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Verfahren zur Herstellung von Essigsäure. Der Acetaldehyd ist in den
klassischen Werken (Dictionnaire de Chiemie von W ü r t z , Bd. i, ..S. qo) als
ein leicht oxydierbarer Körper beschrieben, der unmittelbar atmosphärischen. Sauerstoff
aufzunehmen vermöge, um sich in Essigsäure zu verwandeln.
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Indessen begegnet man großen Schwierigkeiten, wenn man auf diese Weise
einigermaßen erhebliche Mengen Essigsäure .darzustellen versucht. Wenn man, z. B.
einen. Luft-oder Sauerstoffstrom durch Aldehyd gehen läßt, der sich in einem mit
Rückflußkühler versehenen Kolben befindet und auf jetwa o° C gehalten wird, so bemerkt
man. allerdings eine ziemlich schnelle Aufnahme des Sauerstoffs, aber es bildet
sich keine Essigsäure.
Man erhält eine farblose Flüssigkeit von
eigentümlichem, schwer definierbarem Geruch, die sich beim Erwärmen auf Zimmertemperatur
plötzlich unter solcher Wärmeentwicklung zersetzt, daß es gefährlich wäre, größere
Mengen davon herzustellen. Das Produkt dieser plötzlichen Zersetzung ist reine konzentrierte
Essigsäure.
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Das erste Produkt, das aus der Bindung des Sauerstoffs an den Aldehyd
hervorgeht, ist also nicht Essigsäure (s. britische Patentschrift 168d.9/13), sondern
eine noch wenig bekannte und unbeständige Verbindung, deren gesamte Eigenschaften
vermuten lassen, daß es sich um Überessigsäure handelt, die nach der Gleichung
CH, -CHO -!- 02=CH3 - C 03H gebildet wird.
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Unterwirft man sie der Einwirkung von Wärme, so dürfte sie sich nach
der Gleichung CH, # C03H - CH, - C02H+ 0 zersetzen, während bei Gegenwart
von Aldehyd die Zersetzung nach der Gleichung CH, . C031 + CH, # CHO
- 2 CH3 - C02H vor sich gehen wird.
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In beiden Fällen ist das aus der Zersetzung hervorgehende Erzeugnis
reine Essigsäure. Wie dem auch sei, so zeigt der vorstehende Versuch deutlich, wie
gefährlich jedes Verfahren ist, bei dem Aldehyd mit Luft oder Sauerstoff oxydiert
wird, wenn man nicht besondere Vorkehrungen trifft, um die Anhäufung jener unbeständigen
Produkte zu verhindern.
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Um diese gefährliche Anhäufung zu vermeiden, hat man unter anderem
vorgeschlagen, die Oxydation. in Gegenwart von gewissen Katalysatoren zu bewirken,
die die Zersetzung der Überessigsäure in dem Maße, wie sie sich bildet, hervorrufen.
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Unter diesen Katalysatoren haben sich die Mangansalze als besonders
wirksam erwiesen, (vgl. britische Patentschriften 17o16/13 und 7418/14).
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Auch ist vorgeschlagen worden (s. z. B. britische Patentschriften
17d.24./11 und 8o76/12), die Oxydation des Acetaldehyddampfes mittels Luft oder
Sauerstoff bei etwa 8o bis ioo' C in Oxydationskolonnen vorzunehmen, sei ts in Gegenwart
oder Abwesenheit von Katalysatoren. Unter diesen Umständen soll die Überessigsäure,
die sich etwa bildet, bei normalem Betriebe in den Oxydationskolonnen zersetzt werden.
Wenn man ohne Katalysator arbeitet, so kann es jedoch bei zufälliger Abkühlung der
Kolonne vorkommen, daß die Zersetzung dler Überessigsäure nicht erfolgt; die daraus
sich ergebende Anhäufung von Überessigsäure würde die Gefahr einer Explosion mit
sich bringen.
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Die Erfindung bezieht sich auf eine Vorsichtsmaßregel gegen diese
Möglichkeit bei einem derartigen Verfahren. und beruht darauf, daß man die flüssigen
Produkte, die durch die Oxydation von Aldehyddampf mit Luft oder Sauerstoff in Oxydationskolonnen
bei Abwesenheit irgendeines Katalysators entstehen, dauernd in dem Maße, wie sie
sich bilden, aus den Oxydationskolonnen in einen besonderen Erhitzer fließen läßt,
der auf einer solchen Temperatur erhalten wird, daß alle Überessigsäure, die während
der Oxydationsreaktion gebildet und in der Kolonne nicht zersetzt worden ist, in
diesem Hilfserhitzer augenblicklich zerstört wird, wodurch die .aus der Anhäufung
von Überessigsäure in der Oxydationsvorrichtung entstehende Gefahr vermieden. wird.
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Die Temperatur, bei der man arbeiten muß; um diese Zerstörung zu bewirken,
hängt von einer Reihe von Umständen, wie Druck, Gehalt der Flüssigkeit an Überessigsäure
usw., ab. In der Praxis hat sich gezeigt, daß, wenn man die Temperatur des Raumes
oder der Räume, in denen diese Zerstörung stattfinden soll, auf ioo' C erhält, man
sicher ist, daß -die Zerstörung immer vollständig erfolgt.
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Unter diesen Umständen geschieht die Oxydation des Aldehyds und seine
Umwandlung in Essigsäure vollkommen regelmäßig und ohne Gefahr.
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Es ist sehr leicht, mit Hilfe eines Dampfmantels den Hilfsbehälter,
in welchem die Zerstörung der Überessigsäure vor sich geht, auf der vorteilhaften
Temperatur von ungefähr ioo' zu erhalten; diese Temperatur von ioo' kann man übrigens
ohne Nachteil überschreiten.
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Dagegen ist es sehr schwierig, die Oxydationskolonnen auf einer bestimmten
Temperatur zu erhalten. Die Reaktion der Oxydation des Acetaldehyds in den Kolonnen
ist nämlich exothermisch; um die Erhöhung der Temperatur zu bekämpfen, muß man die
Kolonnen durch äußeren Umlauf mit Wasser kühlen, aber diese Kühlung macht sich nicht
in dem ganzen Querschnitt der Kolonnen in gleicher Weise bemerkbar, teils wegen
der verhältnismäßig großen Abmessungen der Kolonnen, teils wegen der Gegenwart der
Füllmittel. Da die Kühlung von außen nach innen stattfindet, so ist es schwierig,
eine Kühlung zu bewerkstelligen, die imstande ist, zugleich den Umfang und die mittlere
Zone der Oxydationskolonnen auf der passenden Temperatur zu erhalten. Ist die Kühlung
richtig geregelt für den Umfang, so wird sie nicht genügend sein für die Mittelzone
und umgekehrt.
Andererseits ist es von Vorteil, die Temperatur von
75° für die Oxydationskolonnen nicht zu überschreiten, denn für Temperaturen über
75° vermindert sich die Ausbeute der Essigsäure. Wenn man also die Oxydation des
Aldehyds zu Essigsäure und die Zerstörung der Überessigsäure in demselben Behälter
(den Oxydationskolonnen) herbeiführen will, so ist man vor die Wahl gestellt: i.
entweder die Temperatur der Kolonnen auf etwa ioo° zu bringen; die gebildete Überessigsäure
wird zerstört in dem Maße, wie sie sich bildet, aber die Ausbeute an Essigsäure
ist gering; -:2. oder die Temperatur auf rund 75 bis 8o° C zu bringen; die Ausbeute
an Essigsäure ist günstig, aber die gebildete Überessigsäure wird nicht .andauernd
zerstört, sie häuft sich an und gibt Anlaß zu Explosionen, die den Apparat zu zerstören.
drohen.
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Bei dem Verfahren, das den Gegenstand der Erfindung bildet, geht die
Gesamtheit der flüssigen Reaktionsprodukte .in dem Maße, wie sie sich bildet, unmittelbar
in eine Vorrichtung, wo die Überessigsäure in kleinen Mengen auf einmal sofort zersetzt
wird. Die Überessigsäure kann sich also in den, Oxydationskolonnen nicht anhäufen
und so Explosionen hervorrufen.
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Zusammenfassung: Beim: Arbeiten in zwei Phasen erzielt man folgendes:
leichteren Betrieb der Vorrichtung, -große Sicherheit des Arbeitens wegen der Sicherheit
vor Explosionen (die entstehen könnten, wenn sich eine gewisse Menge Überessigsäure
in den Kolonnen anhäufte), und bessere Ausbeute an Säure, da die Kolonnen auf eine
Temperatur gebracht werden, die für die Reaktion der Oxydation des Aldehyds in dem
gewollten Sinne die vorteilhafteste ist.
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Obgleich die Zerstörung der Überessigsäure in dem oder den Hilfserhitzern
bereits allein durch die Erhöhung der Temperatur auf ungefähr ioo° gesichert ist,
sind die Ergebnisse besser, wenn .diese Erhitzung in Gegenwart von Acetaldehyd stattfindet.
Wie nämlich weiter oben ausgeführt, zersetzt sich Überessigsäure unter der Wirkung
von Wärme allein folgendermaßen CH3 . C03H= CH3 - C02H+ O Beim Erhitzen in Gegenwart
von Acetaldebyd erhält man CH, - C03H+ CH, - CH0 = 2 CH, -
C02H Der bei der ersten Reaktion abgespaltene naszierende Sauerstoff oxydiert, wenn
er auf Acetaldehyd trifft, diesen unter Bildung von Essigsäure; in Abwesenheit von
Acetaldehyd kann !dagegen der Sauerstoff die Wirkung haben, einen Teil der Essigsäure
durch Oxydation unter Bildung von Kohlensäure und Wasser zu zerstören.
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Die beiliegende Zeichnung stellt schematisch als Beispiel eine Vorrichtung
dar, mit der das Verfahren in dauerndem Betriebe ausgeführt werden kann.
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Die punktierten Pfeile zeigen den Weg an, den der Sauerstoff nimmt.
Die Strichp.unktpfeile veranschaulichen den Weg des Aldehyds und die vollen Pfeile
den. der Essigsäure.
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Der Aldehyd, gasförmig oder flüssig, wird in die Vorrichtung durch
das Rohr A eingeführt. In dem Gefäß B trifft er auf einen Strom von Luft oder Sauerstoff,
der durch die Rohrleitung C kommt, und das so gebildete Gasgemisch geht durch das
Rohr D in .ein Zersetzungsgefäß E, wo sich, wie man später sehen wird, die ganze
in der Vorrichtung erzeugte Essigsäure sammelt. Nach dem Durchstreichen dieser Säure,
die durch den Dampfmantel F auf etwa ioo° C erhalten wird, begibt sich das @Gasgemisch
durch das weite Rohr G in die Oxydationskolonne H. Dies ist nichts anderes als ein
Rohr von mehreren Metern Länge, das mit zerkleinertem, gegen Essigsäure widerstandsfähigem
Stoff, wie Quarz, Glasscherben, Pyritabbränden u. dgl., ausgefüllt, und von einem
Mantel K umgeben ist, durch den Wasser geleitet wird. In dieser ersten Kolonne erfolgt
eine kräftige Oxydation des Aldehyds; die damit verbundene Wärmeentwicklung macht
Wasserkühlung notwendig, wenn man mit Kolonnen von .einigen Dezimetern Durchmesser
arbeitet. Die Essigsäure, die sich in dieser ersten Kolonne bildet, fließt in deml
Maße, wie @dies geschieht, in den Zersetzer E Herab und nimmt die Überessigsäure
mit, die etwa der. Zersetzung in der Kolonne H entgangen sein sollte. Diese Überessigsäure
wird, da sie in Gegenwart von Aldehyd auf ioo° gebracht wird, sofort zerstört. Bei
normalem Gange ist die Temperatur in dieser ersten Kolonne derart, daß die dort
etwa gebildete Überessigsäure auf der Stelle zerstört wird. Wie weiter oben ausgeführt,
kann die -gebildete Überessigsäure nur dann bis .in den Zersetz-er zurückfließen;
ohne zerstört zu werden, wenn die Kolonne, z. B. infolge übermäßiger Speisung mit
Aldehyd, zu kalt wird.
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Nach dem Verlassen der ersten Kolonne tritt das Gasgemisch in eine
Reihe anderer, genau gleicher Kolonnen L, L" L, ein, wo der geringe Rest von Aldehyd,
den das -Gas enthält, völlig oxydiert wird.
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Infolge der immer größer werdenden Verdünnung des Aldehyds in dem
Gasgemisch einerseits und der wegen der Verringerung des Gasv olums immer kleiner
werdenden
Geschwindigkeit des Gasgemisches in den aufeinanderfolgenden
Kolonnen anderseits nimmt die beobachtete Temperaturerhöhung von Kolonne zu Kolonne
ab; in der letzten Kolonne ist sie kaum merklich. Die Gefahr der Bildung von Überessigsäure
wird also dort größer .und größer, aber auch hier wird die in den einzelnen Kolonnen
gebildete Überessigsäure in dem Maße, wie sie sich bildet, durch die Rohre 0, P,
0, S, B, D in den Zersetzer E abgeführt, wo alle Überessigsäure, die etwa
vorhanden sein sollte, sofort zerstört wird. 31 ist ein Flüssigkeitsverschl.uß,
der das aus den Kolonnen H, L komtnende Gasgemisch zwingt, durch die Kolonnen
LI, L= und durch das Rohr 0, zu gehen, um in -den Kühler oder Verdichfer R zu gelangen.
Um jede Anhäufung von Überessig-. säure in :diesem V erschluß zu verhüten, wird
darin eine Temperatur von ioo° durch einen Dampfmantel N aufrechterhalten.. Am Ende
der fetzten Kolonne ist das Gasgemisch auf ein sehr kleines Volurn verringert, wenigstens
wenn die Vorrichtung mit Sauerstoff gespeist wird. Es enthält nur etwas Kohlensäure,
die aus einer sekundären Reaktion stammt, eine kleine Menge Aldehyd und Sauerstoff,
die nicht reagiert haben, und einige indifferente Gase. ;Das Gasgemisch geht darauf
in eine Überwachungsvorrichtung, bestehend aus einem Rückflußkühler R, der auf etwa
o° C gekühlt wird. Bei- richtigem Gange darf sich kein Afdehyd im Kühler verdichten.
Andernfalls muß man die Speisung mit Aldehyd einschränken. Der etwa in dem Kühler
verdichtete Aldehyd lehrt durch das Rohr S in den Gaskreislauf zurück.
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Die letzte Kolonne T, die wie die vorhergehende gebaut ist, hat den
Zweck, die Gasmischung, ehe sie in die Atmosphäre entlassen wird, von dem wernigen
Aldehyd zu befreien, den sie noch enthält. Hierzu wird die Kolonne ununterbrochen
reit konzentrierter Essigsäure berieselt; die von dem Behälter U geliefert wird.
Die Essigsäure, die begierig Aldehyd aufnimmt, befreit das Gasgemisch vollständig
davon. Der so wiedergewonnene Aldehyd kehrt als essigsaure Lösung durch- das Rohr
V in den allgemeinen Kreislauf zurück.
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Am Ende dieser letzten Kolonie entweicht das völlig von Aldehyd befreite
Gasgemisch durch eine Waschflasche W in die freie Luft. An dieser Flasche kann man
die Geschwindigkeit des Gasstromes feststellen, die sehr gering sein muß, wenn die
Vorrichtung mit Sauerstoff gespeist wird. Der Gasstrom besteht dann fast ausschließlich
aus Kohlensäure. Der Strom ist natürlich viel stärker, wenn man die Vorrichtung
mit atmosphärischer Luft speist, aber bei regelmäßigem Gange dürfen die entweic'hend'en
Gase nicht mehr als i Prozent Sauerstoff enthalten.
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Wie oben gezeigt wurde, sammelt sich die in den einzelnen Kolonnen
gebildete unid die von dem Waschen der Gase herrührende Essigsäure in dem Zersetzer
E und wird dort mit Aldehyd gesättigt. Um sie davon zu befreien, braucht man sie
nur durch eine Reihe von treppenförmig aufgestellten Gefäßen X, Y usw. fließen zu
lassen, die auf etwa ioo° erhitzt sind, und durch welche der die Vorrichtung speisende
Luft- oder Sauerstoffstrom hindurchperlt. Die durch den Gasstrom völlig von Aldehyd
befreite Essigsäure fließt nahezu chemisch rein durch dien ,Schwanenhals Z ab, während
der Aldehyd durch den Gasstrom in die Oxydationskolonnen zurückgeführt wird.
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Es versteht sich, daß man an dieser Vorrichtung allerlei Änderungen
treffen kann, die mit 'dien Grundgedanken ihrer Arbeitsweise vereinbar sind: insbesondere
kann man die Zahl der Oxydationskolonnen vervielfachen und zwischen j e zwei oder
mehr Kolonnen eine ergänzende Zufuhr von Aldehyd und Sauerstoff anbringen, so daß
alle Kolonnen mit derselben Stärke arbeiten. Ebenso kann man die Gefäßreihe Y, Z
usw. durch eine kleine Kolonne mit Platten ersetzen üsw.