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Osterreichische PATENTSCHRIFT Nu 1 8440.
DR. IIEINRICH WINTER IN CHARLOTTENBURG.
Verfahren zur Herstellung von kolonialzuckerähnlichen Produkten aus den Erzeugnissen der Rüben-und Rohzuckerverarbeitung.
Der Rohzucker, den die Rübenverarboitung ergibt, hat einen unangenehmen (te- schmack, so dass er nicht direkt konsumfähig ist, während das Endprodukt der Verarbeitung des Zuckerrohrs auch in nicht raffiniertem Zustande einen grossen Wohlgeschmack
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sagt man, der Rohrzucker sei süsser als Rübenzucker ; in Wahrheit aber müsste man sagen :
Chemisch reiner Zucker hat stets denselben Geschmack, gleichgiltig ob aus Zuckerrohr oder Rü en horgestellt. Die Beimengungen aber sind bei Rübenzucker übolschmcckend, bei Kolonialzucker wohlschmeckend, darin liegt der Unterschied der Rohprodukte und die Erklärung für den höheren Weltmarktpreis des letzteren.
Die vorliegende Erfindung geht von der Erwägung aus, dass es sowohl für den Konsum, wie für manche Industrien, besonders für die Marmelade- und Fruchtkonservenund die Schokoladen- und Schaumweinfabrikation, auch für den Export von grosser Wichtig-
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Wohlgeschmack und sonst ähnlichen Eigenschaften sowie derselben Analyse auf dem Markt zu finden und soll dies Produkt auf die weiter unten beschriebene Weise hergestellt werden.
Man hat zwar versucht, durch Zusatz von echter Kolonialmelasse dies Ziel zu er-
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Das voi liegende Verfahren will im Gegensatz hiezu, ohne auf Kolonialprodukte angewiesen zu sein, allein aus den Hilfsmitteln und Produkten der Rübenzuckerindustrie heraus durch Nachahmung der chemischen Verhältnisse der Rohrzuckerfabrikation auf einfache Weise dasselbe Endprodukt wie letztere erhalten.
Bei zahlreichen in Java angestellten Versuchen hat sich herausgestellt, dass der Wohlgeschmack des Zuckers aus Zuckerrohr abhängt von dem Gehalt an reduzierendem Zucker und an Umsetzungsprodukten dieses reduzierenden Zuckers, welche während der Fabrikation durch Einwirkung von Kalk und Alkalien in der Wärme entstehen und stets mit der Mutterlauge an den Kristallen haften bleiben.
Die spurenweise vorhandenen aromatischen Bestandteile des Zuckerrohrsaftes, denen bisher eine gewisse Bedeutung zugeschrieben wurde, werden bei der Einwirkung von Kalk und Atzallmlirn in der nachfolgenden, viele Stunden dauerndon Erhitzung des Saftes zum grössten Teile zerstört oder verflüchtigt und gelangen nicht in nennenswerter Menge in das Endprodukt.
Man kann also die wesentlichen Merkmale des Kolonialzuckers dem Rübenzucker erteilen, indem man die den Kristallen anhaftende ursprüngliche Mutterlauge ganz oder teilweise ersetzt durch einen Sirup, der ausser Saccharose und Invertzucker oder Dextrose, Levulose etc. oder eine Mischung solcher Zucker noch durch Einwirkung von Kalk oder Alkalien in der Wärme zerstörten reduzierenden Zucker enthält.
Die Umsetzung, welche der Invortzuckpr und die, anderen Hexosen durch Einwirkung von Kalk oder schwachem Alkali erleiden, sind noch wenig bekannt. Die in du Literatur
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Sie zerfällt, ebenso wie ihre Salze, unter gewissen Bedingungen unter Abspaltung von Kohlensäure und stärker invertierenden Säuren, gibt dadurch Veranlassung zu der so- genannten Schaumgärung"der Ablaufe und zu Zuckerverlusten durch Invertierung von Saccharose. Bei der früher üblichen Arbeitsweise entstanden reichliche Mengen solcher labilen Körper und hatte die Melasse in starkem Masse das sogenannte Rohrzuckeraroma, bei der modernen Arbeitsweise aber, welche die Bildung dieser Körper auf ein möglichst geringes Mass beschränkt und durch wiederholtes Erhitzen zum Zwecke besserer Ausbeute weitergehende Zersetzungen bewirkt, ist das, Aroma ; der Endlaugen keineswegs mehr hervorragend, ja sind dieselben übelriechend und übelschmeckend.
Um den Charakter des Kolonialzuckers nachzuahmen, soll diese Erfahrung benutzt werden, d. h. es sollen als Zusatz neben den genannten Zuckerarten Abbauprodukte derselben von derselben Art benutzt werden, wie sie früher bei der Kolonialzuckerfabrikation reichlich entstanden, während die hieraus durch weiteres längeres Erhitzen entstehenden, mehr karamelartigen Produkte, welche in den modernen Endmelassen der Rohrzuckerindustrie enthalten sind, vermieden werden sollen.
Eine genauere Definition dieser Körper ist bei dem augenblicklichen Stande der chemischen Wissenschaft nicht möglich,
Das Verfahren, welches Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist, gestaltet sich hienach folgendermassen : Rübenrohzucker wird durch Decken mit Dampf oder mit wenig Wasser in bekannter Weise von dem grössten Teil der anhaftenden Mutterlauge befreit und in Zentrifugen, Waschkästen oder anderen Einrichtungen mit dem Sirup, welcher die genannten Umsetzungs- produkte des reduzierenden Zuckers enthält, derartig gedeckt, dass das fertige Produkt den gewünschten Gehalt an diesen Substanzen hat und weiter wie gewöhnlich behandelt. Als
Ausgangsprodukt kann man statt Rohzucker auch jede geeignete Art Raffinade oder Molasse- zucker benutzen.
Als Anleitung für die Herstellung eines Sirups zum Decken des Zuckers soll folgendes
Beispiel dienen : a) Reiner Rübenzucker wird in siedendem Wasser gelöst, so dass die Lösung nach dem Erkalten etwa 650/ü Brix zeigt. b) Invertzucker wird nach der Vorschrift von Herzfold bereitet, indeln man in 100 l
Wasser 500 g Weinsäure auflöst und unter Erwärmung bis zum Sieden allmählich 400 kg reinen Zucker einträgt und weiter erwärmt, bis die Linksdrohung im Polarisationsapparat nicht mehr zunimmt ; auch jedes andere bekannte Verfahren zur Inversion ist brauchbar. e) 1000 kg der Invertzuckerlösung b) werden unter lebhafter Durchmischung mit 3 1
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drei Minuten im Sieden erhalten.
Darauf werden aufs neue 3 l derselben Natronlauge unter Durchmischen eingetragen und drei bis sechs Minuten erhitzt. Innerhalb dieser Zeit verrät sich der Eintritt einer schwach sauren Reaktion in der dunkel gefärbten Flüssigkeit durch Aufschäumen und hellere Färbung des Sirups. Man kann natürlich auch eine schwach alkalische Reaktion bestehen lassen. Diese verschwindet dann beim Trocknen und Lagern des Zuckers.
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Zucker benutzt. Der abgeschleuderte Sirup kann natürlich beim Einmaischen einer weiteren Zuckermenge nochmals benutz@ oder als Kolonial-Sirup"verwertet werden.
Bei der Herstellung des Sirups c) kann Kalilauge oder Ammoniak an Stelle der
Natronlauge treten, auch kolilensaures Kali, kohlensaures Natron oder kohlensaures Ammoniak kann, wenn auch mit weniger günstigem Erfolge benutzt werden. Auch kann die Zersetzung des reduzierenden Zuckers durch geringe Menge Kalk, Baryt oder Strontian in bekannter
Weise bewirkt werden. Eine Entfernung der Kali-, Natron-, Ammoniak-oder Kalisalze ist nicht erforderlich, da in das Endprodukt nur wenige Zehntel Prozent davon gelangen, die nicht gesundheitsschädlich sind. Die Baryum- und Strontiumsalze werden in bekannter Weise durch Kohlensäure entfernt. Will man eine dunkler Färbung erzielen, so wird die ein- getretene, schwach saure Reaktion durch Zusatz von Alkali aufgehoben, resp. in schwach alkalische Reaktion verwandelt.
Statt des Invertzuckers können auch andere Hexosen der beschriebenen Behandlung unterworfen werden.
Gewisse Umstände können auch zu der Ausführungsform führen, dass man eine Lösung, welche Hexosen oder diese und die erwähnten Umsetzungsprodukte enthält, zu einem Sude setzt, ehe man denselben fertig ablässt. Endlich kann man auch durch partielle Inversion in einer reinen Zuckorlösung und durch teilweisen Abbau des Invertzuckers etc. mit Alkali
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in derselben Weise, wie dies in der Praxis der Rohrzuckerindustrie geschieht, durch weiteres Kochen auf Korn und Abschleudern ein Endprodukt erzielen, welches Hexosen und die oben beschriebenen Umsetzungsprodukte enthält.
Hiebei würde dann'nicht allein die den Kristallen anhaftende Mutterlauge die kolonialzuckerähnlichen Geschmack und Charakter verleihenden Substanzen enthalten, sondern auch die Einschlüsse von Mutterlauge, welche sich häufig im Kristallkorn finden.
Die Produkte des vorliegenden Verfahrens sind den echten Kolonialzuckerprodukten nicht nur in jeder Beziehung zu vergleichen, sondern bieten sogar noch einen Vorteil vor diesen. Die Gewohnheit, den schlechten Kolonialzucker unraffiniert zum Konsum zu ver- wenden, begegnet nämlich auch in den Ländern, deren Zollverhältnisse die Einfuhr von solchen gestatten, mehr und mehr Bedenken, nachdem eine Reihe von Insekten und anderen
Lebewesen als Bewohner des Kolonialrohzuckers erkannt sind. Man konsumiert also auch dort hauptsächlich Raffinade, welche sich bei dem herrschenden Fabrikationsverfahren von der Rübenraffinade nicht erkennbar unterscheidet und gibt so den Vorteil des Wohl- geschmackes, den der Rohrzucker hat, verloren.
Der künstliche Kotonialzucker des vor- liegenden Verfahrens aber ist kein eigentliches Rohprodukt, sondern ein Produkt der
Raffination und nach der Art seiner Herstellung völlig steril. Eine Befürchtung, dass er mikroskopische oder makroskopische Tropenbewohner beherbergt, besteht nicht, trotzdem er im Wohlgeschmack und anderen Eigenschaften mit dem Tropenzucker wetteifert.