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Verfahren zur Einführung von Sauerstoff in Steroide Es ist bereits
bekannt, mittels Enzymen aus Nebennieren, insbesondere mit deren Homogenaten oder
auch bei ihrer Durchströmung, Hydroxylgruppen u. a. in 21-Stellung von Steroiden
einzuführen. So interessant diese Funktion tierischer Enzyme vom theoretischen Standpunkt
aus ist, so vermag sie zur präparativen und speziell industriellen Gewinnung von
21-Oxysteroiden nicht zu befriedigen. Mit mikrobiologischen Methoden, die sich auch
im größten Stile anwenden lassen, ist die genannte Reaktion bisher nicht durchführbar
gewesen.
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Die Erfindung betrifft nun ein Verfahren zurEinführung von Sauerstoff
in Steroide durch Bebrütung mit Kulturen oxydierend wirkender Pilze oder den durch
diese erzeugten oxydierend wirkenden Enzymen unter aeroben, vorzugsweise submersen
Bedingungen, welches dadurch gekennzeichnet ist, daß man Verbindungen der Pregnanreihe,
die in 21-Stellung unsubstituiert sind, der biologischen Oxydation mit Pilzen der
Arten Ophiobolus herpotrichus oder Sclerotinia fructicola in bekannter Weise unterwirft
und die erhaltenen 21-Oxysteroide in bekannter Weise isoliert.
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Ausgangsstoffe für das neue Verfahren sind allgemein Verbindungen
der Pregnanreihe, die in 21 -Stellung urisubstituiert sind, worunter gesättigte
und ungesättigte, beliebig konfigurierte und substituierte Derivate des 10,13-Dimethy
l -17-äthyl-cyclopentanopolyhydrophenanthrens sowie seiner höheren und niederen
Homologen, beispielsweise entsprechende A-Nor-, D-Homo- und 19-N or-verbindungen,
verstanden sind. Doppelbindungen befinden sich z. B. in 1-, 4-, 5-, 6-, 7-, 9-,
11-, 14-, 15-und/'oder 16-Stellung. Die Konfiguration der Ausgangsstoffe ist v orzugsweise
diej enige des Pregnans, 5 a-Pregnans, 17a-Prägnans oder entsprechender Racemate,
wie sie bei der Totalsynthese erhalten werden. A1sSubstituenten kommen besonders
in Frage freie bzw. funktionell abgewandelte Hydroxyl-, Oxo- oder Carboxylgruppen,
wie Ester-, Äther-, Thioester-, Thioäther-, Thiol- und Thionester-, Acetal-, Mercaptal-,
Ketal-, Hydrazon-; Semicarbazon-und Enolgruppen, z. B. in 2-, 3-, 6-, 7-, 11-, 12-,
16-, 17-, 18-, 19- und 20-Stellung, ferner Halogenatome, insbesondere Chlor oder
Fluor, z. B. in 9- und 17-Stellung. Spezifische Ausgangsstoffe sind u. a. Progesteron,
17a-Progesteron, 16a-Oxyprogesteron, 17a-Oxyprogesteron, 11-Ketoprogesteron, 11a-
sowie 11ß-Oxyprogesteron, 9,11- oder 11,12-Dehydroprogesteron, 19-Oxoprogesteron,
11-Keto-17a-oxyprogesteron, 11a- sowie 11 ß-Oxyprogesteron, 9-Chlor- oder 9-Fluor-11ß,17a-dioxyprogesteron,
11ß,18-Dioxyprogesteron, 11ß,17,18-Trioxyprogesteron, 11 ß-Oxy-18-oxoprogesteron,
9-Chlor- oder 9-Fluor-11ß-oxy -18 - oxoprogesteron, 11,18 - Dioxoprogesteron, 19-Nor-progesteron,
19-Nor-11 ß-oxy-18-oxoprogesteron, Pregnenolon bzw. ihre funktionellen Derivate.
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Die verwendeten Enzyme sind mikrobiologischer Herkunft und durch aerobe
Kulturen von Pilzen der Arten Ophiobolus herpotrichus oder Sclerotinia fructicola
produziert. Zur Einführung von Sauerstoff inkubiert man meist direkt die Ausgangsstoffe
mit den unter an sich bekannten aeroben Bedingungen submers wachsenden Kulturen
der genannten Pilze. Diese werden zweckmäßig bewegt, d. h. geschüttelt oder gerührt,
und enthalten assimilierbaren Kohlenstoff, insbesondere Kohlenhydrate, sowie gegebenenfalls
Wuchsstoffe, beispielsweise Maisquellwasser oder Bierwürze, und anorganische Salze.
Es sind somit natürliche, synthetische oder halbsynthetische Nährlösungen brauchbar.
Das praktisch einfachste Verfahren ist im folgenden geschildert, ohne daß dieErfindung
durch diese Angaben beschränkt sein soll. Man züchtet die Organismen in Apparaturen
und unter ähnlichen Bedingungen, wie sie bei der Antibiotika-Fabrikation als sog.
Tieftankverfahren bekannt sind. Nach Entwicklung der Kulturen gibt man die genannten
Ausgangsstoffe in feiner Dispersion oder Lösung, beispielsweise in Methanol, Aceton
oder Äthylenglykol, zu und inkubiert weiter. Schließlich trennt man vom Mycel ab,
extrahiert das Filtrat und/oder die Mycelmasse und isoliert aus dem Extrakt die
Reaktionsprodukte in an sich bekannter Weise, z. B. durch Entmischungsverfahren,
Adsorption, Chromatographie, Kristallisation, Überführung in funktionelle Derivate,
wie Girard-Verbindungen u. dgl. Dieselben Umsetzungen lassen sich aber auch durchführen,
indem man die wirksamen Enzyme aus entsprechenden aeroben Kulturen von Pilzen der
genannten Arten zuerst abtrennt und unter Ausschluß der wachsenden Kulturen verwendet.
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Die Verfahrensprodukte können als Heilmittel Verwendung finden oder
als Zwischenprodukte zu ihrer Herstellung dienen. Von größtem praktischem Interesse
sind
z. B. Cortison, Hydrocortison, 1-Dehydrocortison, 1-Dehydrohydrocortison,
Reichsteins Substanz S, Aldosteron sowie die z. B. aus Progesteron, Pregnenolon
und 1:1-Ketoprogesteron entstehenden mehrfach durch Sauerstoff substituierten Derivate.
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Daß man durch Pilze oder durch aus Pilzen abgesonderte Enzyme Sauerstoffunktionen
in ein Steroid einführen kann, wurde bereits in der USA.-Patentschrift 2602769 offenbart,
welche ein Verfahren zur 11-Hydroxylierung von Steroiden mittels Pilzen der Ordnung
Mucorales beschreibt. Durch die vorliegende Anmeldung wird nun der Stand der Kenntnisse
durch die Lehre bereichert, daß zweckmäßig ausgewählte Pilzarten, wie die hierin
genannten, selektive Oxydation eines Steroides im Sinne der 21-Hydroxylierung bewirken
können.
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Die Beispiele erläutern das erfindungsgemäße Verfahren. Beispiel 1
4 1 70prozentige Bierwürze werden in einem Schüttelgefäß sterilisiert (px 5;6) und
mit einer Kultur von Ophiobolus herpotrichus beimpft. Nach 3tägigem Schütteln bei
26° gibt man zur gut entwickelten Kultur unter sterilen Bedingungen eine Lösung
von 1,0 g Progesteron in 25 cm3 Aceton und schüttelt weiter bei der gleichen Temperatur.
Nach 4 Tagen wird das Mycel abgetrennt. Man schüttelt das Kulturfiltrat dreimal
mit je 1 1 Essigester aus und wäscht die Extrakte mit ln-Salzsäure, 1n-Natriumhydrogencarbonatlösung
und Wasser. Die über Natriumsulfat getrocknete Essigesterlösung wird im Vakuum bei
40° eingedampft. Der Rückstand (1,2 g) wird an 15 g Kieselsäuregel (bekannt unter
dem Handelsnamen z>Silicagel«) chromatographiert, wobei zuerst mit Methylenchlorid,
dann mit Chloroform und schließlich mit Chloroform-Aceton-Gemischen mit steigendem
Acetongehalt eluiert wird. Die einzelnen Fraktionen (je 100 cm3) werden eingedampft
und papierchromatographisch untersucht. Die Methylenchlorid-Fraktionenunddie ersten
mitChloroform eluiertenFraktionen enthalten neben Verunreinigungen nur Ausgangsmaterial,
während in den letzten Chloroform-Fraktionensowie finden Chloroform-Aceton-Eluaten
(95: 5 und 90: 10) Cortexon (11-Desoxycorticosteron, 4-Pregnen-21-ol-3,20-dion)
anwesend ist: Diese Fraktionen werden vereinigt und eingedampft. Der zur Hauptsache
aus Cortexon bestehende Rückstand (0,81 g) wird aus Äther umkristallisiert, wobei
farblose Platten vom F. = 140 bis 142° erhalten werden. Diese Kristalle besitzen
eine optische Drehung von -f- 175° und zeigen imGemisch mit authentischemMaterial
keine Schmelzpunktserniedrigung. Ebenso sind ihre Infrarot- und Ultraviolett-Spektren
identisch mit denjenigen von Cortexon. Beispiel 2 150 cm3 einer Nährlösung, enthaltend
im Liter 50 g Rohglukose, 20 cm3Maisquellwasser und 10 gAmmoniumtartrat und im übrigen
Leitungswasser, werden in einem Erlenmeyerkolben von 500 cm3 Fassungsvermögen sterilisiert
und mit einer Kultur von Ophiobolus herpotrichus beimpft. Nach 2tägigem Schütteln
bei 26° hat sich die Kultur gut entwickelt, und man gibt unter sterilen Bedingungen
eine Lösung von 30 mg 11-Ketoprogesteron in 1,5 cm3 Aceton zu, worauf weitere
3 Tage bei der gleichen Temperatur geschüttelt wird. Dann wird das Mycel abgetrennt.
Man schüttelt das Kulturfiltrat dreimal mit je 50 cm3 Essigester aus und arbeitet
die Extrakte, wie im Beispiel 1 beschrieben, auf. Der Rückstand (40 mg) wird papierchromatographisch
untersucht und besteht zur Hauptsache aus 11-Dehydrocorticosteron (Kendalls Compound
A; 4-Pregnen-21-ol-3,11,20-trion). Dieses kann nach chromatographischer Reinigung
in kristalliner Form erhalten werden.
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Beispiel 3 Gibt man zu einer analogen Schüttel-Kultur von Ophiobolus
herpotrichus, wie sie im Beispiel 2 beschrieben wurde, an Stelle des 11-Ketoprogesterons
eine Lösung von 30 mg 17a-Oxyprogesteron in 1,5 cm3 Aceton, so erhält man nach analoger
Inkubation und Extraktion ein rohes Reaktionsprodukt, das zur Hauptsache aus 17a-Oxycortexon
(Reichsteins Substanz S; 4-Pregnen-17a,21-diol-3,20-dion) besteht. Dieses kann nach
chromatographischer Reinigung in kristalliner Form erhalten werden. Beispiel 4 Zu
41 einer Schüttelkultur vonOphiobolus herpotrichus, die, wie im Beispiel 1 beschrieben,
gezüchtet wurde, gibt man unter sterilen Bedingungen eine Lösung von 1 g 1-Dehydroprogesteron
in 25 cm3 Aceton. Man schüttelt 3 Tage bei 27° und trennt dann das Mycel ab. Das
Kulturfiltrat wird mehrere Male mit insgesamt 31 Essigsäure ausgeschüttelt. Die
Extrakte wäscht man mit 1/"n-Salzsäure, In-Natriumhydrogencarbonatlösung und Wasser.
Die über Natriumsulfat getrocknete Essigesterlösung wird im Vakuum eingedampft und
der so erhaltene Rückstand (1,1 g) an 30 g »Silicagel« chromatographiert, wobei
mit Chloroform und mit Chloroform-Aceton-Gemischen steigenden Acetongehaltes eluiert
wird. Die einzelnen Fraktionen (je 100 cm") werden eingedampft und Papierchromatographisch
untersucht. In den Chloroform-Fraktionen befindet sich neben Verunreinigungen etwas
Ausgangsmaterial, während die mit Chloroform-Aceton-(95: 5)-Gemischen eluierten
Anteile (710 mg) zur Hauptsache aus 1-Dehydrocortexon (1,4-Pregnadien-21-ol-3,20-dion)
bestehen. Dieses wird aus einem Aceton-Petroläther-Gemisch kristallisiert. F. =
185 bis 192°; [a] ö = -a- 120° (CHC13). Beispiel 5 Wird im obigen Beispiel an Stelle
der Lösung von 1-Dehydroprogesteron eine solche von 1 g 1-Dehydro-11-keto-17a-oxyprogesteron
in 25 cm3 Aceton zur Kultur zugegeben und wird in der beschriebenen Weise aufgearbeitet
und chromatographiert, so bestehen die Chloroform-Aceton-(1 : 1)-Fraktionen zur
Hauptsache aus 1-Dehydrocortison (1,4-Pregnadien-17a,21-diol-3,11,20-trion), das
aus Aceton-Äther-Gemischen kristallisiert wird; F. = 231 bis 233". Beispiel 6 Wird
im Beispiel 4 an Stelle der Lösung von 1-Dehydroprogesteron eine solche von 1 g
1-Dehydro-11 ß,17a-dioxyprogesteron in 25 cm3 Methanol zugegeben und wird in der
beschriebenen Weise aufgearbeitet und chromatographiert, so bestehen die Chloroform-Aceton-(1
: 1)-Fraktionen zur Hauptsache aus 1-Dehydrohydrocortison (1,4-Pregnadien-11,B,17a,21-triol-3,20-dion).
Es wird aus Aceton-Äther-Gemischen kristallisiert; F. = 239 bis 242°. Beispiel 7
In einem Erlenmeyerkolben werden 50 cm3 70prozentige Bierwürze sterilisiert und
mit einer Kultur von Sclerotinia fructicola beimpft. Nach 4tägigem Schütteln bei
27° gibt man zur gut entwickelten Kultur unter sterilen Bedingungen eine Lösung
von 10 mg Progesteron' in 0,5 cm3 Aceton. Man läßt weitere 4 Tage bei der gleichen
Temperatur schütteln und trennt dann das Mycelab. Das Kulturfiltratwird mit Essigester
erschöpfend
ausgeschüttelt. Man wäscht den Extrakt mit Wasser, trocknet
ihn und dampft ihn im Vakuum ein. Die papierchromatographische Untersuchung des
so erhaltenen Rohextraktes zeigt, daß er zur Hauptsache aus Cortexon (11-Desoxycorticosteron;
4-Pregnen-21-ol-3,20-dion) besteht.
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Beispiel 8 Wird im obigen Beispiel an Stelle der Lösung von Progesteron
eine solche von 10 mg 1-Dehydro-11-keto-17a-oxyprogesteron in 0,5 cm' Aceton zur
Schüttelkultur von Sclerotinia fructicola zugegeben und wird in gleicher Weise inkubiert
und aufgearbeitet, so besteht der Rohextrakt zur Hauptsache aus 1-Dehydrocortison
(1,4-Pregnadien-17a,21-diol-3,11,20-trion).
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Beispiel 9 In einem Erlenmeyerkolben von 500 cm3 Fassungsvermögen
werden 120 cm3 Bierwürze sterilisiert und mit Ophiobolus herpotrichus beimpft. Nach
4tägigem Schütteln bei 26° gibt man zur gut entwickelten Kultur unter sterilen Bedingungen
eine Lösung von 30 mg d,1-4-Pregnen-llß-ol-3,20-dion-18-säure-lakton-(18 -.- 11ß)
in 1,5 cm3 Aceton zu und läßt weitere 3 Tage bei 26° schütteln. Dann wird, wie in
den vorhergehenden Beispielen beschrieben, mit Essigester extrahiert. Der Rohextrakt
wird an Papier präparativ chromatographiert (System Propylenglykol-Toluol), wobei
eine Substanz abgetrennt wird, die im Vergleich zum Ausgangsmaterial höher polar
ist und alkalische Silberdiamminlösung rasch und stark reduziert. Sie wird aus Aceton-Äther
kristallisiert und stellt das d,l-4-Pregnen-11ß,21-diol-3,20-dion-18-säure-lakton-(18
@ 11ß) dar.
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Das als Ausgangsstoff verwendete d,1-4-Pregnen-1lß-ol-3,20-dion-18-säure-lakton-(18
-+. 11ß) läßt sich z. B. gemäß dem Verfahren der Patentanmeldung R 15734 IVb/12o
herstellen.