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Verfahren zur Gewinnung textiler Rohfasern aus Pflanzenstengeln.
Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Behandlung von Pflanzen, wie z. B.
Flachs (Lein), Hanf, Ramie od. dgl., insbesondere von Ginsterarten, zum Zwecke der Gewinnung von textilen Rohfasern. Das Verfahren ermöglicht es, die Fasern aus den Stengeln der Pflanzen und voneinander rasch und vollständig abzusondern und gleichzeitig die in den Zellen dieser Fasern enthaltenen Stoffe zu entfernen, wodurch die Verspinnung der Fasern erleichtert wird.
Es ist vorgeschlagen worden, die brüchigen Haare von Kabok usw. durch Behandlung mit einem Bad biegsam und rauh zu machen, das aus einer Leimlösung mit einem geringen Alkalizusatz besteht.
Weiter ist bekannt, zwecks Gewinnung von Textilfasern aus Pflanzen stark konzentrierte Lösungen von Ätzalkalien als Bäder zu verwenden, wobei diese Bäder einen Zusatzstoff, wie z. B. Cholesterin, enthalten können, der die Aufgabe hat, die Fasern vor dem Angriff durch die Alkalien zu schützen.
Bäder dieser Art, deren Eignung zur Befreiung der Fasern von den sie verkittenden Fremdstoffen im wesentlichen auf der Wirkung der Alkalien beruht, erfordern eine lang andauernde Einwirkung unter Anwendung von Druck.
Es wurde nun die überraschende Beobachtung gemacht, dass die Absonderung der Fasern von der Rinde und voneinander und die Erzielung gut verspinnbarer Textilfasern leichter, schneller und vor allem vollständiger erreicht wird, wenn man ein schwach alkalisches Bad verwendet, das aber zusätzlich kleine Mengen bestimmter Stoffe enthält, welche den Stoffen chemisch verwandt sind, die durch Einwirkung des Alkalis auf die Pflanze gebildet werden.
Der Erfindung gemäss werden die Pflanzenstengel in der Hitze mit einer verdünnten Alkalilösung behandelt, die etwa 3-5% Äztalkali und eine geringe Menge, etwa 0'05-0'15% Aminosäuren (Glykokoll, Leucin, Glutaminsäure od. dgl. ) enthält.
Diese Behandlung hat zweierlei Folgen : Einerseits wird durch die Einwirkung des kaustisehen Alkalis eine Lösung und Hydrolyse der Hemizellulosen, d. h. der inkrustierenden Substanzen, bewirkt, während die Zellulose unverändert bleibt. Zufolge des Umstandes, dass diese Hemizellulosen in Lösung gehen, trennt sich der Bast mechanisch mit Leichtigkeit ab ; die Zellulose bleibt frei und unverändert.
Anderseits sind infolge der Gegenwart der Aminosäuren in dem Behandlungsbade Stoffe in diesem Bad in Lösung, welche die gleiche Beschaffenheit aufweisen wie jene, die die alkalische Lösung bei der Einwirkung durch die Wände der Zellen hindurch auf die im Inneren der Zellen enthaltenen Substanz bildet.
Diese Substanz, welche von eiweissartiger Natur ist, wird durch die Einwirkung des verdünnten und heissen alkalischen Bades hydrolisiert, wobei es zur Bildung von definierten organischen Verbindungen, u. zw. von Aminosäuren : Glykokoll, Leucin, Glutaminsäure, Asparagin u. dgl., kommt.
Unter diesen Bedingungen geht der Abbau der in den Zellen enthaltenen Eiweissstoffe (die man, um eine Textilfaser guter Qualität zu erhalten, aus dem Inneren der Zellwände entfernen muss) in einem Milieu vor sich, welches schon die gleichen Stoffe in Lösung enthält, die sich durch den gewünschten Abbau bilden sollen. Versuche haben gezeigt, dass dieser Umstand, abgesehen von etwa eintretenden katalytischen Wirkungen, einen ausgesprochenen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Reaktion aus- übt und sie derart vollständig verlaufen lässt, dass eine gemäss der Erfindung vorgenommene Behandlung von kurzer Dauer bessere Resultate ergibt, als sie mit einer langen Röste erzielt werden können.
Die Aminosäuren werden zweckmässig in dem Bad selbst gebildet, indem man in dieses Eiweissstoffe einführt. In analoger Weise, wie bereits oben ausgeführt wurde, wird ein solcher Eiweissstoff in
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dem verdünnten, heissen alkalischen Bad hydrolysiert, wobei es zur Bildung definierter organischer Verbindungen von der Art der Aminosäuren kommt.
Im folgenden wird die Anwendung der Erfindung an dem Beispiel der Behandlung von spanische Ginster (spartium junceum) beschrieben :
Man stellt eine wässerige Lösung von ungefähr 5% kaustischer Soda mit einem Zusatz von etwa zoo Leim her und erhitzt sie bis zum Sieden.
In diese kochende Lösung führt man die Stengel von Ginster ein, welche während eines Zeitraumes von 45 bis 60 Minuten oder sogar noch kürzer im Bade belassen werden, während man das Bad sieden lässt, ohne dass es notwendig wäre, den atmosphärischen Druck zu überschreiten.
Nach einer solchen Behandlung ist der Bast der Stengel bereits derart gelöst, dass durch blosses Waschen oder durch die Wirkung eines Flüssigkeitsstrahles die Fasern sich sogleich und vollständig abtrennen, wobei sie fehlerlos und biegsam bleiben.
An Stelle von kaustischer Soda kann man auch ein anderes, äquivalentes Alkali verwenden.
Als Eiweissstoff kann man vorteilhaft Leim verwenden ; ferner Gelatine, welche aus Hautabfällen hergestellt wurde, oder andere äquivalente Stoffe.
Das Bad kann auch so hergestellt werden, dass man eine oder mehrere Aminosäuren in die Lösung von kaustischem Alkali einbringt.
PATENT-ANSPRÜCHE :
1. Verfahren zur Gewinnung textiler Rohfasern aus Pflanzenstengeln, insbesondere aus solchen von Ginsterarten, durch Kochen der Stengel in alkalischen Bädern, dadurch gekennzeichnet, dass man die Stengel mit verdünnten, etwa 3-5% Alkalihydroxyd und eine geringe Menge (etwa 0'05-0'15%) Aminosäure enthaltenden Laugen in der Hitze behandelt.