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Röst- und Aufbereitungsverfahren für Bastfaserpflanzen, insbesondere
für Flachs. Gegenstand der vorliegenden Erfindung bildet einverfahren zur Gewinnung
von Spinnfasern aus dem Baste von Bastfaserpflanzen aller Art.
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Das Verfahren soll im folgenden so beschrieben werden, wie es sich
insbesondere für die Verarbeitung von Flachs darstellt. Die Verarbeitung . anderer
Bastfaserpflanzen geschieht in analoger Weise.
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Bisher hat man derartiges Material, also insbesondere Flachs, entweder
durch natürliche oder durch Kunströste aufbereitet. Bei der natürlichen und bei
der Kunströste, soweit sie der natürlichen Röste insofern nachgebildet ist, daß
sie die Spinnfasern durch einen Gärungsprozeß isoliert, hat man bisher derart gearbeitet,
daß die Pflanzen einem langsamen, gegebenenfalls von selbst auftretenden Gärungsprozeß,
dem -sogenannten Rösten oder Rotten, unterworfen werden. Hierbei wurde durch die
Tätigkeit der Gärungsbakterien der Pflanzengummi derart gelöst oder zerstört, daß
nach vorherigem Trocknen ein mechanisches Trennen des Bastes vom holzigen Teil der
Stengel sowie ein Auseinanderfallen der einzelnen Fasern oder Faserstränge möglich
wurde. Je nach :der Ausführung dauert ein derartiger Gärungsprozeß mehrere Tage,
auch Wochen. Er bringt mannigfache Übelstände mit sich insofern, als der Prozeß
mit der Entwicklung sehr übelriechender Gase verbunden ist und unkontrollierbar
ist, daß ein über-oder Unterrösten schwer auszuschließen ist, und schließlich der
Prozeß selbst an eine bestimmte Jahreszeit gebunden ist, nämlich im Herbst nach
der Flachsernte ausgeführt werden muß, zu einer Zeit also, in der der Landmann gerade
mit anderen Erntearbeiten überlastet ist. Die entstehenden Abwässer der Gärungsröste
sind zudem außerordentlich unangenehme Abfallprodukte, die bisher noch keine Verwendung
finden konnten und deren Einlassen in die Vorfluter unter Umständen von verhängnisvollen
Folgen für die Wasserläufe ist.
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Man hat bisher auch versucht, durch Kochen des Flachses in offenen
oder geschlossenen Behältern und unter Verwendung von Säuren oder Laugen eine künstliche
Röste durchzuführen, insbesondere auch die Röstdauer abzukürzen. Das ist durchführbar,
nur hat die Erfahrung gezeigt, daß, wenn man die Einwirkung der Chemikalien, sei
es durch Konzentration, sei es durch die Länge der Behandlungszeit, so weit führt,
daß der Pflanzengummi genügend zerstört ist, um eine Trennung des Bastes von den
Holzteilen nach den üblichen Verfahren durchzuführen, die im Baste wie auch außen
um den Stengel herumliegenden Fasern in hohem Maße angegriffen, ja unter Umständen
völlig zerstört werden. Die chemische Kunströste hat sich daher auch nicht bewährt.
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Das vorliegendeVerfahrengeht nun von dem Gesichtspunkte aus, daß es
notwendig ist, die Einwirkung,der Kochflüssigkeit auf den Pflanzengummi nur soweit
durchzuführen, als dies geschehen kann, ohne die Spinnfaser chemisch anzugreifen.
In diesem Zustande würde aber nach dem üblichen Verfahren, also beim
Trocknen
und weiterer nach deni Trockiieri erfolgender mechanischer Aufbereitung, die Spinnfaser
sich nicht von den Holzteileia trennen lassen, da der verkittende Zusammenhang vermittels
des Pflanzengummis nicht genügend zerstört ist.
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Es wurde aber gefunden, daßmanauf diesem Wege zu durchaus befriedigenden
Ergebnissen kommt, wenn man das in dieser Weise vorbereitete Rohgut nunmehr in nassem
Zustande der Einwirkung sogenannter Softner unterwirft, d. h. es einem Walzprozeß
aussetzt, bei dein das Fasergut achsenparallel oder im spitzen Winkel zu den Walzenachsen
durch das Preßwerk hindurchgeführt wird.
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Auf diese Weise wird jeder Einzelstengel breit gewalzt. Innerhalb
der Faserschicht werden die einzelnen Faserstränge parallelvoneinander entfernt,
während die Holzteile weitgehend zerkleinert werden. Der erweichte Pflanzengummi
wird ausgepreßt, so daß nach dein Trocknen der breit gewalzte Stengel die Fremdkörper,
nämlich die getrockneten Reste von Pflanzengummi und die Holzteile, als kleine,
weitgehend zerdrückte und zerteilte Schäben sich ganz leicht aus dem Material in
bekannter Weise entfernen lassen.
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Das Wesen des Verfahrens besteht also, um (lies nochmals hervorzuheben,
darin, den Pflanzengummi nur soweit durch Kochen zu erweichen, als dies ohne Schädigung
der Spinnfaser geschehen kann, und dasjenige, was an völliger Aufschließung noch
fehlt, durch die mechanische Aufschließung mittels N aßwalzen zu ersetzen. Selbstverständlich
kann man das Material, nachdem es quer zur Faserrichtung durch die Walzen gewandert
ist, in gleicher Weise noch mehrmals durch Walzwerke schicken. Eine Abweichung von
der achsenparallelen Lage des Stengelmaterials im Preßwerk, d. h. also das Hindurchschicken
des Stengelmaterials in spitzwinkliger Lage zur Walzenachse, empfiehlt sich unter
Umständen, um ein Aufwickeln des aus den Walzen kommenden Materials auf den Walzen
zu vermeiden.
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Das Verfahren kann aber eine weitere Sicherung gegen einen Angriff
der Fasern noch dadurch erreichen, daß man bei der Kochung dem Ansatz pulverförmige
erdige Stoffe, vorzugsweise solche kolloidalen Charakters, wie Kaolin, Lehm, Tonerde,
Schlämmkreide, Schlamm, Erde o. dgl., zugibt. Es läßt sich theoretisch nicht begründen,
in welcher '\@'eise fliese Zusätze in den Aufschlußansatz wirken. Es scheint, als
wenn der erdige Zusatz eine feine Suspensionsschicht auf den Fasern bildet, so daß
die Gefahr des Angriffs des Kochprozesses auf die Faser vermindert wird. Die Ausführung
des Verfahrens gewinnt (ladurch nicht unerheblich an Sicherheit. Man kann die Kochflüssigkeit
dabei unter Umständen auch ganz schwach alkalisch wählen oder aber der Kochflüssigkeit
neutralisierende erdige Substanzen, wie beispielsweise Schlämmkreide, zusetzen.
um die während der 1Jisung des Pflanzengummis beim Kochen entstehenden und die mit
dem Pflanzengummi unmittelbar in Berührung befindlichen, Fasern leicht angreifenden
Säuren abzustumpfen. Da der Angriff der bei dem Aufschluß entstehenden organischen
Säuren auf,die Faser infolge der Einbettung der Fasern in dem Pflanzengummi sehr
schnell geht, so wird durch den schwachen Zusatz alkalischer Substanzen diese organische
Säure sofort im Entstehungszustande unschädlich gemacht.
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Die erdige Substanzen werden nach der der mechanischen, nassen Behandlung
folgenden üblichen Trockenbehandlung ohne jede Schwierigkeit beseitigt, indem sie
bei der mechanischen Isolierung der Faser durch Klopfen, Hecheln usw. mit den Schäben
ausstäuben.
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Durch die Anwendung des beschriebenen Verfahrens werden die Fasern
sehr geschont und eine hohe Ausbeute an Fasern erzielt. Das_Verfahren bietet gegenüber-
der natürlichen Röste zunächst den großen Vorzug, daß es. nicht von einer bestimmten
Jahreszeit abhängig ist. Es kann in geschlossenen Fabrikräumen, unabhängig von Witterung
und Jahreszeit, und in ununterbrochenem "Betrieb ausgeführt «-erden. Es können die
in der landwirtschaftlichen Hauptarbeitszeit unverineidlichen Überlöhne vermieden
und die billigeren Arbeitslöhne für Dauerbeschäftigung aufgewandt werden. Die Röste
fällt auch bei sogenanntem Sonnenbrand gleichmäßig aus, und ein Über- oder LTnterrösten
ist so gut wie ausgeschlossen. Die Abwässer sind unschädlich und können als Düngemittel
verwendet werden. Auch ist der Betrieb nicht mit der Entwicklung von übelriechenden
Gasen usw. verbunden.
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Das Verfahren ist aber insbesondere auch von großer Wichtigkeit für
Samenflachs, d. h. für reifes Flachsstroh, dessen 'Verarbeitung auch durch künstliche
Röste bisher fast unmöglich war. Bei dem Flachsstroh ist durch den Verholzungsprozeß
die Verbindung zwischen Faser und Holzteile noch eine viel festere als beim unreifen
Stengelflachs, und ist, wie die Erfahrung gezeigt hat, unmöglich, auf chemischem
Wege die Isolierung der Bastfasern durchzuführen, ohne weitgehend die Faser zu schädigen.
Dieses heute fast wertlose Material kann aber nach dein vorbeschriebenen Verfahren
mit vorzüglichem Erfolge verarbeitet `-erden, da das Verfahren nur bis zur Aufweichung
der Interzellularsubstanz geführt wird und die weitere Zerstörung des
Pflanzengummis
und,die Lockerung der Faser aus ihrem Verband mit den Holzteilen auf dem mechanischem
Wege des Naßwalzens, wie es oben beschrieben wurde, ergänzt und zu Ende geführt
wird.
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Es wurde festgestellt, daß dieses Verfahren sich auch vorteilhaft
für die Aufbereitung des sogenannten argentinischen, eines dünn gesäten und stark
verästelten Samenflachses eignet. Bisher konnte man infolge der starken Verholzung
und der dadurch bedingten engen Verwachsung des Bastes mit dem Holze dieses Material
überhaupt nicht rösten. Das Flachsstroh wurde meistens, und besonders in Argentinien,
als wertlos verbrannt.
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Es ist an sich bekannt, Pflanzenmaterial zur Gewinnung von Spinnfasern
vorher mit oder ohne Chemikalien einzuweichen und dann einem Walzprozeß zu unterwerfen.
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Es war :aber für diese Zwecke nicht bekannt, das Walzen so durchzuführen,
daß das Material quer zur Faserrichtung, also achsenparallel durch die Walzen durchgeschickt
wird, was, wie oben ausseinandergesetzt, zu dem Zweck geschieht, um das noch anhaftende
Holzmaterial zu zertrümmern und seine Entfernung in Form von Schäben zu ermöglichen.
Bisher hat man für die Gewinnung von Spinnfasern das Material lediglich in der Richtung
seiner Fasern, also senkrecht zur Achse, durch Walzwerke geschickt, zum Teil lediglich
um das Material von der Lauge durch Abquetschen zu trennen, zum Teil, um zugesetzte
Pulvermengen zu entfernen, zum Teil auch, um die :Materialien mittels vorlaufender
Walzen einer bürstenden oder kämmenden Einwirkung auszusetzen.
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Dieser Behandlungsgreise gegenüber geschieht das Ouerwalzen bei der
vorliegenden Erfindung derart, daß -die Fasern parallel zueinander liegend voneinander
abgerückt und entfernt werden, ohne daß ein Zug in der Längsrichtung auf die Faser
ausgeübt wird. Es wird also bei dem zur Entfernung des Holzes in Schäbenform dienenden
Breitwalzen jede Schädigung der Faserlänge vermieden.