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Verfahren zur Aufschließung, Bleichung und Veredlung von Pflanzenfasern
jeder Art und Gewinnung eines reinen weißen Zellstoffes, insbesondere für die Papier-
und Textilindustrie. Die Einwirkung von Alkalien in der Siedehitze und unter Druck
auf pflanzliche Rohstoffe zur Gewinnung von Zellstoff ist bekannt und hat ihre technische
Anwendung in der Fabrikation des Natronzellstoffes gefunden. Weiterhin ist bekannt
die Aufschließbarkeit von pflanzlichen Stoffen, d. h. das Herauslösen von Inkrusten
und Ligninsubstanzen sowie anderen Verunreinigungen zur Gewinnung von Zellstoff
für die verschiedensten Zwecke mit Hilfe von Chlor, wobei nicht nur die chlorierende,
sondern auch die oxydierende Wirkung, welch .letztere auch mit anderen chemischen
Agenzien erreicht werden kann, eine Rolle spielen.
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Das Verfahren vorliegender Erfindung beruht nun auf einer Vereinigung
eines Chlorierungsprozesses mit einem Oxydationsprozeß. Durch die gleichzeitig nebeneinanderlaufenden
Prozesse wird nicht nur der Aufschluß, sondern auch die Bleichung des Zellstoffes
in einem einzigen Arbeitsvorgang ermöglicht.
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In dem neuen Verfahren liegt ein wesentlicher Fortschritt gegenüber
dem aus der Patentschrift 388344 bekannten Verfahren, bei welchem auch mit Chlor
und Natron gearbeitet wird. Dieser Fortschritt beruht nicht nur auf der Kürze der
Dauer des Arbeitsvorganges und auf der Ersparnis von Wasser, sondern vor allen Dingen
auch darauf, daß sich das zeitraubende Auswaschen der Fasermasse und Wiederauffüllen
des Gefäßes erübrigt, wodurch eine Ersparnis an Arbeitskräften erreicht wird.
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Pflanzenfasern jeder Art,, auch stark verholzte, werden s 3 binnen
kurzer Zeit von Ligninsubstanzen und Inkrusten befreit und der Zellstoff freigelegt,
so daß z. B. Holzwolle binnen drei Stunden ohne Anwendung von Druck oder künstlicher
Erwärmung unter sparsamstem Chemikalienaufwand ein rein weißer Zellstoff, brauchbar
für Zwecke aller Art, besonders für Fein- und Druckpapiere, erhalten werden kann.
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Das neue Verfahren beruht darauf, daß beim Einleiten von Chlorgas
in eine verdünnte Natronlaugelösung von etwa o,5 Prozent in mäßigem Strom die verschiedensten
Produkte auf eine in demselben Gefäß befindliche Pflanzenfasermasse zur Einwirkung
gelangen, welche alle im Sinne einer Entfernung der Inkrusten gleichzeitig auf die
Fasern einwirken. Bei diesem Vorgang übt das frei in die Lösung eindringende Chlorgas
seine insbesondere ligninchlorierende Wirkung aus, während die Natronlauge im Sinne
der Lösung. der gebildeten Chlorierungsprodukte wirkt.
Das aus Chlor
und Natronlauge allmählich entstehende Natriumhypochlorit übt durch Sauerstoffabgabe
in statu nascendi seine oxydierende und bleichende Wirkung aus. Nach einiger Zeit
kommt dieser Vorgang insoweit zum Stillstand, als nunmehr sämtliche, vorhandene
Natronlauge in Hypochlorit umgewandelt ist und das Hypochlorit unter Bildung von
Natriumchlorid erschöpft ist, während der fortdauernde Chlorstrom seine Inkrusten
chlorierende Wirkung weiter fortsetzt.
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Läßt man diese Chlorierung weiter fortschreiten, bis ein merklicher
Überschuß von Chlor in der Lösung sich durch Geruch bemerkbar macht, und gibt dann
abermals Natronlauge in dem genannten prozentualen, Verhältnis zu, so beginnt der
Vorgang mit seiner oxydierenden, chlorierenden, lösenden und bleichenden Wirkung
von neuem, und bei der zweiten bis dritten Wiederholung ist der Vorgang so weit
fortgeschritten, daß die vorhandene Fasermasse nur noch aus Zellstoff besteht, der
gleichzeitig so weitgehend gebleicht ist, daß sich jede weitere Behandlung erübrigt.
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Diese schnell verlaufende Reaktion ist exotherm, was sich in einer
leichten Erwärmung des Reaktionsbades zu erkennen gibt. Bei - vorsichtigem Vorgehen
hält sich die Temperaturerhöhung, der im übrigen durch, Wasserabkühlung von außen
begegnet werden könnte, in so mäßigen Grenzen:, daß weder ein Angriff der Faser
bezüglich der Festigkeit noch eine über das normale Maß hinausgehende Bildung von
Hemizellulosen (Oxyzellulose usw.) zu befürchten ist.
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Das Verfahren ist auf Faserstoffe jeder Art anwendbar, wie auch z.
B. auf Torf und: Waldabfälle, insbesondere aber auch im hervorragenden Maße zum
Aufschluß von Holz.
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Die besonderen wirtschaftlichen Vorteile bestehen im Fortfall eines
Kochprozesses, in der Schnelligkeit, mit welcher der Aufschluß vor sich geht, in
der Einfachheit der Apparatur sowie auch in der Sparsamkeit im Verbrauch von Chemikalien.
Das neue Verfahren ermöglicht nicht nur den Aufschluß zu den in der Papierindustrie
benötigten Zellstoffen, sondern auch zu Gespinstfasern aus Hopfen, Nesselpflanzen
usw., sowie zu anderen Zwecken, für welche Zellstoff in der Technik Anwendung findet.
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Pflanzenfasern, welche in an sich bekannter Weise durch Hitze- oder
Frosteinwirkung auf das wasserdurchtränkte Material vorbehandelt werden, erweisen,
sich in erhöhtem Maße zugänglich, was besonders in einer Kürzung des Aufschlußvorganges
und in einem geringeren Rückstand von Astholzteilen und Splittern Ausdruck findet.
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Das neue Verfahren ist im einzelnen durch folgendes Beispiel erläutert:
5o g zerschnittene Holzwolle werden in einem Zwei-Liter-Rundkolben, indem sich o,5prozentige
Natronlauge befindet, unter kontinuierlichem Einleiten eines langsamen Chlorstromes
lebhaft gerührt, bis die Flüssigkeit keine alkalische Reaktion mehr zeigt und sich
über der Oberfläche der Flüssigkeit das Auftreten von Chlorgas bemerkbar macht.
Sobald dieser Zustand erreicht ist, wird abermals Natronlauge oder festes Natron
oder Soda in dem Maße zugegeben, daß die Flüssigkeit, auf Wasser berechnet, einer
Lauge von o,5 Prozent Gehalt entsprechen würde. Dieser Zusatz von Natronlauge oder
anderen Alkalien wird nun periodisch wiederholt, bis sich die Reaktion als beendet
zeigt, d. h.. bis in der Flüssigkeit nur noch ein dünner Brei von Zellstoffasern
vorhanden ist. Der Endzustand, bei dem im Interesse des Bleichgrades noch eine geringe
Alkalität vorhanden. sein soll, ist im allgemeinen, nach drei Stunden erreicht und
führt bei vorsichtigem Arbeiten, zu einem reinen festen Faserprodukt, das völlig
frei von Lignin und arm an Hemizellulosen ist und ohne weiteres in bekannter Weise
auf Zellstoffpappe, Papier, Spinnfaser oder andere Produkte, für welche Zellstoff
Verwendung findet, verarbeitet werden kann.
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In entsprechender Weise läßt sich bei Unterbrechung des Aufschlußvorganges
in dem Zeitpunkt, in welchem sich bereits eine weitgehende Aufspaltung in Einzelfasern
zeigt, bei manchen Pflanzenfasern, z. B. Torffasern, ein für die. Pappenfabrikation
vorzüglich geeigneter Halbstoff gewinnen.