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Nutzbarmachung von Salpetersäure aus diese und flüchtige Säuren oder
deren Salze enthaltenden Lösungen Aus Lösungen, die noch andere flüchtige Säuren,
insbesondere Halogenwasserstoffsäuren, enthalten, kann Salpetersäure in reiner Form
durch Destillation oder andere physikalische Trennungsmethoden ohne weiteres nicht
gewonnen werden. Dies hat seine Ursache nicht nur in der Flüchtigkeit der verschiedenen
Säuren, sondern vor allem auch darin, daß, z. B. im Falle des Vorhandenseins von
Halogenwasserstoffsäuren, flüchtige- Nitrosylverbindungen der Halogene zum Teil
schon in den Salpetersäure enthaltenden Lösungen, zum Teil während der Destillation
oder Kondensation gebildet werden, die sich u. U. nur schwierig wieder verdichten
lassen und zu erheblichen Stickstoffverlusten Veranlassung geben.
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Es hat sich gezeigt, daß man aus Lösungen, die neben Salpetersäure
noch andere flüchtige Säuren oder deren Salze enthalten, in vorteilhafter Weise
eine vollständige Trennung der Komponenten unter Gewinnung reiner Salpetersäure
erzielen kann, wenn man die in der Lösung enthaltene Salpetersäure durch Behandeln
der Lösung mit Schwefeldioxyd oder solches enthaltende oder liefernde Stoffe bzw.
'Gemische in Stickoxyde überführt und diese, gegebenenfalls nach Waschen mit Wasser
oder alkalischen Stoffen, zu Salpetersäure oxydiert. Das Verfahren kann z. B. in
der Weise ausgeführt werden, daß man zunächst die Lösung, die außer Salpetersäure
und einer oder mehreren anderen flüchtigen Säuren noch andere Stoffe, z. B. Salze
oder nichtflüchtige Säuren, enthalten kann, mit Schwefeldioxyd behandelt, wodurch
die Salpetersäure in niedere Stickoxyde übergeführt wird. Es ist dabei zweckmäßig,
solche Reaktionsbedingungen zu wählen, welche die Bildung von vorzugsweise Stickoxyd
bewirken, da dieses wegen seiner geringen Löslichkeit sehr leicht aus der Lösung
ausgetrieben werden kann. Doch ist es in manchen Fällen auch von Vorteil, die Reduktion
so zu leiten, daß hauptsächlich Stickstofftrioxyd oder -tetroxyd entsteht, zu deren
Oxydation zu Salpetersäure dann weniger Sauerstoff gebraucht wird. Weiterhin läßt
sich die Reaktion dadurch befördern, daß man inerte Gase, die auch Sauerstoff enthalten
können, z. B.- Luft oder Dampf, durch das Reaktionsgemisch leitet, oder daß man
die Lösung verdampft und in dampfförmigem Zustande auf das Reduktionsmittel einwirken
läßt. Vielfach wird es sich empfehlen, die entstandenen Stickoxyde, namentlich bei
der Reduktion bis zum Stickoxyd, vor der Oxydation von mitgeführten fremden flüchtigen
Säuren zu befreien. Hierzu genügt häufig
Waschen mit Wasser. Will
man jedoch die Salpetersäure ganz frei von fremden Säuren erhalten, so unterwirft
man das Stickoxyd an Stelle oder außer dem Waschen mit Wasser noch einer Behandlung
mit alkalischen Mitteln. Zwecks Oxydation der Stickoxyde werden diese mit der erforderlichen
Menge Sauerstoff oder Luft vermischt und in bekannter Weise, z. B. in saurer oder
alkalischer Absorption, zu Salpetersäure oder Nitriten oder Nitraten verarbeitet.
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Die bekannte Tatsache, daß sich aus wäßrigen Lösungen von Salpetersäure
und Schwefelsäure bzw. aus nitrosen Gasen und Salpetersäure durch Behandlung mit
Pyrit bzw: Schwefeldioxyd und nach Oxydation der entstandenen Stickoxyde die Salpetersäure
als solche bzw. in Form von Nitriten gewinnen läßt, bot keine Anhaltspunkte für
das vorliegende Verfahren, denn bekanntlich kann der Reaktionsverlauf zwischen Salpetersäure
und einem Reduktionsmittel durch die Gegenwart verschiedener Stoffe beeinflußt werden.
Es war nicht vorauszusehen, daß sich z. B. aus Chlorwasserstoff und Salpetersäure
enthaltenden Lösungen die Salpetersäure in völlig chlorfreiem Zustand in der oben
angegebenen Weise gewinnen lassen würde. Dieses Ergebnis überrascht um so mehr,
als die Halogenwasserstoffsäuren und die Nitrosylverbindungen der Halogene, die
sich leicht in den genannten Lösungen bilden können, die Eigenschaft aufweisen,
leicht flüchtig zu sein und sich nur schwierig wieder verdichten zu lassen, so daß
das Verfahren zunächst praktisch aussichtslos erscheinen mußte. Außerdem lag das
vorliegende Verfahren auch deshalb nicht ohne weiteres nahe, weil z. B. das- Cl-Ion
bei manchen Oxydationsvorgängen eine negativ katalytische Rolle spielt.
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Daß Nitrosylchlorid eine Oxydationswirkung auf organische Stoffe,
ausübt und daher z. B. zur Beseitigung übler Gerüche schwefelhaltiger und schwerer
aromatischer Verbindung Verwendung finden kann, ist zwar ebenfalls bekannt, aber
für das Verfahren der vorliegenden Erfindung konnte aus dieser bekannten Tatsache
nichts entnommen werden, da bei diesem nicht von Nitrosylchlorid ausgegangen wird,
sondern von aus Salpetersäure und anderen flüchtigen Säuren bestehenden Lösungen,
die gegebenenfalls ebenfalls Nitrosylchlorid enthalten. Ebenso kann die bekannte
Überführung der bei -der Denitrierung von Pyroxylin erhaltenen Nitritlaugen in Gegenwart
von Salzsäure mittels Schwefelwasserstoffs in Stickoxyd und Umsetzung der Stickoxyde
in Salpetersäure oder Nitrit bzw. Nitrat für die vorliegende Erfindung keinerlei
Anhaltspunkte bieten.' Abgesehen davon, daß bei den bekannten Verfahren infolge
der verhältnismäßig niedrigen Salzsäuretension keine nennenswerten Mengen Salzsäure
oder andere Chlorverbindungen in das entstehende Stickoxyd gelangen, handelt es
sich dort um die Reduktion von Nitritlaugen, während das vorliegende Verfahren ausschließlich
die Reduktion von Salpetersäure betrifft, wobei aber bedeutend schwierigere Verhältnisse
vorliegen als bei der Reduktion von Nitritlaugen. So ist z. B. eine wäßrige Salpetersäure
gegenüber Reduktionsmitteln bedeutend widerstandsfähiger als salpetrige Säure bzw.
Stickstofftrioxyd, insbesondere in Gegenwart von Salzsäure. Daß es daher möglich
ist, aus Gemischen gemäß der vorliegenden Erfindung, praktisch chlorfreie Salpetersäure
zu gewinnen, ist durchaus überraschend undwar bei Kenntnis des bekannten Verfahrens
und auch unter gleichzeitiger Berücksichtigung der obenerwähnten bekannten Tatsache
der Reduktion von Salpetersäure zu Stickoxyden mittels Reduktionsmitteln nicht vorauszusehen.
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Beispiel = ooo kg einer Lösung, die 15o kg Salzsäure und ioo kg Salpetersäure
enthält, werden auf 6o' erhitzt und in einem Rührgefäß mit insgesamt 55 cbm 98prozentigem
Schwefeldioxyd behandelt. Die entweichenden Stickoxydgase werden durch einen auf
dem Rührgefäß angebrachten Rückflußkühler, sodann durch einen mit Wasser berieselten
und mit Füllkörpern ausgestatteten Turm und schließlich noch durch einen mit Kalkmilch
beschickten Wäscher geleitet. Die so gereinigten Sticköxydgase werden darauf mit-
insgesamt etwa 150 cbm Luft vermischt und einem sauren Absorptionssystem zugeführt.
Es werden etwa 95 kg Salpetersäure als völlig chlorfreie Säure erhalten. In der
Ausgangslösung bleibt fast die gesamte Salzsäure zurück, ebenso die aus dem zugeführten
Schwefeldioxyd entstandene Schwefelsäure, die durch Eindampfen gleichzeitig konzentriert
und von der Salzsäure befreit werden kann.