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Organisches Glas Polymethacrylsäuremethylester und Polymerisate, die
im wesentlichen aus hrethacrylsäuremethylester hergestellt «erden, haben eine ausgedehnte
Verwendung als organisches Glas und als Kunststoffe für die verschiedensten Zwecke
gefunden. Bei vielen Anwendungsmöglichkeiten stört jedoch die relativ niedrige Erweichungstemperatur
oder die mangelnde Wärmeformbeständigkeit der durch thermoplastische Verarbeitung
dieser Produkte hergestellten Gegenstände. Es ist bisher nicht gelungen, die Wärmefestigkeit
dieser Polymerisate unter Erhaltung einer Wärmeformbarkeit zu verbessern ohne wesentliche
Verschlechterung in mechanischer oder chemischer Hinsicht oder der Alterungs- und
Witterungsbeständigkeit.
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Es wurde nun gefunden, daB Mischpolymerisate aus Methacrylsäuremethylester
mit 5 bis -2o °/a ungesättigten Carbonsäuren oder deren Amiden bzw. substituierten
Amiden, die nebenvalenzartig vernetzende Gruppen besitzen, und o,z bis
7,5)/, Verbindungen mit mehr als einer polymerisierbaren Doppelbindung, die
hauptvalenzartige Vernetzungen zur Folge haben, ausgezeichnete organische Gläser
darstellen, die unter Erhaltung der für polymere Methacrylsäuremethylester bekannten
günstigen Eigenschaften diesen gegenüber eine Reihe von Vorteilen, insbesondere
eine erheblich verbesserte Wärmefestigkeit, aufweisen. Als Verbindungen, die nebenvalenzartig
vernetzende Gruppen enthalten, sind besonders brauchbar: Methacrylsäure selbst sowie
Acrylsäure, Maleinsäure, Crotonsäure, Itaconsäure, a-Chloracrylsäure, die Amide
und substituierten Amide dieser Säuren, N-Methylolmethacrylsäureamid und N-Methylolacrylsäureamid.
Diese lassen sich allein oder in Mischung miteinander mit Methacrylsäuremethylester
mischpolymerisieren.
Als Verbindungen mit_mehr.als einer polymerisier=
baren Doppelbindung, die haüptvalenzartig vernetzende Gruppen enthalten, sind zu
nennen: insbesondere Methacrylsäurevinylester, Methacrylsäureallylester, Glykoldimethacrylat,
Glycerindi- und -trimethacrylat, N, N-Methylendimethacrylsäureamid, die entsprechenden
Acrylverbindungen, Divinylbenzol, Triacrylylhexahydrotriäzin, Crotonsäurevinylester,
Crotonsäureallylester u. a. Auch Verbindungen, die die Verknüpfungsprinzipien beider
Gruppen enthalten, sind verwendbar, z. B. ß-Vinylacrylsäure, Butadien-2-carbonsäure
u. a.
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Je nach der angestrebten Wärmefestigkeit und dem Charakter der verwendeten
Mischkomponenten sind die erforderlichen Mengenverhältnisse etwas verschieden. Stark
vernetzen z. B. Divinylbenzol und Glykdldimethacrylat, schwächer Methacrylsäureallylester
und Crotonsäurevinylester. N, N-Methylendimethacrylamid hat z. B. einen stark vernetzenden
Einfluß, gemessen an der Wärmeformbeständigkeit und -der Lösungsmittelfestigkeit
des betreffenden Mischpolymerisats. Trotz der hohen Wärmeformbeständigkeit bleibt
aber die Tiefziehfähigkeit auch bei hohen Zusätzen erhalten.
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Der Einfluß der verschiedenen Mengenverhältnisse der Mischpolymerisatkomponenten
geht weiter aus den unten folgenden Beispielen hervor.
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Obgleich die -erfindungsgemäßen Mischpolymerisate _ gegenüber dem
reinen Methacrylsäuremethylester erhöhte Wärmefestigkeit aufweisen, besitzen sie
noch die für Polymethacrylsäuremethylester charakte-. ristischen wertvollen Eigenschaften,
zum Teil in verbesserter Form. Sie sind mechanisch gut und zum Teil erheblich besser
verarbeitbar, zeigen insbesondere eine verbesserte Schleif- und Polierbarkeit, haben
ausgezeichnete mechanische Festigkeit, hohe chemische Widerstandsfähigkeit, Alterungs-
und Witterungsbeständigkeit, sind gegen Lösungsmittel beständig, farblos und klar
durchsichtig. Sie sind trotz ihrer erhöhten Wärmefestigkeit noch. gut in der Wärme
formbar, d. h. sie lassen sich biegen, tiefziehen, strecken und prägen. Bei der
Verformung tritt ein besonders starker Orientierungseffekt auf, d. h. die mechanischen
Eigenschaften, insbesondere die Zugfestigkeit, steigen in der Reckrichtung an.
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Es war keineswegs vorauszusehen, daß Mischpolymerisate der erfindungsgemäßen
Art die für die Verwendung als organisches Glas erforderlichen Eigenschaften in
so hervorragender Weise miteinander vereinen. 1VIischpolymerisate von Methacrylsäuremethylester
nur mit der ersten der genannten Gruppen, z. B. mit Acrylsäure oder Methacrylsäure,
ergeben zwar Gläser mit guten mechanischen Eigenschaften und erhöhter Wärmefestigkeit,
zeigen aber z. B. eine außerordentliche Empfindlichkeit gegen gewisse chemische
Einflüsse. Insbesondere werden sie von Alkalien und hydroxylgruppenhaltigen Lösungsmitteln
und Wasser so stark angegriffen, daß sie nicht allgemein verwendbar sind. Mischpolymerisate
aus Methacrylsäuremethylester nur mit der zweiten Gruppe, also mit Verbindungen
mit hauptvalenzartig vernetzenden Gruppen, sind u. a. spröde, lassen sich nicht
verformen und bearbeiten und kommen als Glasersatz praktisch nicht in Frage. Es
ist außerordentlich überraschend und war durchaus nicht vorauszusehen, daß die Kombination
der beiden Mischkomponenten entsprechend der Erfindung die erwähnten Nachteile nicht
aufweist, sondern darüber hinaus eine Reihe von ausschlaggebenden Vorteilen besitzt.
Ein wesentlicher Vorteil der erfindungsgemäßen Mischpolymerisate ist auch die Tatsache,
daß sie sich nach den für organische Gläser üblichen Verfahren, also durch Polymerisation
in situ, herstellen lassen.
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Die Anwendungsgebiete für die erfindungsgemäßen PDlymerisate sind
die gleichen wie für den polymeren Methacrylsäuremethylester. Der Anwendungsbereich
ist darüber hinaus aber erheblich vergrößert für alle diejenigen Zwecke, bei denen
es auf höhere Wärmeformbeständigkeit und bessere Verarbeitbarkeit ankommt. Als solche
erweiterten Anwendungszwecke seien beispielsweise genannt: Medizinische Geräte aller
Art, die sterilisierbar sein sollen, Schalen, Becher, Tassen, Geschirr, die mit
heißen Flüssigkeiten, insbesondere kochendem Wasser, in Berührung kommen, Verkleidungen
für Lampen, bei denen höhere Temperaturen auftreten, Linsenoptik u. a.
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Aus der französischen Patentschrift 854 414 bzw. der amerikanischen
Patentschrift 2 278 636 ist zwar bekanntgeworden, optische Gläser aus Mischpolymerisaten
herzustellen, die gleichfalls drei Komponenten enthalten. Indessen konnten aus diesem.
Stande der Technik die hier beanspruchten Mengenverhältnisse sowie die günstigen
Eigenschaften der erfindungsgemäß hergestellten Gläser nicht entnommen werden. Beispiele
i. 2o Teile N -.Methylol -iMethacrylsäureamid und i Teil N, N-Methylendimethacrylamid
werden in 79 Teilen monomerem Methacrylsäuremethylester gelöst und unter
Zusatz von o,= Teil Dibenzoylperoxyd in üblicher Weise in einer Form aus Glasplatten
mit gegeneinander beweglichen Formwandungen polymerisiert.
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Das so erhaltene organische Glas hat eine Wärmeformbeständigkeit nach
Vicat von I48°. Ein 5 mm dicker und =o mm breiter Streifen wird auf 18o bis 2oo°
erhitzt und um go° zu einem Winkel gebogen. Dieser Winkel verändert sich beim Erhitzen
auf =2o° nicht.
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2. Es wird wie in Beispiel i ein Mischpolymerisat hergestellt aus:
=o Teilen Acrylsäureamid, 3 Teilen i, 4-Butandioldimethacrylat, 87 Teilen Methacrylsäuremethylester.
Das Mischpolymerisat ist ebenfalls kochfest und weist gegenüber dem Mischpolymerisat,
welches nur Methacrylsäureester und Methacrylamid enthält, eine wesentlich bessere
Festigkeit gegen hydrophile Lösungsmittel auf.
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Ähnliche Mischpolymerisate werden mit Methacrylsäureamid an Stelle
von Acrylsäureamid erhalten. 3. Es werden zwei Mischpolymerisate aus a 85 Teilen
Methacrylsäuremethylester, 15 Teilen Methacrylsäure und b 77,5 Teilen Methacrylsäuremethylester,
15 Teilen Methacrylsäure, 7,5 Teilen Methacrylsäureallylester in üblicher Weise
unter Zusatz von o,2 Teilen Dibenzoylperoxyd zwischen Glasplatten hergestellt.
Die
Wärmeformbeständigkeit nach Vicat liegt bei beiden Mischpolymerisaten über 14o°.
Legt man 5 mm dicke Platten bei Zimmertemperatur in g6°/oigen Alkohol, so ist die
Gewichtszunahme nach 3 Tagen bei a 17 °/o, bei b 3 %.
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Das Mischpolymerisat nach b erfährt bei dieser Behandlung keine äußerlich
erkennbare Veränderung. Von aromatischen Kohlenwasserstoffen wird b nicht angegriffen,
während Polymethacrylsäuremethylester davon aufgelöst wird.
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4. 84 Teile Methacrylsäuremethylester, 15 Teile Methacrylsäure,1 Teil
Methacrylsäureallylester werden in üblicher Weise zu einer 1o mm dicken Platte polymerisiert.
Das so erhaltene organische Glas weist eine Wärmeformbeständigkeit nach Vicat von
144", eine Zugfestigkeit von 95o kg/cm2 und eine Schlagbiegefestigkeit von 28 cmkg/cm2
auf.
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Eine Rundscheibe von 5o mm Durchmesser aus diesem Polymerisat wird
durch einen Ultrarotstrahler auf 18o° erhitzt und bei einem Druck von Zoo kg/cm2
in einer Form aus hochglanzpoliertem Werkzeugstahl zu einem Brillenglas von - 5
Dptr. v erpreßt. Das Brillenglas läßt sich einwandfrei entformen und weist bei spannungsoptischer
Prüfung nur sehr geringe Spannungen auf. Es zeichnet sich vor einem Brillenglas,
welches aus reinem Polymethylmethacrylat besteht, u. a. durch höhere Oberflächenhärte
aus.
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5. Ein 5 mm dickes Mischpolymerisat aus 87 Teilen Methacrylsäuremethylester,
1o Teilen Methacrylsäure, 3 Teilen Methylendimethacrylsäureamid wird nach Erhitzen
auf 2oo° mittels Preßluft von 5 atü in eine Hohlform von 5o mm Durchmesser und 55
mm Scheitelhöhe geblasen. Dabei verringert sich die Schichtdicke der Platte am Scheitelpunkt
der gezogenen Kuppel bis auf o,5 mm, woraus die ausgezeichneten thermoplastischen
Eigenschaften des betreffenden Mischpolymerisates zu ersehen sind. Kocht man diese
Kuppel 30 Minuten in Wasser, so tritt eine Rückverformung von 2 mm auf, welche
bei Berücksichtigung der Größe der Verformung im Aussehen kaum erkennbar ist.
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Wird eine Platte aus reinem Polymethacrylsäuremethylester in gleicher
Weise verformt und gekocht, so bildet sie sich zu einer planen Scheibe zurück.
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Bei Verwendung von Acrylsäure an Stelle von Methacrylsäure werden
praktisch die gleichen Ergebnisse erhalten.
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6. Ein Mischpolymerisat aus 84 Teilen Methacrylsäuremethylester, 15
Teilen Methacrylsäure, 1 Teil Glykoldimethacrylat wird in Form einer 5 mm dicken
Platte unter einer Biegespannung von 3oo kg/cm2 Zoo Tage unter freier Witterung
belastet. Ein Abfall der Festigkeitseigenschaften und ein Angriff der Feuchtigkeit
auf die Oberfläche ist nicht zu beobachten.