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Verfahren zur Gewinnung und Verarbeitung von verspinnbaren Fasern
aus faserführenden Pflanzen Zur Isolierung der Rohfasern aus faserführenden Pflanzenstengeln
bedient man sich in der Regel sog. Rottungsverfahren, welche den Zweck haben, cfas
Bindemittel zwischen "Bastfasern und dem übrigen Gewebe zu zerstören, um die Faser
dann leichter voni Stengel ablösen zu können. Man wendet zu diesem Zwecke meist
Naturrotten, wie die Wasser-, Land-, Winterlandtaurotte, und gemischte Rotten an.
Bei .diesen natürlichen Rottungsverfahren kommen neben Pilzen und Bakterien, welche
durch Verzehren des obgenannten Bindemittels günstig wirken, auch Kleinlebewesen
auf, die eine teilweise Zerstörung der Faser selbst bewirken und so zur Herabsetzung
der Festigkeit der Naturfaser wesentlich beitragen. Solche" Schädigungen äußern
sich häufig auch m einer starken Verfärbung der Faser, z. B. beim handelsüblichen
Schwarzhanf, und geben dadurch Veranlassung zur Verwendung stark angreifender Bleichmittel,
die eine neuerliche Schädigung der natürlichen Faserfestigkeit zur Folge haben.
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Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist es nun, die angeführten
Übelstände durch ein Kombinationsverfahren auszuschalten, und zwar dadurch, daß
einerseits an die Stelle der Naturrotte eine Rottung durch Reinkulturen pektinlösender
Bakterien tritt, wobei die Einwirkung von Cellulose zerstörenden Bakterien ausgeschlossen
ist, und anderseits durch eine Nachbehandlung, die infolge der schonenden Behandlung
der Faser bei der Rottung wesentlich milder erfolgt als nach der Naturrotte. .
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Die zur Rottung erforderlichen Bakterien werden in Gestalt einer Aufschlämmung
verwendet, die auf folgende Weise bereitet wird. Man läßt Pflanzenteile, z. B. einheimische
Früchte, Palmfrüchte oder deren Samen, andere fleischige Pflanzenorgane u. dgl.,
unter Wasser durch längere Zeit liegen und kultiviert nach bekannten Methoden die
dabei aufgekommenen Pektinvergärer in absoluter Reinkultur, wobei ein Agar oder
eine Gelatine Verwendung findet, die mit einer Abkochung von Steinnußabfällen, Tragant
u. dgl. versetzt ist. Diese so erhaltenen Kulturen werden unter bakteriologischen
Vorsichtsmaßnahmen in einer genügenden Menge Wasser aufgeschlämmt. Die Steinnußabfälle
und Tragant enthalten in besonders reichlichem Maße - zum Unterschiede von sehr
vielen anderen bislang zu diesem Zwecke verwendeten Pflanzenteilen - in ihrer Intercellularsubstanz
besonders
leicht abbaufähige Stoffe, die eine besonders günstige Entwicklung von pektinvergärenden
Bakterien ermöglichen.
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Bakterienkulturen wurden bereits mehrfach zu Rottezwecken herangezogen.
So wurden u. a. der Bazillus Felsineus, der auf Kartoffelnährboden gezüchtet wird,
in Form eines Präparates zum Rotten vorgeschlagen, doch sind sowohl Züchtung als
auch Rottung mit diesem Bazillus an die Temperatur von 37° gebunden, auch müssen
beide Vorgänge unter anäroben Verhältnissen erfolgen. Desgleichen gelangten auch
Kulturen der auf den zu röstenden Pflanzen zufällig vorkommenden Rottebakterien
zur Verwendung, wobei jedoch die Gefahr der Mitwirkung Cellulose zerstörender Bakterien
nicht ausgeschieden war.
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Die Nachbehandlung der gerösteten Fasern besteht in einer Einwirkung
von ammoniakalischer Seifenlösung unter Zusatz von Reduktionsmitteln, wobei diese
Behandlung vor oder nach der Verspinnung erfolgt.
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Die Fasergewinnung nach dem neuen Verfahren wird auf folgende Weise
durchgeführt: Die in üblicher Weise geernteten Pflanzenstengel, z. B. von Linum
usitatissimum (Flachs), werden getrocknet oder in frischem Zustande in die oben
beschriebene Aufschlämmung von Reinkulturen pektinlösender Bakterien eingelegt.
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In dieser Aufschlämmung verbleibt das Stengelmaterial bei gewöhnlicher
Temperatur q. bis 5 Tage, bei erhöhter Temperatur,, die aber nicht mehr als 36°
C betragen darf, 2 bis 3 _Tage. Zur leichteren .Entfernung des durch diese Behandlung
entwickelten Pflanzenschleimes kann das Material sodann mit einer i %igen Seifenlösung
vorbehandelt werden, der auch geringe Mengen eines Reduktionsmittels zugesetzt werden
können. Nach der nunmehr erfolgenden Trocknung wird nach den üblichen Methoden die
Rohfaser auch bei sonst nicht verwertbaren Pflanzen leicht vom Stengel abgetrennt.
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Die so gewonnene, bereits sehr hellfarbige und feste Rohfaser wird
alsdann dem nachbeschriebenen Bauchverfahren unterworfen. Man kann aber auch die
Rohfaser zuerst verspinnen und nach#ihrer Verarbeitung bäuchern.
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Dieses besteht in einer Behandlung des Fasermaterials mit einer ammoniakalischen
Seifenlösung unter Zusatz von Reduktionsmitteln, z. B. Natriumsulfit. Die Bauchlösung
enthält im Liter beispielsweise etwa 2o bis 3o g Kern- oder Schmierseife, 5 bis
io g Natriumsulfit und 15 bis 2o ccm 3o%iges Ammoniak. Man kann auch z. B. für bestimmte
Zwecke einen Teil des Ammoniaks durch Soda oder Pottasche ersetzen und die Bauchung
bei höheren Temperaturen und mit weniger konzentrierten Lösungen unter Druck vornehmen.
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Durch dieses stärker als reine Seifenlösung alkalisch und gleichzeitig
reduzierend wirkende Seifenbad wird einerseits die unerwünschte schädigende Bildung
von Oxy- und Hydrocellulosen nahezu völlig vermieden und die Faser weitgehend gebleicht,
anderseits auch eine geschmeidige und sehr feste Faser erhalten. Eine weitere Bleichung
mit den üblichen Mitteln ist nicht erforderlich und kann in besonderen Fällen durch
eine zweite gleichartige Behandlung der Faser, des Garnes bzw. des Gewebes ersetzt
werden. Man kann dabei durch Abänderung von #Einwirkungsdauer, Druck und Temperatur
auf kurze oder lange Fasern hinarbeiten.
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Die Vorteile der neuen Arbeitsweise zeigen sich neben einer _Verbesserung
der Faserqualität und einer Erhöhung der Ausbeute bei bereits in technischer Verwendung
stehenden Fasern auch darin, daß Pflanzenfasern technisch nutzbar gemacht werden
können, welche bislang noch nicht ausgenutzt werden konnten. Neben Cannabis sativa
(Hanf) bzw. Linum usitatissimum (Flachs) lassen sich auch aus Nessel- und Malvengewächsen
sowie Trifolium- und Melitotusarten (Kleearten), ferner aus Lupinus und Phaseolusarten
(Lupinen- und Bohnenarten) verspinnbare Fasern von hoher Qualität und in genügender
Ausbeute gewinnen.