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Verfahren zum Gerben mittels ungesättigter Fettsäuren. Bei der noch
heute üblichen Methode der Sämischgerbung wird das Gerbmittel, der Tran, in großem
Überschuß angewandt. Dieser Überschu'ß wird mitoxydiert und muß dem fertigen Leder.
wieder entzogen werden, er kommt in Deutschland als »Weißgerber-.degras«, in. England
als »Sodoil« in den Handel. Seine völlige Abacheidung aus dem Leder ist eine umständliche
Arbeit, anderseits wird ' es immer schwieriger, dieses Nebenprodukt unterzubringen,
weil weitaus die Hauptmenge des in der Lohgerberei verwendeten Degras ins -besonderen
Fabriken; als Hauptprodukt gewonnen wird.
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Das neue Gerbeverfahren vermeidet obigen Übelstand, indem es einen
sehr leicht oxydierbaren Gerbstoff nur in solcher Menge verwendet, als zur eigentlichen
Gerbung notwendig ist.
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Es ist bereits bekannt, d-aß das eigentliche gerbende Agens des Trans
die stark ungesättigten Fettsäuren sind und daß auf der Oxydation dieser Fettsäuren
die Sämischgerbung beruht (vgl. F a h r i o n , Zeitschr. f. angew. Chemie
1903, 665; igog, 2o83). Es war daher ein. naheliegender Gedanke, anstatt
mit Tran mit Tranfettsäuren zu gerben.
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Dieser Gedanke wurde schon in der ersten der öben zitierten Arbeiten
ausgesprochen, er ist außerdem, in der britischen Patentschrift 131a6 vom Jahre
igii beschrieben. Das Verfahren ergab ein gutes Leder, wurde aber wieder aufgegeben,
weil das abfallende Sodoil unverkäuflich war.
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Dieses Verfahren hat zwar den Vorteil, daß aus dem Tran das Glyzerin
abgeschieden und anderweitig verwertet wird, aber die so erhaltenen Tranfettsäuren
enthalten als Ballast imin:er noch die festen (gesättigten) Fettsäuren, welche für
den Gerbeprozeß ganz wlertlos sind. Bei dem neuen Verfahren werden auch diese Fettsäuren
noch beseitigt, so daß ausschließlich die flüssigen (ungesättigten) Fettsäuren als.
Gerbemittel übrigbleiben. Die festen Fettsäuren werden von den Seifenfabriken gern
aufgenommen.
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Nun ist dem Fachmann bekannt, daß die "Trennung _ der festen und flüssigen
Tranfettsäuren eine schwierige Aufgabe und sowohl durch Pressen. als durch Destillation
nur in ganz ungenügendem Maße möglich ist. Dagegen hat sieh das folgende Verfahren
als zweckmäßig erwiesen. ManlöstdieGesamtfettsäuren unter gelindem: Erwärmen in
höchstens derselben Menge eines geeigneten Lösungsmittels, am besten Alkohol, und
läßt diese Lösung längere Zeit abkühlen, wobei die festen Fettsäuren sich in kristallinischem.
Zustand ausscheiden, so daß sie durch hydraulische Pressung bei niedriger Temperatur
oder auch durch eine Filterpresse sich gut von der Lösung der flüssigen Fettsäuren
trennen lassen.
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Diese Lösung stellt entweder als solche das Gerbemittel dar oder das
Lösungsmittel wird verdunstet und die flüssigen Fettsäuren als solche zum Gerben
verwendet.
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Trn ersteren Fall kann man die. Gerbung in der seitherigen Weise vornehmen,
d. h. die Gerbeflüssigkeitwird sukzessive in; die Häute eingewalkt, nur mit dem-
Unterschied,- daß die Menge -des Gerbemittels so bemessen wird,
daß
auf ioo Gewichtsteile fertiges Leder höchstens 5 Gewichtsteile der flüssigen Tranfettsäure
kommen. Dabei wirkt der Alkohol vorteilhaft, indem er das in der Haut enthaltene
Wasser, das für den Gerbeprozeß hinderlich ist, verdunsten hilft. Durch intensive
Luftzufuhr und mechanische Bearbeitung der Häute muß dafür gesorgt werden, daß das
verwendete Gerbemittel Gelegenheit findet sich in seiner Gesamtmenge zu oxydieren.
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Statt dessen kann man aber auch zunächst die Häute vollständig entwässern,
und zwar durch Einlegen in Alkohol und nachheriges Abpressen unter hydraulischem
Druck.
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Der Alkohol nimmt den natürlichen Wassergehalt der Häute auf, es empfiehlt
sich, ihn wiederholt und in steigender Konzentration zu verwenden, durch Rektifikation
kann er wieder von dem aufgenommenen Wasser befreit werden.
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Die entwässerten Häute werden alsdann mit der nötigen Menge des Gerbemittels,
d. h. der flüssigen Tranfettsäure ohne Lösungsmittel, eingespritzt und gewalkt,
oder man legt sie eine Zeitlang völlig in das Gerbemittel (evtl. in eine alkoholische
Lösung) und befreit sie ,durch Abpressen von dem Überschuß, worauf man die aufgenommene
Tranfettsäure unter kräftiger mechanischer Bearbeitung der Haut zur Oxydation bringt.
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Diese Oxydation. kann wesentlich dadurch beschleunigt werden, daß
man die Häute in einem Gerbfaß rotieren läßt, durch welches ein Strom warmer Luft
in zweckmäßiger Weise mit Hilfe eines Exhaustors hindurchgesaugt wird.
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Anstatt der flüssigen Tranfettsäure kann man auch ungesättigte Fettsäure
aus pflanzlichen Ölen, z. B. Leinöl, verwenden. D.aß eine Gerbung mit geringen Fettmengen
möglich ist, zeigt das Beispiel des Japanleders (vgl. Zeitsehr. f. angew. Chemie
1909,-2o83).
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Das neue Verfahren eignet sich auch zu Krnnbinationsgerbungen und
auch für lohgare und mineralgare Leder als Ersatz der Fettung. Diese Fettung hat
bekanntlich den Zweck, die Lederfaser dauernd elastisch und geschmeidig zu erhalten,
aber den Nachteil, daß die Fette innerhalb des fertigen Leders unerwünschte chemische
Veränderungen erleiden können. DerartigeVeränderungensind beidem oben beschriebenen
Gerbeverfahren ausgeschlossen, weil das Gerbemittel bis zu einem Maximum oxydiert,
das Oxydationsprodukt amorph und chemisch. indifferent und außerdem mit der Hautfaser
chemisch verbunden ist.
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Es sind bereits Gerbeversuche mit alkoholischen Fettsäurelösungen
in der Literatur beschrieben, s. Zeitschi. f. angew. Chemie 19o9, S. 2o86, rechte
Spalte, Abs. 2. Auch wurde dort schon eine rohe Abscheidun:g der festen Fettsäuren.
in der Art bewirkt, daß die Gesamtfettsäuren aus Rüböl, Leinöl und Tran längere
Zeit in der Kälte stehengelassen und dann, durch Filtration von den ausgeschiedenen
festen Allteilen befreit wurden. Aber diese Trennungsweise ist unvollkommen, eine
beträchtliche Menge der festen Fettsäuren bleibt bei den flüssigen zurück. Ungleich
schärfer ist die Trennung beim Abkühlen der alkoholischen Lösung, wie sie oben beschrieben
wurde. Ferner wurde bei den an obenerwähnter Stelle beschriebenen Versuchen durchweg
ein Überschuß an Fettsäure verwendet; welcher dem fertigen Leder durch Ausziehen
mit Alkohol wieder entzogen wurde und dessen. Menge 11,8 bis 23,1 Prozent des Leders
betrug. Bei dem neuen Verfahren dagegen wird von Anfang an das Gerbemittel nur in
solcher Menge verwendet, daß die Beseitigung eines Überschusses wegfällt.
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. Ausführungsbeispiele.
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i. Herstellung des Gerbemittels. ioo kg Sardinentran wurden verseift,
die Fettsäuren durch Zusatz von Mineralsäure abgeschieden, die abgeschiedenen Fettsäuren
unter gelindem Erwärmen in ioo 1 9o prozentigen Alkohols gelöst und diese Lösung
bei o bis 5° acht Tage lang stehengelassen. Es hatten sich 35 kg feste Fettsäuren
abgeschieden, welche durch Filtration von der Lösung getrennt wurden. Diese Lösung
stellt das Gerbemittel dar, für die einzelnen Versuche wurde sie mit Alkohol soweit
verdünnt, daß auf i Teil flüssige Fettsäuren etwa io Teile Alkohol kamen.
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2. Gerbung von Rindshaut. Von einer in üblicher Weise geäscherten,
enthaarten und entkalkten Rindshaut wurden Stücke im Schüttelapparat mit der Gerbstofflösung
einige Stunden behandelt. Hierauf wurden sie durch Ausstreichen mit einer Messingrecke
vom überschüssigen Gerbstoff befreit und alsdann zur Oxydation an der Luft aufgehängt.
Dieselbe Behandlung wurde noch zweimal wiederholt. Das mit A bezeichnete Muster
stammt aus dieser Gerbung, das Leder zeigt eine große Zug- und Reißfestigkeit und
dürfte sich besonders für Riemenleder eignen.
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3. Gerbung eines Rehfells. Das wie üblich vorbereitete Fell wurde
zunächst 24 Stunden in denaturierten Spiritus gelegt, dann ausgereckt und 24 Stunden
unter zeitweiligem Bewegen in die Gerbstofflösung gelegt. Hierauf wurde es ausgereckt
und an der Luft aufgehängt. Von Zeit zu Zeit wurde es abgenommen und kräftig gestollt.
Der ganze Prozeß wurde nochmals wiederholt. Das sämischgar und gelb gewordene Fell
wurde nunmehr drei Tage lang in eine etwa 5 prozentige
Brühe von
NeradolII (künstlicher Gerbstoff, hergestellt von der Badischen Anilin- L% Sodafabrik)
gelegt. Durch diese Nachgerbung nahm es einen bräunlichen Ton an. Die Zurichtung
erfolgte in üblicher Weise. Das Leder eignet sich besonders für Portefeuillezwecke.