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Verfahren zur Gewinnung von Fleischmilchsäure Für die Herstellung
von optisch aktiver Milchsäure dient bisher in erster Linie die Spaltung der optisch
inaktiven Säure (Gärungsmilchsäure) durch Morphin. Dieses Verfahren ist kostspielig
wegen des hohen Preises des Morphins, von dem außerdem stets ein Anteil verlorengeht.
Die ebenfalls empfohlene Spaltung mit Chinin ist praktisch ganz unbrauchbar.
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Mittels beider Alkaloide wird die linksdrehende Milchsäure geliefert,
der Antipode der Fleischmilchsäure. Diese letztere, wichtigere, physiologisch bedeutsame,
rechtsdrehende Komponente findet sich in den Mutterlaugen der Morphinsalze, kann
daraus aber nur in einer für die Praxis völlig unbrauchbaren Ausbeute und in sehr
mühseligen Operationen gewonnen werden. Auch Versuche, die rechtsdrehende Milchsäure
mittels Chinin zu gewinnen, sind ohne praktische Bedeutung geblieben. Tatsächlich
gibt es kein brauchbares Verfahren, um die rechtsdrehende Fleischmilchsäure mit
Hilfe von Alkaloiden in ergiebiger Weise zu gewinnen.
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Andere Vorschriften für die Herstellung der Fleischmilchsäure gehen
vom Fleischextrakt aus, nach denen man ihn durch Kochen von Albuminen und Farbstoff,
durch Fällung mit Bariumhydroxyd von Phosphaten befreien kann. Nach komplizierter
Entfernung von Kreatin und inosinsauren Salzen durch Alkohol wird zur konzentrierten
Lösung Schwefelsäure zugegeben, dann erneut Alkohol zur Fällung der Sulfate. Schließlich
wird in einer minimalen Ausbeute das milchsaure Calcium gewonnen. Es wird mit Schwefelsäure
zerlegt und die Milchsäure mit alkoholhaltigem Äther vom Gips getrennt. Auch folgendes
Verfahren ist benutzt worden: Man fällt von vornherein mit Alkohol, filtriert nach
längerem Stehen, dampft ein, übersäuert mit Schwefelsäure, extrahiert sechsmal mit
alkoholhaltigem Äther, destilliert ab, verdünnt mit Wasser, verkocht mit Bleicarbonat,
zerlegt das milchsaure Blei mit Schwefelwasserstoff und gewinnt schließlich die
Säure als Zinksalz, das nun mit Schwefelwasserstoff zerlegt wird, um schließlich
die Säure in alkoholhaltigem Äther aufzunehmen. Beide Operationen -sind so mühselig
und unergiebig (beste Ausbeute 20/0 des käuflichen festen Fleischextraktes), daß
eine Herstellung in größerem Maßstabe nach diesem Verfahren für praktische Zwecke
nicht durchführbar ist. Dementsprechend benutzt man für Versuche der präparativen
und physiologischen Chemie immer noch beinahe ausschließlich die über das Morphinsalz
zugängliche linksdrehende Milchsäure und nicht die rechtsdrehende Fleischmilchsäure,
während letztere doch für die Physiologie von grundlegender Bedeutung ist. Es wurde
nun gefunden, daß man aus dem käuflichen Fleischextrakt, und zwar aus dem für Genußzwecke
bereiteten sowohl wie aus dem billigeren Material, das für Nährlösungen (für Bakterien
usw.) bereitet wird, in höchst einfacher Weise, und zwar die gesamte rechtsdrehende
Milchsäure -in einer Ausbeute von 5 bis 60/, vom Gewicht des Fleischextraktes
gewinnen kann, wenn man ihn unmittelbar mit geeigneten Säuren oder Salzen behandelt
und
die saure Lösung mit einem nicht wässerigen Lösungsmittel für
Milchsäure bei gewöhnlichem Druck oder einem durch die Art des Lösungsmittels angezeigten
Über- oder Unterdruck extrahiert. Unter geeigneten Säuren sind solche zu verstehen,
die von dem betreffenden Extraktionsmittel nicht mitextrahiert werden.
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Mit Äther als Extraktionsmittel ist verwendbar Schwefelsäure und Salzsäure,
Phosphorsäure, Gluconsäure, Chinasäure, .Weinsäure, Methionsäure (Methandisulfonsäure),
Benzoldisulfonsäure sowie die sauren Natriumsalze der drei letzteren, ferner auch
saures Natriumoxalat. Auch Ligninsulfonsäure ist verwendbar, d. h. Sulfitablauge,
aus der die Hauptmenge des Calciums und die ätherlöslichen Anteile entfernt sind.
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Als Extraktionsmittel ist außer Äther verwendet worden Methyläthylketon,
Essigsäureäthyl- und propylester, und zwar Methyläthylketon bei gewöhnlichem und
vermindertem Druck, die genannten Ester bei vermindertem Druck. Insbesondere ist
die Vakuumextraktion (25 bis 3o ° C) mit Äthylacetat wirksam und rasch beendet.
Weinsäure, Glucon- und Chinasäure kommen nur bei Verwendung von Äther als Säuerungsmittel
in Betracht.
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Die Temperatur richtet sich nach dem Extraktionsmittel, die Dauer
nach diesem und den Dimensionen des Extraktionsapparates. Mit Methyläthylketon kann
man sogar im Schütteltrichter durch mehrmals wiederholtes Ausschütteln, also ohne
Apparat, so gut wie alle Milchsäure gewinnen. Beispiel x kg Fleischextrakt »trocken«
wird in 21 Schwefelsäure bei mäßiger Temperatur, zweckmäßig 5o bis 6o' C, eingetragen.
Wird flüssiger Extrakt genommen, so verwendet man eine entsprechend stärkere Schwefelsäure,
damit die gleiche Konzentration des Trockenextraktes in Schwefelsäure zustande kommt.
Im übrigen hängt von der Menge der Schwefelsäure nicht sehr viel ab, doch ist Bedingung,
daß die Lösung deutlich sauer gegen Kongopapier reagiert. Dieses Material wird mehrere
Tage mit Äther extrahiert, wobei der Äther in lebhaftem Siede gehalten wird, während
die zu extrahierende Flüssigkeit auf Raumtemperatur bleiben kann. Wenn von dem schaumigen,
braunen Material durch den aufperlenden Äther etwas mitgerissen wird, was man jedoch
durch passend angebrachte Grobfilter vermeiden kann, so wird der vom Äther übernommene
Anteil mit Wasser verdünnt und noch einmal extrahiert. Zum Schluß wird der Äther
abgedampft und der Rückstand im Vakuum (zweckmäßig an der Ölpumpe) destilliert,
mit dem Ergebnis, daß rund 50 g optisch reine Milchsäure erhalten werden,
die für die weitere Verwendung unmittelbar brauchbar ist oder auf bekannte Weise
z. B. in das Zinksalz vom richtigen Drehwert umgewandelt werden kann.
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Es ist schon Milchsäure durch Extraktion mittels Äther aus Pflanzensäften
isoliert worden, doch ist diese Methode auf Fleischextrakt bisher nicht angewendet
worden. Es genügt auch nicht etwa, Fleischextrakt einfach mit Äther zu extrahieren,
sondern es ist, wie angegeben, unerläßlich, ihn zunächst zu übersäuern. Sehr bemerkenswert
ist, daß selbst bei der tagelang anhaltenden Extraktion mit Äther - unter dem im
Beispiel angegebenen Verhältnis 8 Tage -keine störenden Anteile in den Äther übergehen,
außer solchen, die bei der Destillation unter vermindertem Druck ohne weiteres abgetrennt
werden können, wie Wasser, Fette, niedere Fettsäuren u. a. Diese nicht vorauszusehende
Tatsache führte zu dem überraschenden Ergebnis, daß durch eine einmalige Destillation
im Vakuum sogleich reine rechtsdrehende Fleischmilchsäure gewonnen wird.
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Das neue Verfahren ermöglicht zum ersten Male, mit einer wesentlich
besseren Ausbeute als bisher und auf äußerst einfachem und vergleichsweise billigem
Wege die bisher praktisch fast unzugängliche Fleischmilchsäure zu gewinnen. Der
Rückstand von der Extraktion Tann nach dem Abstumpfen, z. B. mit Kalk, bzw. nach
Entfernen der Säuren als Nährlösung für Bakterien usw. zur Aufarbeitung auf andere
Fleischbestandteile oder für andere Zwecke verwendet werden.