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Verfahren zur Herstellung von hochmolekularen Gerbstoffen Die nach
zahlreichen Verfahren hergestellten künstlichen Gerbstoffe stellen in ihrer überwiegenden
Mehrzahl Sulfonsäuren aromatischen oder hydroaromatischen Charakters dar. Meist
verdanken diese Sulfonsäuren ihren Gerbstoffcharakter einer Kondensation der aromatischen
Komponenten mit Formaldehyd, Ketonen, Phosphoroxychlorid o. dgl., einer Oxydation,
Chlorierung usw. Die bekanntesten künstlichen Gerbstoffe werden nach dem deutschen
Patent 262 558 durch Sulfonierung von Phenolen oder Kresolen bzw. nach dem deutschen
Patent ago 965 durch Sulfonierung von Naphthalin und Kondensierung der in
beiden Fällen entstehenden Sulfonsäuren mit Formaldehyd gewonnen.
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Obwohl diese künstlichen Gerbstoffe, besonders in Gemeinschaft mit
natürlichen Gerbstoffen, Anwendung in der,Lederindustrie finden, sind sie doch keinesfalls
als vollwertiger Ersatz für die natürlichen Gerbstoffe zu betrachten. Die Fülle
und der Griff des Leders, die beim Gerben mit geeigneten pflanzlichen Gerbmitteln
leicht zu erreichen sind, ließen sich mit den auf synthetischem `'Fege hergestellten
Produkten bisher nicht erzielen. Die Hauptursache hierfür dürfte in der Tatsache
zu suchen sein, daß die pflanzlichen Gerbstoffbrühen meist hochkolloide Systeme
sind, während die künstlichen Gerbstoffe in ihren Lösungen Semikolloide von weit
geringerem Molekulargewicht darstellen. Aus diesem Grunde bindet das Hautprotein
auch mengenmäßig mehr von dem Naturprodukt als von dem künstlichen Gerbstoff. Die
Folge ist die größere Fülle des pflanzlich gegerbten Leders und im Zusammenhang
damit eine erhöhte Dichte des Ledergefüges, eine bessere Reißfestigkeit sowie ein
größeres Rendement, das besonders in der Unterlederfabrikation sehr erwünscht ist.
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Es wurde nun ein Verfahren gefunden, auch bei der Herstellung künstlicher
Gerbstoffe das Molekulargewicht der Sulfonsäuren stark zu erhöhen und diese Produkte
in ihren Eigenschaften den natürlichen Pflanzengerbstoffen bedeutend ähnlicher zu
machen. Durch gleichzeitige Sulfonierung und Kondensierung der gebräuchlichen aromatischen
oder hydroaromatischen Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Phenole, Ketone, Carbonsäuren
oder ähnlicher Derivate, wie Phenol, Kresol, Naphthol, Naphthalin, Anthracen, Reten,
Tetrahydronaphthalin, Tetrahydronaphthol o. ä. mit hochmolekularen, wenigstens io
Kohlenstoffatome enthaltendenKörpern aliphatischer Natur, wie hochmolekularen Wachsalkoholen,
Fetten, Fettsäuren oder deren Lactonen oder Derivaten solcher Körper, die z. B.
mittels der Schwefelsäurehalogenhydrine leicht durchführbar ist, gelingt es, genügend
hochmolekulare, völlig wasserlösliche Sulfonsäuren herzustellen, die an sich noch
keine Gerbstoffe sind oder nur kleine Mengen gerbend
wirkender Kondensationsprodukte
enthalten. Herstellungsverfahren für derartige hochmolekulare Sulfonsäuren finden
sich beispielsweise in den britischen Patenten 275 267, 288 126, 289 841,
in den französischen Patenten 64o 617, 653 790 u. a. m. Es gelingt nun ohne weiteres,
diese Sulfonsäuren durch Kondensationen bekannter Art, insbesondere mit Formaldehyd,
in starke Gerbstoffe überzuführen. Sie können auch in an sich bekannter Weise oxydiert
oder chloriert werden oder ihren Gerbstoffcharakter durch Kopplung mit aliphatischen
oder aromatischen Oxycarbonsäuren erhalten. Als Kondensationsmittel für den Formaldehyd
oder die Oxycarbonsäuren können, genau wie bei der Darstellung der bekannten niedrigmolekularen
Gerbmittel, Schwefelsäure, rauchende Schwefelsäure oder die Schwefelsäurehalogenhydrine
zur Anwendung gelangen.
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Beispiel i 96 Gewichtsteile Rohkresol (97 bis iooo/o) @verden mit
5oo Gewichtsteilen Ölsäure gemischt und mit 26o Ge#%,szchtsteilen Chlorsulfonsäure
bei 3o bis 35' C unter Kühlung und Rührung kondensiert und sulfoniert. Nach
18stündiger Einwirkung werden 33,3 Gewichtsteile einer 4o%igen Formaldehydlösung
unter Rührung und Kühlung langsam hinzugefügt. Zum Schluß werden noch 5o Gewichtsteile
Chlorsulfonsäure nachgesetzt, wobei die Temperatur auf 30' C gehalten wird.
Nach 24stündigem Stehen wird die Sulfonsäure in Wasser aufgenommen und mit Natronlauge
anneutrahsiert. Man hebt dann von der sich bildenden Natriumsulfatlösung ab und
verdampft die letzten Wassermengen. Die wasserfreie sirupöse Substanz gibt die charakteristischen
Gerbstoffreaktionen und zeigt bei der Analyse einen Gerbstoffgehalt von 76%.
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Beispiel 2 45,3 Gewichtsteile gepulvertes Naphthalin (i Mol) werden
in 5oo Gewichtsteilen Olsäure (5 Mol) warm gelöst. Die erkaltete Lösung wird mit
256 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure(6,2Mol) unter den Bedingungen von Beispiel i
kondensiert und sulfoniert. Am folgenden Tage wird das Produkt mit 26,5 Gewichtsteilen
Formaldehyd (4o%ig) (i Mol) und darauf mit 36,5 Gewichtsteilen Schwefelsäure (66o
° B6) (i Mol) bei etwa 3o' behandelt. Die Gewinnung des anneutrahsierten wasserfreien
Gerbmittels erfolgt wie in Beispiel i. Das sirupöse Produkt enthält 75 % Gerbstoffe.
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An Stelle der Olsäure können sämtliche technischen Fette, Fettsäuren,
Harze, Wachse, Alkohole oder Derivate dieser Körper Verwendung finden. Insbesondere
kann man sich vorteilhaft billiger Rohstoffe, wie Wollfett, Wollolein, Tran, Tallöl
o. dgl., bedienen. Beispiel 3 25 Gewichtsteile Oleinalkohol werden mit 6,2 Gewichtsteilen
Tetrahydronaphthalin gemischt und mit 21,9 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure bei etwa
40' behandelt. Nach 18stündigem Stehen wird das Reaktionsprodukt mit 75 0/0 W asser
aufgenommen, mit Natronlauge anneutralisiert und mit 2,2 Gewichtsteilen einer 3o%igen
Formaldehydlösung bei etwa 33' kondensiert. Nach einigem Stehen wird mit
Natronlauge zu Ende neutralisiert und der erhaltene künstliche Gerbstoff von Verunreinigungen
abfiltriert.
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Beispiel 4 5o Gewichtsteile Erdnußöl werden mit 8,9 Gewichtsteilen
a-Chlornaphthalin gemischt und mit 32 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure bei etwa
35' kondensiert und sulfoniert. Am nächsten Tage wird mit 8,4 Gewichtsteilen
Phosphoroxychlorid versetzt und 14 Stunden auf 40' erwärmt. Darauf wird das Reaktionsprodukt
mit 5o0/, Wasser aufgenommen, mit Natronlauge anneutralisiert und nach Abziehen
der sich abscheidenden Salzlösung mit etwas Wasser verdünnt und zu Ende neutralisiert
und filtriert. Beispiel 5 .
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5o Gewichtsteile Olein werden allmählich mit 35 Gewichtsteilen Schwefelsäuremonohydrat
bei 15 ° sulfoniert und dann 5 Stunden lang auf 8o bis 85 ° erwärmt. 65 Gewichtsteile
des so erhaltenen rohen y-Stearolaktöns werden mit 17,4 Gewichtsteilen Cyklohexanon
gemischt und mit einer Lösung von 8,4 Gewichtsteilen Phosphorpentoxyd in 35 Gewichtsteilen
Schwefelsäuremonohydrat bei 35' behandelt. Nach einigem Stehen werden noch
5 Gewichtsteile Chlorsulfonsäure bei 3o' nachgesetzt. Die gewonnene Sulfonsäure
wird nach beendeter Reaktion mit 5o0/, Wasser aufgenommen, mit Natronlauge anneutralisiert
und mit 8,8 Gewichtsteilen einer 40%igen Formaldehydlösung bei 35' kondensiert.
Die Gerbstoffherstellung wird, wie üblich, beendet.
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Beispiel 6 5o Gewichtsteile Ölsäurechlorid, welches aus Olsäure und
Phosphortrichlorid zu erhalten ist, werden mit 21 Gewichtsteilen Benzylchlorid gemischt
und bei 32' mit 23 Gewichtsteilen eines 2o%igen Oleums und schließlich mit
39 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure sulfoniert und kondensiert. Am nächsten Tage
wird das Reaktionsprodukt mit 50% Wasser aufgenommen, mit Natronlauge anneutralisiert,
mit 8,4 Gewichtsteilen einer 40%igen Formaldehydlösung kondensiert und, wie üblich,
auf Gerbstoff eingestellt.
Beispiel 7 ioo Gewichtsteile Olein werden
mit ioo Gewichtsteilen Rohkresol gemischt und mit 134 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure
bei 35' behandelt. Am nächsten Tage wird die Sulfonsäure mit 5o0/, Wasser
aufgenommen, mit Natronlauge anneutralisiert und mit 46,4 Gewichtsteilen einer 40%igen
Formaldehydlösung bei 35'' kondensiert und in beschriebener Weise zu Gerbstoff aufgearbeitet.
Beispiel 8 5o Gewichtsteile raffiniertes Erdnußöl werden mit 12,5 Gewichtsteilen
Xylol gemischt und bei 33' mit 5o Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure behandelt.
Am nächsten Tage wird die Sulfonsäure mit 75 0/0 Wasser aufgenommen, mit Natronlauge
anneutralisiert, mit 6 Gewichtsteilen einer 30%igen Formaldehydlösung kondensiert
und, wie üblich, auf Gerbstoff eingestellt. Beispiel g 3o Gewichtsteile Wollfett
werden mit 2o Gewichtsteilen technischer Naphthensäure gemischt und mit einem Gemisch
von 6o Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure und 5 Gewichtsteilen Phosphorsäureanhydrid
bei 33' behandelt. Am nächsten Tage wird die Sulfonsäure mit 5o0/, Wasser
aufgenommen, mit Natronlauge anneutralisiert und mit 6,4 Gewichtsteilen einer 40%igen
Formaldehydlösung kondensiert. Durch weitere Neutralisation und Filtration wird
der Gerbstoff fertiggemacht. Beispiel io 1o5 Gewichtsteile eines technischen Gemisches
von Laurinsäure und Myristinsäure werden mit 75 Gewichtsteilen Phenol verschmolzen,
und das Ganze wird mit 143 Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure bei 35' sulfoniert und
kondensiert. Das Reaktionsprodukt wird am nächsten Tage mit 750/0 Wasser aufgenommen,
mit 37,5 Gewichtsteilen Harnstoff i Stunde lang auf 8o bis go' erwärmt und nach
dem Erkalten auf 30' mit 48,4 Gewichtsteilen einer 35%igen Formaldehydlösung zwecks
weiterer Kondensation versetzt. Am folgenden Tage wird zu Ende neutralisiert und
der fertige Gerbstoff filtriert. Beispiel i= ioo Gewichtsteile des der Kokosölfettsäure
entsprechenden hochmolekularen Alkohols werden mit ioo Gewichtsteilen Xylenol vermischt
und unter Kühlung und Rührung bei höchstens 30' mit ioo Gewichtsteilen Chlorsulfonsäure
langsam sulfoniert und kondensiert. Nach beendeter Reaktion wird die erhaltene Sulfonsäure
mit ioo Gewichtsteilen Wasser verdünnt, worauf dann 34 Gewichtsteile einer Formaldehydlösung
von -2o Volumprozent langsam unter andauernder Kühlung und Rührung eingetragen werden.
Nach nächtlichem Stehen ist die Kondensation beendet. Es wird mit 46,4 Gewichtsteilen
einer 25 %igen Ammoniaklösung auf eine Wasserstoffionenkonzentration pH = 3 bis
3,5 eingestellt. Der so erhaltene Gerbstoff ist besonders für weiße Ausgerbungen
geeignet.
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Die hochmolekularen Gerbstoffe vorstehend beschriebener Art führen
die tierische Haut in ein vorzügliches Leder über, welches je nach Auswahl und Anwendungsart
des betreffenden Gerbmittels in seinem Charakter dem mit pflanzlichen Gerbstoffen
gegerbten Leder oder den Glacegerbungen oder sogar den Sämischgerbungen nahe kommen
kann. Fülle, Stand und Festigkeit der so gegerbten Leder sind weit besser als bei
der Gerbung mit den bekannten künstlichen Gerbstoffen. Die hochmolekularen Gerbstoffe
können daher in der Praxis allein oder im Gemisch mit pflanzlichen oder den bekannten
niedrigmolekularen künstlichen Gerbstoffen zur Anwendung gelangen. Sie bewirken
eine wesentlich bessere Ausnutzung vieler vegetabilischer Gerbstoffe, da sie die
sonst unlöslichen Anteile derselben (Phlobaphene) weitgehend in Lösung bringen.
Sie geben infolge ihrer natürlichen Bleichwirkung außerdem starke Aufhellungen vegetabilischer
Gerbungen und bedingen in der nachfolgenden Färberei sehr gleichmäßige Färbungen.
Schließlich sind sie zu N achgerbungen aller Art gut geeignet, insbesondere auch
für chromgegerbte Leder zwecks Fixierung basischer Farbstoffe und Verbesserung von
Griff und Narben. Ihre Auffindung stellt einen bedeutenden technischen Fortschritt
dar. Einmal ist für billige und in großen Mengen zur Verfügung stehende Rohstoffe
ein Verarbeitungsgebiet geschaffen, und ferner können die aus diesen Rohstoffen
hergestellten hochmolekularen Gerbmittel weitgehend die teuren ausländischen- Gerbstoffe
ersetzen.
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Das vorstehend beschriebene Verfahren ist also von den bekannten Gerbverfahren
mit relativ niedrigmolekularen Sulfonsäuren gemäß den deutschen Patenten 262 558,
ago 965 und 292 531 ganz wesentlich. durch das höhere Molekulargewicht der
angewandten Gerbmittel und die dadurch bedingten Vorteile unterschieden. Man hat
bereits vorgeschlagen, Kolophonium in Gegenwart von aromatischen Oxyverbindungen
zu sulfonieren und die Reaktionsprodukte als Gerbmittel zu verwenden. Jedoch stehen
diese Gerbungen den nach dem vorstehenden Verfahren erhaltenen nach. Schließlich
ist es auch bekanntgeworden, Gerbstoffe aus aromatischen
Kohlenwasserstoffen
oder deren Derivaten im Gemisch mit Kohlenhydraten oder deren Abkömmlingen durch
Sulfonierung zu erhalten. 'Ulan erhält auch nach diesem Verfahren weniger griffige
Leder als nach dem vorstehenden Verfahren, in welchem im übrigen die Verwendung
von Kohlenhydraten oder deren Abkömmlingen nicht beansprucht wird. Durch das deutsche
Patent 455 5$$ und das französische Patent 613 777 ist bereits bekanntgeworden,
butyl- und amylsubstituierte aromatische Sulfonsäuren mit Formaldehyd zu kondensieren,
jedoch ist hieraus die Verwendbarkeit der so gewonnenen sowie der von uns beschriebenen
noch höhenmolekular substituierten Erzeugnisse als Gerbmittel nicht abzuleiten.