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Verfahren zur Herstellung von Lösungen der Cellulose und ihrer Umwandlungsprodukte
sowie alkalilöslicher Cellulosederivate. Es wurde die Beobachtung gemacht, daß starke
organische Basen, insbesondere quaternäre Ammoniumbasen oder solche Basen, in deren
wässerigen Lösungen man ein elektrolytisch stark dissoziiertes Hydroxyd annimmt,
oder Mischungen von Stoffen, die starke organische Basen zu bilden vermögen, eine
lösende Wirkung auf Cellulose, deren L'mwandlungsprodukte oder alkalilösliche Celhilosederivate
ausüben. Diese lösende Wirkung der starken organischen Basen erhöht sich noch in
Gegenwart von Alkali.
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Der Ausdruck »starke organische Basen« bedeutet in der Beschreibung
und in den Ansprüchen solche organische Basen, welche Ammoniumsalze, z. B. Ammoniumchlorid
oder Ammoniumsulfat unter Freimachen von Ammoniak zu zersetzen vermögen.
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Die Tatsache, daß starke organische Basen auf Cellulose oder deren
Umwandlungsprodukte lösend einwirken, ist überraschend, um so mehr, als das Lösungsvermögen
dieser Basen dasjenige von Ätzalkalien, soweit ein solches besteht, noch übertrifft.
Während Ätzalkalilaugen inercerisierte oder gebleichte Cellulose oder gebleichte
und inercerisierte Cellulose oder gewisse aus Celluloselösungen gewonnene Celluloseumwandlungsprodukte,
wie das aus Viskose oder aus Kupferoxydammoniakcelluloselösungen regenerierbare
Üellulosehy drat, demnach auch Viskoseseide und Kupferseide, mir bei tiefen Temperaturen
zii lösen vermögen, lösen sich diese Stoffe in wässerigen Lösungen starker organischer
Basen, z. B. einer 2o- bis 5oprozentigen Lösung von Tetraaetliylainrnoniuinhydroxvd
oder Tetramethylaminoniumhydroxyd oder Phenyltrimethylainmoniumhydroxyd oder Guanidin
schon bei Zimmertemperatur. Je nach der besonderen Art des zu lösenden Stoffes aus
der Celltilosegruppe kommt das Lösungsvermögen der wässerigen Lösungen der starken
organischen Basen in An- oder Abwesenheit von Alkalien entweder schon bei Zimmertemperatur
oder höheren oder bei Temperaturen, welche zwischen Zimmertemperatur und o° liegen,
oder erst unterhalb o° zur Geltung.
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So lösen sich z. B. diejenigen Umwandlungsprodukte, welche durch Abscheidung
aus Lösungen von Cellulose in Lösungsmitteln, wie z. B. starker Mineralsäure, Kupferoxydammoniak
oder Chlorzink oder aus Viskose gewonnen werden können, in wässerigen Lösungen starker
organischer Basen in An- oder Abwesenheit von Alkali schon bei Zimmertemperatur.
Mercerisierte Cellulose oder gebleichte Cellulose oder gebleichte und inercerisierte
Cellulose löst sich je nach dem Mercerisierungs- bzw. Bleichgrade entweder bei Zimmertemperatur
oder zwischen Zimmertemperatur
und o° oder nicht sehr tief unter
o°, während sich wenig oder gar nicht aufgeschlossene Cellulose erst unterhalb o°
in den wässerigen Lösungen der Basen in An- oder Abwesenheit von Alkalien löst.
In jedem Falle ist es leicht, die geeignete Temperatur durch einen einfachen Vorversuch
zu bestiminen, indem man den Cellulosekörper mit einer wässerigen Lösung der gewünschten
Base, gegebenenfalls in Gegenwart von Alkali, vermischt, und, wenn bei Zimmertemperatur
keine Lösung eintritt, stufenweise kühlt, bis eine Lösung entsteht.
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Als Ausgangsstoffe für das vorliegende Verfahren kommen z. B. folgende
in Betracht: i. Gebleichte oder ungebleichte Cellulose jeder Art und in jeder Form;
2. cellulosehaltige Stoffe jeder Art; 3. diejenigen Umwandlungsprodukte, die sich
durch mechanische Zerkleinerung, z. B. Mahlen oder Zerfasern, der Cellulose in Gegenwart
von Wasser bilden; .I. die Umwandlungsprodukte, welche man durch Erhitzen von Celltilose
für sich oder in Gegenwart von Wasser oder Glycerin o. dgl. bei normalem, vermindertem
oder erhöhtem Druck erzielt; 5. die Celluloseumwandlungsprodukte,welche durch Behandlung
von Celhilose oder ihren Umwandlungsprodukten mit Alkalilauge verschiedener Konzentration
hergestellt werden (mercerisierte Cellulose) ; G. diejenigen Celluloseumwandlungsprodukte,
welche man durch Behandlung von Cellulose mit heißen Alkalien bei An- oder Abwesenheit
von Salzen erzielt; 7. die Celluloseumwandhingsprodukte, die aus vollständigen oder
unvollständigen Lösungen von Cellulose oder ihren Umwandlungsprodukten durch Fällungsmittel
oder andere Mittel abgeschieden werden. An Lösungen kommen in Frage z. B. Lösungen
von Cellulose oder Cellulosehydraten oder Hydrocellulosen in Kupferoxydammoniak
oder anderen, Kupfer als Grundlage enthaltenden Lösungsmitteln oder Lösungen in
Zinkhaloiden, z. B. Chlorzink, für sich oder in Gegenwart von Säuren oder anderen
Salzen oder Lösungen in starken Mineralsäuren, wie Schwefelsäure, Phosphorsäure,
Salzsäure, Arsensäure, einzeln oder gemischt oder im Gemisch mit anderen anorganischen
oder organischen Säuren oder sauren Salzen oder rohe oder gereinigte Viskosen. Von
allen aus Celluloselösungen abgeschiedenen Celluloseumwandlungsprodukten gilt, daß
die Natur des Abscheidungsmittels ohne Einfluß auf das vorliegende Verfahren ist;
B. aus Cellulose oder Celluloseumwandlungsprodukten oder Celluloseabkömmlingen hergestellte
Fäden und Gespinste jeder Art, wie Kunstseide, Kunstseideabfall, Kunstbaumwolle,
Stapelfaser o. dgl.; g. Hydrocellulosen jeder Art, wie man sie z. B. durch Behandlung
von gebleichter oder ungebleichter Cellulose mit verdünnten Säuren in der Kälte
oder Hitze unter gewöhnlichem oder erhöhtem Druck oder durch Trocknen in Gegenwart
von Säuren, oder durch Behandlung von Cellulose mit starker Schwefelsäure unterhalb
5o° Be in der Kälte, gasförmiger Salzsäure oder Chlor erhält; ro. Oxycellulosen
jeder Art; 1z. die aus Cellulosederivaten, wie Estern o. dgl., durch Verseifung
erzielbaren Celluloseumwandlungsprodukte; 12. Celluloseabkömmlinge von der Art der
durch Behandlung von Cellulose oder Celluloseumwandlungsprodukten mit Allcylierungsmitteln
erhältlichen, alkalilöslichen Alkylcellulosen.
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Die vorstehend genannten Umwandlungsprodukte und Abkömmlinge der Cellulose
können in trockenem, lufttrockenem, feuchtem oder nassem Zustande zur Verwendung
gelangen. In den letzten zwei Fällen muß man bei der Festsetzung der Stärke und
Menge der für die Lösung bestimmten Basenlösung den Wassergehalt des Ausgangsstoffes
berücksichtigen.
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Die Ausführung des Verfahrens ist leicht. Sie besteht im wesentlichen
darin, daß man Cellulose, Celluloseumwandlungsprodukte und -abkömmlinge mit einer
wässerigen Lösung einer starken organischen Base oder zweier oder mehrerer solcher
Basen, bei An- oder Abwesenheit von Ätzalkali zweckmäßig unter Rühren bei einer
für den betreffenden Cellulosekörper geeigneten Lösungstemperatur behandelt, bis
Lösung erfolgt. An Stelle der Base selbst können Mischungen solcher Stoffe, die
die in Frage stehende Base zu bilden vermögen, verwendet werden.
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Wird die Lösung unter Kühlung vollzogen, so findet sie zweckmäßig
in einem Gefäß statt, welches entweder von außen oder innen oder von außen und innen
gekühlt werden kann und außerdem eine Misch-, Knet- oder Rührvorrichtung besitzt.
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Die nach dem vorliegenden Verfahren erzielten Lösungen der Cellulose
usw. können, gegebenenfalls nach vorherigem Filtrieren oder Kolieren oder Zentrifugieren,
zur Herstellung von technischen Produkten, wie künstlichen Fäden oder Gespinsten,
künstlichem Haar, Filme jeder Art, plastischen Massen, Schichten jeder Art auf Papier,
Textilstoffen, Leder u. dgl., Appreturen und Füllungen von Geweben, Buchbinderleinwand,
Kunstleder ti. dgl. verwendet werden.
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Die Verarbeitung der Lösungen auf technische Produkte gestaltet sich
leicht, weil sie durch geeignete Fällbäder, wie anorganische oder organische Säuren,
Salze, Alkohole, in manchen Fällen schon durch Wasser oder durch Hitze, Dampf u.
d-1. leicht koagulierbar sind.
Ausführungsbeispiele. I.
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=als Ausgangsstoffe können verwendet «erden r. fein verteilte Sulfitcelltilose:
2. gebleichte Baumwolle, z. B. in Form von \'erl)and@z-atte: 3. inercerisierte Celltilose,
dargestellt z. B. in folgender Weise: ioo Gewichtsteile Sulfitzellstoff in Fließen
oder Blättern oder Verbandwatte werden mit 9oo bis iooo Gewichtsteilen einer 18-
bis 3oprozentigen Natronlauge von Zimmerteinperatttr getränkt, 6 bis 2d. Stunden
in der Natronlauge belassen und dann sofort gewaschen oder auf Zoo bis 3oo Gewichtsteile
abgepreßt oder abgeschleudert und aufgelockert oder in einer geeigneten Vorrichtung,
z. B. Zerfaserer, Kollergang, Reißwolf o. dgl., zerkleinert und entweder sofort
nach den "Zerkleinern oder nach ein- bis dreitägigem Stehen bei Zimmertemperatur
mit kaltem oder heißem Wasser gewaschen. Dann wird die ausgewaschene, mercerisierte
Cellulose abgepreßt oder abgeschleudert und im Vakuum oder an der Luft getrocknet
oder im abgeschleuderten abgepreßten Zustande, gegebenenfalls nach vorherigem Zerkleinern,
verwendet.
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.I. In Gegenwart von Wasser zerkleinerte hzw. gemahlene Cellulose,
die z. B. folgendermaßen dargestellt werden kann: Zoo Gewichtsteile Stilfitcelltilose
in Vließen oder Blättern werden mit dem zehn- bis zwanzigfachen ihres Gewichtes
an Wasser bis zur Gleichmäßigkeit verrührt und nach mehrstündigem oder mehrtägigem
Stehen bei Zimmertemperatur auf 25o bis 35o Gewichtsteile abgepreßt oder abgeschleudert.
Dann wird der Preßkuchen oder Rückstand mehrere Stunden bis achtTage in einer geeigneten
Vorrichtung, z. B. Zerfaserer, Kollergang, Reißwolf, Knetwerk o. dgl., gemahlen
oder auf sonstige Weise zerkleinert und gegebenenfalls getrocknet.
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5. Mit verdünnter lNIineralsäure, z. B. nach folgender Vorschrift
vorbehandelte Cellulos^: ioo Gewichtsteile gebleichter oder ungelileichter Sulfitcellulose
werden mit i ooo bis .Iooo Gewichtsteilen '/-prozentiger Salzsäure 1/_ his 3 Stunden
im offenen Gefäß gekocht, dann gegebenenfalls nach vorherigem Abpressen oder Abschleudern
mit Wasser salzs iitirefrei gewaschen und ab-epreßt oder abgeschleudert und, wenn
gewünscht, getrocknet.
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6. Viskoseseide oder Kupferseide oder Abfälle solcher Seiden.
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7. Cellulosehydrat, erzielt durch Behandlung von Viskose in gelöstem
oder ungelöstem Zustande, d. li. sulfidierter Alkalicellulose vor ihrer Auflösung,
mit einer verdünnten Mineralsäure, z. B. 5prozentiger Schwefelsäure, Auswaschen
und gegebenenfalls Trocknen des Niederschlages.
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B. Celluloseumwandlungsprodukte, erbalten durch Lösen von Cellulose
in starker Schwefelsäure und Ausfällen mit Wasser oder verdünnten Säuren, z. B.
nach folgender Vorschrift: ioo Gewichtsteile fein verteilter Stilfitcellulose werden
in iooo bis 2ooo Gewichtsteile auf -i2° gekühlter Schwefelsäure von 6o'Be in kleinen
Anteilen unter Kneten, Reiben oder Mischen und fortwährendem Kühlen eingetragen.
Das Eintragen dauert etwa 2o Minuten. Die Temperatur der Masse während des Eintragens
hält sich bei etwa -io° bis -ii '. Nachdem die ganze Sulfitcellulose der Schwefelsäure
einverleibt ist, liegt ein zäher Teig vor, der sich auf einer Glasplatte auswalzen
läßt und in dünner Schicht durchsichtig erscheint. Dieser Teig wird unter fortwährender
Kühlung noch eine halbe bis eine Stunde unter Kneten bei - i o° bis -i2° gehalten
und dann mit Eiswasser, «-elches in kleinen Anteilen zugesetzt wird, angeknetet,
bis er gänzlich zerfallen ist. Das ausgeschiedene Produkt wird, gegebenenfalls nach
vorheriger Abpressung zwecks Wiedergewinnung der Schwefelsäure, mit Wasser so lange
gewaschen, bis sich in dem Waschwasser keine Schwefelsäure mehr nachweisen läßt
und bis eine Probe des Produkts, mit Wasser aufgekocht, an das Wasser keine Schwefelsäure
mehr abgibt. Um das Waschen zu beschleunigen, kann man' während des Waschens das
mehr oder minder derbe Produkt im feuchten Zustande ein oder mehrere Male zerreiben
oder zermahlen. Der ausgewaschene Körper wird nun ausgepreßt oder abgeschleudert,
wenn nötig nochmals zerrieben oder zermahlen und entweder in nassem Zustande verwendet
oder vorher im Vakuum oder an der Luft getrocknet.
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io Gewichtsteile eines der vorgenannten Ausgangsstoffe werden mit
einer wässerigen Lösung von Guanidin oder Tetrainetlivlammoiiiuinhvdroxyd oder Tetraäthvlaininoniumhvdroxyd
oder Phenvltrimethylammoniuinhydroxvd entsprechender Konzentration versetzt, bis
die Mischung auf die io Gev-ichtsteile lufttrockenen Ausgangsstoff i 9o bis 2d.o
Gewichtsteile einer 20- bis 5oprozentigen Lösung einer dieser Basen enthält, worauf
bei Zimmertemperatur bis zur Gleichmäßigkeit gerührt wird.
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Hierbei erfolgt bei i, 2, 3 und d. bloß mehr oder weniger wahrnehmbares
(wellen, wogegen 5, 6, 7 und 8 zu einem erheblichen Teil in Lösung gehen.
Dann
werden die Massen vorteilhaft unter Rühren oder Kneten auf -8' bis - i i
° abgekühlt und bei dieser Temperatur einige Sekunden bis 3o Minuten gehalten.
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Die Abkühlung bewirkt in den ersten vier Fällen Lösung, in den letzten
vier Verbesserung, d. i. Vervollständigung der Lösung. Die Lösungen sind viskos,
aber fließend und können von etwa noch vorhandenen ungelösten Bestandteilen durch
Kolieren oder Filtrieren oder Zentrifugieren befreit werden.
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Auf Glasplatten zu dünnen Schichten ausgebreitet und mit einem geeigneten.Fällbacl,
z. B. verdünnter Schwefelsäure, behandelt, geben sie Filme, welche nach dem Auswaschen
und Trocknen durchsichtig und biegsam sind. Auch auf Kunstfäden, wie Kunstseide,
lassen sie sich durch Verspinnen in geeignete Fällbäder, z. B. verdünnte Schwefelsäure
oder verdünnte Schwefelsäure im Gemisch_mit einem Salz, verarbeiten. II. Die Arbeitsweise
ist die gleiche. wie im Ausführungsbeispiel I, jedoch mit demUnterschied, daß zur
Lösung der io Gewichtsteile des Ausgangsstoffes igo bis 24o Gewichtsteile einer
io- bis 3oprozentigen Lösung von Tetramethylammoniumhydroxyd oder Tetraäthylammoniumhydroxyd
oder Phenyltrimeth3rlammoniumhydroxyd oder Guanidin in 5-bis ioprozentiger Natronlauge
verwendet werden.
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Die Anwesenheit des Ätznatrons erhöht das Lösungsvermögen der Basen.
Sonst ist das Ergebnis im großen und ganzen (las gleiche wie in Beispiel i.