Lösungen von Hypochloriten oder freier unterchloriger
Säure. In immer weiterem Maße wird in der Praxis, beispielsweise in der Bleicherei,
an Stelle des früher üblichen Chlorkalks flüssiges Chlor gebraucht, das am Verwendungsort,
gewöhnlich mit Hilfe von Alkalien, 'in Lösungen übergeführt wird, die das Chlor
in der für den Verwendungszweck erwünschten Form, gewöhnlich als Hypochlorit oder
freie unterchlorige Säure, enthalten.
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Zum weitaus größten Teil wird als Alkali zur Bindung des Chlors Kalk,
und zwar in Gestalt von Kalkmilch benutzt. Die Vereinigung geschieht in verschiedener
Weise. Nach einem Verfahren wird ein großer, mit Rührwerk und Kühlmantel versehener
Behälter mit Kalkmilch gefüllt und in diese eine gewisse Menge Chlor eingeführt.
Während des Einleitens ist ständiges Rühren notwendig, weil sonst die Chlorblasen
trotz der großen Affinität .des Chlors zum Kalk nur zum Teil absorbiert werden und
zum anderen nach Durchperlen an die Oberfläche entweichen würden, wodurch gleichzeitig
Chlorverluste und große Belästigung der Umgebung eintreten. Nach anderen Verfahren
benutzt man Rieseltürme, in denen die Kalkmilch herabrieselt und in die das Chlor
in Gegenstrom von unten nach oben gintritt, oder man zerstäubt durch Streudüsen
Kalkmilch in einem von Chlorgas erfüllten Raum und andere Methoden mehr. Alle Verfahren
haben das eine gemeinsam, daß die Kalkmilch gepumpt oder sonstwie bewegt werden
muß. Nach dem zuerst beschriebenen Verfahren kann man nur absatzweise arbeiten;
in den mit Rührwerkversehenen Behälter wird so lange Chlor eingeleitet, bis die
Kalkmilch fast gesättigt ist. Dann läßt man die Lösung abklären, zieht die klare
Lösung vom Schlamm ab, füllt den Behälter mit frischer Kalkmilch usf. Nach den anderen
Verfahren kann man wohl kontinuierlich arbeiten, muß aber, um Chloratbildung zu
verhindern, stets einen gewissen Überschuß von freiem Kalk in der Lösung belassen,
der hinterher ausgefällt und von Zeit zu Zeit als Schlamm abgefahren «-erden rnuß.
Allen Verfahren ist ferner gemeinsam, daß sie umfangreiche und kostspielige Bauten
in Gestalt von Behältern, Absorptionstürmen usw. erfordern, zu denen bisweilen,
wie im erstbeschriebenen Falle, sogar noch ein Kühlmantel kommt.
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Diese Nachteile und Umständlichkeiten der bisher üblichen Verfahren
sollen durch die Erfindung vermieden werden.
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Gemäß der Erfindung wird durch geeignetes Zusammenwirken von Chlor
und Wasser eine übersättigte Lösung oder Emulsion hergestellt und diese auf eine
Suspension eines nicht oder schwer löslichen Stoffes zur Einwirkung gebracht, der
mit Chlor unter Bildung von Hypochloriten oder freier unterchloriger Säure zu reagieren
vermag. Als solcher Stoff kommt vor allem Calciumhydr--oxyd in Form von Kalkmilch
in Betracht, es können aber auch Suspensionen anderer nicht oder schwer löslichen
Hydroxyde, Oxyde, Carbonate, Phosphate und anderer Verbindungen von Metallen benutzt
werden, die den genannten Bedingungen entsprechen.
Beim Zusammentreffen
der übersättigten Chlorlösung oder -emulsion mit der Suspension bindet sich sämtliches
darin befindliche Chlor sofort mit dem suspendierten Stoff, z. B. dem Kalk, ab.
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Zur Herstellung der übersättigten Chlorlösung und ihrer Einwirkung
auf die Suspension kann man in verschiedener Weise vorgehen.
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Beispiel i.
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Man mischt Chlorgas mit Wasser von 8° C und darunter, wobei sich zum
Teil Chlorhydrat in Form von Flocken bildet, die nach der Formel Cl, + 8 H,0 rund
33 Prozent Chlor enthalten. Diese Flocken fließen mit dem Chlorwasser der Kalkmilch
zu und werden ebenso wie das im Chlorwasser enthaltene Chlor ohne weiteres von der
Kalkmilch absorbiert und in Calciumhypochlorit umgewandelt. Beispiel e. Man kann
auch die Absorption von Chlor in Wasser von gewöhnlicher oder niedrigerer Temperatur
so vornehmen, daß man beide in einem Absorptionsgefäß unter Druck vereinigt, wobei
sich, ähnlich wie bei der Lösung von Kohlensäure in Wasser, eine übersättigte Lösung
bildet, die den Gasüberschuß bei Entspannung des Druckes wieder abgibt. Leitet man
diese Lösung in der Weise in Kalkmilch ein, daß die Entspannung auf gewöhnlichen
Druck unmittelbar bei Eintritt in die Kalkmilch stattfindet, so erhält man abermals
unter augenblicklicher Bindung des gesamten Chlors mit der Kalkmilch eine Lösung,
deren Konzentration nach Belieben durch den bei der Herstellung der Chlorwasserlösung
angewendeten Druck geregelt werden kann.
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In den beiden vorhergehenden Beispielen wurde von Chlorgas ausgegangen,
das man ohne weiteres aus flüssigem Chlor durch Öffnen des auf der Stahlflasche
befindlichen Ventils erhält.
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Man kann aber auch unmittelbar von dem flüssigen Chlor ausgehen. Beispiel
3. Man läßt das Chlor unmittelbar vor oder bei dem Eintritt in die Kalkmilch in
flüssiger Form aus einem geeigneten Ventil austreten und schleudert es im Augenblick
des Austretens durch einen Druckwasserstrahl, etwa mittels zweier rechtwinklig zueinander
stehenden Düsen, in fein verteilter Form in die Kalkmilch hinein. Hierbei tritt
infolge der Verdampfung des flüssigen Chlors auf Kosten der in dem Wasser enthaltenen
Wärme eine große Wärmeabsorption ein. Das Wasser wird dadurch stark abgekühlt, so
daß wiederum Chlorhydrat entsteht, das, wie oben beschrieben, sich ebenso wie das
im Chlorwasser enthaltene Chlor sofort mit der Kalkmilch bindet.
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In -allen drei Ausführungsbeispielen bedient man sich als treibender
Kraft lediglich des Druckes des flüssigen Chlors und des Wasserdruckes in der Wasserleitung,
so daß besondere Kraftquellen fortfallen.
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Manchmal kann es zweckmäßig sein, bereits dem Lösungswasser eine geringe
Menge Kalkmilch beizumengen; nur darf diese Menge natürlich nicht so groß sein,
daß sie, etwa beim ersten Ausführungsbeispiel, durch die bei der Vereinigung entstehende
Wärme die Temperatur des angewandten Wassers so sehr steigert, daß damit die Bildung
von Chlorhydrat unterbunden wird. Immerhin kann man, ohne das Eintreten einer solchen
Wirkung befürchten zu müssen, Kalkmilch bis zu 2,5° Be und auch etwas höher anwenden.
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.Nachdem auf eine der vorbeschriebenen Weisen das Chlor mit dem Kalk
gebunden worden ist, kann man die entstehende Hypochloritlösung durch einen Überlauf
ununterbrochen ablaufen lassen. Bei geeigneter Größe und Form des Behälters findet
gleichzeitig eine Klärung der Lösung statt, so daß dauernd eine der Menge des einfließenden
Wassers entsprechende Menge von fertiger klarer Lösung abläuft, während der überschüssige
Kalk zurückbleibt.
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Abgesehen von der Vermeidung einer gesonderten Kraftquelle zum Pumpen
der Kalkmilch bietet das Verfahren nach der Erfindung einen weiteren großen Vorteil
dadurch, daß man die Menge der Kalkmilch nicht abzumessen° braucht, sondern nur
dafür sorgen muß, daß stets ein Überschuß vorhanden ist. Die zum Lösen des Chlors
nicht gebrauchte Kalkmilch bleibt an Ort und Stelle liegen, bis sie von später eingeleiteten
Chlormengen aufgelöst wird, während bei dem eingangs beschriebenen Verfahren der
Überschuß an Kalkmilch, der erforderlich ist, um einen Überschuß an Chlor und die
damit vorhandene Gefahr der Chloratbildung zu vermeiden, später als Schlamm verlorengeht.
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Verfährt man in der Weise, daß man bereits dem Lösungswasser eine
geringe Menge Kalkmilch zusetzt, so kann man diese im Gegensatz zu den bekannten
Verfahren unbesorgt mit Chlor übersättigen, da sie ja doch im nächsten Augenblick
mit einem Überschuß von Kalk zusammentrifft und dort wieder zu einer alkalischen
Hypochloritlösung umgewandelt wird.
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Ferner ist nach dem neuen Verfahren die Schlammbildung auf die Bestandteile
der Kalkmilch beschränkt, die mit dem Chlor
nicht zu reagieren vermögen.
Diese bilden aber nur einen geringen Prozentsatz der gesamten bei der nach anderen
Verfahren anfallenden Schlammengen. Es kann sogar nach diesem Verfahren alter Schlamm,
soweit er noch brauchbare Mengen von Ätzkalk enthält, aufgearbeitet werden.
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Nach dem vorbeschriebenen Verfahren lassen sich ohne weiteres Lösungen
von der in der Praxis üblichen Stärke von etwa 3 bis 414° Be oder höher herstellen.
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Bei Benutzung der zu Anfang erwähnten anderen Stoffe an Stelle des
Calciumhydroxyds wird in entsprechender Weise gearbeitet. Wenn man hierbei dem Lösungswasser
eine gewisse Menge des reaktionsfähigen Stoffes zusetzt, so braucht dies nicht notwendigerweise
derselbe zu sein, der zur Herstellung der Suspension dient.