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Verfahren zur Gewinnung von Skelettsubstanzen aus inkrustenhaltigen
Pflanzenteilen Bei den technisch gebräuchlichen Verfahren zur Gewinnung von Zellstoffen
für die chemische Weiterverarbeitung, z. B. zum Zwecke der Herstellung von Celluloseestern
und Celluloseäthern, können nur dann brauchbare Umsetzungsprodukte erhalten werden,
wenn die Zellstoffe vor ihrer chemischen Weiterverarbeitung möglichst weitgehend
von den Begleitkohlehydraten, wie Xylan, Hemicellulose usw., befreit werden. Nicht
genügend von den Hemicellulose befreite Zellstoffe geben technisch minderwertige
Erzeugnisse.
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In letzter Zeit sind nun Verfahren bekanntgeworden, welche gestatten,
auch aus pentosanhaltigen Zellstoffen Derivate mit guten technischen Eigenschaften
herzustellen. Dabei müssen Zellstoffe verwendet werden, welche noch nativer Zusammensetzung
sind, d. h. solche, welche unter Erhaltung der Begleitkohlehydrate auf möglichst
schonende Weise hergestellt worden sind.
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Zellstoffe dieser Zusammensetzung sind in der Literatur unter der
Bezeichnung Skelettsubstanzen oder Holocellulosen beschrieben. Skelettsubstanzen
werden nach den Angaben der Literatur zweckmäßig durch Einwirkung von Chlordioxyd
auf inkrustierte Zellwände, z. B. auf Holz, hergestellt. Dabei werden nur die Inkrusten
angegriffen, nicht aber die Kohlehydrate
(E. Schmidt und E. Graumann,
Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Bd. 54 [192=]; S.i86o). Das Chlordioxyd,
welches gewöhnlich in wäßriger Lösung zur Anwendung kommt, löst die Inkrusten nicht,
sondern führt sie in einen in alkalischen Mitteln löslichen Zustand über. Man muB
daher mit dem Chlordioxyd gleichzeitig z. B. Pyridin auf das aufzuschließende Materialeinwirken
lassen, oder man muB, wenn das die oxydierten Inkrusten lösende Reagens von Chlordioxyd
angegriffen wird, das aufzuscUe-Bende Material einer abwechselnden Behandlung mit
Chlordioxyd und einer Lösung, z. B: von Nätriumsulfit, Natriumbisulfit, Natriumcarbonat
oder Resorcin, unterwerfen.
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Der technischen Anwendung des Chlordioxyds zur Herstellung nativer
Skelettsubstanzen stand vor allem die lange Zeitdauer der Einwirkung, welche nach
Literaturangaben =5 bis 24 Tage beträgt, und der große Verbrauch von Chlordioxyd,
der mit bis 112 °/o vom eingesetzten Holz angegeben ist, entgegen.
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Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Einwirkungsdauer herabzusetzen,
indem z. B. konzentrierte C102-Lösungen eventuell bei höheren Temperaturen angewandt
wurden (Tang R. C. und Yen W. H. »Cellulosechemiecc =7, 2=, 1g36). Dabei werden
aber die Begleitkohlehydrate schon stark abgebaut.
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In neuerer Zeit wurde versucht, an Stelle von Chlordioxyd das Chlordioxyd
abspaltende Natriumchlorit in saurer Lösung zur Gewinnung von Skelettsubstanzen
anzuwenden. Auf Holz berechnet müssen jedoch auch hier Mengen verwendet werden,
die bei Buchenholz meist über ioo °/o liegen, was bei angenommenem vollständigem.
Umsatz von NatriulÜchlorit zu Chlordioxyd einem Aufwand von etwa 75 °/o Chlordioxyd
gleichkommt.
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Es wurde nun gefunden, daß man überraschenderweise mit einem wesentlich
geringeren Verbrauch an Chemikalien und in wesentlich kürzerer Reaktionszeit zu
nativen Skelettsubstanzen gelangen kann, wenn man die inkrustierten Pflanzenteile
unter ganz bestimmter Konzentration und Temperaturbedingungen abwechselnd mit verdünnter
Chlordioxydlösung und mit einer verdünnten Lösung von die oxydierten Inkrusten lösenden
Reagenzien, wie z. B. Natriumsulfit, behandelt.
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Es hat sich nämlich gegenüber den Angaben der Literatur gezeigt, daß
bei Temperaturen bis 55° das Chlordioxyd in Konzentrationen, die unter 0,5)/o liegen,
gestattet, native Skelettsubstanzen in kurzer Zeit, z. B. in 4o bis 50 Stunden,
herzustellen.
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Dabei hat sich außerdem ergeben, daB bei erhöhter Temperatur die Einwirkung
des Chlordioxyds eine solche ist, daß nicht, wie in der Literatur beschrieben, nach
jeder Chlordioxydbehandlung eine Behandlung mit die oxydierten Inkrusten lösenden
Reagenzien erfolgen muB, sondern erst dann, wenn das -Chlordioxyd mehreremal eingewirkt
hat. Weiter braucht man von dem die oxydierten Inkrusten lösenden Reagens nur so
viel zu verwenden, bis es sich nachweisen läBt und nicht, wie es im Schrifttum angegeben
ist, bis der pH-Wert von 6,8 bis 7 erreicht ist.
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Man kommt dabei mit wesentlich weniger Chemikalien aus. So benötigt
man an Chlordioxyd nur 2o°/0 vom Holzgewicht statt 75 bis 112 °/o und nur 6 bis
=o °/o Natriumsulfit statt 26,5 bis 28,9 °/o. Die Ausbeuten an Skelettsubstanz
betragen 7o bis 710/0.
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Der so gewonnene Zellstoff enthält noch bis über 2= % Pentosan.
Stellt man daraus durch Einwirkung von Lauge Cellulose dar und bestimmt deren relative
Viskosität in Kupferoxydammoniak, so erhält man Werte, die zwischen goo und iioo
liegen. In demselben Bereich liegt auch der Viskositätswert einer Cellulose, die
vergleichsweise nach dem bekannten Zweistufenverfahren (E. Schmidt und Mitarbeiter,
Cellulosechernie, Jahrgang =i, S. 49 und 73) bei 2o° hergestellt wurde. Die gleichliegende
Viskositätszahl zeigt, daß bei dem neuen Verfahren ebenfalls kein Abbau der Cellulose
stattgefunden hat.
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Ein weiterer Vorteil der Erfindung liegt darin, daB man Holzspäne
verwenden kann, während man bei dem bisher bekannten AufschluBverfahren infolge
der geringen Tiefenwirkung des Chlordioxyds gesiebtes Holzmehl verwenden muß. Der
erfindungsgemäß hergestellte Zellstoff zeigt noch die Holzstruktur.
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Den EinfluB der Temperatur und der Konzentration des Chlordioxyds
auf die AufschluBzeit und Güte des gewonnenen Materials gibt folgende Tabelle an:
Steigert man bei 50° die Konzentration der Chlordioxydlösung, so nimmt mit zunehmender
Konzentration die Reaktionszeit ab. Sie sinkt von ==o Stunden bei einer Konzentration
von o,1 °/o Chlordioxyd auf 45 Stunden bei einer Konzentration von 0,3 %
Chlordioxyd und auf 30 Stunden bei einer Konzentration von 10/0 Chlordioxyd.
Ein deutlicher Abbau der Kohlehydrate tritt hierbei erst auf, wenn die Konzentration
des Chlordioxyds 0,5 °% überschritten hat. Verwendet man bei der Gewinnung
der Skelettsubstanz eine Chlordioxydkonzentration unter 0,5 %, so hat die daraus
hergestellte Cellulose eine Viskosität
von ungefähr iooo. Sobald
die Grenze von 0,5 0/0 Chlordioxyd überschritten ist, fällt die Viskosität
der Cellulose. So z. B. auf 45o beim Arbeiten mit i%iger Chlordioxydlösung.
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Läßt man die Reaktion bei 6o° vor sich gehen, so tritt ein Abbau schon
deutlich ein. Während bei Verwendung von o,3%iger Chlordioxydlösung bei 5o° die
Viskosität der entsprechend dargestellten Cellulose io6o betrug, beträgt sie bei
einer Reaktionstemperatur von 6o° nur noch 255. Beim Gebrauch einer o,5%igen Chlordioxydlösung
konnte beim Aufschluß von 5o° eine Cellulose von 97o, bei 6o° aber nur eine solche
von iio gewonnen werden.
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Somit ist es nunmehr möglich, unter technischen Bedingungen Skelettsubstanzen
herzustellen, welche einer chemischen Weiterverarbeitung zugeführt oder in Cellulose
und Hemicellulose aufgespalten werden können. Die Cellulosen zeichnen sich durch
besonders hohen Polymerisationsgrad aus, und die nativen Hemicellulosen können in
technisch brauchbare Derivate übergeführt werden. Während bisher nur etwa 4o bis
45 % der Holzsubstanz in Derivate übergeführt werden konnten, können nach dem beschriebenen
Verfahren 7o % der Holzsubstanz in Derivate übergeführt werden. Beispiel i i Teil
grobe Sägespäne (Buche) oder Holzwolle werden mit io Teilen Wasser kurze Zeit gewaschen
und dann mit io Teilen einer o,3%igen Chlordioxydlösung unter ständigem Rühren auf
5o° bis zum Verschwinden des Chlordioxyds erhitzt. Dann wird abgesaugt und die gleiche
Behandlung mit Chlordioxyd wiederholt. Nach Absaugen wird mit io Teilen Wasser auf
6o" angewärmt und unter Rühren so viel konzentrierte Natriumsulfitlösung zufließen
gelassen, bis das Natriuriisulfit nachweisbar ist. Die zugesetzte Menge beträgt
in der Regel 2,5 % vom verwendeten Holz. Nach ungefähr 1/4 Stunde wird abgesaugt
und die Behandlung mit Chlordioxyd bzw. Natriumsulfit wiederholt. Die abwechselnde
Folge von zwei Behandlungen mit Chlordioxyd und einer Behandlung mit Natriumsulfit
wird so lange fortgesetzt, bis kein Chlordioxyd mehr verbraucht wird. Dies ist nach
sechs bis sieben Chlordioxydbehandlungen der Fall. Zum Schluß folgt noch eine Behandlung
mit Natriumsulfit und zweimaliges Waschen mit Wasser. Der so gewonnene Zellstoff
fällt, berechnet auf eingesetztes, lufttrockenes Holz, in einer Ausbeute von ungefähr
71% an und enthält ungefähr 22 bis 23 % Pentosan. Er zerfällt bei genügender Behandlung
mit o,2%iger Natronlauge (nötige Menge Natriumhydroxyd bezogen auf Zellstoff 6,5
bis 7 0/0) in feine Fasern. Sie enthalten noch bis 21% Pentosan und lassen sich
gut in Ester überführen, die wertvolle Filme geben und noch alles Pentosan enthalten.
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Beispiel e i Teil grobe Sägespäne (Fichte) wird mit io Teilen Wasser
kurze Zeit gewaschen und dann mit zo Teilen einer o,3%igen Chlordioxydlösung unter
ständigem Rühren auf 5o° bis zum Verschwinden des Chlordioxyds erhitzt. Dann wird
abgesaugt und die gleiche Behandlung mit Chlordioxyd wiederholt. Nach Absaugen wird
mit io Teilen Wasser auf 6o° angewärmt und unter Rühren so viel konzentrierte Natriumsulfitlösung
zufließen gelassen, bis das Natriumsulfit nachweisbar ist. Die zugesetzte Menge
beträgt in der Regel 2,5 % vom verwendeten Holz. Nach ungefähr 1/4 Stunde wird abgesaugt
und die Behandlung mit Chlordioxyd bzw. Natriumsulfit wiederholt. Die abwechselnde
Folge von zwei Behandlungen mit Chlordioxyd und einer Behandlung mit Natriumsulfit
wird so lange fortgesetzt, bis kein Chlordioxyd mehr verbraucht wird. Dies ist nach
sechs bis sieben Chlordioxydbehandlungen der Fall. Zum Schluß folgt noch eine Behandlung
mit Natriumsulfit und zweimaliges Waschen mit Wasser. Der so gewonnene Zellstoff
fällt in einer Ausbeute von 7o 0/0, berechnet auf eingesetztes, lufttrockenes Holz,
an. Durch Behandlung mit o,2%iger Lauge tritt Zerfaserung ein. Das Produkt kann
verestert werden.